17.12.2020
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute über einen Fall entschieden, in dem der Fahrzeugkäufer im Jahr 2015 Kenntnis davon erlangt hat, dass sein Fahrzeug vom sogenannten Dieselskandal betroffen ist, aber erst 2019 Schadensersatzklage gegen den Hersteller erhoben hat. Der BGH hat in diesem Fall Schadensersatzansprüche als verjährt angesehen (Urt. v. 17.12.2020, Az. VI ZR 739/20).
Der Kläger erwarb im April 2013 einen von der Beklagten hergestellten VW Touran, der mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 ausgestattet ist. Der Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt, und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten.
Der Kläger erlangte im Jahr 2015 nicht nur allgemein von dem damals aufgedeckten sogenannten Dieselskandal Kenntnis, sondern auch konkret davon, dass sein Fahrzeug hiervon betroffen war. Mit seiner im Jahr 2019 eingereichten Klage hat er Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht Stuttgart (Urt. v. 17.09.2019, Az. 15 O 241/19) hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Stuttgart (Urt. v. 14.04.2020, Az. 10 U 466/19) das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Revision des Klägers, mit der er sein Klageziel weiterverfolgt hat, blieb vor dem unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlung zuständigen VI. Zivilsenat des BGH ohne Erfolg. Die für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren erforderliche Kenntnis des Geschädigten von den den Anspruch begründenden Umständen ist vorhanden, wenn ihm die Erhebung einer Schadensersatzklage Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich und zumutbar ist. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger bereits 2015 Kenntnis von den tatsächlichen Umständen hatte, die einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB begründen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger 2015 von dem sogenannten Dieselskandal allgemein und von der Betroffenheit seines Dieselfahrzeugs Kenntnis. Er wusste, dass sein Fahrzeug als eines von mehreren Millionen VW-Dieselfahrzeugen mit einer Motorsteuerungssoftware ausgestattet war, die so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden, und dass das Kraftfahrtbundesamt der Beklagten deshalb eine Nachbesserung der betroffenen Fahrzeuge aufgab. Naturgemäß war dem Kläger weiter bekannt, ob er beim Kauf des Fahrzeugs die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben als selbstverständlich vorausgesetzt hatte und ob er das Fahrzeug auch gekauft hätte, wenn er von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung und den damit möglicherweise verbundenen Konsequenzen gewusst hätte. Die dem Kläger bekannten Tatsachen reichten aus, den Schluss nahe zu legen, dass der Einbau der Motorsteuerungssoftware, die nach ihrer Funktionsweise ersichtlich auf Täuschung der zuständigen Genehmigungsbehörde abzielte, auf einer am Kosten- und Gewinninteresse ausgerichteten Strategieentscheidung beruhte. Denn die Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung betraf die grundlegende strategische Frage, mit Hilfe welcher technischen Lösung die Beklagte die Einhaltung der - im Verhältnis zu dem zuvor geltenden Recht strengeren - Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm sicherstellen wollte. Sie wirkte sich auf die Produktion von mehreren Millionen Fahrzeugen aus und war mit weitreichenden Konsequenzen, nicht zuletzt enormen Risiken, verbunden. Aus denselben Gründen war es weiter naheliegend, dass eine solche Strategieentscheidung nicht etwa von einem untergeordneten Mitarbeiter im Alleingang, sondern von einem Vorstand oder einem sonstigen verfassungsmäßig berufenen Vertreter, dessen Verhalten der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen ist, getroffen oder jedenfalls gebilligt worden war.
Für die Zumutbarkeit der Klageerhebung und damit den Beginn der Verjährungsfrist bedurfte es nicht näherer Kenntnis des Klägers von den "internen Verantwortlichkeiten" im Hause der Beklagten. Insbesondere war es nicht erforderlich, die Verwirklichung des Tatbestands des § 826 BGB zuverlässig einer namentlich benannten Person im Hause der Beklagten zuzuordnen. Nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der sekundären Darlegungslast kann das Gericht in einem Fall wie dem vorliegenden vom Kläger keinen näheren Vortrag dazu verlangen, welche konkrete bei der Beklagten tätige Person das sittenwidrige Verhalten an den Tag gelegt hat.
Darauf, ob der Kläger bereits 2015 aus den ihn bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zog, insbesondere aus ihnen einen Anspruch aus § 826 BGB herleitete, kommt es nicht an. Der eng begrenzte Ausnahmefall, dass die Erhebung einer (Feststellungs-)Klage wegen unsicherer und zweifelhafter Rechtslage unzumutbar war und der Verjährungsbeginn daher hinausgeschoben wurde, liegt hier nicht vor. Ausgehend von der schon bestehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 826 BGB (insbesondere zu Sittenwidrigkeit und Schaden) sowie zur sekundären Darlegungslast war schon 2015 erkennbar, dass sich diese Rechtsprechung auf die hier vorliegende Fallkonstellation übertragen lassen würde, so dass die Rechtsverfolgung schon 2015 hinreichende Aussicht auf Erfolg versprach und zumutbar war.
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 163/2020 vom 17.12.2020
Druckansicht weniger Information16.12.2020
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die Begründung einer Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage (Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeit) erfordert, deren Veränderung die Prämienanpassung veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben (Urt. v. 16.12.2020, Az. IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19).
Der Kläger wandte sich gegen mehrere Beitragserhöhungen in den Jahren zwischen 2015 und 2017, die sein privater Krankenversicherer auf der Grundlage von § 203 Abs. 2 VVG vorgenommen hatte. Er beanstandete zuletzt nur noch die Mitteilungen über die Gründe für die Beitragserhöhungen.
Das Landgericht LG Köln (Urt. v. 29.08.2018, Az. 23 O 305/17) hat seiner Klage stattgegeben, die Unwirksamkeit der Prämienanpassungen für die Jahre 2015 und 2016 festgestellt und den beklagten Versicherer u.a. antragsgemäß zur Rückzahlung der gezahlten Erhöhungsbeträge verurteilt. Das Oberlandesgericht Köln (Urt. v. 29.10.2019, Az. 9 U 127/18) hat dies im Wesentlichen dahingehend abgeändert, dass eine Unwirksamkeit der Prämienanpassungen nur bis zum 31.12.2017 festgestellt und der beklagte Versicherer nur zur Rückzahlung der bis zu diesem Zeitpunkt auf die Prämienanpassungen für 2015 und 2016 gezahlten Erhöhungsbeträge verurteilt worden ist. Nach Auffassung des Berufungsgerichts waren die Mitteilungen der Prämienanpassungen für diese Jahre nicht mit ausreichenden Gründen versehen. Der Versicherer habe die Begründung jedoch in der Klageerwiderung nachgeholt, so dass der Mangel von diesem Zeitpunkt an geheilt gewesen sei und die Prämienanpassungen zum 01.01.2018 wirksam geworden seien.
Der Kläger wandte sich gegen mehrere Beitragserhöhungen in den Jahren zwischen 2014 und 2017, die sein privater Krankenversicherer auf der Grundlage von § 203 Abs. 2 VVG vorgenommen hatte. Er machte die formelle und materielle Unwirksamkeit der Prämienanpassungen geltend.
Seine Klage hat vor dem Amtsgericht Schöneberg (Urt. v. 26.09.2018, Az. 14 C 62/17) erfolgt. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem Landgericht Berlin (Urt. v. 07.11.2019, Az. 24 S 22/18) erfolglos. Der beklagte Versicherer ist u.a. verurteilt worden, die bis zum 15.02.2017 auf die Prämienerhöhungen für die Jahre 2014, 2015 und 2017 gezahlten Erhöhungsbeträge zurückzuzahlen. Das Berufungsgericht hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Mitteilungen über die Prämienanpassungen nicht den Mindestanforderungen aus § 203 Abs. 5 VVG genügten und die Prämienanpassungen deswegen nicht wirksam geworden seien.
Der u.a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des BGH hat in beiden Verfahren bestätigt, dass bei einer Prämienanpassung nach § 203 Abs. 2 VVG erst durch die Mitteilung einer den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügenden Begründung die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt wird. Dabei, so hat der Senat jetzt entschieden, muss angegeben werden, bei welcher Rechnungsgrundlage – Versicherungsleistungen, Sterbewahrscheinlichkeit oder beiden – eine nicht nur vorübergehende und den festgelegten Schwellenwert überschreitende Veränderung eingetreten ist und damit die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst wurde. Dagegen muss der Versicherer nicht die genaue Höhe dieser Veränderung mitteilen. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses anzugeben.
Der Gesetzeswortlaut sieht im Fall der Prämienanpassung die Angabe der "hierfür" maßgeblichen Gründe vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht. Maßgeblich, d.h. entscheidend für die Prämienanpassung ist gemäß § 203 Abs. 2 Satz 1 und 3 VVG die als nicht nur vorübergehend anzusehende Veränderung der bzw. einer der dort genannten Rechnungsgrundlagen. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderung dieser Rechnungsgrundlagen ebenso wenig entscheidend wie die Frage, ob der überschrittene Schwellenwert im Gesetz oder davon abweichend in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelt ist.
Die Gesetzesbegründung zeigt, dass der Gesetzgeber im Rahmen der VVG-Reform 2008 keine grundsätzliche Neuregelung für das Wirksamwerden einer Prämienanpassung beabsichtigte, sondern die Mitteilungspflicht nur geringfügig erweitern wollte. Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe soll dem Versicherungsnehmer zeigen, was der Anlass für die konkrete Prämienanpassung war. Sie erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat. Dagegen hat die Mitteilungspflicht nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen.
Fehlende Angaben zu den Gründen der Prämienanpassung können vom Versicherer nachgeholt werden, setzen aber erst ab Zugang die Frist für das Wirksamwerden der Prämienanpassung in Lauf und führen nicht zu einer rückwirkenden Heilung der unzureichenden Begründung. Erfolgt eine weitere, diesmal insgesamt wirksame Prämienanpassung im betreffenden Tarif, hat der Versicherungsnehmer jedenfalls ab dem Wirksamwerden dieser Anpassung die Prämie in der damit festgesetzten neuen Gesamthöhe zu zahlen.
Nach diesem Maßstab ist das Berufungsgericht im Verfahren IV ZR 294/19 rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die von der Beklagten mitgeteilten Gründe für die Prämienerhöhungen zum 1. Januar 2015 und zum 1. Januar 2016 die Voraussetzungen der erforderlichen Mitteilung nicht erfüllen. Da aber durch eine spätere, ausreichend begründete Prämienanpassung in einem der betroffenen Tarife die Prämie ab diesem Zeitpunkt wirksam neu festgesetzt worden war, hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil teilweise abgeändert.
Im Verfahren IV ZR 314/19 hat das Berufungsgericht dagegen eine der im Streit stehenden Prämienanpassungen zu Unrecht für nicht ausreichend begründet gehalten. Der Bundesgerichtshof hat daher das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit es die materielle Rechtmäßigkeit dieser Prämienanpassung prüfen kann.
Sind auch Sie in einer privaten Krankenversicherung versichert und hat Ihr Versicherer in den letzten Jahren Beitragserhöhungen nach § 203 Abs. 2 VVG vorgenommen? Wenn ja, sollten Sie umgehend prüfen, ob Ihr Versicherer die Beitragserhöhungen auch entsprechend den Entscheidungen des BGH ordnungsgemäß begründet hat. Soweit das nicht der Fall ist, können Sie die aufgrund der dann unwirksamen Beitragserhöhungen gezahlten Mehrbeträge von Ihrem Versicherer zurückfordern. Es ist aber Eile geboten, weil der Rückforderungsanspruch binnen drei Jahren zum Jahresende verjährt. Im Jahr 2017 gezahlte Beträge können Sie daher nur noch bis zum 31.12.2020 zurückfordern. Wenn Sie Rückforderungsansprüche aus dem Jahr 2017 geltend machen wollen, ist es daher notwendig, bis spätetens zum 31.12.2020 eine verjährungshemmende Maßnahme zu ergreifen, z.B. einen gerichtlichen Mahnbescheid zu beantragen. Anderfalls kann sich Ihr Versicherer auf Verjährung berufen und muss Ihnen überzahlte Beträge aus 2017 nicht mehr zurückzahlen.
Auszug aus dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
§ 203 Prämien- und Bedingungsanpassung
(1) …
(2) ¹Ist bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat. … ³Maßgebliche Rechnungsgrundlagen im Sinn der Sätze 1 und 2 sind die Versicherungsleistungen und die Sterbewahrscheinlichkeiten. …
(3) …
(4) …
(5) Die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach den Absätzen 2 und 3 werden zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 161/2020 vom 16.12.2020
Druckansicht weniger Information09.12.2020
Der BGH hat heute in zwei Verfahren entschieden, dass ein Mieter, der infolge einer Pflichtverletzung des Vermieters aus der Wohnung auszieht und keine neue Wohnung anmietet, sondern Wohnungs- oder Hauseigentum erwirbt, die zum Zwecke des Eigentumserwerbs angefallenen Maklerkosten nicht als Schadensersatz vom Vermieter ersetzt verlangen kann (Urt. v. 09.12.2020, Az. VIII ZR 238/18 und VIII ZR 371/18).
Der Kläger war Mieter einer Wohnung der Beklagten in Berlin. Ihm wurde zum 31.08.2012 wegen Eigenbedarfs gekündigt. Das Amtsgericht gab der nachfolgenden Räumungsklage statt. Während des laufenden Berufungsverfahrens erwarb der Kläger unter Einschaltung eines Maklers eine Eigentumswohnung in Berlin. Hierfür stellte ihm der Makler eine Provision in Höhe von 29.543,42 € in Rechnung. In der Berufungsinstanz schlossen die Parteien einen Räumungsvergleich, worin sich der Kläger zum Auszug bis Ende Februar 2016 verpflichtete.
Die Beklagte realisierte den in der Kündigung behaupteten Eigenbedarf nach Auszug des Klägers nicht. Mit der Behauptung, der Eigenbedarf sei nur vorgetäuscht gewesen, nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.
Das Amtsgericht Charlottenburg (Urt. v. 20.12.2017, Az. 234 C 97/17) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht Berlin (Urt. v. 18.06.2018, Az. 64 S 24/18) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger könne von der Beklagten wegen Verletzung der nachvertraglichen Treuepflicht (§ 280 Abs. 1 BGB) auch die für den Ersatzwohnungskauf angefallenen Maklerkosten verlangen. Denn die Beklagte sei nicht nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, sondern darüber hinaus bis zum Ablauf der im Vergleich vereinbarten Räumungsfrist verpflichtet gewesen, den Kläger über den nachträglichen Wegfall des Eigenbedarfs zu informieren. Zu dem hiernach erstattungsfähigen Schaden zählten auch die für die Vermittlung der Eigentumswohnung angefallenen Maklerkosten. Es könne keinen Unterschied machen, ob sich der Kläger dafür entscheide – wie hier – Eigentum zu erwerben oder (nochmals) eine Wohnung anzumieten.
In der Revisionsinstanz streiten die Parteien aufgrund der vom BGH zugelassenen Revision darüber, ob dem Kläger die für den Erwerb der Eigentumswohnung aufgewendeten Maklerkosten in Höhe von 29.543,42 € zustehen.
In diesem Verfahren begehrt der Mieter ebenfalls den Ersatz von Kündigungsfolgeschäden. Nachdem das Mietverhältnis der Parteien durch diverse Streitigkeiten bereits belastet war, kündigte der beklagte Mieter Anfang August 2013 das Mietverhältnis fristlos, unter anderem deshalb, weil der Vermieter beziehungsweise ein von diesem beauftragter Handwerker den Balkon der Mietwohnung ohne Einverständnis betreten habe. Unter Einschaltung eines Maklers erwarb der Beklagte am 24.08.2013 in der Nähe seiner von der bisherigen Mietwohnung 250 km entfernten Arbeitsstelle ein Einfamilienhaus, das im Dezember 2013 bezugsfertig wurde. Am 30.09.2013 räumte der Beklagte die Mietwohnung und bezog eine Zwischenunterkunft.
Mit seiner Widerklage nimmt der Beklagte den Kläger auf Schadensersatz in Anspruch. Er macht unter anderem die Maklerkosten für den Hauserwerb (13.030,50 €), die Umzugskosten, die Kosten der Übergangsunterkunft sowie die Kosten für den Umbau und Wiedereinbau seiner Einbauküche geltend.
Die Widerklage hat vor dem Amtsgericht Ludwigsburg (Urt. v. 11.11.2017, Az. 9 C 570/15) keinen Erfolg. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem Landgericht Stuttgart (Urt. v. 22.10.2018, Az. 4 S 64/17) ebenfalls erfolglos. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, zwar komme grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch des Beklagten aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht, weil der Mieter aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens des Vermieters zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt gewesen sei.
Zwar könnten Zweifel daran bestehen, ob die Kündigung überhaupt kausal auf die Pflichtverletzung zurückzuführen sie. Dies könne jedoch dahinstehen, weil die geltend gemachten Schäden jedenfalls nicht ersatzfähig seien. Es seien nur solche Schäden zurechenbar, die bei Anmietung einer Ersatzwohnung in der Nähe der bisherigen angefallen wären. Vorliegend habe der Beklagten jedoch Eigentum erworben und dies unter Verlagerung seines Lebensmittelpunktes. Es handele sich daher weder um vergleichbaren noch um angemessenen Ersatzwohnraum. Vielmehr habe der Beklagte anlässlich der Kündigung seine Lebensumstände so verändert, dass die in der Folge getätigten Aufwendungen nicht mehr zurechenbar auf die Pflichtverletzung des Klägers zurückzuführen seien.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat in beiden Fällen entschieden, dass die Maklerkosten, welche die jeweiligen Mieter zwecks Erwerbs einer Eigentumswohnung beziehungsweise eines Hauses zu Eigentum aufgewandt haben, keinen erstattungsfähigen Schaden darstellen.
Im Verfahren VIII ZR 371/18 hat das Berufungsgericht eine den Mieter zur fristlosen Kündigung berechtigende Pflichtverletzung rechtsfehlerfrei bejaht.
Im Verfahren VIII ZR 238/18 hingegen ist bereits eine Pflichtverletzung der Vermieterin nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Zwar handelt ein Vermieter pflichtwidrig und ist dem Mieter zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er eine Kündigung des Mietvertrags schuldhaft auf einen in Wahrheit nicht bestehenden Eigenbedarf (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) stützt oder er den Mieter nicht über einen späteren Wegfall des geltend gemachten Eigenbedarfs informiert. Diese Hinweispflicht besteht jedoch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und nicht – wie vom Berufungsgericht angenommen – bis zum Ablauf der im Vergleich vereinbarten Räumungsfrist.
Ob hiernach der Vermieterin eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, konnte im Ergebnis offenbleiben. Denn die Schadensersatzpflicht des pflichtwidrig handelnden Vermieters umfasst nicht die Maklerkosten, die einem Mieter entstehen, der von der Anmietung einer neuen Wohnung absieht und stattdessen Wohnungs- oder Hauseigentum erwirbt.
