29.11.2011
Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat die Grundsätze für eine Haftung des Karteninhabers bei missbräuchlichen Abhebungen von Bargeld an Geldautomaten mit Karte und Geheimzahl fortentwickelt sowie über die Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entschieden, die diese Haftung regeln (Urt. v. 29.11.2011, Az. XI ZR 370/10).
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall wurde dem Beklagten von der klagenden Bank eine Kreditkarte zur Verfügung gestellt, die zur Abhebung von Bargeld an Geldautomaten zugelassen war. In den zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat die Bank den Höchstbetrag für Bargeldauszahlungen auf 1.000 € pro Tag begrenzt. Weiter war danach der Karteninhaber verpflichtet, Verlust oder festgestellten Missbrauch der Karte der Bank unverzüglich anzuzeigen. Bis zum Eingang dieser Verlustmeldung sollte er grundsätzlich nur bis zu einem Höchstbetrag von 50 € haften.
In der Nacht vom 12. auf den 13. August 2009 kam es an Geldautomaten von Kreditinstituten in Hamburg zu insgesamt sechs Abhebungen zu je 500 €, wobei die persönliche Identifikationsnummer (PIN) des Beklagten verwendet wurde. Die Klägerin belastete das Girokonto des Beklagten mit den abgehobenen Beträgen im Lastschriftverfahren. Der Beklagte widersprach den Abbuchungen und kündigte den Kreditkartenvertrag.
Die klagende Bank begehrt von dem Beklagten im Wege des Schadensersatzes Ausgleich der Belastungsbuchungen und der Gebühren für Rücklastschriften sowie für die Erstellung eines Kontoauszugs in Höhe von insgesamt noch 2.996 €. Sie ist der Ansicht, der Beklagte habe die Geheimhaltungspflicht hinsichtlich der verwendeten PIN verletzt.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Amtsgericht Göppingen (Urt. v. 23.04.2010, Az. 7 C 115/10) hat der Klage stattgegeben. Dei Berufung der Beklagten zum LG Ulm (Urt. v. 20.10.2010, Az. 1 S 81/10) blieb erfolglos. Der BGH hat auf die Revision des Beklagten das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit an das LG Ulm zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 – XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308, 314 f.; Senatsbeschluss vom 6. Juli 2010 – XI ZR 224/09, WM 2011, 924 Rn. 10) in Fällen, in denen an Geldausgabeautomaten unter Verwendung der zutreffenden Geheimzahl Geld abgehoben wurde, der Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass entweder der Karteninhaber die Abhebungen selbst vorgenommen hat oder – was hier nach der Feststellung des Berufungsgerichts allein in Betracht kam – dass ein Dritter nach der Entwendung der Karte von der Geheimnummer nur wegen ihrer Verwahrung gemeinsam mit der Karte Kenntnis erlangen konnte. Das setzt aber voraus, dass bei der missbräuchlichen Abhebung die Originalkarte eingesetzt worden ist, da bei Abhebung mithilfe einer ohne Kenntnis des Inhabers gefertigten Kartenkopie (z.B. durch Skimming) kein typischer Geschehensablauf dafür spricht, Originalkarte und Geheimzahl seien gemeinsam aufbewahrt worden. Den Einsatz der Originalkarte hat dabei die Schadensersatz begehrende Bank zu beweisen.
Weiter erfasst eine von der kontoführenden Bank im konkreten Fall in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klausel, nach der bis zum Eingang einer Verlustmeldung der Karteninhaber nur bis zu einem Höchstbetrag von 50 EUR haften soll, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch die Haftung des Karteninhaber bei schuldhafter Verletzung seiner Sorgfaltspflichten. Der beklagte Karteninhaber kann sich damit auf die Haftungsgrenze von 50 Euro unabhängig davon berufen, ob er schuldhaft gehandelt hat.
Schließlich schützt ein in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank festgelegter Höchstbetrag für Bargeldauszahlungen pro Tag mit einer konkreten Karte auch den Karteninhaber, sodass dessen Haftung im Falle eines Kartenmissbrauchs auf diesen Betrag begrenzt sein kann, wenn die die Karte ausstellende Bank ihrer Pflicht, die Einhaltung dieses Höchstbetrags zu sichern, nicht genügt hat.
Die von der klagenden Bank in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendeten, im Urteil angesprochenen Klauseln lauteten auszugsweise wie folgt:
Ziffer 9.1:
"Der Höchstbetrag für Bargeldauszahlungen beträgt bei der SPECIAL Visa Card/MasterCard 500 EUR pro Tag oder der entsprechende Betrag in der jeweiligen Landeswährung. Für Inhaber einer SPECIAL Visa Goldcard/ MasterCard Gold oder eines SPECIAL Goldcard Sets erhöht sich der Betrag auf 1000 EUR."
