12.12.2012
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich heute in einer Entscheidung mit den Fragen befasst, wann die Verjährungsfrist für eine Betriebskostennachforderung des Vermieters beginnt und ob sich der Vermieter bei der Betriebskostenabrechnung für bestimmte Positionen eine Nachberechnung vorbehalten kann (Urt. v. 12.12.2012, Az. VIII ZR 264/12).
Die Beklagte war bis Ende Februar 2007 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Berlin und erbrachte neben der Miete Vorauszahlungen auf die Nebenkosten. Über diese rechnete die Klägerin unter anderem für die Jahre 2002 bis 2006 ab, wobei sie sich eine Nachberechnung im Hinblick auf eine zu erwartende rückwirkende Neufestsetzung der Grundsteuer vorbehielt. Das zuständige Finanzamt setzte die Grundsteuer mit Bescheid vom 3. Dezember 2007 rückwirkend für die Jahre ab 2002 fest. Die unter dem 30. Januar 2008 vorgenommene Nachberechnung der Grundsteuer für die Jahre 2002 bis 2006 führte zu einer Nachforderung der Klägerin in Höhe von 1.095,55 €. Der Mahnbescheid über diese Forderung wurde der Beklagten am 27. August 2010 zugestellt. Die Beklagte berief sich auf Verjährung.
Das Amtsgericht Wedding (Urt. v. 31.05.2011, Az. 20 C 581/10) hat der Zahlungsklage der Klägerin stattgegeben. Das Landgericht Berlin (Urt. v. 15.05.2012, Az. 67 S 344/11) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision der Beklagten zum BGH blieb ohne Erfolg.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Verjährungsfrist für eine Betriebskostennachforderung des Vermieters nicht bereits mit der Erteilung der Abrechnung in Gang gesetzt wird, in der sich der Vermieter die Nachberechnung vorbehalten hat, sondern erst dann, wenn der Vermieter auch Kenntnis von den die Nachforderung begründenden Umständen erlangt hat (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB*).
Entgegen der Auffassung der Revision hindert § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB** den Vermieter nicht daran, sich bei der Betriebskostenabrechnung hinsichtlich der Positionen, die er ohne sein Verschulden nur vorläufig abrechnen kann, eine Nachberechnung vorzubehalten. Die Regelung sieht zwar nach einer bestimmten Frist den Ausschluss von Nachforderungen vor und soll dadurch den Vermieter zu einer fristgerechten Abrechnung anhalten, enthält aber ausdrücklich eine Ausnahme für den Fall, dass der Vermieter ohne sein Verschulden nicht rechtzeitig abrechnen kann.
Da im vorliegenden Fall das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Klägerin erst durch den Bescheid des Finanzamts vom 3. Dezember 2007 von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat und ihre Forderung daher nicht verjährt ist, war die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
*§ 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
1. der Anspruch entstanden ist und
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
…
**§ 556 BGB: Vereinbarungen über Betriebskosten
…
(3) 1Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen; dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. 2Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. 3Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. 4Der Vermieter ist zu Teilabrechnungen nicht verpflichtet. 5Einwendungen gegen die Abrechnung hat der Mieter dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. 6Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten.
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 207/2012
14.11.2012
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, mit welchem Betrag der Vermieter eigene Sach- und Arbeitsleistungen in der Betriebskostenabrechnung ansetzen darf (Urt. v. 14.11.2012, Az. VIII ZR 41/12).
Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung der Klägerin in Köln. Die Parteien streiten über die Positionen "Gartenpflege" und "Hausmeister" in der Abrechnung der Betriebskosten. Darin sind nicht die der Klägerin durch den Einsatz eigenen Personals tatsächlich entstandenen Kosten eingesetzt, sondern fiktive Kosten eines Drittunternehmens (ohne Mehrwertsteuer).
