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02.10.2020

OLG Schleswig weist Beschwerde der Mobilcom-Debitel GmbH gegen Ordnungsgeldfestsetzung des LG Kiel zurück: Mobilcom-Debitel GmbH muss 100.000 € an die Staatskasse zahlen.

Das LG Kiel hatte auf Antrag des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. durch Beschluss vom 31.07.2020 entschieden, dass die Mobilcom-Debitel GmbH wegen Verstoßes gegen ein Unterlassungsurteil (Unterlassung der Erhebung von Mahnpauschalen von 5,95 € und Rücklastschriftpauschalen von 4,59 €) ein Ordnungsgeld i.H.v. 100.000 € an die Staatskasse zahlen muss. Das OLG Schleswig hat die gegen die Entscheidung gerichtete Beschwerde der Mobilcom-Debitel GmbH nun zurückgewiesen. Damit ist die Ordnungsgeldfestsetzung rechtskräftig (OLG Schleswig, Beschl. v. 02.10.2020, Az. 16 W 77/20).

Zum Sachverhalt:

Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. begehrte die Festsetzung eines Zwangsmittels nach § 890 ZPO* gegen die Mobilcom-Debitel GmbH wegen Verstoßes gegen ein Unterlassungsurteil.

Auf Klage des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. untersagte das Landgericht Kiel der Mobilcom-Debitel GmbH durch Urteil vom 19.03.2018, Az. 6 O 351/15, von Verbrauchern Mahnpauschalen von 5,95 € oder höher und Rücklastschriftpauschalen von 4,59 € oder höher zu verlangen, weil diese Beträge die gewöhnlichen Mahnkosten bzw. den gewöhnlichen Rücklastschriftschaden der Mobilcom-Debitel GmbH übersteigen. Außerdem untersagte das Gericht dem Unternehmen, für Rücklastschriften Beträge zu verlangen, in die Refinanzierungskosten, Personalkosten oder sonstige allgemeine Verwaltungsaufwände einberechnet sind, da diese Kosten nach der Rechtsprechung nicht als Rücklastschriftschaden ersatzfähig sind. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht bestätigte das Urteil des Landgerichts im Berufungsverfahren durch Urteil vom 07.02.2019, Az. 2 U 5/18, und erklärte das erstinstanzliche Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar. Die Mobilcom-Debitel GmbH legte gegen das Berufungsurteil Nichtzulassungsbeschwerde ein, die der BGH mit Beschluss vom 31.10.2019 zurückwies.

Mit seinem Antrag auf Festsetzung eines Zwangsmittels vom 15.01.2020 hat der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. (Gläubiger) vor dem LG Kiel geltend gemacht, dass die Mobilcom-Debitel GmbH (Schulderin) die Erhebung der Pauschalen auch nach Verkündung des vorläufig vollstreckbaren Berufungsurteils am 07.02.2019 fortgesetzt habe. Er hat sich auf neun konkrete Fälle berufen, in denen die Schulderin ihren Kunden nach dem 07.02.2019 noch die überhöhten Pauschalen in Rechnung gestellt haben soll.

Die Schulderin hat die Inrechungstellung der Pauschalen nicht bestritten. Sie hat jedoch die Auffassung vertreten, dass der Ordnungsmittelantrag unbegründet sei, weil zum Zeitpunkt der geltend gemachten Zuwiderhandlungen die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen bezüglich des Urteils des LG Kiel vom 19.03.2018 noch nicht vorgelegen hätten. Vor dem Hintergrund der Risikoverteilung des § 717 Abs. 2 ZPO sei es unzulässig, die Vollstreckung nach Rechtskraft des Unterlassungstenors für solche Zuwiderhandlungen zu betreiben, die noch zu einer Zeit erfolgten, in der der Titel noch nicht rechtskräftig vollstreckbar gewesen sei.

Verfahrensgang:

Der Antrag war für dem LG Kiel erfolgreich. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 31.07.2020 ein Ordnungsgeld von 100.000 € gegen die Schulderin festgesetzt. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Schulderin unter Aufrechterhaltung ihrer erstinstanzlich vorgetragenen Einwände die Aufhebung der Ordnungsmittelfestsetzung.

Die Entscheidung des OLG Schleswig:

Das OLG Schleswig hat die Beschwerde der Schulderin zurückgewiesen. zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die Schuldnerin schuldhaft gegen die durch das Urteil des Landgerichts Kiel vom 19.03.2018, in der Fassung des Urteils des OLG Schleswig vom 02.02.2019 auferlegte Verpflichtung verstoßen hat.

Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung sind erfüllt. Das OLG Schleswig hat mit seinem Urteil vom 07.02.2019 das landgerichtliche Urteil vom 19.03.2018 ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das Urteil des Landgerichts war der Schuldnerin bereits am 20.03.2018 zugestellt und ist am 04.02.2020 mit der Vollstreckungsklausel versehen worden.