Ziffer 10.1:
"Stellen Sie den Verlust der Karte/n oder eine missbräuchliche Verfügung fest, werden Sie dies der Bank unverzüglich telefonisch unter nachfolgender schriftlicher Bestätigung anzeigen. Bis zum Eingang der Verlustmeldung haften Sie bis zum Höchstbetrag von 50 EUR. Für Umsätze ab Eingang der Verlustmeldung entfällt Ihre Haftung für eine eventuelle missbräuchliche Verwendung der Karte/n. Sofern der Verdacht einer Entwendung oder missbräuchlichen Verwendung besteht, werden Sie unverzüglich Anzeige bei der Polizei erstatten. "
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 189/2011
weniger Information19.10.2011
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass sich der Geschädigte eines Verkehrsunfalles bei der Erstattung der Kosten einer tatsächlich durchgeführten Reparatur erhaltene Rabatte anrechnen lassen muss. Der Geschädigte soll am Schadensfall nicht verdienen (Urt. v. 18.10.2011, Az. VI ZR 17/11 ).
Der Kläger verlangt restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, bei dem sein Pkw BMW MINI beschädigt wurde. Die volle Haftung des Unfallgegners steht dem Grunde nach außer Streit. Ein Sachverständiger schätzte die voraussichtlichen Reparaturkosten auf 3.446,12 € netto. Der Kläger rechnete den Schaden zunächst fiktiv auf der Grundlage dieses Gutachtens ab. Danach ließ er den Pkw in einer BMW-Niederlassung reparieren. Dabei entstanden Reparaturkosten in Höhe von 4.005,25 €. Da der Kläger als BMW-Werksangehöriger gemäß einer Betriebsvereinbarung einen Rabatt auf die Werkstattrechnung erhielt, zahlte er für die entsprechend dem Sachverständigengutachten durchgeführte Reparatur tatsächlich nur 2.905,88 €. Seine Klage, mit der er u.a. Ersatz weiterer Reparaturkosten von 559,13 € und Nutzungsausfall in Höhe von 250 € begehrt, hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.
AG München, Entsch. v. 24.02.2010, Az. 341 C 21898/09
LG München I, Entsch. v. 30.09.2010, Az. 19 S 5799/10
Der für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass der Kläger zwar nicht an die von ihm ursprünglich gewählte fiktive Abrechnung auf der Basis der vom Sachverständigen geschätzten Kosten gebunden ist, sondern nach erfolgter Reparatur zur konkreten Schadensabrechnung übergehen und nunmehr Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangen kann. Da er nach allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts an dem Schadensfall jedoch nicht verdienen soll, muss er sich den erhaltenen Werksangehörigenrabatt anrechnen lassen.
Die Entscheidung des BGH hält keine Überraschungen bereit. Der haftende Schädiger hat den Geschädigten grundsätzlich so stellen soll, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde. Hieraus ergibt scih umgekehrt der vom BGH ziteiret allgemeinene Grundsätz des Schadensersatzrechts, dass der Geschädigte am Schadensfall nicht verdienen soll. Insoweit unbenommen bleibt dem Geschädigten allerdings weiterhin die Möglichkeit, aufgrund einer Sachverständigenschätzung die voraussichtlichen Reparaturkosten abzurechnen. Hätte es der Kläger vorliegend dabei belassen, hätte er aufgrund der im Ergebnis günstigeren Reparatur bereits 540,32 € "verdient". Er konnte den "Hals aber offensichtlich nicht voll kriegen", und wollte an dem Schadenserseignis noch weitere 559,13 € verdienen. Diese Möglichkeit hat der BGH - wie nicht anders zu erwarten war - ausgeschlossen.
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 164/2011
weniger Information12.10.2011
Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine angemietete Garage Bestandteil eines Wohnungsmietvertrages ist und damit nicht unabhängig von der Wohnung gekündigt werden kann (Urt. v. 12.10.2011, Az. VIII ZR 251/10).
Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung in Duisburg und einer Garage in einem 150 Meter von der Wohnung entfernt gelegenen Einfamilienhaus, das ursprünglich ebenfalls im Eigentum der Vermieterin stand. Im schriftlichen Wohnungsmietvertrag ist von einer Garage nicht die Rede. Die Anmietung der Garage wurde mündlich vereinbart. Später erwarben die Kläger das Eigentum an dem Gebäude, in dem sich die Garage befindet, und kündigten das Mietverhältnis über die Garage. Die auf Räumung und Herausgabe der Garage gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt.