Das Amtsgericht Köln (Urt. v. 09.02.2011, Az. 223 C 333/10) hat die Zahlungsklage abgewiesen. Das Landgericht Köln (Urt. v. 29.12.2011, Az. 1 S 44/11) hat das erstinstanzliche Urteil geändert und der Klage stattgegeben. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten zum BGH blieb ohne Erfolg.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass die Klägerin gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrKV* die von ihrem Personal erbrachten Hausmeister- und Gartenpflegearbeiten nach den fiktiven Kosten abrechnen durfte, die bei Erbringung der Leistungen durch einen Dritten entstanden wären. Die Regelung soll die Abrechnung für den Vermieter vereinfachen und gilt für natürliche und juristische Personen. Die Klägerin hat die angesetzten fiktiven Kosten ausreichend dargelegt, indem sie ein detailliertes Leistungsverzeichnis über die anfallenden Arbeiten sowie das darauf beruhende Angebot eines Unternehmens vorgelegt hat. Der Erhebung der von der Klägerin angebotenen Beweise bedurfte es nicht, weil der Beklagte die Angaben der Klägerin zu den fiktiven Kosten eines Drittunternehmens nicht bestritten hatte.
Auszug aus der Betriebkostenverordnung
*§ 1 Betriebskosten
(1) 1Betriebskosten sind die Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten durch das Eigentum oder Erbbaurecht am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. 2Sach- und Arbeitsleistungen des Eigentümers oder Erbbauberechtigten dürfen mit dem Betrag angesetzt werden, der für eine gleichwertige Leistung eines Dritten, insbesondere eines Unternehmers, angesetzt werden könnte; die Umsatzsteuer des Dritten darf nicht angesetzt werden.
…
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 192/2012
23.10.2012
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass Verbraucher Ansprüche gegen einen Reiseveranstalter wegen Mängeln eines Ferienhauses im Ausland vor deutschen Gerichten geltend machen können (Urt. v. 23.10.2012, Az. X ZR 157/11).
Die Kläger, die ihren Wohnsitz in Schwerin haben, buchten im Jahr 2007 bei der Beklagten, einem dänischen Reiseveranstalter, ein Ferienhaus in Belgien, das die Beklagte in ihrem Katalog angeboten hatte. Bei Anreise stellten die Kläger erhebliche Mängel fest, die die Beklagte trotz mehrerer Aufforderungen nicht beseitigte. Daraufhin reisten die Kläger nach entsprechender Ankündigung ab. Sie machen gegen die Beklagte Ansprüche u.a. auf Rückzahlung des Reisepreises und Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit geltend und haben Klage vor dem Amtsgericht Schwerin erhoben. Die Beklagte hat die fehlende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gerügt. Da der Rechtsstreit unmittelbar an einen Mietvertrag über eine unbewegliche Sache anknüpfe, sei gemäß Art. 22 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen* (nachfolgend: Verordnung) das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk das Ferienhaus belegen sei, damit das Gericht in Lüttich (Belgien). Die Kläger haben geltend gemacht, gemäß Art. 15 Abs. 1c** in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 der Verordnung*** sei das Amtsgericht Schwerin zuständig, da sie als Verbraucher die Beklagte als Reiseveranstalter in Anspruch nähmen.
Das Amtsgericht Schwerin (Urt. v. 16.11.2011, Az. 6 S 69/10) hat seine internationale Zuständigkeit bejaht und den Klägern die geltend gemachten Ansprüche zugesprochen. Der Verbraucherschutzgedanke gebiete die Anwendbarkeit der Art. 15, 16 der Verordnung. Die Berufung der Beklagten ist vom Landgericht Schwerin (Urt. v. 04.06.2010, Az. 14 C 636/07) zurückgewiesen worden, das ebenfalls Art. 22 Nr. 1 der Verordnung nicht für anwendbar gehalten hat. Die Revision der Beklagten vor dem BGH blieb ebenfalls ohne Erfolg.
Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat hat das Berufungsurteil bestätigt und entschieden, dass die deutschen Gerichte für die Klage international zuständig sind: Ein Verbraucher, der von einem gewerblichen Reisever-anstalter ein einem Dritten gehörendes Ferienhaus gemietet hat, kann Ansprüche aus dem Mietverhältnis gegen den Reiseveranstalter bei dem Gericht seines Wohnsitzes geltend machen.