Zwar stellt der Erwerb von Eigentum an einer Wohnung beziehungsweise einem Hausanwesen vorliegend noch eine adäquat kausale Reaktion des Mieters auf eine (unterstellte) Pflichtverletzung des Vermieters dar. Denn es lag nicht außerhalb des zu erwartenden Verlaufs der Dinge, dass die Mieter den notwendigen Wohnungswechsel zum Anlass nahmen, ihre Wohnbedürfnisse künftig nicht in angemieteten, sondern eigenen Räumlichkeiten zu befriedigen und zu dessen Erwerb einen Makler einschalten.
Jedoch sind die im Zuge des Eigentumserwerbs aufgewandten Maklerkosten nicht mehr vom Schutzzweck der jeweils verletzten Vertragspflicht umfasst. Denn eine vertragliche Haftung – hier der jeweiligen Vermieter – besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Der Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit dem (verletzten) Gebrauchserhaltungsinteresse des Mieters stehen, was bezüglich der Maklerkosten nicht der Fall ist.
Denn die Mieter haben mithilfe des Maklers nicht lediglich ihren Besitzverlust (an der bisherigen Wohnung) ausgeglichen, sondern im Vergleich zu ihrer bisherigen Stellung eine hiervon zu unterscheidende (Rechts-)Stellung als Eigentümer eingenommen. Der (bisherige) Mieter unterliegt als (späterer) Eigentümer hinsichtlich der Wohnungsnutzung keinen vertraglichen Bindungen mehr. Sein Besitzrecht an der Wohnung ist nicht mehr wie zuvor ein abgeleitetes, sondern ein ihm originär zustehendes Recht, das ihm grundsätzlich eine uneingeschränkte und eigenverantwortliche Nutzungs- und Verfügungsbefugnis (§ 903 BGB) gibt.
Zudem ist dieses (Nutzungs-)Recht nicht zeitlich begrenzt. Demgegenüber gehört es zum Wesen des Mietvertrags, dass dem Mieter (lediglich) ein Anspruch auf Gebrauchsüberlassung auf Zeit zusteht. Diese zeitliche Begrenzung ist auch zu berücksichtigen, wenn es um die Bestimmung der Ersatzfähigkeit von Schäden des Mieters in Fällen wie den vorliegenden geht. Durch den Abschluss des Mietvertrags hatte der Mieter sein Interesse an der Erlangung eines zeitlich begrenzten Gebrauchsrechts gezeigt. Erwirbt er eine Wohnung beziehungsweise ein Hausanwesen zu Eigentum verfolgt er bezüglich der Deckung seines Wohnbedarfs andere Interessen als bisher.
Im Verfahren VIII ZR 371/18 hat der Bundesgerichtshof das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit geprüft werden kann, ob dem Mieter ein Anspruch auf Ersatz der weiter geltend gemachten Kündigungsfolgeschäden in Form der Umzugskosten, der Mehrkosten für die Übergangsunterkunft sowie der Kosten für den Aus- und Umbau der Einbauküche zusteht.
Im Gegensatz zu den Maklerkosten für den Eigentumserwerb stehen diese Schäden noch in dem gebotenen inneren Zusammenhang zur Vertragspflichtverletzung des Vermieters. Der Umstand, dass der Mieter sich entschließt, seinen künftigen Wohnbedarf nicht mehr mittels der Anmietung von Räumlichkeiten zu decken, sondern Eigentum zu erwerben, hat bezüglich dieser Schadenspositionen, die anders als die Maklerkosten, bereits in dem durch die Pflichtverletzung des Vermieters herbeigeführten Wohnungsverlust angelegt sind, keinen Einfluss auf die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit. Sofern daher die Pflichtverletzung für die Kündigung kausal geworden ist (was das Berufungsgericht bisher offengelassen hat), kann die grundsätzliche Ersatzfähigkeit der Kosten für den Umzug und eine Übergangsunterkunft nicht verneint werden.
Im Verfahren 238/18 hat der Senat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Entscheidung des Amtsgerichts wiederhergestellt, das die Klage wegen der für den Kauf einer Eigentumswohnung aufgewendeten Maklerkosten abgewiesen hatte.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
§ 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
(1) ¹Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. ²Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
§ 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) ¹Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. ²Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
…
§ 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters
(1) ¹Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. …
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
1. …
2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3. …
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 158/2020 vom 09.12.2020
Druckansicht weniger Information27.11.2020
Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat heute entschieden, dass ein Grundstücksnachbar von dem anderen verlangen kann, die Pferdehaltung in einem Offenstall zu unterlassen, den dieser ohne Baugenehmigung und unter Verstoß gegen das öffentlich-rechtliche Gebot der Rücksichtnahme errichtet hat (Urt. v. 27.11.2020, Az. V ZR 121/19).
Die Parteien sind Nachbarn. Die Beklagte zu 1 ist Inhaberin eines Pferdehofs. Sie errichtete ohne Baugenehmigung auf ihrem im Außenbereich gelegenen Grundstück in einer Entfernung von etwa 12 m vom Einfamilienhaus der Klägerin einen Offenstall für Pferde und stellte darin Pferde ein. Die Beklagte zu 2, deren Geschäftsführerin die Beklagte zu 1 ist, betreibt auf dem Grundstück eine Reitschule.
Die Bauaufsichtsbehörde lehnte im September 2013 die Erteilung einer Baugenehmigung ab. Die von der Beklagten zu 1 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht 2016 mit der Begründung ab, der Offenstall lasse die gebotene Rücksichtnahme auf das Wohnhaus der – dort beigeladenen – hiesigen Klägerin vermissen. Hierbei falle insbesondere ins Gewicht, dass sich der Stall unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der hiesigen Klägerin in einer Entfernung von etwa 12,5 m zu deren Ruheräumen befinde und die Boxen mit dem Auslauf zum Wohnhaus ausgerichtet seien. Das Urteil ist rechtskräftig.
Das Landgericht Halle (Urt. v. 28.09.2018, Az. 5 O 261/16) hat die Beklagten verurteilt, die Haltung von Pferden in dem Offenstall zu unterlassen. Auf deren Berufung hat das Oberlandesgericht Naumburg (Urt. v. 17.04.2019, Az. 12 U 123/18) die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2 richtet. Hinsichtlich der Beklagten zu 1 hat es die Verurteilung darauf beschränkt, dass bei der Haltung von Pferden in dem Offenstall die Immissionsrichtwerte nach der jeweils geltenden TA Lärm nicht überschritten werden dürften.
Der V. Zivilsenat des BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und das Urteil des Landgerichts im Verhältnis zur Beklagten zu 1 in der Sache wiederhergestellt. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 hat er die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Klägerin hat aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und dem öffentlich-rechtlichen Gebot der Rücksichtnahme einen Anspruch darauf, dass die Beklagte zu 1 die Haltung von Pferden in dem Offenstall auf ihrem Grundstück unterlässt. Die Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Baurechts kann einen solchen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch des Nachbarn begründen. Zu solchen Normen zählt das Gebot der Rücksichtnahme. Dass die Errichtung und die zweckgemäße Nutzung des
Offenstalls im Verhältnis zu der Klägerin gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts mit Bindungswirkung für den Zivilprozess fest. Damit stellt die Pferdehaltung in dem Stall zivilrechtlich im Verhältnis zur Klägerin einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB dar, sodass diese einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog auf Unterlassung dieser Nutzung des Stalls hat. Für das Vorliegen der für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr spricht aufgrund der bereits erfolgten rechtswidrigen Nutzung des Stalls eine tatsächliche Vermutung, die nach rechtsfehlerfreier Würdigung des Berufungsgerichts selbst dann nicht widerlegt wäre, wenn die Beklagte zu 1 seit 2016 keine Pferde mehr in den Stall eingestellt haben sollte.
Hinsichtlich der Beklagten zu 2 konnte das Urteil ebenfalls keinen Bestand haben, da die Klägerin gegen diese aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 906 BGB einen Anspruch darauf haben kann, keine Pferde in den Offenstall einzustellen. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin weder anhand des Aussehens der Pferde noch – aufgrund der Personenidentität auf Beklagtenseite – anhand der äußeren Abläufe beurteilen und darlegen oder gar beweisen kann, welche Pferde jeweils im Eigentum der Beklagten zu 1 oder der Beklagten zu 2 stehen bzw. standen, trifft die Beklagte zu 2 eine sog. sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Behauptung der Klägerin, sie (die Beklagte zu 2) habe Pferde in den Offenstall eingestellt. Dieser hat sie bislang nicht genügt. Sie wird in dem erneuten Verfahren vor dem Berufungsgericht zunächst vorzutragen haben, welche Pferde in dem von der Klägerin behaupteten Zeitraum der Nutzung des Offenstalls in ihrem Eigentum standen und wo diese untergestellt waren.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch
(1) ¹Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. ²Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
§ 906 BGB Zuführung unwägbarer Stoffe
(1) ¹Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. ²Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. ³Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.
(2) (…)
§ 823 Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) ¹Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. ²Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Quelle: Pressemitteilungen des BGH, Nr. 148/2020 vom 27.11.2020
Druckansicht weniger Information22.10.2020
Das LG Hamburg hat auf Klage des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. entschieden, dass verschiedene Klauseln in den AGB der Fuxx-Die Sparenergie GmbH unwirksam sind (LG Hamburg, Urt. v. 22.10.2020, Az. 312 0 329/19).
Der klagende Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. und der Energielieferant Fuxx-Die Sparenergie GmbH streiten um die Zulässigkeit verschiedener Klauseln in AGB für Strom- und Gaslieferungsverträgen.
Die Beklagte bietet Haushaltskunden Sonderverträge für die Belieferung mit Strom und Gas an. Der Kläger nahm die Beklagte bereits wegen mehrerer Klauseln in ihren früheren, ab 18.04.2018 gültigen AGB (nachfolgend: AGB 2018) in Anspruch, deren Verwendung das LG Hamburg der der Beklagten durch Urteil vom 09.05.2019, Az. 312 O 176/18) untersagt hat. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Beklagte änderte die entsprechenden Klauseln daraufhin und verwendete in ihren AGB 14.08.2019 (AGB 2019) neue Klauseln, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind.
Der Kläger meint, auch die neue Klausel zur Vertragsstrafe in Ziffer 1.5.2. Satz 1 der AGB 2019 verstoße gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, da kein anerkennenswertes überwiegendes Interesse des Verwenders bestehe und die Vertragsstrafe unangemessen hoch sei.
Die Teilzahlungsklausel in Ziffer 4.1 der AGB 2019 verstoße gegen § 307 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB. Die Klausel sei intransparent, da der Kunde durch das nun verwendete Wort "Teilzahlung" nicht erkennen könne, ob sich die Beklagte nur das Recht zur Erhebung von Abschlagszahlungen oder sogar zur Erhebung von Vorauszahlungen einräume. Die Beklagte sei weiterhin nicht bereit, auf Vorkasse zu verzichten, wolle diese aber nicht ehrlich als Vorkasse-Tarife deklarieren, weil die Tarife dann in den wichtigsten Internet-Vergleichsportalen (z.B. verivox.de und check24.de) mit dem dort voreingestellten Suchfilter "Keine Tarife mit Vorkasse" nicht mehr gelistet würden. Die Beklagte verschleiere deshalb ihre Vorkassepraktik durch die Verwendung des intransparenten Begriffs "Teilzahlungen". Die Klausel 4.1. sei aber auch nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da die Beklagte sich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einräume, ohne dieses hinreichend zu konkretisieren.
Die neuen Klauseln zu den Pauschalen für Mahngebühren, Rücklastschriftgebühren und für Sperrgebühren in den AGB 2019 seien nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Denn eine Schadenpauschalierungsklausel, welche die Höhe der Pauschale offenlasse, sei intransparent und unwirksam. Die Beklagte räume sich das Recht ein, für Mahnungen, Rücklastschriften. Sperrungen und Entsperrungen eine Kostenpauschale zu erheben, lege die Höhe der Pauschale aber weder in ihren AGB 2019 noch im Preisverzeichnis fest. Mit der Angabe "Kosten für strukturell vergleichbare Fälle" im Preisverzeichnis könne der Kunde nichts anfangen, weil er nicht wissen könne, wie hoch die Kosten für strukturell vergleichbare Fälle seien. Es bestehe auch kein anerkennenswerter Grund, warum die Beklagte die Höhe ihrer Pauschalen nicht mehr beziffere.
Der Kläger beantragt, | |||||||||
die Beklagte u.a. zu verurteilen, | |||||||||
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,‑ €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Abschluss von Energielieferverträgen mit Verbrauchern nachfolgend fettgedruckte oder diesen inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden oder sich bei der Abwicklung von Verträgen auf solche Klauseln zu berufen: |
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a) | Bedient sich der Kunde bei der Vertragsanbahnung und/oder beim Vertragsschluss eines Energiemaklers oder eines vergleichbaren gewerblichen Vermittlers, ohne dies mindestens in Textform vor Abgabe des Vertragsangebotes auf Abschluss eines Energieliefervertrages mit dem Lieferanten diesem gegenüber nebst namentlicher Nennung der jeweiligen Vermittlungsperson anzuzeigen, so ist der Lieferant berechtigt, vom Kunden eine Vertragsstrafe in Höhe von drei monatlichen Teilzahlungen zu verlangen. [Dies gilt nicht, wenn es sich bei dem vom Kunden eingesetzten Energiemakler oder vergleichbaren gewerblichen Vermittler um ein Internetvergleichsportal handelt, bei dem der Lieferant gelistet ist. Ansprüche des Lieferanten auf Schadensersatz bleiben hiervon unberührt. Ansprüche aus der Vertragsstrafe sind jedoch in voller Höhe auf Schadensersatzansprüche anzurechnen.] |
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b) | Der Lieferant wird unter Berücksichtigung der vereinbarten Preise und des Verbrauchs des vorhergehenden Abrechnungszeitraums oder des durchschnittlichen Verbrauchs vergleichbarer Kunden monatliche Teilzahlungen verlangen. Der Lieferant wird die Höhe der Teilzahlungen so festlegen, dass am Ende eines Abrechnungszeitraumes eine möglichst geringe Ausgleichszahlung erfolgen wird. Die Festlegung erfolgt nach billigem Ermessen (§ 315 BGB). Macht der Kunde glaubhaft, dass sein Verbrauch erheblich geringer ist, so ist dies angemessen zu berücksichtigen. Die erste Teilzahlung wird nicht vor Beginn der Belieferung fällig. |
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c) |
Bei Zahlungsverzug kann der Lieferant, wenn er erneut zur Zahlung auffordert, die dadurch entstandenen Kosten für strukturell vergleichbare Fälle pauschal berechnen. [Auf Verlangen des Kunden hat der Lieferant die Kalkulationsgrundlage darzulegen. Dem Kunden bleibt der Nachweis gestattet, dem Lieferanten seien die entstandenen Kosten überhaupt nicht oder wesentlich geringer entstanden als die angesetzte Pauschale. Der Lieferant kann zudem einen Dritten mit der Geltendmachung der Forderung für den Kunden kostenpflichtig beauftragen.] |
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d) |
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e) |
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f) | [Die Kosten der Unterbrechung sowie der Wiederherstellung der Belieferung sind vom Kunden zu ersetzen.] Die Kosten des Lieferanten werden dem Kunden pauschal für strukturell vergleichbare Fälle [zuzüglich der tatsächlich entstandenen Fremdkosten] in Rechnung gestellt. [Auf Verlangen des Kunden hat der Lieferant die Kalkulationsgrundlage darzulegen. Dem Kunden bleibt der Nachweis gestattet, dem Lieferanten seien die entstandenen Kosten überhaupt nicht oder wesentlich geringer entstanden als die angesetzte Pauschale.] Gleiches gilt für die tatsächlich entstandenen Fremdkosten. [Die Belieferung wird wiederhergestellt, wenn die Gründe für die Unterbrechung entfallen und die Kosten der Unterbrechung und Wiederherstellung bezahlt sind.] |
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g) |
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Die Beklagte meint, dass die Klage bereits unzulässig sei, da in keiner Weise aus dem Antrag ersichtlich oder der Vollstreckung zugänglich sei, welche einzelnen Passagen aus den AGB 2019 der Kläger nunmehr untersagt haben wolle. Die Klage sei auch unbegründet, weil die Beklagte die Vorgaben aus dem vorangegangenen Urteil im Verfahren 312 O 176/18 in Gänze umgesetzt habe. Der Streitgegenstand habe sich somit erledigt.
Das LG Hamburg entschied in erster Instanz. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Fuxx-Die Sparenergie GmbH kann noch Berufung zum OLG Hamburg einlegen.
Die Anträge sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht unbestimmt, da sich das beantragte Verbot ausdrücklich nur auf die fettgedruckten Bestimmungen in den zitierten AGB 2019 bezieht. Dabei hat der Kläger zu Recht die angegriffenen Klauseln jeweils vollständig wiedergegeben. Denn nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG muss der Antrag die beanstandete Klausel im Wortlaut enthalten. Eine Klausel In Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann daher nur in der vom Anspruchsgegner verwendeten Fassung Gegenstand einer Unterlassungsklage sein. Eine teilbare Klausel Ist zum besseren Verständnis zwar ebenfalls im vollen Wortlaut wiederzugeben, jedoch ist der Antrag auf den unwirksamen Teil zu beschränken, da andernfalls die Klage teilweise unbegrtlndet ist (BGH, Urteil vom 4.12.2013 - IV ZR 215/12 -, BGHZ 199, 170-190, Rn. 17). Eine derartige Beschränkung hat der Kläger im Streitfall durch die Bezugnahme auf die fettgedruckten Passagen vorgenommen. Durch die Korrektur in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger außerdem klargestellt, dass es sich bei jedem Buchstaben im Klageantrag zu Ziffer 1. um eine Klausel handelt.
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu.
1.
Die AktIvlegitimation des Klägers folgt aus § 3 Abs. 1 S. 1 Nr.1 UKlaG.
2.
Bzgl. der Vertragsstrafeklausel 1.5.2. in den AGB 2019 steht dem Kläger ein Unterlassungsanspruch nach §§ 1 UKlaG, 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu.
Vertragsstrafeklauseln in AGB stellen in der Regel eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB dar, weil sie dem Kunden erhebliche Nachteile aufbürden, ohne durch ein überwiegendes Interesse des Verwenders gerechtfertigt zu sein (Palandt-Grüneberg, BGB, 77. Auflage, § 309 Rn. 33).
Vorliegend ist ein überwiegendes Interesse der Beklagten an der Vertragsstrafeklausel weder vorgetragen noch erkennbar.
3.
Die Teilzahlungsklausel in Ziffer 4.1 der AGB 2019 verstößt gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.
Der Begriff "Teilzahlungen" ist intransparent, da die Kunden ihm nicht entnehmen können, ob es sich um Abschlagszahlungen oder Vorauszahlungen handelt.