Das AG Duisburg (Urt. v. 7.05.2010, Az. 6 C 3799/09) hat die Klage angewiesen. Die dagegen gerichete Berufung der Kläger vor dem LG Duisburg (Urt. v. 21.09.2010, Az. 13 S 145/10) blieb ohne Erfolg. Dagegen hatte die hiergegen gerichete Revision der Kläger zum BGH Erfolg.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass den Klägern der geltend gemachte Räumungsanspruch gemäß § 546 Abs. 1 BGB zusteht. Die Kündigung der Garage wäre nur dann unzulässig, wenn die Garage Bestandteil des Wohnungsmietverhältnisses wäre. Das ist hier nicht der Fall. Bei einem schriftlichen Wohnungsmietvertrag und einem separat abgeschlossenen Mietvertrag über eine Garage spricht eine Vermutung für die rechtliche Selbständigkeit der beiden Vereinbarungen. Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt. Zwar ist im Regelfall anzunehmen, dass die Mietverhältnisse über die Wohnung und die Garage nach dem Willen der Beteiligten eine rechtliche Einheit bilden sollen, wenn sich die Wohnung und die Garage auf demselben Grundstück befinden. Diese Voraussetzung ist hier aber nicht erfüllt. Auch die übrigen Umstände des Falles rechtfertigen nicht die Annahme einer rechtlichen Einheit beider Mietverträge.
Die nunmehr vom BGH entschiedene Frage war schon häufig Gegenstand der instanzgerichtlichen Rechtsprechung. Dabei steht der Vermieter jedoch keinesfalls immer auf dem Standpunkt, dass Wohnungsmietvertrag und Garagenmietvertrag zwei unabhängig nebeneinander stehende Verträge sind. Will sich der Mieter vom Garagenmietvertrag lösen, weil er etwa keinen PkW mehr besitzt oder eine günstigere Parkmöglichkeit gefunden hat, so wird sich der Vermieter häufig auf den Standpunkt stellen, dass Wohnungs- und Garagenmietvertrag eine rechtliche Einheit bilden, der Mieter also den Garagensplatz nicht separat kündigen kann. Für die Abgrenzung hat der BGH nun zwei Vermutungsregeln aufgestellt, die in vielen Fällen weiter helfen werden:
Dennoch bleibt die Einordnung stets einzelfallabhängig. Um Stretigkeiten von vorn herein zu vermeiden, empfielt es sich, im Garagenmietvertrag von vorn herein ausdrücklich zu vereinbaren, ob dieser mit einem Wohnungsmietvertrag eine rechtliche Einheit bilden soll oder nicht. Dann sind beide Parteien an diese Regelung gebunden, unabhängig davon, zu wessen Gusten sie sich im Einzelfall auswirkt.
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 161/2011
weniger Information29.09.2011
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass der Mieter einer Wohnung grundsätzlich den Einbau funkbasierter Ablesesysteme dulden muss (Urt. v. 29.09.2011, Az. VIII ZR 326/10).
Die Klägerin ist Eigentümer eines Mehrfamilienhauses, in der die Beklagte eine Wohnung angemietet hat. Das Anwesen ist mit einer Zentralheizung ausgestattet. Der Verbrauch wird über Verbrauchserfassungsgeräte für Wärme, Warm- und Kaltwasser erfasst.
Im Mai 2009 teilte die Klägerin ihren Mietern mit, dass sie im Rahmen eines Regelaustauschs die Heizkostenverteiler durch ein funkbasiertes Ablesesystem ersetzen werde. Die Beklagte verweigerte den beabsichtigten Austausch der Ableseeinrichtungen mit der Begründung, in der von ihr angemieteten Wohnung kein mit Funk arbeitendes System einsetzen zu wollen.
Das AG Heidelberg (Urt. v. 12.03.2010, Az. 26 C 439/09) hat der auf Duldung des Austausches der vorhandenen Ablesegeräte für Wärme, Warmwasser und Kaltwasser gegen ein Funksystem gerichteten Klage des Vermeiters stattgegeben. Die dagegen gerichete Berufung der Beklagten vor dem LG Heidelberg (Urt. v. 19.11.2010, Az. 5 S 34/10) blieb ohne Erfolg. Auch die hiergegen gerichete Revision der Mieterin zum BGH hatte keinen Erfolg.
Der unter anderem für das Mietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Beklagte den Einbau der funkbasierten Zähler zu dulden hat. Ein Anspruch ergibt sich für die Heizenergie- und Warmwasserzähler aus § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 der Heizkostenverordnung (HeizkostenVO). Diese Norm erfasst entgegen der Ansicht der Revision nicht nur die Erstausstattung der Mieträume mit Heizkostenerfassungsgeräten und den Austausch unbrauchbar gewordener Geräte, sondern begründet auch eine Duldungspflicht des Mieters für den Austausch noch funktionstüchtiger Messgeräte durch modernere Systeme.