Die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts des Ortes, an dem sich das Ferienhaus befindet, greift in diesem Fall nicht ein. Diese Vorschrift, die die Parteien zur Klage vor einem Gericht verpflichten kann, das von dem Sitz bzw. Wohnsitz beider Parteien abweicht, ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen. Hat ein Reiseveranstalter ein Ferienhaus an einen Verbraucher vermietet und stehen sich damit bei einem Rechtsstreit aus dem Mietverhältnis nicht Mieter und Eigentümer der Immobilie gegenüber, kann der Verbraucher an seinem Wohnsitz gegen den Reiseveranstalter klagen.
Der BGH hat ferner seine Rechtsprechung bestätigt, nach der der Verbraucher von dem Reiseveranstalter bei Mängeln seiner Leistung eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in entsprechender Anwendung des § 651f Abs. 2 BGB**** auch dann verlangen kann, wenn der Reiseveranstalter keine Gesamtheit von Reiseleistungen erbringt, sondern seine vertragliche Leistung wie hier nur in der Überlassung eines Ferienhauses besteht.
Auszug aus den oben zitierten Rechtsquellen
*Artikel 22 [Ausschließlicher Gerichtsstand]
Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig:
1. für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.
…
** Artikel 15 [Verbrauchersachen]
(1) Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,
…
c) in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgend einem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt
….
***Artikel 16 [Gerichtsstände]
(1) Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.
…
****§ 651f BGB. Schadensersatz
(1) …
(2) Wird die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt, so kann der Reisende auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 179/2012
weniger Information10.10.2012
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, auf welcher Grundlage zu beurteilen ist, ob eine vom Vermieter geplante Modernisierungsmaßnahme die Mietwohnung in einen allgemein üblichen Zustand versetzt (Urt. v. 10.10.2012, Az. VIII ZR 25/12).
Die Beklagte mietete im Jahr 1989 vom Rechtsvorgänger des Klägers eine Wohnung in Berlin Mitte an, die mit einem Einzelofen und einem Gamat-Heizgerät ausgestattet war. Im Jahr 1991 baute sie im Einverständnis mit dem damaligen Vermieter auf eigene Kosten eine Gasetagenheizung ein. Mit Schreiben vom 17. November 2009 erbat der Kläger von der Beklagten vergeblich die Duldung des Anschlusses der Wohnung an die im Gebäude inzwischen vorhandene Zentralheizung.
Das Amtsgericht Berlin-Mitte (Urt. v. 30.03.2011, Az. 11 C 212/10 ) hat die Duldungsklage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht Berlin (Urt. v. 10.01.2012, Az. 63 S 203/11) das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte Erfolg.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass dem Einwand der Beklagten, die Modernisierung stelle für sie mit Rücksicht auf die zu erwartende Mieterhöhung eine unzumutbare Härte dar, nicht gemäß § 554 Abs. 2 Satz 4 BGB* entgegengehalten werden kann, dass die Mietwohnung durch den Anschluss an die Zentralheizung lediglich in einen Zustand versetzt werde, wie er allgemein üblich sei. Denn Grundlage für die Beurteilung ist nicht der im Zeitpunkt der Anmietung vorhandene Zustand (mit einem Einzelofen und einem Gamat-Heizgerät), sondern der gegenwärtige Zustand einschließlich der vom Mieter rechtmäßig vorgenommenen Veränderungen. Die Regelung des § 554 Abs. 2 Satz 4 BGB* soll im Interesse der Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse verhindern, dass eine Modernisierung, mit der lediglich ein allgemein üblicher Standard erreicht wird, im Hinblick auf persönliche Härtefallgründe unterbleibt. Diese Zielsetzung gebietet es, einen vom Mieter rechtmäßig geschaffenen Zustand zu berücksichtigen, der diesem Standard bereits entspricht.
Der BGH hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses prüft, ob der Anschluss der Wohnung der Beklagten an die Zentralheizung zu einer Energieeinsparung gegenüber dem vorhandenen Zustand (Gasetagenheizung) führt und ob eine Härte im Sinne des § 554 Abs. 2 Satz 2 BGB* vorliegt.