Bei Abschlägen handelt es sich um einen in der Rechtssprache seit jeher gebräuchlichen und in Abgrenzung zu Vorauszahlungen verwendeten Begriff, durch den bereits erbrachte, Leistungen vergütet zu werden pflegen, bei denen die genaue Vergütungshöhe mangels Abrechnung oder Abrechenbarkeit noch nicht feststeht (BGH, Urteil vom 19. November 2014 - VIII ZR 79/14 -, Rn. 43, juris). Die Unterscheidung zwischen Vorauszahlungen und Abschlagszahlungen erfolgt somit, wie sich aus §§ 13/14 StromGVV/GasGVV ergibt, dadurch, ob die Zahlung sich auf eine Lieferperiode bezieht, die dem Fälligkeitszeitpunkt nachfolgt (dann Vorauszahlung) oder vorausgeht (dann Abschlagszahlung) (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.12.2014 - 1-20 U 136/14 -, Rn. 39, juris).
Durch Verwendung des im vorliegenden Kontext unklaren Begriffs "TeilzahlungEm" hält sich die Beklagte die Möglichkeit offen, von den Kunden Vorauszahlungen zu verlangen. Ob es sich um Vorauszahlungen oder Abschlagszahlungen handelt, ist für die Kunden auch von Relevanz und wird von Vergleichsportalen berücksichtigt.
Die Verwendung des unzulässigen Begriffs n Teilzahlungen" hat zur Folge, dass die Klausel 4.1. insgesamt unwirksam ist. Verstößt eine Formularbestimmung gegen ein Klauselverbot, so kann sie nur unter der Voraussetzung teilweise aufrechterhalten bleiben, dass sie sich nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt (BGH, Urteil vom 15.11.2006 - VIII ZR 3/08 -, Rn. 21, juris). Dies ist vorliegend bei Weglassen des Begriffs "Teilzahlungen" in Ziffer 4.1. nicht möglich, da alle Sätze den Begriff "Teilzahlungen" enthalten oder auf ihn bezogen sind. Ohne diesen Begriff ergibt die Klausel keinen Sinn. Somit kann dahinstehen, ob die Klausel 4.1. auch aus den weiteren vom Kläger geltend gemachten. Gründen unwirksam ist.
4.
Die angegriffenen Klauseln in den AGB 2019, in denen für Mahngebühren, Rücklastschriftgebühren sowie, Kosten für Sperren und Entsperren die Kosten für strukturell vergleichbare Fälle angesetzt werden, verstoßen gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
Zunächst ist festzustellen, dass die von der Beklagten gewählte Formulierung "Kosten für strukturell vergleichbare Fälle" dem Wortlaut von § 17 Abs. 2 S. 2 StromGVV/GasGVV (Pauschale bei Zahlungsverzug) und § 19 Abs. 4 S. 2 StromGVV/GasGVV (Pauschale bei Unterbrechung und Wiederherstellung der Versorgung) entspricht, die für Grundversorgungskunden unmittelbar anwendbar sind. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass Klauseln mit derartigen Formulierungen mit § 307 BGB im Einklang stehen. Denn vorliegend hat die Beklagte nicht die gesamte Regelung von § 17 Abs. 2 und § 19 Abs. 4 StromGVV/GasGVV zur Pauschalierung übernommen, sondern nur Teile davon. Insbesondere fehlt der Satz "Die Pauschale darf die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten nicht übersteigen". Der fehlende Hinweis auf diese Obergrenze bedeutet einen erheblichen Nachteil für die Kunden. Denn für die Kunden wird der Eindruck erweckt, doss die Schadenspauschale höher sein darf als die Kosten, die nach dem gewöhnlichen Vorlauf der Dinge zu erwarten sind. Verstärkt wird diese Benachteiligung der Kunden – wie im Streitfall – bei einem fehlenden Hinweis auf die Einfachheit und Nachvollziehbarkeit der Pauschalierung (OLG Hamm, Urteil vom 9.12.2011 - 1-19 U 38/11 -, Rn. 132, juris). Dabei liegt auch gegenüber Sonderkunden, für welche die StromGVV und GasGVV nicht gelten, ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB vor. Auch wenn bei der Frage, ob ein Vorstoß gegen die Vorschriften der Stromgrundversorgungsordnung zugleich einen Verstoß gegen § 307 BGB darstellt, auf die Besonderheiten des Einzelfalls und auf die jeweilige Vorschrift abzustellen ist, da der Stromgrundversorgungsverordnung nicht pauschal eine Leitbildfunktion zukommt, trifft dies auf §§ 17 Abs. 2, 19 Abs. 4 StromGVV zu. Diese enthalten in einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Versorgers, im Massen geschäft auf einen aufwendigen Schadensnachweis verzichten zu wollen, und den Interessen des Kunden, dem gleichwohl der Nachweis offen bleiben soll, dass· dem Versorger kein bzw. ein wesentlich geringerer Schaden entstanden ist. Zudem werden durch die Begrenzung der Schadenspauschale auf die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten sowie durch, die Anforderung, dass die Berechnung einfach und nachvollziehbar sein muss, die sich durch die Pauschalierung für den Kunden ergebenden Nachteile auf ein angemessenes Maß reduziert. Diese Wertentscheidung des Verordnungsgebers ist auch Im Verhältnis zu Sonderkunden zu berücksichtigen (OLG Hamm, a.a.O., Rn. 134, 140). Die vorgenannten Erwägungen gelten aufgrund der gleichen Interessenlage auch für die Pauschalierung der Rücklastschriftgebühren.
Mit dem Urteil des Landgerichts Hamburg liegt nun erneut eine Entscheidung vor, durch die klargestellt wird, dass Abschlagszahlungen entgegen einer vor allem bei sog. "Discount-Anbieter" verbreiteten Praxis nicht vor dem Ende der jeweiligen Lieferperiode fällig gestellt werden dürfen, für die sie erhoben werden (vgl. dazu schon Urt. v. 14.01.2020, Az. 31 O 151/18. Bei monatlichen Abschlagszahlungen darf der erste Abschlag daher frühestens am ersten Tag des zweiten Liefermonats fällig werden. Außerdem darf die Höhe monatlicher Abschlagszahlungen 1/12 der vorausichtlichen Jahreskosten des Energieliefervertrages nicht übersteigen. Bei einer früheren Fälligkeit oder höheren Beträgen werden die "Abschlagszahlungen" teilweise zu (verdeckten) "Vorauszahlungen". Dies ist bei einem Tarifen, der als Tarif "ohne Vorauszahlungen" verkauft wurde, unzulässig.
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Quelle: Entscheidungsabdruck
Druckansicht weniger Information08.10.2020
Der unter anderem für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Kurklinik, die einen Schadensersatzanspruch für den Fall vorsieht, dass die Patientin einer Mutter-Kind-Kur diese vorzeitig abbricht, unwirksam ist (Urt. v. 08.10.2020, Az. III ZR 80/20).
Die Beklagte ist Mutter von vier minderjährigen Kindern. Ihre gesetzliche Krankenversicherung bewilligte eine dreiwöchige medizinische Vorsorgemaßnahme in Form einer Mutter-Kind-Kur. Die Beklagte erhielt ein Einladungsschreiben der von der Klägerin betriebenen Klinik, dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen beigefügt waren. Deren Nummer 5.4 lautet wie folgt:
"Vorzeitige Abreise (Kündigung), Schadensersatz
5.4.1 Tritt die Patientin, ohne medizinisch nachgewiesene Notwendigkeit, die Abreise vor Beendigung der Maßnahme an, so kann der Einrichtungsträger Ersatz für den erlittenen Schaden verlangen. Der Ersatzanspruch ist unter Berücksichtigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und möglichen anderweitigen Verwendungen pauschaliert und beträgt 80 % des Tagessatzes für jeden vorzeitig abgereisten Tag. Es bleibt der Patientin unbenommen, den Nachweis zu führen, dass kein oder ein geringerer Schaden entstanden ist.
5.4.2 Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB bleibt hiervon unberührt."
Die Beklagte bestätigte durch ihre Unterschrift, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin erhalten zu haben und diese anzuerkennen. Beigefügte Fragebögen zur Vorbereitung der Therapie füllte sie aus und sandte sie – zusammen mit dem unterschriebenen Exemplar der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – an die Klägerin zurück.
Die Beklagte trat die bis zum 21. März 2018 vorgesehene Kur am 28. Februar 2018 zusammen mit ihren vier Kindern an, brach sie jedoch zehn Tage vor dem regulären Ende aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind, vorzeitig ab. Die Klägerin nahm die Beklagte daraufhin auf Schadensersatz in Höhe von 3.011,20 € in Anspruch.
Das Amtsgericht Strausberg (Urt. v. 16.04.2019, Az. 10 C 17/19) hat die auf Zahlung des vorgenannten Betrags nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat vor dem LG Frankfurt (Oder) (Urt. v. 01.04.2020, Az. 16 S 249/19) keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihre Klageanträge weiter.
Der III. Zivilsenat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die verlangte Zahlung. Die Beklagte konnte die Kur durch konkludente Kündigung gemäß § 627 Abs. 1 BGB auch ohne besonderen Grund vorzeitig beenden, so dass die Klägerin nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB nur Anspruch auf Vergütung der bis zum Abbruch erbrachten Leistungen hat.
Zwischen der Klägerin und der Beklagten war ein Vertrag über die Durchführung einer Mutter-Kind-Kur (§ 24 Abs. 1 SGB V) zustande gekommen, der jedenfalls nach seinem inhaltlichen Schwerpunkt als Behandlungsvertrag im Sinne des § 630a BGB und damit als besonderes Dienstverhältnis zu qualifizieren ist. Dieses unterliegt dem jederzeitigen Kündigungsrecht der Patientin, da die von der Klinik geschuldeten Leistungen im Sinne des § 627 Abs. 1 BGB Dienste höherer Art sind, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.
Die von § 627 Abs. 1, § 628 Abs. 1 BGB abweichende Nummer 5.4.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist unwirksam, weil sie gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung – dem "freien" und sanktionslosen Kündigungsrecht bei Diensten höherer Art, die auf besonderem Vertrauen beruhen – nicht zu vereinbaren ist. Überdies ist sie mit dem Grundgedanken des § 280 Abs. 1 BGB unvereinbar, nach dem vertragliche Schadensersatzansprüche eine zu vertretende Pflichtverletzung des Schuldners – hier der Patientin – voraussetzen. Eine Einschränkung auf diese Fälle sieht die Klausel aber nicht vor.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
§ 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
(1) ¹Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. ²Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
§ 627 Fristlose Kündigung bei Vertrauensstellung
(1) Bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 ist, ist die Kündigung auch ohne die in § 626 bezeichnete Voraussetzung zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.
§ 628 Teilvergütung und Schadensersatz bei fristloser Kündigung
(1) ¹Wird nach dem Beginn der Dienstleistung das Dienstverhältnis auf Grund des § 626 oder des § 627 gekündigt, so kann der Verpflichtete einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. ²Kündigt er, ohne durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles dazu veranlasst zu sein, oder veranlasst er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teiles, so steht ihm ein Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben. 3Ist die Vergütung für eine spätere Zeit im Voraus entrichtet, so hat der Verpflichtete sie nach Maßgabe des § 346 oder, wenn die Kündigung wegen eines Umstands erfolgt, den er nicht zu vertreten hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten.
§ 630a Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag
(1) Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist.
Auszug aus dem Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB V)
§ 24 Medizinische Vorsorge für Mütter und Väter
(1) ¹Versicherte haben unter den in § 23 Abs. 1 genannten Voraussetzungen Anspruch auf aus medizinischen Gründen erforderliche Vorsorgeleistungen in einer Einrichtung des Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung; die Leistung kann in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme erbracht werden. ²Satz 1 gilt auch für Vater-Kind-Maßnahmen in dafür geeigneten Einrichtungen. ³Vorsorgeleistungen nach den Sätzen 1 und 2 werden in Einrichtungen erbracht, mit denen ein Versorgungsvertrag nach § 111a besteht. &sup4;§ 23 Abs. 4 Satz 1 gilt nicht; § 23 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.
Quelle: Pressemitteilungen des BGH, Nr. 127/2020 vom 08.10.2020
Druckansicht weniger Information02.10.2020
Das LG Kiel hatte auf Antrag des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. durch Beschluss vom 31.07.2020 entschieden, dass die Mobilcom-Debitel GmbH wegen Verstoßes gegen ein Unterlassungsurteil (Unterlassung der Erhebung von Mahnpauschalen von 5,95 € und Rücklastschriftpauschalen von 4,59 €) ein Ordnungsgeld i.H.v. 100.000 € an die Staatskasse zahlen muss. Das OLG Schleswig hat die gegen die Entscheidung gerichtete Beschwerde der Mobilcom-Debitel GmbH nun zurückgewiesen. Damit ist die Ordnungsgeldfestsetzung rechtskräftig (OLG Schleswig, Beschl. v. 02.10.2020, Az. 16 W 77/20).
Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. begehrte die Festsetzung eines Zwangsmittels nach § 890 ZPO* gegen die Mobilcom-Debitel GmbH wegen Verstoßes gegen ein Unterlassungsurteil.
Auf Klage des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. untersagte das Landgericht Kiel der Mobilcom-Debitel GmbH durch Urteil vom 19.03.2018, Az. 6 O 351/15, von Verbrauchern Mahnpauschalen von 5,95 € oder höher und Rücklastschriftpauschalen von 4,59 € oder höher zu verlangen, weil diese Beträge die gewöhnlichen Mahnkosten bzw. den gewöhnlichen Rücklastschriftschaden der Mobilcom-Debitel GmbH übersteigen. Außerdem untersagte das Gericht dem Unternehmen, für Rücklastschriften Beträge zu verlangen, in die Refinanzierungskosten, Personalkosten oder sonstige allgemeine Verwaltungsaufwände einberechnet sind, da diese Kosten nach der Rechtsprechung nicht als Rücklastschriftschaden ersatzfähig sind. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht bestätigte das Urteil des Landgerichts im Berufungsverfahren durch Urteil vom 07.02.2019, Az. 2 U 5/18, und erklärte das erstinstanzliche Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar. Die Mobilcom-Debitel GmbH legte gegen das Berufungsurteil Nichtzulassungsbeschwerde ein, die der BGH mit Beschluss vom 31.10.2019 zurückwies.
Mit seinem Antrag auf Festsetzung eines Zwangsmittels vom 15.01.2020 hat der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. (Gläubiger) vor dem LG Kiel geltend gemacht, dass die Mobilcom-Debitel GmbH (Schulderin) die Erhebung der Pauschalen auch nach Verkündung des vorläufig vollstreckbaren Berufungsurteils am 07.02.2019 fortgesetzt habe. Er hat sich auf neun konkrete Fälle berufen, in denen die Schulderin ihren Kunden nach dem 07.02.2019 noch die überhöhten Pauschalen in Rechnung gestellt haben soll.
Die Schulderin hat die Inrechungstellung der Pauschalen nicht bestritten. Sie hat jedoch die Auffassung vertreten, dass der Ordnungsmittelantrag unbegründet sei, weil zum Zeitpunkt der geltend gemachten Zuwiderhandlungen die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen bezüglich des Urteils des LG Kiel vom 19.03.2018 noch nicht vorgelegen hätten. Vor dem Hintergrund der Risikoverteilung des § 717 Abs. 2 ZPO sei es unzulässig, die Vollstreckung nach Rechtskraft des Unterlassungstenors für solche Zuwiderhandlungen zu betreiben, die noch zu einer Zeit erfolgten, in der der Titel noch nicht rechtskräftig vollstreckbar gewesen sei.
Der Antrag war für dem LG Kiel erfolgreich. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 31.07.2020 ein Ordnungsgeld von 100.000 € gegen die Schulderin festgesetzt. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Schulderin unter Aufrechterhaltung ihrer erstinstanzlich vorgetragenen Einwände die Aufhebung der Ordnungsmittelfestsetzung.
Das OLG Schleswig hat die Beschwerde der Schulderin zurückgewiesen. zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die Schuldnerin schuldhaft gegen die durch das Urteil des Landgerichts Kiel vom 19.03.2018, in der Fassung des Urteils des OLG Schleswig vom 02.02.2019 auferlegte Verpflichtung verstoßen hat.
Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung sind erfüllt. Das OLG Schleswig hat mit seinem Urteil vom 07.02.2019 das landgerichtliche Urteil vom 19.03.2018 ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das Urteil des Landgerichts war der Schuldnerin bereits am 20.03.2018 zugestellt und ist am 04.02.2020 mit der Vollstreckungsklausel versehen worden.
Ordnungsmittel durften auch bereits wegen der ersten beanstandeten Rechnungsversendung am 18.04.2019 an ihren Kunden A. verhängt werden. Zu diesem Zeitpunkt – nämlich schon seit der Verkündung des Berufungsurteils am 19.03.2018 war das zu vollstreckende Urteil – wenn auch nur vorläufig – bereits unbedingt vollstreckbar, so dass die Schuldnerin zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen gehalten war, das Unterlassungsgebot zu erfüllen. Dass die Vollstreckungsklausel erst nach den geltend gemachten Zuwiderhandlungen erteilt wurde, ist unerheblich. Ausreichend ist, dass die Klausel bei Verhängung des Ordnungsmittels vorliegt.
Der Gläubiger war ferner nicht gehalten, seine Absicht, die Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungstitel betreiben zu wollen, gegenüber der Schuldnerin nach der Verkündung des Berufungsurteils anzuzeigen. Entgegen der Annahme der Schuldnerin gebietet dies der Zweck von § 717 Abs. 2 ZPO nicht. Die Schuldnerin war verpflichtet, das mit der Vollstreckungsandrohung verbundene tenorierte Unterlassungsgebot ab dem Zeitpunkt zu befolgen, ab dem eine Zwangsvollstreckung bedingungsgemäß möglich gewesen wäre (also Erbringung der Sicherheitsleistung) oder aber wie vorliegend bedingungslos möglich wurde (nämlich mit Verkündung des Berufungsurteils). Wenn ihr durch eine Änderung ihres Verhaltens entsprechend der Unterlassungsgebots Aufwendungen oder Nachteile entstanden wären und das Unterlassungsgebot sodann aufgehoben, die Entscheidung mithin nicht rechtskräftig geworden wäre, hätte der Gläubiger gemäß § 717 Abs. 2 ZPO gehaftet. Anders als in den Fällen, in denen die Vollstreckung eines lediglich gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urteils erfolgt, ist der Vollstreckungsdruck vorliegend mit der Verkündung des die Berufung hinsichtlich des Unterlassungsgebots zurückweisenden Urteils entstanden, ohne dass die Schuldnerin ausdrücklich darauf hätte hingewiesen werden müssen, dass der Gläubiger das Unterlassungsgebot auch schon vor Rechtskraft der Entscheidung im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen gedenkt.
Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100.000 € ist im Hinblick auf Art, Umfang und Dauer des Verstoßes sowie den Verschuldensgrad und den von der Schuldnerin aus der Verletzungshandlung erzielten Vorteil unter Berücksichtigung der Gefährlichkeit der begangenen und möglichen zukünftigen Verletzungshandlungen für den Verletzten gerechtfertigt. Die Annahme eines Ordnungsgeldes von 12.500 € je Verstoß ist angemessen, so dass der Senat auf die zutreffenden alle wesentlichen Aspekte würdigenden Ausführungen des Landgerichts Bezug nimmt. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen in der Beschwerdebegründung greifen nicht durch. Im Hinblick auf die unstreitige erhebliche Anzahl von monatlichen von der Schuldnerin zu bearbeitender Rücklastschriften, die seinerzeitige Ausgestaltung der pauschalen Inanspruchnahme ihrer Kunden für Kosten von Rücklastschriften und Mahnkosten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Preislisten der Schuldnerin und die Häufung von Zuwiderhandlungen gegenüber lediglich zwei Kunden in einem Zeitraum von nur sieben Monaten machen die Annahme eines Organisationsverschuldens durch das Landgericht ohne weiteres plausibel, so dass die entsprechende Feststellung nicht zu beanstanden ist. Zu Recht hat das Landgericht auch das in der Vergangenheit wegen zwei ähnlich gelagerter Geschäftspraktiken – was die Schuldnerin auch gar nicht in Abrede stellt – bereits gegen die Schuldnerin verhängte Ordnungsgeld in seine Erwägungen zur Ordnungsgeldbemessung einbezogen und angenommen, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass ein niedrigeres Ordnungsgeld für die Schuldnerin überhaupt spürbar wäre und einen Anreiz biete, bei etwaigen parallel gelagerten Fällen Abhilfe zu schaffen. Die Rückzahlung der ihren Kunden von der Schuldnerin zu Unrecht in Rechnung gestellten Beträge hat das Landrecht bereits ausreichend berücksichtigt. Ein niedrigeres Ordnungsgeld je Verstoß wäre nicht angemessen gewesen.
Auszug aus der Zivilprozessordnung (ZPO)
* § 890 Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen
(1) ¹Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. ²Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250 000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.
(2) …
Quelle: Entscheidungsabdruck
Druckansicht weniger Information31.07.2020
Das LG Kiel hat auf Antrag des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. entschieden, dass die Mobilcom-Debitel GmbH wegen Verstoßes gegen ein Unterlassungsurteil ein Ordnungsgeld i.H.v. 100.000 € an die Staatskasse zahlen muss. Das Gericht hatte die Mobilcom-Debitel GmbH im Jahre 2018 verurteilt, es zu unterlassen, von Verbrauchern Mahnpauschalen von 5,95 € oder höher und Rücklastschriftpauschalen von 4,59 € oder höher zu verlangen. Daran hat sich das Unternehmen nicht gehalten (LG Kiel, Beschl. v. 31.07.2020, Az. 6 O 351/15).
Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. begehrt die Festsetzung eines Zwangsmittels nach § 890 ZPO* gegen die Mobilcom-Debitel GmbH wegen Verstoßes gegen ein Unterlassungsurteil.
Auf Klage des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. untersagte das Landgericht Kiel der Mobilcom-Debitel GmbH durch Urteil vom 19.03.2018, Az. 6 O 351/15, von Verbrauchern Mahnpauschalen von 5,95 € oder höher und Rücklastschriftpauschalen von 4,59 € oder höher zu verlangen, weil diese Beträge die gewöhnlichen Mahnkosten bzw. den gewöhnlichen Rücklastschriftschaden der Mobilcom-Debitel GmbH übersteigen. Außerdem untersagte das Gericht dem Unternehmen, für Rücklastschriften Beträge zu verlangen, in die Refinanzierungskosten, Personalkosten oder sonstige allgemeine Verwaltungsaufwände einberechnet sind, da diese Kosten nach der Rechtsprechung nicht als Rücklastschriftschaden ersatzfähig sind. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht bestätigte das Urteil des Landgerichts im Berufungsverfahren durch Urteil vom 07.02.2019, Az. 2 U 5/18, und erklärte das erstinstanzliche Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar. Die Mobilcom-Debitel GmbH legte gegen das Berufungsurteil Nichtzulassungsbeschwerde ein, die der BGH mit Beschluss vom 31.10.2019 zurückwies.
Mit seinem Antrag auf Festsetzung eines Zwangsmittels vom 15.01.2020 macht der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. geltend, dass die Mobilcom-Debitel GmbH die Erhebung der Pauschalen auch nach Verkündung des vorläufig vollstreckbaren Berufungsurteils am 07.02.2019 fortgesetzt habe. Er beruft sich auf neun konkrete Fälle, in denen die Mobilcom-Debitel GmbH ihren Kunden nach dem 07.02.2019 noch die überhöhten Pauschalen in Rechnung gestellt habe.
Die Mobilcom-Debitel GmbH bestreitet die Inrechungstellung der Pauschalen nicht. Sie meint aber, der Ordnungsmittelantrag sei unbegründet, da zum Zeitpunkt der geltend gemachten Zuwiderhandlungen die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen bezüglich des Urteils des LG Kiel vom 19.03.2018 noch nicht vorgelegen haben. Vor dem Hintergrund der Risikoverteilung des § 717 Abs. 2 ZPO sei es unzulässig, die Vollstreckung nach Rechtskraft des Unterlassungstenors für solche Zuwiderhandlungen zu betreiben, die noch zu einer Zeit erfolgten, in der der Titel noch nicht rechtskräftig vollstreckbar gewesen sei.
Das LG Kiel entschied in erster Instanz. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Mobilcom-Debitel GmbH kann noch Beschwerde zum OLG Schleswig einlegen.
Das LG Kiel hat entschieden, dass ein Ordnungsgeld i.H.v. 100.000 € gegen die Mobilcom-Debitel GmbH zu verhängen ist, da sie durch das Abrechnen von Pauschalbeträgen i.H.v. 5,95 € als Mahngebühren und die systematische Berücksichtigung unzulässiger Beträge
bei der Berechnung der Rücklastschriftgebühren gegen das Urteil des LG Kiel vom 19.03.2018 in der Fassung des Berufungsurteils vom
07.02.2019 verstoßen hat.
Das Urteil vom 19.03.2018 war zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zuwiderhandlungen – der früheste vorgelegte Rechnung stammt aus April 2019 – ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Da mit der Verkündung des Berufungsurteils ein ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbarer Titel vorlag, musste sich die Schuldnerin ab diesem Zeitpunkt und nicht erst ab Rechtskraft an das Unterlassungsgebot halten. Es besteht keine weitergehende allgemeine Voraussetzung der Zwangsvollstreckung desjenigen Inhalts, dass der Gläubiger seine Absicht zur tatsächlichen Vollstreckung gegenüber dem Schuldner kundtun muss.
Der Tatsachenvortrag hinsichtlich der Zuwiderhandlungen selbst ist unstreitig. Daraus ergibt sich zunächst, dass die Schuldnerin in neun Fällen gegen das Urteil verstoßen hat.
Die Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungstenor erfolgten auch schuldhaft. Trifft die
Schuldnerin nicht alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen, um Zuwiderhandlungen
durch Angestellte und Beauftragte zu verhindern, trifft sie ein eigenes Organisationsverschulden
hinsichtlich derjenigen Verstöße, die durch derartige Maßnahmen verhindert worden
wären. Das vom Gläubiger behauptete Verschulden der Schuldnerin blieb unbestritten.
Im Übrigen trifft die Schuldnerin jedenfalls eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich etwaig ergriffener Maßnahmen. Dieser ist sie nicht nachgekommen.
Im Hinblick auf die Zuwiderhandlung der Schuldnerin gegen das Unterlassungsgebot ist die
Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von insgesamt 100.000 € angemessen.
Bei der Festsetzung eines Ordnungsmittels sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des
Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung
und die Gefährlichkeit der begangenen und möglichen zukünftigen Verletzungshandlungen
für den Verletzten zu berücksichtigen. Eine Titelverletzung soll sich für den Schuldner nicht
lohnen. Insoweit erfordert der Zweck des Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO grundsätzlich
die Festsetzung empfindlich hoher Beträge.
Dies entspricht sowohl der Funktion des Ordnungsmittels als zivilrechtlicher Beugemaßnahme
zur Vermeidung künftiger Zuwiderhandlungen als auch dessen repressivem, strafähnlichen
Sanktionscharakter.
Dies zugrunde gelegt, ist ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.000 € angemessen.
Dabei war von insgesamt neun Zuwiderhandlungen im Rechtssinne auszugehen.
Insoweit hält die Kammer im Ausgangspunkt ein Ordnungsgeld in Höhe von jeweils 12.500 € für angemessen. Bei der Bemessung des Ordnungsgeldes war zu berücksichtigen, dass
die Verstöße nicht auf einem Einzelfall, sondern auf einem Organisationsverschulden beruhen,
sodass eine weitere Anzahl von Verstößen naheliegt. Schließlich ist zwischen den Parteien
auch unstreitig, dass die Schuldnerin im Monat ein Aufkommen von 90.000 Rücklastschriften
hat. Nimmt man allein den streitgegenständlichen Zeitraum von April bis November
2019 in den Blick, kommen unrechtmäßige Abrechnungen in insgesamt 720.000 Fällen in
Betracht. Insoweit sind auch die Finanzkraft und Größe der Schuldnerin zu berücksichtigen.
Nicht zuletzt ist zu beachten, dass der Schuldnerin in der Vergangenheit bereits wegen zwei
Verstößen gegen einen ähnlichen Unterlassungstitel von der 17. Zivilkammer ein Ordnungsgeld
von jeweils 10.000 € auferlegt wurde. Gerade vor dem Hintergrund der repressiven Funktion des Ordnungsgeldes und neun konkreten Verstößen im vorliegenden Fall war in
soweit ein gesteigerter Betrag pro Zuwiderhandlung anzusetzen. Den bereits erfolgten Rückzahlungen bzw. Ausbuchungen bezüglich der unrechtmäßig berechneten
Gebühren an die streitgegenständlich betroffenen Kunden ist demgegenüber aufgrund
des zugleich präventiven Charakters des Ordnungsgeldes im Falle drohender späterer
Zuwiderhandlungen eine nur eingeschränkt
mildernde Wirkung zuzugestehen, weswegen das Ordnungsgeld pro Zuwiderhandlung
in Höhe von 12.500 € nur geringfügig zu mindern ist.
Auszug aus der Zivilprozessordnung (ZPO)
* § 890 Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen
(1) ¹Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. ²Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250 000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.
(2) …
Quelle: Entscheidungsabdruck
Druckansicht weniger Information30.07.2020
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hat heute über einen Fall entschieden, in dem der Käufer einen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Gebrauchtwagen erst nach Bekanntwerden des sogenannten Dieselskandals gekauft hat. Der Senat hat in diesem Fall Schadensersatzansprüche verneint (Urt. v. 30.07.2020, Az. VI ZR 5/20).
Der Kläger erwarb im August 2016 von einem Autohändler einen gebrauchten VW Touran Match zu einem Kaufpreis von 13.600 €, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist Herstellerin des Wagens. Der Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergaben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten.
Vor dem Erwerb des Fahrzeugs, am 22. September 2015, hatte die Beklagte in einer Pressemitteilung die Öffentlichkeit über Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software bei Dieselmotoren vom Typ EA189 informiert und mitgeteilt, dass sie daran arbeite, die Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen, und dass sie hierzu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt in Kontakt stehe. Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte im Oktober 2015 nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung erlassen und der Beklagten aufgegeben, die Vorschriftsmäßigkeit der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge zu gewährleisten. In der Folge hat die Beklagte bei Fahrzeugen mit dem betroffenen Motortyp ein Software-Update bereitgestellt, das nach August 2016 auch bei dem Fahrzeug des Klägers aufgespielt wurde. Das Thema war Gegenstand einer umfangreichen und wiederholten Berichterstattung in Presse, Funk und Fernsehen.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
Das Landgericht Trier (Urt. v. 03.03.2019, Az. 5 O 686/18) hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Koblenz (Urt. v. 02.12.2019, Az. 12 U 804/19) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision des Klägers, mit der er sein Klageziel weiterverfolgt hat, blieb ohne Erfolg.
Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht Ansprüche aus § 826 BGB deshalb verneint hat, weil das Verhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht als sittenwidrig anzusehen ist. Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat.
War das Verhalten der Beklagten gegenüber Käufern, die ein mit einer illegalen Abschalteinrichtung versehenes Fahrzeug vor dem 22. September 2015 erwarben, sittenwidrig (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, Rn. 16 ff.), so wurden durch die vom Berufungsgericht festgestellte Verhaltensänderung der Beklagten wesentliche Elemente, die das Unwerturteil ihres bisherigen Verhaltens gegenüber bisherigen Käufern begründeten, derart relativiert, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bezogen auf ihr Gesamtverhalten gerade gegenüber dem Kläger nicht mehr gerechtfertigt ist. So war bereits die Mitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 objektiv geeignet, das Vertrauen potenzieller Käufer von Gebrauchtwagen mit VW-Dieselmotoren in eine vorschriftsgemäße Abgastechnik zu zerstören, diesbezügliche Arglosigkeit also zu beseitigen. Aufgrund der Verlautbarung und ihrer als sicher vorherzusehenden medialen Verbreitung war typischerweise nicht mehr damit zu rechnen, dass Käufer von gebrauchten VW-Fahrzeugen mit Dieselmotoren die Erfüllung der hier maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben noch als selbstverständlich voraussetzen würden. Für die Ausnutzung einer diesbezüglichen Arglosigkeit war damit kein Raum mehr; hierauf konnte das geänderte Verhalten der Beklagten nicht mehr gerichtet sein. Käufern, die sich, wie der Kläger, erst für einen Kauf entschieden haben, nachdem die Beklagte ihr Verhalten geändert hatte, wurde deshalb - unabhängig von ihren Kenntnissen vom "Dieselskandal" im Allgemeinen und ihren Vorstellungen von der Betroffenheit des Fahrzeugs im Besonderen - nicht sittenwidrig ein Schaden zugefügt.
Auch Ansprüche aus sonstigen Vorschriften hat der Senat verneint.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 101/2020 vom 30.07.2020
Druckansicht weniger Information30.07.2020
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute in einem weiteren Fall im sogenannten "Dieselskandal" entschieden, dass die vom Käufer erlangten Nutzungsvorteile den Schadensersatzanspruch vollständig aufzehren können. "Deliktszinsen" können geschädigte VW-Käufer nicht verlangen (Urt. v. 30.07.2020, Az. VI ZR 354/19).
Der Kläger erwarb im Mai 2014 von einem Dritten einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten VW Passat 2,0 I TDI zum Preis von 23.750 €. In dem Fahrzeug, das bei Erwerb durch den Kläger eine Laufleistung von rund 57.000 km aufwies, ist ein Motor der Baureihe EA189, Schadstoffnorm Euro 5 verbaut. Der Motor ist mit einer Steuerungssoftware versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus schaltet. Das Kraftfahrt-Bundesamt erkannte in der genannten Software eine unzulässige Abschalteinrichtung und ordnete einen Rückruf an. Ein von der Beklagten daraufhin entwickeltes Software-Update ließ der Kläger nicht durchführen, fuhr das Fahrzeug aber trotzdem weiter. Das Fahrzeug hat inzwischen eine Laufleistung von rund 255.000 km. Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
Das Landgericht Braunschweig (Urt. v. 27.11.2017, Az. 11 O 603/17) hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Braunschweig (Urt. v. 20.08.2019, Az. 7 U 5/18) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung seines Urteils hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen ausgeführt, Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte bestünden schon deshalb nicht, weil der im Hinblick auf die vom Kläger mit dem Fahrzeug gefahrenen Kilometer vorzunehmende Vorteilsausgleich dazu führe, dass der vom Kläger aufgewendete Kaufpreis vollständig aufgezehrt sei. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt.
Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat hat die Revision zurückgewiesen. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die vorzunehmende Anrechnung der vom Kläger durch den Gebrauch des Fahrzeugs gezogenen Nutzungsvorteile (vgl. Urt. v. 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19) zehre den Kaufpreiserstattungsanspruch vollumfänglich auf, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die vom Oberlandesgericht dabei zur Berechnung des Wertes der Nutzungsvorteile herangezogene Formel (Bruttokaufpreis mal gefahrene Strecke seit Erwerb geteilt durch erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt) war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; die Annahme des Oberlandesgerichts, das Fahrzeug habe im Erwerbszeitpunkt eine Gesamtlaufleistungserwartung von 250.000 Kilometern gehabt, hatte der Kläger mit seiner Revision nicht angegriffen.
Einen Anspruch des Klägers auf sogenannte "Deliktszinsen" nach § 849 BGB ab Zahlung des Kaufpreises hat der VI. Zivilsenat ebenfalls verneint. Zwar erfasst diese Vorschrift grundsätzlich jeden Sachverlust durch Delikt, auch den Verlust von Geld in jeder Form. Dies gilt auch dann, wenn dieser Verlust - wie hier - mit Willen des Geschädigten durch Weggabe erfolgt. Vorliegend stand einer Anwendung des § 849 BGB aber jedenfalls der Umstand entgegen, dass der Kläger als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhalten hat; die tatsächliche Möglichkeit, das Fahrzeug zu nutzen, kompensierte den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Geldes. Eine Verzinsung gemäß § 849 BGB entspricht in einem solchen Fall nicht dem Zweck der Vorschrift, mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer entzogenen oder beschädigten Sache auszugleichen.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
…
§ 849 Verzinsung der Ersatzsumme
Ist wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen, so kann der Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird.
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 098/2020 vom 30.07.2020
Druckansicht weniger Information08.07.2020
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat heute in zwei Verfahren entschieden, dass ein Mieter, dem eine unrenovierte Wohnung als vertragsgemäß überlassen wurde und auf den die Schönheitsreparaturen nicht wirksam abgewälzt wurden, vom Vermieter die Durchführung von Schönheitsreparaturen verlangen kann, wenn eine wesentliche Verschlechterung des Dekorationszustandes eingetreten ist. Allerdings hat er sich in diesem Fall nach Treu und Glauben an den hierfür anfallenden Kosten (regelmäßig zur Hälfte) zu beteiligen, weil die Ausführung der Schönheitsreparaturen zu einer Verbesserung des vertragsgemäßen (unrenovierten) Dekorationszustands der Wohnung bei Mietbeginn führt (Urt. v. 08.07.2020, Az. VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18).
Die Kläger mieteten im Jahr 2002 von der beklagten Vermieterin eine bei Überlassung unrenovierte Wohnung in Berlin. Da sich aus ihrer Sicht der Zustand der Wohnungsdekoration zwischenzeitlich verschlechtert habe, forderten sie die Beklagte im März 2016 vergeblich auf, Tapezier- und Anstricharbeiten gemäß einem beigefügten Kostenvoranschlag ausführen zu lassen. Die auf Zahlung eines entsprechenden Vorschusses in Höhe von (zuletzt) 7.312,78 € gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen vor dem Amtsgericht Charlottenburg (Urt. v. 30.11.2016, Az. 216 C 294/16) und dem Landgericht Berlin (Urt. v. 02.05.2018, Az. 18 S 392/16) keinen Erfolg.