Zudem besteht gemäß § 554 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Duldung des Einbaus des funkbasierten Kaltwasserzählers. Die vom Berufungsgericht insoweit vorgenommene tatrichterliche Würdigung dahingehend, dass es sich hierbei um eine Wohnwertverbesserung handele, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere kann es den Wert der Wohnung erhöhen, wenn diese zum Zwecke der Ablesung nicht betreten werden muss, zumal die Beklagte ohnehin den Einbau von Heizkosten- und Warmwasserzähler dulden muss und so der Einbau von zwei verschiedenen Ablesesystemen vermieden werden kann.
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 149/11
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25.08.2011
Das Landgericht Potsdam gab heute der gegen die FlexStrom AG gerichteten Schadensersatzklage einer Verbraucherin statt. Die Verbraucherin musste, nachdem die FlexStrom AG den vertraglich mit ihr vereinbarten Liefertermin durch eine nachlässige Vertragsabwicklung nicht einhalten konnte, für einige Monate zu höheren Kosten Strom vom lokalen Grundversorger beziehen, bis die FlexStrom AG schließlich ihre Belieferung übernehmen konnte. Die FlexStrom AG muss der Verbraucherin nun die durch die Grundversorgung entstandenen Mehrkosten ersetzen (Urt. v. 25.08.2011, Az.: 3 S 12/11).
Die Klägerin wurde mit Fristbindung bis zum 31.05.2009 von der TelDaFax GmbH mit Strom beliefert. Am 22.12.2008 beauftragte die Klägerin die beklagte FlexStrom AG mit der Lieferung von Strom. Am 02.04.2009 versuchte die Beklagte beim lokalen Netzbetreiber den Anschluss der Klägerin zur Stromlieferung ab 01.06.2009 anzumelden. Die Anmeldung scheitere jedoch, weil der lokale Netzbetreiber den Anschluss trotz korrekt angegebener Anschrift und Zählernummern angeblich nicht identifizieren konnte. Erst auf Nachfrage der Klägerin informierte die Beklagte diese erst am 13.07.2009 über das Scheitern der Netzanmeldung. Die Klägerin teilte der Beklagten daraufhin am 14.07.2009 mit, dass der Anschluss bisher auf den abweichenden Namen ihres Ehemannes angemeldet war, was möglicherweise die Identifikationsprobleme des lokalen Netzbetreibers verursacht haben könnte. Daraufhin versuchte die Beklagte erst im September 2009 versuchte die Beklagte erneut die Netzanmeldung, die dann erst zum 01.11.2009 erfolgte. In der Zeit vom 01.06. bis 31.10.2009 musste die Klägerin Notstrom vom lokalen Grundversorger beziehen. Dafür sind ihr Mehrkosten i.H.v. 131,71 € gegenüber der Kosten im Falle einer vertragsgemäßer Belieferung entstanden. Die Klägerin ließ die Beklagte vorgerichtlich erfolglos durch einen Rechtsanwalt zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 131,71 € auffordern. Hier sind ihr weitere Kosten in Höhe von 46,41 € entstanden. Mit der Klage macht sie die Erstattung Ihres Gesamtschadens von 178,12 € gegen die Beklagte geltend.
Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass sie schon deshalb keinen Schadensersatz leisten müsse, weil bei Vertragsschluss gar kein fester Liefertermin vereinbart worden sei.
Das Amtsgericht Potsdam (Urt. v. 30.12.2010, Az. 37 C 60/10) hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin zum Landgericht Potsdam hatte Erfolg.