Auszug aus dem BGB
* § 554 Duldung von Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen
…
(2) 1Maßnahmen zur Verbesserung der Mietsache, zur Einsparung von Energie oder Wasser oder zur Schaffung neuen Wohnraums hat der Mieter zu dulden. 2Dies gilt nicht, wenn die Maßnahme für ihn, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters und anderer Mieter in dem Gebäude nicht zu rechtfertigen ist. 3Dabei sind insbesondere die vorzunehmenden Arbeiten, die baulichen Folgen, vorausgegangene Aufwendungen des Mieters und die zu erwartende Mieterhöhung zu berücksichtigen. 4Die zu erwartende Mieterhöhung ist nicht als Härte anzusehen, wenn die Mietsache lediglich in einen Zustand versetzt wird, wie er allgemein üblich ist.
…
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 168/2012
weniger Information28.08.2012
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hat heute entschieden, dass Fluggäste auf einem Anschlussflug auch dann mitgenommen werden müssen, wenn das bereits eingecheckte Reisegepäck aus Gründen, auf die der Fluggast keinen Einfluss nehmen konnte, erst mit einem späteren Flug transportiert werden kann (Urt. v. 28.08.2012, Az. X ZR 128/11).
Der Kläger verlangt von dem beklagten Luftfahrtunternehmen aus eigenem und abgetretenem Recht seiner acht Mitreisenden die Leistung einer Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) in Höhe von jeweils 600,– Euro wegen Nichtbeförderung sowie Ersatz der Mehraufwendungen für Unterkunft und Verpflegung, die wegen der erst am Folgetag möglichen Beförderung entstanden sind. Die Reisenden buchten über ein Reisebüro eine Flugpauschalreise nach Curaçao. Der Hinflug von München über Amsterdam nach Curaçao am 7. Februar 2009 sollte von der Beklagten durchgeführt werden. Die Reisenden erhielten bereits bei der Abfertigung in München die Bordkarten für den Anschlussflug. Die Ankunft des Zubringerflugs in Amsterdam war für 11.15 Uhr vorgesehen. Der Weiterflug sollte um 12.05 Uhr erfolgen. Tatsächlich kam der Zubringerflug erst um 11.35 Uhr an. Die Reisenden trafen zwar noch innerhalb der Einstiegszeit am Flugsteig des Anschlussfluges ein. Ihnen wurde jedoch die Mitnahme verweigert, weil ihr Gepäck noch nicht in das Flugzeug nach Curaçao umgeladen sei. Die Reisenden wurden daher erst am Folgetag gegen 14.00 Uhr nach Curaçao geflogen.
Das Landgericht Frankfurt a.M. (Urt. v. 11.11.2010, A.z.: 2/10 O 405/09) hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist vor dem OLG Frankfurt a.M. (Urt. v. 08.09.2011, A.z.: 16 U 220/10) erfolglos geblieben.
Der unter anderem für das Reiserecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben, die Beklagte zu einer Ausgleichszahlung von 600 € je Reisenden verurteilt und im Übrigen die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war es für die Ansprüche aus der Fluggastrechteverordnung ausreichend, dass die Reisenden mit ihrem Reisegepäck schon beim Abflug des Zubringerfluges rechtzeitig für beide Flüge abgefertigt wurden. Bei einer solchen Verfahrensweise ist es nicht mehr erforderlich, dass die Reisenden 45 Minuten vor Abflug des Anschlussfluges noch einmal einchecken oder bis dahin auch nur ihre Bereitschaft für den Weiterflug zeigen. Es reicht aus, dass sie sich wie im Streitfall noch vor dem Ende des Einstiegsvorgangs am Flugsteig einfinden, um das Flugzeug zu besteigen. In diesem Falle kann der Weiterflug auch nicht aus dem Grunde verweigert werden, dass ihr Fluggepäck nicht auf demselben Flug mit befördert werden kann. Gemäß Nr. 5.3 des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 vom 11. März 2008 stellt der vom jeweiligen Reisenden unbegleitete Transport von Reisegepäck nur dann ein Sicherheitsrisiko dar, wenn der Reisende darauf Einfluss nehmen konnte. Dies ist nicht der Fall, wenn wie im Streitfall nur die Reisenden den Anschlussflug noch erreichen konnten, das bereits durchgecheckte Reisegepäck aber nicht.
Hinsichtlich der weiteren geltend gemachten Ansprüche fehlt es an hinreichenden Feststellungen durch das Berufungsgericht, weshalb insoweit der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen wurde.