Zur Begründung hat die 18. Zivilkammer des Landgericht ausgeführt, den Klägern stehe ein Vorschussanspruch aus § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht zu, da die Mietsache aufgrund ihres dekorativen Verschleißes nicht mangelhaft (§ 536 Abs. 1 BGB) geworden sei. Da die Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag unwirksam sei, sei zwar grundsätzlich der Vermieter zur Instandhaltung verpflichtet. Auch sei davon auszugehen, dass sich der Zustand der Wohnungsdekoration nach einer Mietzeit von 14 Jahren im Vergleich zum (unrenovierten) Anfangszustand weiter verschlechtert habe. Jedoch hätten die Kläger diesen Zustand als vertragsgemäß akzeptiert, so dass ein Anspruch auf Vornahme von Renovierungsarbeiten gegen den Vermieter von vorne herein ausscheide, zumal dadurch eine deutlich über den vertragsgemäß geschuldeten Zustand der Wohnung hinausgehende Verbesserung erzielt würde, welche die Beklagte nicht schulde. Ein Anspruch des Mieters auf ein Tätigwerden des Vermieters bestehe nur dann, wenn die Wohnung zwischenzeitlich "verkommen" und "Substanzschäden" vorzubeugen sei. Dafür sei nichts ersichtlich.
In diesem Verfahren begehrt der Mieter (im Rahmen einer Widerklage) die Verurteilung der Vermieterin zur Vornahme konkret bezeichneter Schönheitsreparaturen. Die Wohnung war ihm bei Mietbeginn im Jahr 1992 von der Rechtsvorgängerin der Vermieterin unrenoviert überlassen worden. Im Dezember 2015 forderte er die Vermieterin vergeblich auf, die aus seiner Sicht zur Beseitigung des mangelhaften Renovierungszustands erforderlichen Malerarbeiten in der Wohnung auszuführen. Die Klage hatte in den Vorinstanzen vor dem Amtsgericht Schöneberg (Urt. v. 11.08.2017, Az. 19 C 408/15) und dem Landgericht Berlin (Urt. v. 24.07.2018, Az. 63 S 283/17) Erfolg.
Zur Begründung hat die 63. Zivilkammer des Landgerichts ausgeführt, dem Beklagten stehe ein Anspruch auf Durchführung der von ihm geforderten Instandhaltungsarbeiten aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Zwar bestimme sich die Erhaltungspflicht des Vermieters nach dem Zustand der Mietsache bei Vertragsschluss. Danach wäre die Klägerin (Vermieterin) aufgrund der unrenoviert überlassenen Wohnung lediglich verpflichtet, nach einem weiteren dekorativen Verschleiß den Ursprungszustand wiederherzustellen, nicht aber durch eine vollständige Renovierung dem Mieter eine Wohnung zu verschaffen, die deutlich besser sei als zu Anfang.
Jedoch sei in Fällen wie dem vorliegenden nicht davon auszugehen, dass der schlechte Anfangszustand der vertragsgemäße sei. Der Vermieter müsse sich an dem im Mietvertrag festgehaltenen – jedoch unwirksamen – "Renovierungsprogramm", wonach der Mieter von Zeit zu Zeit die Schönheitsreparaturen hätte ausführen müssen, spiegelbildlich festhalten lassen.
Der Bundesgerichtshof hat in beiden Fällen das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Zwar sind die Berufungskammern in beiden Fällen zutreffend davon ausgegangen, dass die Übertragung der Schönheitsreparaturen auf die Mieter im Formularmietvertrag unwirksam ist, da diesen jeweils eine unrenovierte Wohnung überlassen und ihnen hierfür kein angemessener finanzieller Ausgleich gezahlt wurde. Der Bundesgerichtshof hat damit seine Rechtsprechung bestätigt, wonach in diesen Fällen an die Stelle der unwirksamen Schönheitsreparaturklausel die gesetzlich (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) normierte Erhaltungspflicht des Vermieters tritt (vgl. Senatsurteile vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14, Rn. 15, 35; vom 22. August 2018 – VIII ZR 277/16, Rn. 20).
Für eine von der Vermieterseite befürwortete ergänzende Vertragsauslegung – die ohnehin nicht zu dem - einseitig an den Interessen des Vermieters orientierten - Ergebnis führen könnte, dass dem Mieter die Ausführung von Arbeiten auf eigene Kosten freistehe, der Vermieter Schönheitsreparaturen unter keinen Umständen auszuführen habe, ist deshalb kein Raum. Ebenso wenig kann – anders als einige Literaturstimmen und das Berufungsgericht im Verfahren VIII ZR 270/18 meinen - der unwirksamen Formularklausel der Inhalt beigemessen werden, der Vermieter müsse sich spiegelbildlich an der dort vorgesehenen (frischen) Renovierung festhalten lassen und deshalb treffe ihn - ohne Rücksicht auf den (vertragsgemäßen) unrenovierten Zustand bei Mietbeginn - eine uneingeschränkte Renovierungspflicht.
Ausgangspunkt der den Vermieter treffenden Erhaltungspflicht ist grundsätzlich der Zustand der Wohnung im Zeitpunkt ihrer Überlassung an die jeweiligen Mieter, vorliegend nach der Verkehrsanschauung mithin der unrenovierte Zustand, in dem sie sie die Wohnung besichtigt und angemietet haben, ohne dass Vereinbarungen über vom Vermieter noch auszuführende Arbeiten getroffen wurden.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Verfahren VIII ZR 163/18 führt das aber nicht dazu, dass Instandhaltungsansprüche der Mieter unabhängig von dem weiteren Verschleiß der Dekoration von vornherein auszuscheiden hätten. Vielmehr trifft den Vermieter eine Instandhaltungspflicht, wenn sich der anfängliche Dekorationszustand wesentlich verschlechtert hat - was nach langem Zeitablauf seit Mietbeginn (hier: 14 bzw. 25 Jahre) naheliegt.
Allerdings ist die Wiederherstellung des (vertragsgemäßen) Anfangszustandes in der Regel nicht praktikabel, zumindest aber wirtschaftlich nicht sinnvoll und liegt auch nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien. Vielmehr ist allein eine Durchführung von Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch die der Vermieter die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt. Da hierdurch auch die Gebrauchsspuren aus der Zeit vor dem gegenwärtigen Mietverhältnis beseitigt werden und der Mieter nach Durchführung der Schönheitsreparaturen eine Wohnung mit einem besserem als dem vertragsgemäßen Zustand bei Mietbeginn erhält, gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), die jeweiligen Interessen der Vertragspartner in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.
Vor diesem Hintergrund hat der Senat entschieden, dass der Mieter in derartigen Fällen zwar einerseits vom Vermieter eine "frische" Renovierung verlangen kann, sich aber andererseits in angemessenem Umfang an den dafür erforderlichen Kosten zu beteiligen hat. Soweit nicht Besonderheiten vorliegen, wird dies regelmäßig eine hälftige Kostenbeteiligung bedeuten.
Begehrt der Mieter (wie im Verfahren VIII ZR 270/18) die Vornahme der Schönheitsreparaturen durch den Vermieter, so kann dieser die Kostenbeteiligung des Mieters nach Art eines Zurückbehaltungsrechts einwenden. Verlangt der Mieter von dem mit der Durchführung der Arbeiten in Verzug geratenen Vermieter die Zahlung eines Kostenvorschusses (wie im Verfahren VIII ZR 163/18) führt die angemessene Kostenbeteiligung zu einem entsprechenden Abzug von den voraussichtlichen Kosten.
Beide Verfahren sind an das jeweilige Berufungsgericht zurückverwiesen worden, da noch weitere Feststellungen zu treffen sind und den Parteien Gelegenheit zur Ergänzung ihres Sachvortrags und Anpassung ihrer Anträge zu geben ist.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
§ 535 Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags
(1) ¹Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. ²Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. […]
§ 536a Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels
(1) Ist ein Mangel im Sinne des § 536 bei Vertragsschluss vorhanden oder entsteht ein solcher Mangel später wegen eines Umstands, den der Vermieter zu vertreten hat, oder kommt der Vermieter mit der Beseitigung eines Mangels in Verzug, so kann der Mieter unbeschadet der Rechte aus § 536 Schadensersatz verlangen.
(2) Der Mieter kann den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn
1. der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist oder
2. […]
Quelle: Pressemitteilungen des BGH, Nr. 90/2020 vom 08.07.2020
Druckansicht weniger Information30.06.2020
Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kreditinstituts enthaltenen Entgeltklauseln für ein Zahlungskonto mit grundlegenden Funktionen (Basiskonto) im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam sind, wenn bei der Bemessung des Entgelts das kontoführende Institut den mit der Führung von Basiskonten verbundenen Mehraufwand allein auf die Inhaber von Basiskonten umgelegt hat (Urt. v. 30.06.2020, Az. XI ZR 119/19).
Die Beklagte verwendet ein Preis- und Leistungsverzeichnis (Stand: 1. Januar 2017), in dem unter anderem die Preise für ein Basiskonto im Sinne der §§ 30 ff. ZKG geregelt sind. Danach beträgt der monatliche Grundpreis für ein solches Konto 8,99 €. Die in diesem Preis enthaltenen Leistungen umfassen insbesondere die Nutzung von Online-Banking, Telefon-Banking und Bankingterminals, die Nutzung des Bank Card Service, Kontoauszüge am Bankterminal, beleglose Überweisungen sowie die Einrichtung und Änderung von Daueraufträgen über Online-Banking und Bankingterminal. Für beleghafte Überweisungen, für Überweisungen und die Einrichtung oder Änderung von Daueraufträgen über einen Mitarbeiter der Beklagten im telefonischen Kundenservice oder in der Filiale sowie für ausgestellte oder eingereichte Schecks hat der Inhaber eines Basiskontos ein zusätzliches Entgelt von jeweils 1,50 € zu entrichten. Der Kläger hält die Entgeltklauseln wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 41 Abs. 2 ZKG für unwirksam.
Die Unterlassungsklage war vor dem LG Frankfurt am Main (Urt. v. 08.05.2018, Az. 2-28 O 98/17) erfolgreich. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG Frankfurt am Main (Urt. v. 27.02.2019, Az. 19 U 104/18) keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Der u.a. für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass die angefochtenen Klauseln der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegen und dieser nicht standhalten. Er hat deshalb die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:
Die Entgeltklauseln sind Gegenstand der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, weil sie von der gesetzlichen Preisregelung des § 41 Abs. 2 ZKG abweichen. Danach muss das Entgelt für die grundlegenden Funktionen eines Basiskontovertrags angemessen sein, wobei für die Beurteilung der Angemessenheit insbesondere die marktüblichen Entgelte und das Nutzerverhalten zu berücksichtigen sind. Die Einhaltung dieser gesetzgeberischen Vorgabe hat im Fall von Entgeltvereinbarungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen und in Bezug genommene Preis- und Leistungsverzeichnisse durch eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB zu erfolgen.
Die Entgeltklauseln halten der Inhaltskontrolle nicht stand und sind deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Prüfungsmaßstab für die Inhaltskontrolle ist § 41 Abs. 2 ZKG. Nach dessen Satz 1 muss das Entgelt für die von § 38 ZKG erfassten Dienste, d.h. die grundlegenden Funktionen eines Zahlungskontos, nämlich das Ein- und Auszahlungsgeschäft sowie das Lastschrift-, Überweisungs- und Zahlungskartengeschäft, angemessen sein. Für die Beurteilung der Angemessenheit sind nach § 41 Abs. 2 Satz 2 ZKG insbesondere die marktüblichen Entgelte und das Nutzerverhalten zu berücksichtigen. Diese Bewertungsparameter sind jedoch - was sich bereits aus dem Wortlaut ("insbesondere") ergibt - nicht abschließend. Bei der Prüfung der Angemessenheit eines Entgelts für ein Basiskonto ist auch in den Blick zu nehmen, dass die Vorschriften über das Basiskonto allen, d.h. insbesondere auch einkommensarmen Verbrauchern den Zugang zu einem Zahlungskonto mit grundlegenden Funktionen und damit die Teilhabe am Zahlungsverkehr ermöglichen sollen und der zur Verwirklichung dieses Ziels in § 31 Abs. 1 ZKG geregelte Kontrahierungszwang nicht durch zu hohe, prohibitiv wirkende Entgelte unterlaufen werden darf. Das Entgelt für ein Basiskonto ist jedenfalls dann nicht angemessen im Sinne des § 41 Abs. 2 ZKG, wenn in dem verlangten Entgelt Kostenbestandteile enthalten sind, die entweder gar nicht oder jedenfalls nicht nur auf die Nutzer der Basiskonten umgelegt werden dürfen. Diese Vorschrift schließt es nach ihrem Sinn und Zweck insbesondere allgemein aus, den mit der Führung von Basiskonten verbundenen Zusatzaufwand oder die mit der Ablehnung eines Antrags auf Abschluss eines Basiskontos verbundenen Kosten allein auf die Inhaber von Basiskonten umzulegen. Vielmehr müssen diese Kosten von den Instituten durch die im freien Wettbewerb erzielbaren Leistungspreise erwirtschaftet werden. Dagegen hat die Beklagte verstoßen, indem sie nach den von ihr vorgelegten Kostenkalkulationen für das Basiskonto und die übrigen Girokonten den mit der Führung der Basiskonten verbundenen Mehraufwand ausschließlich auf die Basiskonten umgelegt hat.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
§ 307 Inhaltskontrolle
(1) ¹Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. ²Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) …
Auszug aus dem Gesetz über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen (Zahlungskontengesetz - ZKG)
§ 38 Pflicht des kontoführenden Instituts zur Führung eines Basiskontos und zur Erbringung von Diensten in Bezug auf dieses Konto
(1) Durch einen Basiskontovertrag wird das kontoführende Institut verpflichtet, für den Kontoinhaber ein Basiskonto in Euro zu eröffnen und zu führen.
(2) Die Kontoführung nach Absatz 1 muss die Erbringung folgender Zahlungsdienste ohne Kreditgeschäft (Zahlungsgeschäft) ermöglichen:
1. | die Dienste, mit denen Bareinzahlungen auf das Zahlungskonto oder Barauszahlungen von dem Zahlungskonto ermöglicht werden (Ein- oder Auszahlungsgeschäft), sowie alle für die Führung eines Zahlungskontos erforderlichen Vorgänge und | |
2. | die Ausführung von Zahlungsvorgängen einschließlich der Übermittlung von Geldbeträgen auf ein Zahlungskonto beim kontoführenden Institut des Kontoinhabers oder bei einem anderen Zahlungsdienstleister durch | |
a) | die Ausführung von Lastschriften einschließlich einmaliger Lastschriften (Lastschriftgeschäft), | b) | die Ausführung von Überweisungen einschließlich Daueraufträgen (Überweisungsgeschäft), |
c) | die Ausführung von Zahlungsvorgängen mittels einer Zahlungskarte oder eines ähnlichen Zahlungsinstruments (Zahlungskartengeschäft). |
(3) …
…
§ 41 Entgelte, Kosten und Verbot von Vertragsstrafen
(1) Der Kontoinhaber ist verpflichtet, an das kontoführende Institut für die Erbringung von Diensten auf Grund des Basiskontovertrags das vereinbarte Entgelt zu entrichten.
(2) ¹Das Entgelt für die von § 38 erfassten Dienste muss angemessen sein. Für die Beurteilung der Angemessenheit sind insbesondere die marktüblichen Entgelte sowie das Nutzerverhalten zu berücksichtigen. ²Die Sätze 1 und 2 gelten für Vereinbarungen über vom Kontoinhaber zu erstattende Kosten entsprechend.
(3) …
…
Quelle: Pressemitteilungen des BGH, Nr. 84/2020 vom 30.06.2020
Druckansicht weniger Information28.05.2020
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute hat über die Frage entschieden, welche Anforderungen an die Einwilligung in telefonische Werbung und die Speicherung von Cookies auf dem Endgerät des Nutzers zu stellen sind (Urt. v. 28.05.2020, Az. I ZR 7/16).
Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Die Beklagte veranstaltete im September 2013 unter ihrer Internetadresse ein Gewinnspiel. Nach Eingabe der Postleitzahl gelangte der Nutzer auf eine Seite, auf der Name und Anschrift des Nutzers einzutragen waren. Unter den Eingabefeldern für die Adresse befanden sich zwei mit Ankreuzfeldern versehene Einverständniserklärungen.
Mit Bestätigen des ersten Textes, dessen Ankreuzfeld nicht mit einem voreingestellten Häkchen versehen war, sollte das Einverständnis mit einer Werbung durch Sponsoren und Kooperationspartner der Beklagten per Post, Telefon, E-Mail oder SMS erklärt werden. Dabei bestand die Möglichkeit, die werbenden Sponsoren und Kooperationspartner aus einer verlinkten Liste von 57 Unternehmen selbst auszuwählen. Andernfalls sollte die Beklagte diese Auswahl treffen.
Das zweite Ankreuzfeld war mit einem voreingestellten Häkchen versehen und wies folgenden Text auf:
"Ich bin einverstanden, dass der Webanalysedienst Remintrex bei mir eingesetzt wird. Das hat zur Folge, dass der Gewinnspielveranstalter, die [Beklagte], nach Registrierung für das Gewinnspiel Cookies setzt, welches [der Beklagten] eine Auswertung meines Surf- und Nutzungsverhaltens auf Websites von Werbepartnern und damit interessengerichtete Werbung durch Remintrex ermöglicht. Die Cookies kann ich jederzeit wieder löschen. Lesen Sie Näheres hier."
In der mit dem Wort "hier" verlinkten Erläuterung wurde darauf hingewiesen, dass die Cookies eine bestimmte, zufallsgenerierte Nummer (ID) erhalten würden, die den Registrierungsdaten des Nutzers zugeordnet seien, der sich mit Namen und Adresse in das bereitgestellte Webformular eingetragen habe. Falls der Nutzer mit der gespeicherten ID die Webseite eines für Remintrex registrierten Werbepartners besuchen würde, sollte sowohl dieser Besuch erfasst werden als auch, für welches Produkt sich der Nutzer interessiert und ob es zu einem Vertragsschluss kommt.
Der voreingestellte Haken konnte entfernt werden. Eine Teilnahme am Gewinnspiel war aber nur möglich, wenn mindestens eines der beiden Felder mit einem Haken versehen war.
Soweit im Revisionsverfahren relevant, hat der Kläger verlangt, der Beklagten zu verbieten, entsprechende Einverständniserklärungen in Gewinnspielvereinbarungen mit Verbrauchern einzubeziehen oder sich darauf zu berufen. Der Kläger hat außerdem Ersatz der Abmahnkosten verlangt.
Das Landgericht Frankfurt am Main (Urt. v. 10.12.2014, Az. 2/6 O 30/14) hat die Beklagte hinsichtlich beider Einverständniserklärungen zur Unterlassung sowie zur Zahlung von Abmahnkosten verurteilt. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Urt. v. 17.12.2015, Az. 6 U 30/15) hinsichtlich des Antrags auf Unterlassung der Verwendung der mit einem voreingestellten Ankreuzfeld versehenen Einwilligungserklärung in die Nutzung von Cookies Erfolg. Beide Parteien haben die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision eingelegt.