Das LG Potsdam hat entschieden, dass die Beklagte ihre vetraglichen Pflichten dadurch verletzt hat, dass sie die Klägerin trotz Kenntnis der gescheiterten Anmeldung am 02.04.2009 erst am 13.07.2009 um Überprüfung ihrer Daten gebeten hat, obwohl die Beklagte dafür gesorgt hatte und wusste, dass das bisherige Vertragsverhältnis zum 31.05.2009 beendet war. Hätte die Beklagte zeitnah (jedenfalls noch im April) zur gescheiterten Anmeldung bei der Klägerin nachgefragt, ist nach Auffassung des Landgerichts davon auszugehen, dass der Vertragsbeginn zum 01.06.2009 gelungen wäre. Anhaltspunkte für ein fehlendes Verschulden der Beklagten konnte das Landgericht nicht feststellen. Die Beklagte haftet der Klägerin daher gem. § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz. Der Schadensersatzanspruch erstreckt sich gem. § 249 BGB einserseits auf die Mehrkosten durch den teureren Notstrom der Grundversorgung, andererseits auf die zur Durchsetzung der Forderung von der Klägerin verauslagten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Das LG Potsdam hat im Ergebnis die Rechtsauffassung bestätigt, die der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. schon in der der Klägerin vor Klageerhebung erteilten Rechtsberatung vertreten hatte. Das Urteil sollte all jenen Mut machen, die bei dem Versuch, Ihren Stromlieferanten zu wechseln, an der administrativen Unfähigkeit des ausgewählten neuen Stromlieferanten gescheitert sind. Regelmäßig bieten die Stromlieferanten von sich aus den "Service" an, den kompletten Wechselprozess für den Stromkunde zu abzuwickeln, also den Vertrag des Stromkunden bei dessen bisherigem Stromlieferanten zu kündigen und dann selbst die Belieferung des Stromkunden aufzunehmen. Dabei kommt es allerdings immer wieder vor, dass der neue Stromlieferant zwar den alten Vertrag des Stromkunden durch wirksame Kündigung beendet, aber aufgrund nachlässigen Verhaltens die Strombelieferung des Kunden selbst nicht nahtlos aufnehmen kann. Der Stromkunde muss - zum Glück - dennoch niemals ohne Strom auskommen, weil der lokale Grundversorger die gesetzliche Verpflichtung hat, den Stromkunden in solchen Fällen mit Notstrom zu versorgen. Dieser Notstrom ist in der Regel aber wesentlich teurer, als der Strom bei dem neu gewählten Lieferanten. Die Stromlieferanten weisen resultierende Schadensersatzabsprüche der Stromkunden meist mit dem Bemerken von sich, dass gar kein fester Liefertermin vereinbart worden sei. Man habe sich nur verpflichtet, die Lieferung so schnell wir möglich zu übernehmen und schneller als geschehen war das eben nicht möglich.
Dem ist das LG Potsdam nun deutlich entgegen getreten. Übernimmt der neue Stromlieferant den gesamten Wechselprozess für den Stromkunden, so muss er auch alles unternehmen, um eine nahtlose Anschlusslieferung herbeizuführen. Dazu gehört die Obliegenheit, auf eventuelle Probleme bei der Lieferumstellung unverzüglich zu reagieren. Reagiert der Stromlieferant erst verzögert - etwa wie im vorliegenden Fall erst Monate später - so verletzt er seine vertraglichen Pflichten und haften dem Stromkunden aus § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersasatz.
Wem beim Wechsel des Stromlieferanten Ähnliches wie der Klägerin in dem vom LG Postdam entschiedenen Fall wiederfahren ist, sollte also prüfen, ob er ggf. Schadensersatzansprüche gegen den Stromlieferanten geltend machen kann.
Quelle: hier vorliegender Urteilsabdruck
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13.07.2011
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass der Verkauf eines Gebrauchtwagens durch eine GmbH an einen Verbraucher grundsätzlich auch dann den Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) unterliegt, wenn es sich hierbei um ein für die GmbH "branchenfremdes" Nebengeschäft handelt (Urt. v. 13.07.2011, Az.: VIII ZR 215/10).
Der Ehemann der Klägerin kaufte im Dezember 2006 von der Beklagten, einer im Bereich der Drucktechnik tätigen GmbH, unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung einen gebrauchten Pkw zum Preis von 7.540 €. Nach Übergabe und Bezahlung des Fahrzeugs erklärte der Ehemann der Klägerin mit Anwaltsschreiben im Januar 2007 die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung mit der Begründung, die Beklagte habe ein Klappergeräusch im Motorbereich verschwiegen. Die Beklagte erwiderte, das Fahrzeug sei zum Zeitpunkt der Übergabe mangelfrei gewesen, wies die Anfechtung zurück und lehnte die Rückabwicklung des Kaufvertrags ab. Mit ihrer Klage hat die Klägerin aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns die Beklagte auf Zahlung von 7.540 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs sowie Feststellung des Annahmeverzugs in Anspruch genommen.
Das Landgericht Darmstadt (Urt. v. 15.10.2007, Az. 1 O 95/07) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Urt. v. 22.07.2010, Az. 22 U 232/07) der Klage weitgehend stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden erstinstanzlichen Urteils.
Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im Anschluss an die Rechtsprechung des XI. Zivilsenats zum Verbraucherdarlehensvertrag (BGHZ 179, 126 ff.) entschieden, dass auch der Verkauf beweglicher Sachen durch eine GmbH im Zweifel zum Betrieb des Handelsgewerbes der GmbH gehört (§ 344 Abs. 1 HGB) und damit, auch soweit es sich um branchenfremde Nebengeschäfte handelt, unter die Bestimmungen der §§ 474 ff. BGB über den Verbrauchsgüterkauf fällt. Es ist nicht erforderlich, dass der Geschäftszweck der Handelsgesellschaft auf den Verkauf von Gegenständen gerichtet ist. Da die Beklagte die gesetzliche Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB nicht widerlegt hat, handelt es sich auch im vorliegenden Fall um ein Unternehmergeschäft im Sinne der §§ 14, 474 BGB*, so dass der Beklagten die Berufung auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss verwehrt ist. Gleichwohl hatte die Klage keinen Erfolg. Ein Rücktritt vom Kaufvertrag wegen eines Sachmangels des Fahrzeugs scheiterte daran, dass der Ehemann der Klägerin der Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hatte. Eine Fristsetzung war nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, im vorliegenden Fall entbehrlich. Die tatrichterlichen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Beklagte die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert hätte.