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 136/2012
weniger Information26.07.2012
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hat heute eine Entscheidung zu der Frage getroffen, ob eine Entgeltklausel in einem Antragsformular für einen Grundeintrag in ein Branchenverzeichnis im Internet nach dem Erscheinungsbild des Formulars überraschenden Charakter hat und deshalb nicht Vertragsbestandteil wird (Urt. v. 26.07.2012, Az. VII ZR 262/11).
Die Klägerin unterhält ein Branchenverzeichnis im Internet. Um Eintragungen zu gewinnen, übersendet sie Gewerbetreibenden ein Formular, welches sie als "Eintragungsantrag Gewerbedatenbank…" bezeichnet. In der linken Spalte befinden sich mehrere Zeilen für Unternehmensdaten. Nach einer Unterschriftszeile, deren Beginn mit einem fettgedruckten "X" hervorgehoben ist, heißt es in vergrößerter Schrift: "Rücksendung umgehend erbeten" und (unterstrichen) "zentrales Fax". Es folgt die fett und vergrößert wiedergegebene Faxnummer der Klägerin.
Die rechte Seite des Formulars besteht aus einer umrahmten Längsspalte mit der Überschrift "Hinweise zum Ersteintragungsantrag, Leistungsbeschreibung sowie Vertragsbedingungen, Vergütungshinweis sowie Hinweis nach § 33 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz)". In dem sich anschließenden mehrzeiligen Fließtext ist unter anderem folgender Satz enthalten: "…Vertragslaufzeit zwei Jahre, die Kosten betragen 650 Euro netto pro Jahr…."
Der Geschäftsführer der Beklagten füllte das ihm unaufgefordert zugesandte Formular aus und sandte es zurück. Die Klägerin trug die Beklagte in das Verzeichnis ein und stellte dafür 773,50 € brutto in Rechnung.
Die auf Zahlung dieses Betrages gerichtete Klage ist in der ersten Inatsnz vor dem AG Recklinghausen (Urt. v. 24.05.2011, Az. 13 C 91/11) erfolglos geblieben. Das LG Bochum (Urt. v. 15.11.2011, Az. 11 S 100/11) wies die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurück.
Der u.a. für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Mit Rücksicht darauf, dass Grundeinträge in ein Branchenverzeichnis im Internet in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten werden, wird eine Entgeltklausel, die nach der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des Klauselverwenders dort nicht vermutet wird, gemäß § 305c Abs. 1 BGB* nicht Vertragsbestandteil. Im vorliegenden Fall machte bereits die Bezeichnung des Formulars als "Eintragungsantrag Gewerbedatenbank" nicht hinreichend deutlich, dass es sich um ein Angebot zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages handelte. Die Aufmerksamkeit auch des gewerblichen Adressaten wurde durch Hervorhebung im Fettdruck und Formulargestaltung zudem auf die linke Spalte gelenkt. Die in der rechten Längsspalte mitgeteilte Entgeltpflicht war demgegenüber drucktechnisch so angeordnet, dass eine Kenntnisnahme durch den durchschnittlich aufmerksamen gewerblichen Adressaten nicht zu erwarten war. Die Zahlungsklage ist daher zu Recht als unbegründet abgewiesen worden.
Die Entscheidung betrifft unmittelbar zwar einen Gewerbetreibenden, der die versteckte Entgeltklausel übersehen hatte. Für Verbraucher gilt bei der Prüfung der Frage, ob eine Klausel "überraschend" i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB ist, im Allgemeinen jedoch sogar noch ein strengerer Maßstab, weil Verbrauchern in der Regel weniger Geschäftserfahren als Gewerbetreibende sind und für sie daher manche Klausel schon überraschend ist, mit der Gewerbetreibende noch rechnen müssen. Anders formuliert bedeutet dies, dass eine Klausel, die gem. § 305c Abs. 1 BGB gegenüber Gewerbetreibenden nicht Vertragsbestandsteil wird, in Verträgen mit Verbrauchern erst recht nicht wirksam ist.
Dem vom BGH entschiedenen Fall lag eine typische "Kosten-Falle" zugrunde. Ein Formular (vorliegend ein gedrucktes Formular, häufig sind es aber auch Internet-Formulare) wird gezielt so gestaltet, dass es beim Leser auf den ersten Blick den Eindruck eines kostenlosen Services erweckt. Die Entgeltklausel wird optisch so in das Formular eingebaut, dass sie der durchschnittliche Adressat übersieht.