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 5. Oktober 2017 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union verschiedene Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) sowie der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) hinsichtlich der Wirksamkeit einer Einwilligung in das Setzen von Cookies durch ein voreingestelltes Ankreuzkästchen vorgelegt. Diese Fragen hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 1. Oktober 2019 beantwortet.
Nunmehr hat der BGH die Revision der Beklagten zurückgewiesen und auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil hinsichtlich der Cookie-Einwilligung aufgehoben und die erstinstanzliche Verurteilung der Beklagten wiederhergestellt.
Hinsichtlich der Einwilligung in telefonische Werbung ist die Beklagte gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG in Verbindung mit § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 UWG zur Unterlassung und zum Ersatz von Abmahnkosten verpflichtet, weil es sowohl nach der im Zeitpunkt der beanstandeten Handlung geltenden Rechtslage als auch nach der Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt an einer wirksamen Einwilligung in telefonische Werbung fehlt. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG dient der Umsetzung des Art. 13 Abs. 3 und 5 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG, deren Art. 2 Satz 2 Buchst. f für die Definition der Einwilligung auf Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG verweist, so dass der Begriff der "Einwilligung" richtlinienkonform zu bestimmen ist. Für die Zeit ab dem 25. Mai 2018 ist auf die in Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679 vorgesehene Definition abzustellen, weil seither gemäß Art. 94 Abs. 1 und 2 Satz 1 dieser Verordnung Verweise auf die aufgehobene Richtlinie 95/46/EG als Verweise auf diese Verordnung gelten.
Eine Einwilligung wird "in Kenntnis der Sachlage" im Sinne des Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG erteilt, wenn der Verbraucher weiß, dass seine Erklärung ein Einverständnis darstellt und worauf sie sich bezieht. Die Einwilligung erfolgt im Sinne dieser Vorschrift "für den konkreten Fall", wenn klar wird, die Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmen sie konkret erfasst. Daran fehlt es im Streitfall, weil die beanstandete Gestaltung der Einwilligungserklärung darauf angelegt ist, den Verbraucher mit einem aufwendigen Verfahren der Auswahl von in der Liste aufgeführten Partnerunternehmen zu konfrontieren, um ihn zu veranlassen, von dieser Auswahl abzusehen und stattdessen der Beklagten die Wahl der Werbepartner zu überlassen. Weiß der Verbraucher mangels Kenntnisnahme vom Inhalt der Liste und ohne Ausübung des Wahlrechts nicht, die Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmer die Einwilligung erfasst, liegt keine Einwilligung für den konkreten Fall vor. Aus diesen Gründen fehlt es auch an einer Einwilligung "für den bestimmten Fall" im Sinne des Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679, die insoweit keine Rechtsänderung herbeigeführt hat.
Hinsichtlich der Einwilligung in die Speicherung von Cookies steht dem Kläger gleichfalls ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UKlaG in Verbindung mit § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB zu. Die von der Beklagten in Form einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vorgesehene Einwilligung des Nutzers, die den Abruf von auf seinem Endgerät gespeicherten Informationen mithilfe von Cookies im Wege eines voreingestellten Ankreuzkästchens gestattet, stellt sowohl nach dem im Zeitpunkt der beanstandeten Handlung geltenden Recht als auch nach dem im Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht eine unangemessene Benachteiligung des Nutzers dar.
Die Einholung der Einwilligung mittels eines voreingestellten Ankreuzkästchens war nach der bis zum 24. Mai 2018 geltenden Rechtslage - also vor Geltung der Verordnung (EU) 2016/679 - im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit wesentlichen Grundgedanken des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG unvereinbar. Der beanstandete Einsatz von Cookies durch die Beklagte als Diensteanbieter dient, wie von § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG vorausgesetzt, der Erstellung von Nutzerprofilen zum Zwecke der Werbung, indem das Verhalten des Nutzers im Internet erfasst und zur Zusendung darauf abgestimmter Werbung verwendet werden soll. Bei der im Streitfall in den Cookies gespeicherten zufallsgenerierten Nummer (ID), die den Registrierungsdaten des Nutzers zugeordnet ist, handelt es sich um ein Pseudonym im Sinne dieser Vorschrift. § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG ist mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG in der durch Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2009/136/EG geänderten Fassung dahin richtlinienkonform auszulegen, dass für den Einsatz von Cookies zur Erstellung von Nutzerprofilen für Zwecke der Werbung oder Marktforschung die Einwilligung des Nutzers erforderlich ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage durch den Senat entschieden, dass Art. 2 Buchst. f und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG in Verbindung mit Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG dahin auszulegen sind, dass keine wirksame Einwilligung im Sinne dieser Bestimmungen vorliegt, wenn die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät des Nutzers einer Website gespeichert sind, mittels Cookies durch ein voreingestelltes Ankreuzkästchen erlaubt wird, das der Nutzer zur Verweigerung seiner Einwilligung abwählen muss. Auf die Frage, ob es sich bei den Informationen um personenbezogene Daten handelt, kommt es nach der Entscheidung des Gerichtshofs in diesem Zusammenhang nicht an. Der richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG steht nicht entgegen, dass der deutsche Gesetzgeber bisher keinen Umsetzungsakt vorgenommen hat. Denn es ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber die bestehende Rechtslage in Deutschland für richtlinienkonform erachtete. Mit dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG ist eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung noch vereinbar. Im Fehlen einer (wirksamen) Einwilligung kann im Blick darauf, dass der Gesetzgeber mit § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG das unionsrechtliche Einwilligungserfordernis umgesetzt sah, der nach dieser Vorschrift der Zulässigkeit der Erstellung von Nutzungsprofilen entgegenstehende Widerspruch gesehen werden.
An dieser Rechtslage hat sich seit dem 25. Mai 2018, dem ersten Geltungstag der Verordnung (EU) 2016/679, nichts geändert, weil diese Verordnung nach ihrem Art. 95 die Fortgeltung des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG als den Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG umsetzende nationale Regelung unberührt lässt. Soweit für die Definition der Einwilligung nicht mehr auf Art. 2 Buchst. h der aufgehobenen Richtlinie 95/46/EG abgestellt werden kann, sondern Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679 heranzuziehen ist, führt dies zum selben Ergebnis. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage durch den Senat auch mit Blick auf Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679 entschieden, dass ein vom Nutzer abzuwählendes, voreingestelltes Ankreuzkästchen keine wirksame Einwilligung darstellt.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
§ 307 Inhaltskontrolle
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. …
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
…
Auszug aus dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz - UKlaG)
§ 1 Unterlassungs- und Widerrufsanspruch bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam sind, verwendet oder für den rechtsgeschäftlichen Verkehr empfiehlt, kann auf Unterlassung und im Fall des Empfehlens auch auf Widerruf in Anspruch genommen werden.
Auszug aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
§ 7 Unzumutbare Belästigungen
(1) Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. …
(2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen
…
2. bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung oder gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung.
…
Auszug aus dem Telemediengesetz (TMG)
§ 15 Nutzungsdaten
…
(3) 1Der Diensteanbieter darf für Zwecke der Werbung, der Marktforschung oder zur bedarfsgerechten Gestaltung der Telemedien Nutzungsprofile bei Verwendung von Pseudonymen erstellen, sofern der Nutzer dem nicht widerspricht. …
…
Quelle: Pressemitteilungen des BGH, Nr. 67/2020
Druckansicht weniger Information25.05.2020
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs Schadensersatzansprüche gegen VW zustehen. Er kann Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises verlangen, muss sich aber den gezogenen Nutzungsvorteil anrechnen lassen und VW das Fahrzeug zur Verfügung stellen (Urt. v. 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19).
Der Kläger erwarb am 10. Januar 2014 zu einem Preis von 31.490,- € brutto von einem Autohändler einen Gebrauchtwagen VW Sharan 2.0 TDl match, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist die Herstellerin des Wagens. Der Kilometerstand bei Erwerb betrug 20.000 km. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.
Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.
Im September 2015 räumte die Beklagte öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software ein. Unter dem 15. Oktober 2015 erging gegen sie ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung, der auch das Fahrzeug des Klägers betrifft. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. Die Beklagte gab mit Pressemitteilung vom 25. November 2015 bekannt, Software-Updates durchzuführen, mit denen diese Software aus allen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA189 mit 2,0-Liter-Hubraum entfernt werden sollte. Nach der Installation sollen die betroffenen Fahrzeuge nur noch in einem adaptierten Modus 1 betrieben werden. Der Kläger hat das Software-Update im Februar 2017 durchführen lassen.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen die Zahlung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises in Höhe von 31.490 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.
Das Landgericht Bad Kreuznach (Urt. v. 05.10.2018, Az. 2 O 250/17) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht Koblenz (Urt. v. 12.06.2019, Az. 5 U 1318/18) unter Zulassung der Revision die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und die Beklagte nebst Nebenpunkten in der Hauptsache verurteilt, an den Kläger 25.616,10 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen. Wegen des weitergehenden Zahlungsanspruchs hat es die Klage abgewiesen.
Die zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die Klageabweisung erstrebt hat, blieb ganz überwiegend ohne Erfolg; sie war nur in Bezug auf Nebenpunkte geringfügig erfolgreich. Die Revision des Klägers, mit der er die vollständige Erstattung des Kaufpreises ohne Anrechnung einer Nutzungsentschädigung erreichen wollte, hatte keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte dem Kläger aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB haftet. Das Verhalten der Beklagten im Verhältnis zum Kläger ist objektiv als sittenwidrig zu qualifizieren. Die Beklagte hat auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in Bezug auf den Dieselmotor der Baureihe EA189 in siebenstelligen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren. Das gilt auch, wenn es sich um den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs handelt.
Das Berufungsgericht hat vor dem Hintergrund des nicht ausreichenden Vortrags der Beklagten zu den in ihrem Konzern erfolgten Vorgängen in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software von den im Hause der Beklagten für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen, namentlich dem vormaligen Leiter der Entwicklungsabteilung und den für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlichen vormaligen Vorständen, wenn nicht selbst, so zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt worden ist. Zu Recht hat es dieses Verhalten der Beklagten zugerechnet (§ 31 BGB).
Der Kläger ist veranlasst durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Verhalten der Beklagten eine ungewollte vertragliche Verpflichtung eingegangen. Darin liegt sein Schaden, weil er ein Fahrzeug erhalten hat, das für seine Zwecke nicht voll brauchbar war. Er kann daher von der Beklagten Erstattung des Kaufpreises gegen Übergabe des Fahrzeugs verlangen. Dabei muss er sich aber die Nutzungsvorteile auf der Grundlage der gefahrenen Kilometer anrechnen lassen, weil er im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden darf, als er ohne den ungewollten Vertragsschluss stünde.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
§ 31 Haftung des Vereins für Organe
Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Quelle: Pressemitteilungen des BGH, Nr. 63/2020
Druckansicht weniger Information28.04.2020
Das LG Köln hat heute entschieden, dass die Strogon GmbH monatliche Abschlagszahlungen, nicht vor dem Ende des jeweiligen Liefermonats fällig stellen darf, der mit dem Abschlag abgegolten werden soll. Außerdem darf die Summe der Abschlagszahlungen das vom Kunden voraussichtlich geschuldete Jahresentgelt nicht übersteigen. Eine Mahnpauschale von 2,50 € ist überhöht. Eine Rücklastschriftpauschale von 7,50 € ist überhöht (Urt. v. 28.04.2020, Az. 33 O 71/18).
Die beklagte Strogon GmbH ist ein Strom- und Gasversorgungsunternehmen, welches seine Leistungen auch gegenüber Endverbrauchern außerhalb der Grundversorgung erbringt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielten unter Ziff. 13 „Wie bezahle ich meinen monatlichen Abschlag und wie wird er errechnet?" folgende Klausel:
[Sie leisten monatliche Abschlagszahlungen.] Die Fälligkeit richtet sich nach dem genannten Zeitpunkt in Ihrer Auftragsbestätigung. Die Abschiagshöhe wird unter Berücksichtigung ihrer Verbrauchsdaten des vorhergehenden Abrechnungszeitraums oder nach dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kundengruppen errechnet. [Machen Sie glaubhaft, dass Ihr Verbrauch erheblich geringer ist, so werden wir dies angemessen berücksichtigen.]
Auf der Grundlage dieser Klausel bestimmte die Strogon GmbH die Fälligkeit der ihren Kunden beginnend mit dem ersten Belieferungsmonat in Rechnung gestellten Abschlagszahlungen regelmäßig auf den ersten Tag des Monats. Dabei berechnete die Strogon GmbH jedenfalls einem Teil ihrer Kunden 12 Abschläge i.H.v. jeweils 1/11 des nach der Verbrauchsprognose voraussichtlich geschuldeten Jahresentgelts und verschaffte sich dadurch "Abschlagszahlungen" i.H.v. 109 % des voraussichtlich geschuldeten Jahresentgelts.
Weiterhin enthielt die Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter anderem folgende Angaben:
Gebühren. Kosten und Entgelte im Rahmen des
Vertragsverhältnisses:
Mahngebühren 2,50 EUR je Mahnung
Rücklastschrift 7,50 EUR je Rücklastschrift
Bei den pauschalen Kosten und Entgelten steht Ihnen der Nachweis frei, dass
solche Kosten nicht oder in geringerer Höhe entstanden sind.
Der Kläger mahnte die Strogon GmbH wegen der Abschlagsklausel, der Anwendungspraktik der Abschlagsklausel und wegen der Höhe der Mahnpauschale und der Rücklastschriftpauschale erfolglos ab und erhob dann Klage.
Er vertritt die Ansicht, dass die Abschlagsklausel in Ziff. 13 AGB nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist, weil diese Klausel der Beklagten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einräume, das nach seinem Grund und seiner konkreten Ausgestaltung unangemessen sei.
Darüber hinaus wendet sich der Kläger gegen die Praktik der Beklagten, bei der Bestimmung der Fälligkeit sowie der Höhe und Anzahl der Abschlagszahlungen. Die Bestimmung der Fälligkeit auf den Anfang einer Lieferperiode sei als eine nach § 3 Abs. 2 UWG unlautere geschäftliche Handlung zu werten. Er vertritt ferner die Auffassung, dass auch die Bestimmung der Höhe der Abschlagszahlung eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Abs. 2 UWG darstelle, soweit die Beklagte 12 Abschläge in Höhe von 1/11 des voraussichtlichen Jahresentgelts berechne.
Die Mahnpauschale von 2,50 € und die Rücklastschriftüpauchal von 7,50 € hält der Kläger nach § 309 Nr. 5 a) BGB für überhöht, weil die Beträge den Schaden übersteige, welcher der Beklagten durch eine Mahnung bzw. eine Rücklastschrift entstehe.
Das Landgericht Köln (Urt. v. 28.04.2020, Az. 33 O 71/18) entschied in erster Instanz. Die Berufung der Beklagten ist beim OLG Köln anhängig.
Das LG Köln gab der Klage in allen Punkten statt.
1.
Die Klausel in Ziff. 13 der AGB der Beklagten ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil sie die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Auf Grund ihrer unzureichenden Bestimmtheit beinhaltet die beanstandete Klausel ein von den berechtigten Interessen der Beklagten so nicht mehr gedecktes, zu weitreichendes sowie intransparentes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, welches den berechtigten Belangen der Kunden der Beklagten nicht ausreichend Rechnung trägt.
Durch die Klausel behält sich die Beklagte bezüglich der Fälligkeit (Satz 3) und der Höhe (Satz 1 bis 3) der von ihren Kunden monatlich zu leistenden Abschlagszahlungen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vor. Fälligkeit und Höhe der Abschlagszahlungen werden nicht zwischen den Vertragsparteien verhandelt, sondern einseitig von der Beklagten festgelegt und dem Kunden mit der Vertragsbestätigung durch die Beklagte mitgeteilt.
An die Wirksamkeit einer formularmäßigen Begründung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts werden im Hinblick auf § 307 Abs. 1 BGB nach gefestigter Rechtsprechung strenge Voraussetzungen geknüpft. So müssen zunächst gewichtige Sachgründe einen solchen Vorbehalt rechtfertigen. Ferner müssen die Voraussetzungen und der Umfang des Leistungsbestimmungsrechts hinreichend konkretisiert sein. Schließlich müssen die berechtigten Belange des anderen Teils ausreichend gewahrt sein (vgl. BGH, Urt. v. 18.01.2017, VIII ZR 263/15, juris, Rn. 27; BGH, Urt. v. 20.07.2005, VIII ZR 121/04, juris, Rn. 39 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
2.
Der Kläger kann von der Beklagten weiterhin nach § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG i.V.m. § 3 Abs. 2 UWG verlangen, dass es die Beklagte unterlässt, die Fälligkeit von Abschlagszahlungen vor dem Ende des jeweiligen Belieferungsmonats zu bestimmen. Bei diesen Fälligkeitsbestimmungen handelt es sich um an Verbraucher gerichtete, der Durchführung der Belieferungsverträge dienende geschäftliche Handlungen im Sinne des § 2 Nr. 1 UWG, die als unlauter zu werten sind, weil sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
Indem die Beklagte auf der Grundlage von Ziff. 13 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Fälligkeit der monatlichen Abschlagszahlungen auf einen Zeitpunkt vor dem Ende der mit der jeweiligen Zahlung abzugeltenden Lieferperiode bestimmt, erhebt sie de facto eine von der vertraglichen Absprache nicht gedeckte Vorauszahlung. Das ist unlauter.
3.
Eine Unterlassungsverpflichtung der Beklagten besteht nach § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG
i.V.m. § 3 Abs. 2 UWG ferner bezüglich der Geschäftspraktik der Beklagten bei der Bestimmung von Höhe und Anzahl von Abschlagszahlungen. Auch bei dieser Bestimmung maßgeblicher Komponenten der Abschlagszahlungen handelt es sich um an Verbraucher gerichtete, der
Durchführung der Belieferungsverträge dienende geschäftliche Handlungen im Sinne
des § 2 Nr. 1 UWG, die dann als unlauter zu werten sind, wenn sie nicht der
unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche
Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
Diese Voraussetzungen liegen vor, weil die Berechnung von 12 Abschläge i.H.v. 1/11 der voraussichtlichen Jahreskosten des Vertrages dazu führt, dass dem Kunden in der Summe über das Jahr Abschlagszahlungen i.H.v. 12/11 der voraussichtlichen Jahreskosten in Rechnung gestellt werden, obwohl der Energieversorger Abschlage nur in Höhe der voraussichtlichen Kosten berechnen darf.
4.
Der Kläger kann weiterhin nach § 1 UKlaG die Unterlassung der Verwendung der Klausel verlangen, nach welcher die Beklagte im Falle des Zahlungsverzugs ihrer Kunden Mahngebühren in Höhe von pauschal 2,50 € pro Mahnung erhebt.
Die beanstandete Geschäftsbedingung ist nach § 309 Nr. 5a BGB unwirksam, weil sie in der Sache einen den gesetzlichen Anforderungen nicht genügenden pauschalierten Schadensersatzanspruch beinhaltet. Nach § 309 Nr. 5 a BGB ist die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz unwirksam, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt.