Quelle: Mitteilung der Pressestelle des BGH: Nr. 126/2011
weniger Information29.06.2011
Der Bundesgerichtshof (BGH) hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach Sachmängel, deren Beseitigung Aufwendungen von lediglich knapp einem Prozent des Kaufpreises erfordern, als unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB* einzustufen sind und daher einen Rücktritt vom Kaufvertrag nicht rechtfertigen (Urt. v. 29.06.2011, Az.: VIII ZR 202/10).
Der Rechtsvorgänger der Klägerinnen erwarb Mitte 2006 von der Beklagten ein Wohnmobil zum Preis zum 134.437 €, welches nach Übergabe vier Mal in der Werkstatt der Beklagten nachgebessert werden musste. Nach dem letzten Werkstattaufenthalt erklärte der Käufer im Juni 2007 den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Die Klägerinnen haben mit ihrer Klage – unter Anrechnung der Nutzungsvorteile – die Zahlung von 127.715,15 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des Wohnmobils, die Erstattung von Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs begehrt. Die Streithelferin ist als Herstellerin des Fahrzeugs dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.
Das Landgericht Lübeck (Urt. v. 7.01.2010, Az. 10 O 251/07) hat der Klage überwiegend stattgegeben. Die Berufung der Streithelferin und der Beklagten hat das Oberlandesgericht Schleswig (Urt. v. 8.07.2010, Az. 16 U 10/10) weitgehend zurückgewiesen. Zur Begründung hat das OLG ausgeführt, dass im Hinblick auf den bereits viermaligen Werkstattaufenthalt ein erheblicher Mangel vorliege, obwohl die Kosten zur Beseitigung der noch vorliegenden Mängel lediglich knapp ein Prozent des Kaufpreises betrügen. Die hiergegen gerichtete Revision der Streithelferin zum BGH hatte Erfolg.
Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine Rechsprechung bekräftigt, dass Sachmängel, deren Beseitigung Aufwendungen von lediglich knapp einem Prozent des Kaufpreises erfordern, als unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB* einzustufen sind und daher einen Rücktritt vom Kaufvertrag nicht rechtfertigen; dies gilt auch für ein Fahrzeug der "Luxusklasse". Auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung kommt es nur dann entscheidend an, wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungeklärt ist; diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Unerheblich ist ferner, dass der Kaufgegenstand vor der Erklärung des Rücktritts bereits mehrfach nachgebessert wurde. Die Erheblichkeit eines bestehenden Mangels hat nichts damit zu tun, in welchem Umfang der Verkäufer zuvor andere Mängel beseitigt hat.
*§ 323 BGB: Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung
(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
Quelle: Mitteilung der Pressestelle des BGH: Nr. 116/2011
weniger Information08.06.2011
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass der Anbieter eines Artikels auf der Auktionsplattform eBay die Auktion vorzeitig abbrechen darf, wenn ihm der angebotene Artikel gestohlen worden ist. Er ist dem Höchstbietenden gegenüber in diesem Fall nicht schadensersatzpflichtig (Urt. v. 08.06.2011, Az.: VIII ZR 305/10).
Der Beklagte stellte am 23. August 2009 eine gebrauchte Digitalkamera nebst Zubehör bei eBay für sieben Tage zur Auktion ein. Am folgenden Tag beendete er das Angebot vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Gebot von 70,00 € der Höchstbietende. Er fordert vom Beklagten Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinem Gebot und dem von ihm behaupteten Verkehrswert der Kamera nebst Zubehör. Der Beklagte beruft sich darauf, die Kamera sei ihm am Nachmittag des 24. August 2009 gestohlen worden.
In § 10 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay in der für die vorliegende Auktion maßgeblichen Fassung heißt es unter anderem:
"Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen."
Ergänzend wird in den auf der Website von eBay zugänglichen Hinweisen zum Auktionsablauf als Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung unter anderem der Verlust des angebotenen Artikels genannt.
Das Amtsgericht Bad Hersfeld (Urt. v. 26.04.2010, Az.: 10 C 162/10) hat die auf Zahlung von 1.142,96 € nebst Zinsen und Erstattung vorprozessualer Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht Fulda (Urt. v. 12.11.2010, Az.: 1 S 82/10) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision des Klägers zum BGH hatte keinen Erfolg.