Auch wenn der BGH hier wieder (!) ganz klar entscheiden hat, dass ein entgeltlicher Vertrag auf diese Weise nicht zustande kommt, lohnt sich das Geschäftsmodell für die unredlichen Unternehmer. Ein großer Teil der getäuschten Adressaten läßt sich nämlich durch die "Mahnungen" der Unternehmer, sowie deren Inkassobüros und willfährigen Rechtsanwälten einschüchtern und zahlt dann "freiwillig" auf die nicht geschuldete Forderung.
Machen Sie es den Betrügern nicht so leicht! Prüfen Sie zweifelhafte Forderungen sorgfältig, bevor Sie zahlen! Nehmen Sie, wenn erforderlich, rechtliche Hilfe in Anspruch. Eine günstige Beratung erhalten Sie u.a. bei den Verbraucherzentralen der Bundesländer, aber auch online beim Deutschen Verbaucherschutzverein e.V. Bedenken Sie immer: Wenn Sie Ihr Geld erst einmal an betrügerische Unternehmer überwiesen haben, werden Sie es - wenn überhaupt - nur noch mit erheblichem Aufwand zurückbekommen.
Auszug aus dem BGB
* § 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 123/2012
weniger Information13.06.2012
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass einem Vermieter das besondere Kündigungsrecht nach § 573 BGB nur zusteht, wenn er in dem Wohnheim ein an studentischen Belangen orientiertes Belegungskonzept praktiziert, zu dem eine nach abstrakt-generellen Kriterien bestimmte Mieterrotation gehört (Urt. v. 13.06.2012, Az. VIII ZR 92/11).
Der Beklagte mietete im Februar 2004 vom Kläger ein Zimmer in einem als "Studentenwohnheim" bezeichneten Anwesen. Die Baugenehmigung war 1972 für ein Studentenwohnheim erteilt worden. 63 der darin befindlichen Wohneinheiten waren aus Landessondermitteln zur Förderung von Studentenwohnheimen öffentlich gefördert worden, wobei die Preisbindung inzwischen abgelaufen ist. Das Anwesen verfügt über 67 Wohnräume, von denen mindestens vier nicht an Studenten vermietet sind. Die möblierten Zimmer sind etwa 12 m² groß, wobei Küche, Sanitäranlagen und Waschräume als Gemeinschaftsräume ausgeführt sind. Die gegenwärtige monatliche Teilinklusivmiete des Beklagten beträgt 190 €. Die Mietverträge sind regelmäßig auf ein Jahr befristet und verlängern sich um ein Semester, wenn nicht drei Monate vor Semesterende schriftlich gekündigt wird. Die Verweildauer der Mieter ist sehr unterschiedlich.
Am 27. Dezember 2008 kündigte der Kläger dem Beklagten schriftlich unter Hinweis auf "Hetzereien und Reibereien gegenüber uns und Dritten" zum 31. März 2009. Der Kläger meint, die Kündigung sei auch ohne Darlegung eines berechtigten Interesses gemäß § 573 BGB** wirksam, da diese Vorschrift gemäß § 549 Abs. 3 BGB* nicht anwendbar sei; es handele sich um ein Studentenwohnheim.
Das Amtsgericht Heidelberg (Urt. v. 10.09.2010, Az. 30 C 280/09) hat den Beklagten antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht Heidelberg (Urt. v. 25.02.2011, Az. 5 S 87/10) als Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision der Klägerseite hatte keinen Erfolg.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass es sich bei dem Anwesen des Klägers nicht um ein Studentenwohnheim im Sinne des § 549 Abs. 3 BGB* handelt, bestätigt. Aus der Entstehungsgeschichte des § 549 Abs. 3 BGB ergibt sich, dass der Gesetzgeber die in dieser Norm enthaltene Einschränkung des sozialen Mieterschutzes nur vor dem Hintergrund des als höher gewichteten Ziels für gerechtfertigt gehalten hat, möglichst vielen Studierenden das Wohnen in einem Studentenwohnheim zu ermöglichen und dabei alle Bewerber gleich zu behandeln.