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die in der Klausel festgesetzte Pauschale von 2,50 € dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden entspricht, trägt die Beklagte als Verwenderin dieser Allgemeinen Geschäftsbedingung. Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an ihren Sachvortrag ist die Beklagte nicht ansatzweise gerecht geworden. Während der Kläger dargelegt hat, dass eine Mahnung keine entsprechenden Kosten verursacht, hat sich die Beklagte auf die unbegründete Kundgabe ihrer Auffassung beschränkt, dass die von ihr erhobenen Kostenpauschalen angemessen seien. Dabei hat sie nicht einmal auf ihre geringfügig ausführlichere vorprozessuale Stellungnahme Bezug genommen. Abgesehen davon vermögen auch ihre vorprozessualen abstrakten Rechtshinweise den erforderlichen konkreten Sachvortrag nicht zu ersetzen.
5.
Aus den gleichen Gründen kann der Kläger schließlich nach § 1 UKlaG i.V.m. § 309
Nr. 5 a BGB auch die Unterlassung der Verwendung der Klausel verlangen, wonach die Beklagte im Falle einer Rücklastschrift
einen pauschalen Schadensbetrag in Höhe von 7,50 € je Rücklastschrift einfordert.
Auch bezüglich dieser Schadenspauschale fehlt es an jeglichem Sachvörtrag der
Beklagten dazu, dass dieser Betrag dem durch eine Rücklastschrift gewöhnlich
verursachten Schaden entspricht.
Auszug aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
§ 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.
(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
§ 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
…
5. | (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn |
|
a) | die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder | |
b) | dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale; |
Auszug aus dem Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG)
§ 41 Energielieferverträge mit Haushaltskunden, Verordnungsermächtigung
…
(2) 1Dem Haushaltskunden sind vor Vertragsschluss verschiedene Zahlungsmöglichkeiten anzubieten. 2Wird eine Vorauszahlung vereinbart, muss sich diese nach dem Verbrauch des vorhergehenden Abrechnungszeitraums oder dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kunden richten. 3Macht der Kunde glaubhaft, dass sein Verbrauch erheblich geringer ist, so ist dies angemessen zu berücksichtigen. 4Eine Vorauszahlung wird nicht vor Beginn der Lieferung fällig.
…
Auszug aus der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (StromGVV)
§ 13 Abschlagszahlungen
(1) 1Wird der Verbrauch für mehrere Monate abgerechnet, so kann der Grundversorger für die nach der letzten Abrechnung verbrauchte Elektrizität eine Abschlagszahlung verlangen. 2Diese ist anteilig für den Zeitraum der Abschlagszahlung entsprechend dem Verbrauch im zuletzt abgerechneten Zeitraum zu berechnen. 3Ist eine solche Berechnung nicht möglich, so bemisst sich die Abschlagszahlung nach dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kunden. 4Macht der Kunde glaubhaft, dass sein Verbrauch erheblich geringer ist, so ist dies angemessen zu berücksichtigen.
…
Quelle: Urteilsabdruck
Druckansicht weniger Information02.04.2020
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute entschieden, dass eine Gaspreiserhöhung im Rahmen der Grundversorgung auch ohne eine persöhnliche Kundenmitteilung wirksam sein kann, wenn der Energielieferant lediglich eine Erhöhung seiner Bezugspreise an die Kunden weiter gibt. Der Energielieferant haftet den Kunden dann jedoch für etwaige Schäden aus der unterlassenen persöhnlichen Kundenmitteilung (Urt. v. 02.04.2020, Az. C 765/18).
Der EuGH hatte über ein Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Koblenz zu entscheiden.
Im Ausgangsrechtsstreit stritten die Stadtwerke Neuwied und der Kunde RI um die Wirksamkeit einer Gaspreiserhöhung. RI ist seit dem 28.07.2004 Kunde der Stadtwerke Neuwied. Dieser Gasversorger hat seine Leistungen im Rahmen eines Grundversorgungsvertrags erbracht. Zwischen Januar 2005 und September 2011 nahmen die Stadtwerke Neuwied Tariferhöhungen vor, die dem Anstieg der Bezugskosten von Erdgas entsprachen, und berücksichtigten dabei die Ersparnisse in anderen Bereichen der Sparte Gas. Sie verlangen nun von RI die Zahlung eines Betrags von 1.334,71 €, der den aufgrund der Tarifanpassungen geschuldeten Rückständen entspricht. RI wurde nicht persönlich über diese Anpassungen informiert. Die Stadtwerke Neuwied veröffentlichten ihre Preise und ihre allgemeinen Tarife sowie die Vertragsanpassungen jedoch auf ihrer Internetseite. Die Tariferhöhungen wurden zudem in der regionalen Presse veröffentlicht.
RI machte vor Landgericht Koblenz geltend, dass der mit den Stadtwerken Neuwied geschlossene Versorgungsvertrag keine wirksame Preisgleitklausel enthalte, und bestritt die Ansprüche der Stadtwerke Neuwied. Er vertritt insbesondere die Ansicht, dass den Stadtwerken Neuwied kein wirksames Preisanpassungsrecht zugestanden habe, dass der geforderte Verbrauchspreis unbillig sei und dass das einseitige Preisbestimmungsrecht nach § 4 AVBGasV, sofern es bestehen sollte, intransparent sei. RI schließt daraus, dass die Erhöhungen des Gaspreises unwirksam gewesen seien. RI erhob zudem Widerklage, mit der er die Feststellung, dass die vom Versorger bestimmten Preise unbillig und unwirksam seien, und die Rückzahlung eines Teils der Beträge beantragt, die er zwischen dem 1. Januar 2005 und dem 31. Dezember 2011 an die Stadtwerke Neuwied gezahlt hat.
Nach Ansicht des Landgericht Koblenz hängt die Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit von der Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2003/55 ab. Das Versäumnis der Stadtwerke Neuwied, den Verbraucher rechtzeitig und direkt über die Erhöhungen des Gaspreises zu informieren, könne deren Gültigkeit in Frage stellen, weil die sich aus Art. 3 Abs. 3 und Anhang A Buchst. b und c der Richtlinie 2003/55 ergebende Transparenzanforderung in einem Rechtsstreit wie dem des Ausgangsverfahrens unmittelbar geltend gemacht werden könne, obwohl die Richtlinie im streitigen Zeitraum nicht in deutsches Recht umgesetzt gewesen sei.
Das Landgericht Koblenz möchte vom EuGH wissen, ob die Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die unterbliebene rechtzeitige und direkte Information der Gaskunden über Voraussetzungen, Anlass und Umfang einer bevorstehenden Tarifänderung für Gaslieferungen der Wirksamkeit einer solchen Tarifänderung entgegensteht.
Der EuGH hat die Vorlagefrage verneint. Die Unterlassung der (rechtlich gebotenen) persönlichen Kundenmitteilung steht der Wirksamkeit der Preiserhöhung nicht entgegen. Die Stadtwerke Neuwied haften dem Kunden jedoch für einen diesem wegen der Unterlassung der persönlichen Kundenmitteilung etwa entstandenen Schaden.
Der Zweck der Richtlinie 2003/55 ist die Verbesserung der Funktionsweise des Gasbinnenmarkts. Insoweit ist ein nicht diskriminierender, transparenter und zu angemessenen Preisen gewährleisteter Netzzugang Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb und von größter Bedeutung für die Vollendung des Gasbinnenmarkts. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2003/55 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden und zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzes ergreifen. Ferner können die Mitgliedstaaten einen Versorger letzter Instanz benennen, um die Versorgungssicherheit der am Gasnetz angeschlossenen Kunden zu gewährleisten. Zumindest im Fall der Haushaltskunden schließen diese Maßnahmen jedenfalls die in Anhang A aufgeführten Maßnahmen ein.
Nach Anhang A Buchst. b der Richtlinie 2003/55 sollen die in deren Art. 3 Abs. 3 genannten Maßnahmen insbesondere gewährleisten, dass die Dienstleister ihren Kunden direkt jede Gebührenerhöhung mit angemessener Frist mitteilen, auf jeden Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode, die auf die Gebührenerhöhung folgt. Ferner stellen die Mitgliedstaaten nach dieser Bestimmung sicher, dass es den Kunden freisteht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen der Gasversorgung nicht akzeptieren. Nach Anhang A Buchst. c der Richtlinie erhalten die Kunden transparente Informationen über geltende Preise und Tarife.
Dem Wortlaut dieser Bestimmungen ist nicht zu entnehmen, ob die Einhaltung der den Gasversorgern obliegenden Transparenz- und Informationspflichten eine Voraussetzung für die Gültigkeit der Tarifänderungen der Gaslieferung ist. Der EuGH hatte für die Auslegung der Bestimmung die Interessen der Verbraucher mit den Interessen der Energielieferanten im Lichte des Zwecks der Richtlinie abzuwägen. Einerseits wird die praktische Wirksamkeit der Rechte der Verbraucher beschnitten, wenn sie den Vertrag nicht vor der Preiserhöhung kündigen können, weil sie durch die Pflichtverletzung des Energielieferanten nicht rechtzeitig Kenntnis erhalten. Andererseits ist bei „Versorgern letzter Instanz“ im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2003/55 (in Deutschland: "Grund- und Ersatzversorger") zu beachten, dass sie zur Versorgung verpflichtet sind und den Vertrag nicht selbst kündigen dürfen.
Der EuGH hat daher entschieden, dass die Gültigkeit einer Tariferhöhung, die der Umwälzung des Anstiegs der Bezugskosten entspricht, nicht von der persönlichen Information der Kunden abhängt, da der Versorger die Versorgungssicherheit seiner Kunden zu gewährleisten hat. Andernfalls könnte das vom Gasversorger getragene wirtschaftliche Risiko sowohl die Verwirklichung des mit der Richtlinie 2003/55 verfolgten Ziels der Versorgungssicherheit in Frage stellen als auch die wirtschaftlichen Interessen dieses Versorgers unverhältnismäßig beeinträchtigen. Das Unterbleiben einer persönlichen Mitteilung der Tarifänderungen stellt gleichwohl eine Beeinträchtigung des Verbraucherschutzes dar. Deshalb ist zum einen erforderlich, dass der Kunde den Vertrag jederzeit kündigen kann. Zum anderen müssen dem Kunden angemessene Rechtsbehelfe offenstehen, damit er Ersatz für den Schaden verlangen kann, der gegebenenfalls entstanden ist, weil er nicht die Möglichkeit hatte, rechtzeitig sein Recht auszuüben, den Versorger zu wechseln, um einen günstigeren Tarif zu erhalten.
Die Entscheidung wurde in der Presse teilweise sehr verkürzt wieder gegeben. Dadurch kann der Eindruck entstanden sein, dass Gas- oder Strompreiserhöhung nach Auffassung des EuGH in sehr weitem Umfang wirksam seien, auch wenn der Energielieferant den Kunden nicht persönlich benachrichtigt hat. Diese Eindruck wäre unzutreffend. Die Entscheidung des EuGH beruht vielmehr auf sehr engen Voraussetzungen.
Hat auch Ihr Strom- oder Gaslieferant eine Preiserhöhung vorgenommen und Sie darüber nicht persönlich informiert? Gern beraten wir Sie zu Ihrem individuellen Energieliefervertrag. Bitte nutzen Sie für Ihre Fragen unser Online-Rechtsberatungsformular.
Quelle: Volltext des Urteils des EuGH
Druckansicht weniger Information13.02.2020
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute entschieden, dass Entschädigungsansprüche aus der Fluggastrechte-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) wegen der Annullierung oder Verspätung eines Fluges bei einem einheitlich gebuchten, aus mehreren Teilstrecken bestehenden Flug auch dann bei dem für den Abflugort zuständigen Gericht geltend gemacht werden können, wenn nur der letzte Teilflug verspätet ist oder annulliert wird (Beschl. v. 13.02.2020, Az. C-606/19).
Der EuGH hatte über ein Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Hamburg zu entscheiden.
Der Ausgangsrechtsstreit geht auf einen aus drei Teilflügen bestehenden Flug von Hamburg (Deutschland) über London (Vereinigtes Königreich) und Madrid (Spanien) nach San Sebastian (Spanien) zurück, der für den 25. August 2018 vorgesehen war. Zwei Fluggäste hatten für diesen Flug eine bestätigte einheitliche Buchung getätigt. Der erste Teilflug von Hamburg nach London wurde von British Airways durchgeführt. Für die beiden weiteren Teilflüge von London nach Madrid und von Madrid nach San Sebastian war das Luftfahrtunternehmen Iberia beauftragt. Während die ersten beiden Teilflüge ohne Zwischenfall verliefen, wurde der dritte Teilflug annulliert, ohne dass die in Rede stehenden Fluggäste rechtzeitig informiert worden sind. Die in Rede stehenden Fluggäste haben Ihre Rechte an die flightright GmbH abgetreten. flightright hat beim vorlegenden Amtsgericht Hamburg gegen Iberia Klage auf Ausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt 500 €, d.h. 250 € pro Fluggast, auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 erhoben, da die Entfernung zwischen Hamburg und San Sebastian etwa 1.433 km beträgt.
Das Amtsgericht Hamburg zweifelt zum einen an seiner internationalen Zuständigkeit für die Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit und zum anderen daran, dass die in Rede stehenden Fluggäste Klage gegen die beiden Luftfahrtunternehmen erheben können, die an der Durchführung des dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegenden Flugs mit Anschlussflügen mitgewirkt haben. Es möchte insbesondere wissen, ob es in Bezug auf den annullierten Teilflug für die Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit zuständig ist, obwohl der Abflug- und der Ankunftsort dieses Teilflugs, nämlich Madrid bzw. San Sebastian, jeweils außerhalb seiner Zuständigkeit liegt.
Der EuGH hat die Zuständigkeit des Amtsgericht Hamburg bejaht.
Nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1215/2012 kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, wegen vertraglicher Ansprüche in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn dort vertragliche Dienstleistungen erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen (Erfüllungsort).
Durch diese Zuständigkeitsregelung ist die gleichwertige frühere Regelung in Art. 5 Nr. 1 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 abgelöst worden. Die Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Verordnung Nr. 44/2001, die der EuGH vorgenommen hat, gilt daher auch für Art. 7 Nr. 1 Verordnung Nr. 1215/2012.
In Bezug auf Art. 5 Nr. 1 Verordnung Nr. 44/2001 hat der EuGH im Fall von Direktflügen entschieden, dass sowohl der Ort des Abflugs als auch der Ort der Ankunft des Flugzeugs gleichermaßen als Erfüllungsort anzusheen sind. Eine auf Ausgleichszahlungen nach der Flugastrechte-VO gerichte Klage kann Fluggast daher entweder bei dem Gericht, in dessen Zuständigkeitsbereich der Ort des Abflugs liegt oder bei dem Gericht, in dessen Zuständigkeit der Ort der Ankunft liegt, erheben (vgl. Urt. v. 09.07. 2009, Rehder, C‑204/08, EU:C:2009:439, Rn. 43 und 47).
Insoweit hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Begriff „Erfüllungsort“, wie er im Urteil vom 9. Juli 2009, Rehder (C‑204/08, EU:C:2009:439), ausgelegt wurde, auch wenn er sich auf einen Direktflug bezieht, entsprechend auch für den Fall gilt, in dem der Flug mit Anschlussflügen, der durch eine einheitliche Buchung für die gesamte Reise gekennzeichnet ist, aus zwei Teilflügen besteht (vgl. Urt. v. 07.03.2018, flightright u. a., C‑274/16, C‑447/16 und C‑448/16, EU:C:2018:160, Rn. 69 und 71).
Folglich hat der Fluggast bei einem aus zwei Teilflügen bestehenden Flug die Wahl, ob eine Klage auf Ausgleichszahlungen bei dem Gericht erhebt, in dessen Zuständigkeitsbereich der Abflugort des ersten Teilflugs liegt, oder bei dem Gericht, in dessen Zuständigkeitsbereich der Ankunftsort des zweiten Teilflugs liegt.
Daraus folgert der EuGH, dass der Fluggast bei einem aus mehr als zwei Teilflügen bestehenden Flug eine Klage auf Ausgleichszahlungen jedenfalls bei dem Gericht erheben kann, in dessen Zuständigkeitsbereich der Abflugort des ersten Teilflugs liegt. Dieser Ort weist eine hinreichend enge Verbindung zum Sachverhalt auf, so dass die nach den in Art. 7 Nr. 1 Verordnung Nr. 1215/2012 aufgestellten besonderen Zuständigkeitsregeln vorgegebene enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag über eine Beförderung im Luftverkehr und dem zuständigen Gericht besteht.
Die Entscheidung steltl sich als logische Folge der bisherigen Rechtsprechung des EuGH dar, auf die der EuGH hier selbst Bezug genommen hat. Es wäre auch schwer nachvollziehbar, warum bei einem aus zwei Teilflügen bestehenden Flug die Zuständigkeit des für den Abflugort zuständigen Gerichts begründet sei sollte, bei einem aus drei (oder mehr) Teilflügen bestehen Flug aber nicht. Insofern hätte das Amtsgericht Hamburg die Frage auch selbst beantworten können.
Nicht entschiden hat der EuGH, ob die Klage bei einem aus mehr als zwei Teilflügen bestehenden Flug auch bei dem für den Ankunftsort des letzten teilfluges zuständigen Gericht erhoben werden kann, weil diese Frage nicht Gegenstand des Vorlagebegehrens des Amtsgericht Hamburg war. Auch insofern kann aber anhand der bisherigen Rechtsprechung des EuGH kein ersthafter Zweifel bestehen. Bei einem aus zwei Teilflügen bestehenden Flug kann eien Klage auf Ausgleichszahlungen auch an dem für den Ankunftsort des zweiten Teilfluges zuständigen Gericht erhoben werden, weil auch diser Ort "Erfüllungsort" des Beförderungsvertrages ist. Dementsprechend ist bei eionem aus mehr als zwei Teilflügen bestehenden Flug auch der Ankunftsort des letzten Teilfluges "Erfüllungsort".
Im Ergebnis bedeutet das für die Fluggäste, dass sie bei einem aus mehreren Teilflügen bestehenden Flug, der einheitlich gebucht und bestätigt wurde, eine Klage auf Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechte-VO wahlweise immer bei dem Gericht des Abflugorts des ersten Teilflugs oder dem Gericht des Ankunftsorts des letzten Teilflugs erheben können. Ausgleichszahlungen aufgrund der Verspätung oder Annullierung von Flügen von und nach Deutschland können damit auch dann in Deutschland geltend gemacht werden, wenn der gebuchte Flug aus mehreren Teilflügen bestand.
Quelle: Volltext des Beschlusses des EuGH
Druckansicht weniger Information14.01.2020
Das LG Köln hat heute entschieden, dass die 365 AG (Marke "immergrün!") von ihren Kunden keine Abschlagszahlungen verlangen darf, deren Summe das vom Kunden voraussichtlich geschuldete Jahresentgelt übersteigt. Außerdem dürfen monatliche "Abschlagszahlungen" nicht vor dem Ende des jeweiligen Liefermonats fällig werden. Eine Mahnpauschale von 2,50 € ist überhöht (Urt. v. 14.01.2020, Az. 31 O 151/18).