Ordnungsmittel durften auch bereits wegen der ersten beanstandeten Rechnungsversendung am 18.04.2019 an ihren Kunden A. verhängt werden. Zu diesem Zeitpunkt – nämlich schon seit der Verkündung des Berufungsurteils am 19.03.2018 war das zu vollstreckende Urteil – wenn auch nur vorläufig – bereits unbedingt vollstreckbar, so dass die Schuldnerin zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen gehalten war, das Unterlassungsgebot zu erfüllen. Dass die Vollstreckungsklausel erst nach den geltend gemachten Zuwiderhandlungen erteilt wurde, ist unerheblich. Ausreichend ist, dass die Klausel bei Verhängung des Ordnungsmittels vorliegt.

Der Gläubiger war ferner nicht gehalten, seine Absicht, die Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungstitel betreiben zu wollen, gegenüber der Schuldnerin nach der Verkündung des Berufungsurteils anzuzeigen. Entgegen der Annahme der Schuldnerin gebietet dies der Zweck von § 717 Abs. 2 ZPO nicht. Die Schuldnerin war verpflichtet, das mit der Vollstreckungsandrohung verbundene tenorierte Unterlassungsgebot ab dem Zeitpunkt zu befolgen, ab dem eine Zwangsvollstreckung bedingungsgemäß möglich gewesen wäre (also Erbringung der Sicherheitsleistung) oder aber wie vorliegend bedingungslos möglich wurde (nämlich mit Verkündung des Berufungsurteils). Wenn ihr durch eine Änderung ihres Verhaltens entsprechend der Unterlassungsgebots Aufwendungen oder Nachteile entstanden wären und das Unterlassungsgebot sodann aufgehoben, die Entscheidung mithin nicht rechtskräftig geworden wäre, hätte der Gläubiger gemäß § 717 Abs. 2 ZPO gehaftet. Anders als in den Fällen, in denen die Vollstreckung eines lediglich gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urteils erfolgt, ist der Vollstreckungsdruck vorliegend mit der Verkündung des die Berufung hinsichtlich des Unterlassungsgebots zurückweisenden Urteils entstanden, ohne dass die Schuldnerin ausdrücklich darauf hätte hingewiesen werden müssen, dass der Gläubiger das Unterlassungsgebot auch schon vor Rechtskraft der Entscheidung im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen gedenkt.

Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100.000 € ist im Hinblick auf Art, Umfang und Dauer des Verstoßes sowie den Verschuldensgrad und den von der Schuldnerin aus der Verletzungshandlung erzielten Vorteil unter Berücksichtigung der Gefährlichkeit der begangenen und möglichen zukünftigen Verletzungshandlungen für den Verletzten gerechtfertigt. Die Annahme eines Ordnungsgeldes von 12.500 € je Verstoß ist angemessen, so dass der Senat auf die zutreffenden alle wesentlichen Aspekte würdigenden Ausführungen des Landgerichts Bezug nimmt. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen in der Beschwerdebegründung greifen nicht durch. Im Hinblick auf die unstreitige erhebliche Anzahl von monatlichen von der Schuldnerin zu bearbeitender Rücklastschriften, die seinerzeitige Ausgestaltung der pauschalen Inanspruchnahme ihrer Kunden für Kosten von Rücklastschriften und Mahnkosten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Preislisten der Schuldnerin und die Häufung von Zuwiderhandlungen gegenüber lediglich zwei Kunden in einem Zeitraum von nur sieben Monaten machen die Annahme eines Organisationsverschuldens durch das Landgericht ohne weiteres plausibel, so dass die entsprechende Feststellung nicht zu beanstanden ist. Zu Recht hat das Landgericht auch das in der Vergangenheit wegen zwei ähnlich gelagerter Geschäftspraktiken – was die Schuldnerin auch gar nicht in Abrede stellt – bereits gegen die Schuldnerin verhängte Ordnungsgeld in seine Erwägungen zur Ordnungsgeldbemessung einbezogen und angenommen, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass ein niedrigeres Ordnungsgeld für die Schuldnerin überhaupt spürbar wäre und einen Anreiz biete, bei etwaigen parallel gelagerten Fällen Abhilfe zu schaffen. Die Rückzahlung der ihren Kunden von der Schuldnerin zu Unrecht in Rechnung gestellten Beträge hat das Landrecht bereits ausreichend berücksichtigt. Ein niedrigeres Ordnungsgeld je Verstoß wäre nicht angemessen gewesen.


Auszug aus der Zivilprozessordnung (ZPO)

* § 890 Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen
(1) ¹Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. ²Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250 000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.
(2) …


Quelle: Entscheidungsabdruck

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