Dieses gesetzgeberische Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Vermieter in dem Wohnheim ein an studentischen Belangen orientiertes Belegungskonzept praktiziert, das eine Rotation nach abstrakt-generellen Kriterien vorsieht. Die Dauer des Mietverhältnisses muss dazu im Regelfall zeitlich begrenzt sein und darf nicht den Zufälligkeiten der studentischen Lebensplanung oder dem eigenen freien Belieben des Vermieters überlassen bleiben. § 549 Abs. 3 BGB dient nicht dazu, dem Vermieter eine im Einzelfall gewollte Vertragsbeendigung mit ihm nicht genehmen Mietern zu ermöglichen. Das der Rotation zugrundeliegende, die Gleichbehandlung aller Bewerber wahrende Konzept des Vermieters muss sich dabei mit hinreichender Deutlichkeit aus einer Satzung, entsprechender Selbstbindung oder jedenfalls einer konstanten tatsächlichen Übung ergeben. An einem derartigen Belegungskonzept fehlt es bei dem vom Kläger betriebenen Wohnheim. Die von ihm erklärte Kündigung war deshalb – mangels eines gemäß § 573 Abs. 1 BGB erforderlichen berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses – unwirksam.
Auszug aus dem BGB
* § 549 Auf Wohnraummietverhältnisse anwendbare Vorschriften
…
(3) Für Wohnraum in einem Studenten- oder Jugendwohnheim gelten die §§ 557 bis 561 sowie die §§ 573, 573a, 573d Abs. 1 und §§ 575, 575a Abs. 1, §§ 577, 577a nicht.
** § 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 87/2012
weniger Information27.03.2012
Das Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht (OLG Schleswig) hat entschieden, dass ein Anbieter von Mobilfunkleistungen (hier: Klarmobil) in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) keine Gebühr für die Auszahlung von Restguthaben bei der Beendigung eines Prepaid-Mobilfunkvertrages verlangen darf (Urt. v. 27.03.2012, Az. 2 U 2/11).
Der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen forderte den Mobilfunkanbieter Klarmobil auf, verschiedene Klauseln in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verträge über Mobilfunkleistungen zu unterlassen, weil diese aus seiner Sicht den Kunden unangemessen benachteiligten. Hierbei handelte es sich unter anderem um ein "Dienstleistungsentgelt" in Höhe von 6 Euro, das bei Beendigung eines Prepaid-Mobilfunkvertrages für die Auszahlung des Restguthabens erhoben wurde. Weiterhin beanstandete der klagende Bundesverband, dass für alle Verträge über Mobilfunkleistungen (sogenannte Prepaid-Tarife und Postpaid-Tarife) nach der Preisliste des Mobilfunkanbieters folgende Gebühren erhoben wurden: für eine "Rücklastschrift in Verantwortung des Kunden" ein Betrag von 19,95 Euro und als "Mahngebühr" ein Betrag von 9,95 Euro.
Da der Mobilfunkanbieter seine allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht änderte, klagte der Bundesverband.
Das Landgericht Kiel (Urt. v. 17.03.2011, Az. 18 O 243/10) gab der Klage statt. Hiergegen legte der Mobilfunkanbieter vor dem OLG Schleswig Berufung ein.
Die beanstandeten Klauseln in den allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, weil sie die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Der Kunde hat nach Beendigung des Mobilfunkvertrages einen Anspruch auf Rückzahlung eines Prepaid-Guthabens, auch ohne dass dies in den Vertragsbedingungen gesondert geregelt ist. Damit ist die Auszahlung des Restguthabens keine echte Leistung, für die der Mobilfunkanbieter ein Entgelt verlangen kann. Er räumt gerade nicht "großzügiger Weise" einen Anspruch auf Auszahlung des Guthabens ein, sondern versucht über das Entgelt Aufwendungen für die Erfüllung eigener Pflichten auf den Kunden abzuwälzen. Dies ist mit dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar.