Die beklagte 365 AG ist ein Strom- und Gasversorgungsunternehmen, welches seine Leistung unter der Marke „immergrün!" auch gegenüber Endverbrauchern außerhalb der Grundversorgung erbringt. In ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete die Beklagte u.a. folgende Klausel:
10. Abschlagszahlungen, Rechnung
(1) Der Kunde leistet im Laufe eines Vertragsjahres monatliche
Abschlagszahlungen, es sei denn, die Parteien haben etwas Abweichendes
vereinbart.
(2) Die Höhe des Abschlages wird für das erste Belieferungsjahr
nach Wahl des Energieversorgers auf Grundlage der vom Kunden oder
vom zuständigen Netzbetreiber angegebenen Verbrauchsprognose und
des vom Kunden gewählten Tarifs ermittelt. In den Folgejahren wird auf
Grundlage des sich aus der letzten Abrechnung ergebenden
Energieverbrauchs der für die folgende Abrechnungsperiode zu
erwartende Energieverbrauch ermittelt und mit den dann gültigen
Preisen bewertet. Die Höhe der Abschlagszahlung, die Fälligkeit und die
Fälligkeitszeitpunkte werden dem Kunden mit der Vertragsbestätigung
mitgeteilt.
Auf der Grundlage dieser Klausel bestimmte die 365 AG die Fälligkeit der ihren Kunden beginnend mit dem ersten Belieferungsmonat in Rechnung gestellten Abschlagszahlungen regelmäßig auf den ersten Tag des Monats. Dabei berechnete die 365 AG jedenfalls einem Teil ihrer Kunden 12 Abschläge i.H.v. jeweils 1/11 des nach der Verbrauchsprognose voraussichtlich geschuldeten Jahresentgelts und verschaffte sich dadurch "Abschlagszahlungen" i.H.v. 109 % des voraussichtlich geschuldeten Jahresentgelts. Nach einer weiteren Klausel verlangte die 365 AG von ihren Kunden für Mahnungen eine Pauschale von 2,50 €.
Der Kläger mahnte die 365 AG wegen der Abschlagsklausel, der Anwendungspraktik der Abschlagsklausel und wegen der Höhe der Mahnpauschale erfolglos ab und erhob dann Klage.
Er vertritt die Ansicht, dass die Abschlagsklausel in Ziff. 10 Abs. 2 AGB nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist, weil diese Klausel der Beklagten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einräume, das nach seinem Grund und seiner konkreten Ausgestaltung unangemessen sei.
Darüber hinaus wendet sich der Kläger gegen die Praktik der Beklagten, bei der Bestimmung der Fälligkeit sowie der Höhe und Anzahl der Abschlagszahlungen. Die Bestimmung der Fälligkeit auf den Anfang einer Lieferperiode sei als eine nach § 3 Abs. 2 UWG unlautere geschäftliche Handlung zu werten. Er vertritt ferner die Auffassung, dass auch die Bestimmung der Höhe der Abschlagszahlung eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Abs. 2 UWG darstelle, soweit die Beklagte 12 Abschläge in Höhe von 1/11 des voraussichtlichen Jahresentgelts berechne.
Die Mahnpauschale von 2,50 € hält der Kläger nach § 309 Nr. 5 a) BGB für überhöht, weil sie den Schaden übersteige, welcher der Beklagten durch eine
Mahnung entstehe.
Das Landgericht Köln (Urt. v. 14.01.2020, Az. 31 O 151/18) entschied in erster Instanz. Die Berufung der Beklagten ist beim OLG Köln anhängig.
Das LG Köln hat der Klage in allen Punkten stattgegeben.
1.
Die Klausel in Ziff. 10 Abs. 2 der AGB der Beklagten ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil sie die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Auf Grund ihrer unzureichenden Bestimmtheit beinhaltet die beanstandete Klausel ein von den berechtigten Interessen der Beklagten so nicht mehr gedecktes, zu weitreichendes sowie intransparentes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, welches den berechtigten Belangen der Kunden der Beklagten nicht ausreichend Rechnung trägt.
Durch die Klausel behält sich die Beklagte bezüglich der Fälligkeit (Satz 3) und der Höhe (Satz 1 bis 3) der von ihren Kunden monatlich zu leistenden Abschlagszahlungen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vor. Fälligkeit und Höhe der Abschlagszahlungen werden nicht zwischen den Vertragsparteien verhandelt, sondern einseitig von der Beklagten festgelegt und dem Kunden mit der Vertragsbestätigung durch die Beklagte mitgeteilt.
An die Wirksamkeit einer formularmäßigen Begründung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts werden im Hinblick auf § 307 Abs. 1 BGB nach gefestigter Rechtsprechung strenge Voraussetzungen geknüpft. So müssen zunächst gewichtige Sachgründe einen solchen Vorbehalt rechtfertigen. Ferner müssen die Voraussetzungen und der Umfang des Leistungsbestimmungsrechts hinreichend konkretisiert sein. Schließlich müssen die berechtigten Belange des anderen Teils ausreichend gewahrt sein (vgl. BGH, Urt. v. 18.01.2017, VIII ZR 263/15, juris, Rn. 27; BGH, Urt. v. 20.07.2005, VIII ZR 121/04, juris, Rn. 39 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Zwar ist ein sachlicher Grund dafür gegeben, dass sich die Beklagte das Recht vorbehält, Höhe und Fälligkeit der Abschlagszahlung nach Vertragsschluss einseitig zu bestimmen. Dies ergibt sich daraus, dass die Beklagte erst zur Zeit ihrer Vertragsannahme über die Informationen verfügt, die sie zur Berechnung einer angemessenen Abschlagszahlung und zur Bestimmung ihrer Fälligkeit benötigt. Es fehlt jedoch an einer hinreichenden Konkretisierung der Voraussetzungen und des Umfangs der sachlich begründeten Leistungsbestimmungsrechte der Beklagten.
Durch Wortlaut der Klausel ist nicht einmal gesichert, dass eine Abschlagszahlung nicht sogar vor Beginn der Lieferung fällig gestellt wird. Auch im Übrigen enthält die Klausel keinerlei Vorgaben zu der Bestimmung des Fälligkeitszeitpunktes, sondern überlässt dessen Festlegung in vollem Umfang der Beklagten. Dafür besteht kein sachlicher Grund. Es wäre der Beklagten unschwer möglich und im Interesse der Kunden geboten, die Fälligkeit zu konkretisieren. So könnte sie die Fälligkeit auf einen bestimmten zeitlichen Abstand (wie z. B. [mindestens] einen Monat) nach der Aufnahme der Belieferung und Energieeinspeisung festlegen.
Weiterhin bedarf es auch im Hinblick auf die Höhe der Abschlagszahlungen einer näheren Bestimmung der Kriterien, anhand derer die Beklagte die Abschlagsbeträge festlegt (vgl. LG Hamburg, Urt. v. 09.05.2019, 3120176/18, VuR 2019, 433, 435). Hier ist nicht erkennbar, nach welchen Kriterien die Beklagte ihr Wahlrecht ausübt. Ferner bleibt unklar, wie sich der vom Kunden gewählte Tarif auf die Höhe der Abschlagszahlung auswirkt. Weiterhin lässt die Klausel die gebotene Anbindung der Berechnung an den Maßstab der Billigkeit nach § 315 Abs. 1 BGB vermissen (vgl. BGH, Urt. v.18.01.2017,VIII ZR 263/15, juris, Rn. 32). Es ist weiterhin auch kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass die Beklagte sich nicht auf eine der Anzahl der innerhalb eines Abrechnungszeitraums erhobenen Abschläge entsprechende Berechnung der Höhe der einzelnen Abschläge festlegt (wie z.B. „Die Berechnung der monatlichen Abschläge erfolgt durch Division der jährlichen Verbrauchsprognose durch die Anzahl der jährlich erhobenen Abschläge."). Eben dies aber wäre erforderlich, um ihren Kunden bereits bei Vertragsschluss eine annähernd realistische Einschätzung ihrer künftigen monatlichen Lasten zu ermöglichen (zu den europarechtlichen Transparenzanforderungen vgl. BGH, Urt. v. 31.07.2013, VIII ZR 162/09, juris, Rn. 51 ff.).
Schließlich ist es als eine unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten anzusehen, dass die streitgegenständliche Klausel ihnen nicht den Nachweis gestattet, dass ihr tatsächlicher Verbrauch erheblich geringer ist als von der Beklagten angenommen (vgl. § 13 Abs. 1 S. 4 StromGVV, § 41 Abs. 2 S. 3 EnWG).
2.
Die Praktik der Beklagten, die Fälligkeit der monatlichen Abschlagszahlungen auf einen Zeitpunkt vor dem Ende der mit der jeweiligen Zahlung abzugeltenden Lieferperiode zu bestimmen, stellt eine nach § 3 Abs. 2 UWG unzulässige geschäftliche Handlung dar, weil die Beklagte die vertraglich vereinbarten Abschlagszahlung damit de facto eine von der vertraglichen Absprache nicht gedeckte Vorauszahlung umwandelt.
Der Rechtsverkehr unterscheidet bei der Erbringung vorläufiger Teilleistungen zwischen Abschlags- und Vorauszahlungen – während Abschläge auf bereits erbrachte Gegenleistungen des Vorausleistungspflichten Vertragspartners gezahlt werden, werden durch Vorauszahlungen vereinbarte, aber noch nicht erbrachte Gegenleistungen im Voraus vergütet (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2014, VIII ZR 79/14, juris, Rn. 43 f. m.w.N.; Urt. v. 08.11.2012, Vll ZR 191/12, juris, 14 f.). Die betreffende Unterscheidung ist einiger praktischer Bedeutung. Anders als bei einer Abschlagszahlung, durch die lediglich eine bereits empfangene Gegenleistung vor deren endgültiger Abrechnung vorläufig vergütet wird, wird durch eine Vorauszahlung die Vorleistungspflicht des Vertragspartners und das damit verbundene Insolvenzrisiko in dem jeweiligen Umfang auf den Vorausleistenden abgewälzt. Aus diesem Grund wird die Begründung der Verpflichtung zu einer Vorauszahlung regelmäßig an strengere Voraussetzungen geknüpft als die der Verpflichtung zu einer Abschlagszahlung. Diese Abstufung umgeht die Beklagte indem sie einen Tarif mit „Abschlagszahlungen“ anbietet, die Abschlagszahlungen aber als Vorauszahlungen ausgestaltet.
Eine von dem Kläger unwidersprochen vorgetragene praktisch bedeutsame Folge des Unterschieds zwischen einer Abschlagszahlung und einer Vorauszahlung besteht darin, dass die – nach den Angaben der Beklagten von 80% ihrer Kunden im Vorfeld der Vertragsschließung genutzten – Stromvergleichsportale Vorkassetarife standardmäßig ausblenden; als Tarife mit Vorkasse hinterlegte Produkte würden dort nur angezeigt, wenn der Suchende die Filtereinstellungen eigens entsprechend anpasse. Hieraus ergibt sich ein hohes geschäftliches Interesse der Beklagten daran, die Vereinbarung regelmäßiger Vorauszahlungen zu vermeiden bzw. diese dadurch zu umgehen, dass die kontinuierlich erhobenen Abschlagszahlungen durch die beanstandete Bestimmung eines der Erbringung der
betreffenden Gegenleistung vorgelagerten Fälligkeitszeitpunktes faktisch zu (zumindest teilweisen) Vorauszahlungen umfunktioniert werden (vgl. zu letzterem LG Hamburg, Urt. v. 09.05.2019, 312 O 176/18, VuR2019, 433, 435). Diese für den Verbraucher kaum durchschaubare und der unternehmerischen Sorgfalt nicht entsprechende systematische Geschäftspraktik ist geeignet, die Kunden der Beklagten zur Erbringung einer (Vor)Leistung zu veranlassen, die sie nach dem Vertrag gerade nicht schulden.
3.
Auch die vom Kläger angegriffene Praktik der Beklagten bei der Bestimmung von Höhe und Anzahl von Abschlagszahlungen ist nach § 3 Abs. 2 UWG unzulässig. Der Kläger hat – von der Beklagten unbestritten – vorgetragen, dass die Beklagte auf Grund ihres einseitigen Leistungsbestimmungsrechts nach Ziff. 10 ihrer AGB die Anzahl der Abschlagszahlungen im Regelfall auf 12 pro Jahr festlege, die Höhe der jeweiligen Abschläge aber mit 1/11 des voraussichtlich geschuldeten Jahresentgelts bemesse. Diese Geschäftspraktik der Beklagten ist als eine unlautere geschäftliche Handlung zu werten. Sowohl im Hinblick auf den dargelegten generellen Zweck einer Abschlagszahlung, eine bereits erbrachte Gegenleistung vor deren endgültiger Abrechnung vorläufig abzugelten, hat sich die Höhe der Abschlagszahlungen nach dem von dem individuellen Verbraucher für die vorläufig abgegoltene Lieferperiode voraussichtlich geschuldeten Entgelt zu richten. Wenn sich die Beklagte bei der Berechnung der Abschlagshöhe zwar an der von ihr ermittelten Jahresverbrauchsprognose orientiert, sie dann aber 12 Abschlagszahlungen einfordert, die jeweils nicht mit 1/12, sondern mit 1/11 des nach dieser Prognose voraussichtlich geschuldeten Entgelts bemessen sind, müsste der Kunde jeden Monat einen Abschlag zahlen, der das auf den abgegoltenen Monat nach der Prognose entfallende Entgelt um einen nicht unerheblichen Betrag übersteigt.
Das mag folgende Beispielsrechnung nochmals verdeutlichen: Ist nach der Jahresverbrauchsprognose ein voraussichtliches Entgelt in Höhe von 1.000,00 € im Jahr zu zahlen, so entfällt auf jeden Monat ein Betrag in Höhe von 83,33 €. Fordert die Beklagte nun aberjährlich 12 Abschläge in Höhe von 1/11 des nach ihrer Prognose zu zahlenden Jahresentgelts belaufen sich diese Zahlungen auf 12 x 90,91 € = 1.090,91 €, übersteigen also jeden Monat das nach der Prognose voraussichtlich geschuldete Entgelt um 7,58 €. Auch hierbei handelt es sich um eine für den Verbraucher nicht transparente und der unternehmerischen Sorgfalt nicht entsprechende systematische Geschäftspraktik, die geeignet ist, die Kunden der Beklagten zur Erbringung einer teilweisen Vorauszahlung zu veranlassen, welche sie nach dem Vertrag nicht schulden.
4.
Die Mahnpauschalenklausel der Beklagten ist nach § 309 Nr. 5 a) BGB unwirksam, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, dass der Betrag von 2,50 € dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden entspricht.
Der Anwendung dieser Kontrollnorm auf die streitgegenständlichen Energielieferungsverträge an Endverbraucher außerhalb der Grundversorgung steht die Regelung des § 310 Abs. 2 BGB nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 26.06.2019, VIII ZR 95/18, juris, Rn. 29).
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die in der Klausel festgesetzte Pauschale von 2,50 € dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden entspricht, trägt die Beklagte als Verwenderin dieser Allgemeinen Geschäftsbedingung (vgl. BGH, Urt. v. 26.06.2019, VIII ZR 95/18, juris, Rn. 46; Beschl. v. 23.02.2017, III ZR 390/16, juris, Rn. 8; Urt. v. 18.02.2015, XII ZR 199/13, juris, Rn. 22). Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an ihren Sachvortrag ist die Beklagte nicht gerecht geworden. Während der Kläger näher dargelegt hat, dass eine Mahnung keine entsprechenden Kosten verursacht, beschränkt sich die Beklagte auf die abstrakte Behauptung, dass bei der Bemessung der Mahnkosten nur diejenigen Kosten berücksichtigt würden, die in direkter Verbindung mit der Mahnung stünden. Mangels der erforderlichen Substantiierung dieser Behauptung ist dem Kläger eine sachbezogene Auseinandersetzung mit diesem Vortrag nicht möglich.
Das LG Köln geißelt mit seinen deutlichen Worten die Praktik der 365 AG bei der Bemessung der Höhe und der Bestimmung der Fälligkeit von Abschlagszahlungen. Leider ist diese Praktik bei der Versorgung von Haushaltskunden mit Strom und Gas weit verbreitet. Vor allem "Discount-Anbieter", die mit besonders niedrigen Preisen auf Kundenfang gehen, versuchen, sich durch "Tricksereien" bei den Abschlägen zu Lasten der Kunden unzulässige wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Derartige Praktiken haben verstärkt Verbreitung gefunden, nachdem die Verbraucher durch die Insolvenz von FlexStrom und TelDaFax vor den Risiken der Vorkasse gewarnt sind und Tarife mit Vorkasse kaum noch abschließen. Um so mehr ist es zu missbilligen, wenn Energielieferanten nun Tarife mit "Abschlagszahlungen" anbieten, praktisch aber verdeckte Vorauszahlungen verlangen. Sind Sie selbst Kunde der 365 AG oder Kunde eines anderen Energielieferanten, der die Abschlagszahlungen schon am Monatsanfang verlangt oder Ihnen zu hohe Abschläge berechnet? Gern beraten wir Sie zu Ihrem individuellen Energieliefervertrag. Bitte nutzen Sie für Ihre Fragen unser Online-Rechtsberatungsformular.
Auszug aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
§ 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.
(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
§ 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
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5. | (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn |
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a) | die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder | |
b) | dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale; |
Auszug aus dem Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG)
§ 41 Energielieferverträge mit Haushaltskunden, Verordnungsermächtigung
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(2) 1Dem Haushaltskunden sind vor Vertragsschluss verschiedene Zahlungsmöglichkeiten anzubieten. 2Wird eine Vorauszahlung vereinbart, muss sich diese nach dem Verbrauch des vorhergehenden Abrechnungszeitraums oder dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kunden richten. 3Macht der Kunde glaubhaft, dass sein Verbrauch erheblich geringer ist, so ist dies angemessen zu berücksichtigen. 4Eine Vorauszahlung wird nicht vor Beginn der Lieferung fällig.
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Auszug aus der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (StromGVV)
§ 13 Abschlagszahlungen
(1) 1Wird der Verbrauch für mehrere Monate abgerechnet, so kann der Grundversorger für die nach der letzten Abrechnung verbrauchte Elektrizität eine Abschlagszahlung verlangen. 2Diese ist anteilig für den Zeitraum der Abschlagszahlung entsprechend dem Verbrauch im zuletzt abgerechneten Zeitraum zu berechnen. 3Ist eine solche Berechnung nicht möglich, so bemisst sich die Abschlagszahlung nach dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kunden. 4Macht der Kunde glaubhaft, dass sein Verbrauch erheblich geringer ist, so ist dies angemessen zu berücksichtigen.
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Quelle: Urteilsabdruck
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