Gebühren von 9,95 Euro pro Mahnung und 19,95 Euro pro Rücklastschrift sind überhöht. Sie übersteigen den nach dem "gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden". Eine Mahnung verursacht als solche nur Kosten für das Fertigen und den Ausdruck eines angesichts der heutigen Rationalisierungsmöglichkeiten durch ein Computerprogramm vorgefertigten Schreibens, für Papier und Umschlag, anteilige Personalkosten für das "Eintüten" sowie Portokosten. Selbst bei großzügigster Behandlung ergibt sich nicht im Ansatz ein Betrag von 9,95 Euro. Bei einer Rücklastschrift ergeben sich Bankgebühren in Höhe von höchstens 8,11 Euro. Hinzu kämen als Schaden aufgrund der Rücklastschrift allenfalls noch die Kosten für Ausdruck und Versand eines Kundenanschreibens, falls nicht ohnehin bereits eine Mahnung erfolgt.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Schleswig vom 28.03.2012, Nr. 8/2012
weniger Information16.02.2012
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat entschieden, dass der den Reisenden durch die Pauschalreiserichtlinie gewährte Schutz für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Pauschalreiseveranstalters auch dann gilt, wenn die Zahlungsunfähigkeit auf dessen betrügerisches Verhalten zurückzuführen ist (Urt. v. 16.02.2012 in der Rechtssache C-134/11: Jürgen Blödel-Pawlik ./. HanseMerkur Reiseversicherung).
Mit der Pauschalreiserichtlinie1 soll u. a. garantiert werden, dass der Reisende für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Pauschalreiseveranstalters zurückreisen kann und ihm die bereits gezahlten Beträge erstattet werden. Zu diesem Zweck wird dem Reiseveranstalter die Verpflichtung auferlegt, nachzuweisen, dass in einem solchen Fall die Erstattung und die Rückreise sichergestellt sind. Entsprechend sieht das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch vor, dass der Reiseveranstalter sicherzustellen hat, dass den Reisenden der gezahlte Reisepreis erstattet wird, soweit Reiseleistungen infolge Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters ausfallen.
Das Landgericht Hamburg (LG Hamburg) hatte über die Klage von Herrn Blödel-Pawlik gegen die deutsche HanseMerkur Reiseversicherung AG zu entscheiden. Die Verischerung hatte sich geweigert, Herrn Blödel-Pawlik den Preis für seine Pauschalreise zu erstatten, die wegen der Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters, der Rhein Reisen GmbH, nicht stattgefunden hatte. Rhein Reisen, die nach den Angaben des Landgerichts in Wirklichkeit niemals die Absicht hatte, die Reise durchzuführen, die Herr Blödel-Pawlik für sich und seine Ehefrau gebucht hatte, wurde zahlungsunfähig, weil sie die von den Reisenden vereinnahmten Gelder zweckfremd verwendete. Sie hatte jedoch mit der HanseMerkur einen Insolvenzversicherungsvertrag abgeschlossen und Herrn Blödel-Pawlik zwei Sicherungsscheine vorgelegt, in denen bestätigt wurde, dass ihm der Reisepreis erstattet werde, falls die Reise infolge ihrer Zahlungsunfähigkeit nicht stattfinden sollte. Die HanseMerkur ist der Ansicht, dass die Richtlinie den Verbraucher nicht vor betrügerischen Machenschaften des Pauschalreiseveranstalters schützen soll.
Das LG Hamburg fragt den Gerichtshof im Weg des Vorabentscheidungsverfahrens2, ob der Schutz der Reisenden durch die Pauschalreiserichtlinie auch gilt, wenn die Zahlungsunfähigkeit auf das betrügerische Verhalten des Reiseveranstalters zurückzuführen ist.
Der EuGH beantwortet die Frage dahingehend, dass der den Reisenden durch die Richtlinie gewährte Schutz für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Pauschalreiseveranstalters auch dann gilt, wenn die Zahlungsunfähigkeit auf dessen betrügerisches Verhalten zurückzuführen ist. Denn die Richtlinie soll den Reisenden speziell gegen die Folgen der Zahlungsunfähigkeit schützen, unabhängig von deren Ursachen. Demnach kann der Umstand, dass die Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters auf dessen betrügerisches Verhalten zurückzuführen ist, der Erstattung der für die Reise gezahlten Beträge und der Rückreise des Reisenden nicht entgegenstehen.
Anmerkungen:
1Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (ABl. L 158, S. 59).
2Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
Quelle: Pressemitteilung des EuGH, Nr. 13/12
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