Im Revisionsverfahren war nicht mehr im Streit, dass dem Beklagten die Kamera tatsächlich gestohlen worden war. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine Berechtigung zur Angebotsrücknahme nach § 10 Abs. 1 Satz 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay auch im Fall eines Diebstahls des angebotenen Artikels besteht. Die in dieser Bestimmung enthaltene Bezugnahme auf eine "gesetzliche" Berechtigung zur Angebotsbeendigung ist nicht im Sinne einer Verweisung nur auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Anfechtung von Willenserklärungen zu verstehen. Denn in den allen Auktionsteilnehmern zugänglichen Hinweisen zum Auktionsablauf wird auch der Verlust des Verkaufsgegenstandes als rechtfertigender Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung genannt. Darunter fällt auch der Diebstahl. Hierdurch ist für alle Auktionsteilnehmer ersichtlich, dass der Verkäufer nach den für die Auktion maßgeblichen "Spielregeln" berechtigt ist, auch im Falle des Abhandenkommens durch Diebstahl sein Angebot vorzeitig zu beenden.
Aus Sicht der Kaufinteressenten auf der Auktionsplattform eBay ist die Entscheidung des BGH wenig begrüßenswert. Prinzipiell ist sie ein Freibrief für jeden Verkäufer, sich ohne Schadensersatzverpflichtung wieder von seinem Angeboten lösen zu können, etwa wenn Anzahl und Höhe der eingehenden Gebote nicht seinen Erwartungen entsprechen. Er müss nur behaupten, der angebotene Artikel sei Ihm gestohlen worden. Zwar ist der Verkäufer im Streitfall für den Umstand beweispflichtig, dass ihm der Artikel wirklich gestohlen worden ist. Nur in den seltensten Fällen wird der im Zeitpunkt des Auktionsabbruchs Höchstbietende den Verkäufer indes - wie im vorliegenden Fall - wirklich verklagen. In dem meisten Fällen wird der Höchstbietende die Erklärung des Verkäufers, die Kaufsache sei Ihm gestohlen worden, aus wirtschaftliche Gründen ohne weitere Nachprüfung akzeptieren.
Quelle: Mitteilung der Pressestelle des BGH: Nr. 101/2011
weniger Information08.06.2011
Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Klausel über die Zahlung einer monatlichen Gebühr für die Führung des Darlehenskontos in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam ist (Urt. v. 07.06.2011, Az.: XI ZR 388/10).
Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Klausel über die Zahlung einer monatlichen Gebühr für die Führung des Darlehenskontos in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam ist.
Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist ein Verbraucherschutzverband, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Die Beklagte ist eine Bank.
Die Beklagte verwendet gegenüber ihren Kunden in ihren Allgemeinen Bedingungen für Darlehensverträge eine Klausel, durch welche sie sich beim Abschluss von Darlehensverträgen die Bezahlung einer monatlichen Gebühr für die Führung des Darlehenskontos versprechen lässt.
Der Kläger ist der Ansicht, diese Klausel sei wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB* unwirksam. Er nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, die Verwendung der Klausel gegenüber Privatkunden zu unterlassen bzw. sich bei der Abwicklung bestehender Verträge mit Privatkunden nicht hierauf zu berufen. Zur Begründung führt er unter anderem an, die Beklagte erbringe für die vereinnahmte Kontoführungsgebühr keine Sonderleistung, sondern genüge mit der Führung des Darlehenskontos lediglich ihrer Rechnungslegungspflicht, die eingehenden Darlehensraten ordnungsgemäß zu verbuchen und den Kunden darüber zu informieren. Diese Leistung schulde sie bereits aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten, weshalb sie hierfür kein Entgelt verlangen könne.
Das LG Ravensburg (Urt. v. 25.03.2010, Az.: 2 O 117/09) hat die Klage abgewiesen. Das OLG Stuttgart (Urt. v. 21.10.2010, Az.: 2 U 30/10) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision des Klägers zum BGH hatte Erfolg.
Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, die angegriffene Klausel halte der gerichtlichen Inhaltskontrolle nicht stand:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handele es sich bei der streitigen Gebührenklausel nicht um eine nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle von vornherein entzogene Preisklausel. Eine solche liege nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur vor, wenn die betreffende Gebühr den Preis für eine vom Klauselverwender angebotene vertragliche Leistung festlege. Davon könne hier jedoch keine Rede sein. Die Kontoführungsgebühr diene nicht der Abgeltung einer vertraglichen Gegenleistung oder einer zusätzlichen Sonderleistung der Bank. Diese führe das Darlehenskonto vielmehr ausschließlich zu eigenen buchhalterischen bzw. Abrechnungszwecken. Der Bankkunde hingegen, der seine regelmäßigen Zahlungspflichten üblicherweise dem Kreditvertrag oder einem eigenständigen Zins- und Tilgungsplan entnehmen könne, sei auf die Führung eines gesonderten Darlehenskontos durch das Kreditinstitut im Regelfall nicht angewiesen. Etwas anderes folge vorliegend auch nicht daraus, dass die Beklagte ihren Kunden am Ende eines Kalenderjahres eine Zins- und Saldenbestätigung zur Vorlage bei der Finanzverwaltung erteile. Hiermit lasse sich die angegriffene Gebühr allein schon deshalb nicht rechtfertigen, weil die Beklagte nach dem eindeutigen Wortlaut der streitigen Klausel das Entgelt nicht für die Erteilung der Jahresbescheinigung, sondern ausdrücklich zur Abgeltung der Kontoführung erhebe.
Der hiernach eröffneten Inhaltskontrolle halte die Klausel nicht stand. Klauseln, die es einem Kreditinstitut ermöglichen, Entgelte für Tätigkeiten zu erheben, die es - wie hier - im eigenen Interesse erbringt, halten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB* nicht stand, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweichen, nicht vereinbar sind und die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Soweit in einzelnen Vorschriften des Preisordnungsrechts auch die Behandlung von Kontoführungsgebühren geregelt wird, folgt hieraus nichts anderes. Denn diese Vorschriften betreffen allein die formelle Art und Weise der Preisangabe im Verkehr, nicht aber die materielle Zulässigkeit einzelner Preisbestandteile.
Quelle: Mitteilung der Pressestelle des BGH: Nr. 97/2011
weniger Information11.05.2011
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass der Inhaber eines eBay-Mitgliedskontos im Regelfall nicht vertraglich für ein Angebot einstehen muss, das ein unbefugter Dritter unter Nutzung des Kontos abgegeben hat (Urt. v. 11.05.2011, Az.: VIII ZR 289/09).
Die Beklagte unterhielt beim Internetauktionshaus eBay ein passwortgeschütztes Mitgliedskonto. Am 3. März 2008 wurde unter Nutzung dieses Kontos eine komplette Gastronomieeinrichtung mit einem Eingangsgebot von 1 € zum Verkauf angeboten, worauf der Kläger ein Maximalgebot von 1.000 € abgab. Einen Tag danach wurde die Auktion vorzeitig durch Rücknahme des Angebots beendet. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt der Höchstbietende. Er forderte die Beklagte mit Schreiben vom 25. Mai 2008 zur Eigentumsverschaffung an der Gastronomieeinrichtung, deren Wert er mit 33.820 € beziffert, Zug um Zug gegen Zahlung von 1.000 € auf. Nach erfolglosem Ablauf der hierfür gesetzten Frist verlangt er Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 32.820 €.
Zwischen den Parteien steht im Streit, ob das Angebot über eine Gastronomieeinrichtung von der Beklagten oder ohne deren Beteiligung und Wissen von ihrem Ehemann auf der Internetplattform von eBay eingestellt worden ist. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay heißt es in § 2 Ziffer 9:
"Mitglieder haften grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten, die unter Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden." …
Das Landgericht Dortmund (Urt. v. 23.12.2008, Az. 3 O 508/08) hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Hamm (Urt. v. 20.07.2009, Az. I-2 U 50/09) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass auch bei Internet-Geschäften die Regeln des Stellvertretungsrechts anwendbar sind, wenn durch die Nutzung eines fremden Namens beim Geschäftspartner der Anschein erweckt wird, es solle mit dem Namensträger ein Geschäft abgeschlossen werden. Erklärungen, die unter dem Namen eines anderen abgegeben worden sind, verpflichten den Namensträger daher nur, wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgen oder vom Namensträger nachträglich genehmigt worden sind oder wenn die Grundsätze über die Duldungs- oder die Anscheinsvollmacht eingreifen. Hingegen hat allein die unsorgfältige Verwahrung der Kontaktdaten eines eBay-Mitgliedskontos noch nicht zur Folge, dass der Inhaber des Kontos sich die von einem Dritten unter unbefugter Verwendung dieses Kontos abgegebenen Erklärungen zurechnen lassen muss. Eine Zurechnung fremder Erklärungen an den Kontoinhaber ergibt sich auch nicht aus § 2 Ziffer 9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay. Da diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen jeweils nur zwischen eBay und dem Inhaber des Mitgliedskontos vereinbart sind, haben sie keine unmittelbare Geltung zwischen dem Anbieter und dem Bieter. Ausgehend hiervon war vorliegend zwischen den Parteien kein Kaufvertrag über die Gastronomieeinrichtung zustande gekommen.
Zu beachten ist, dass das Urteil die vertragliche Haftung des eBay-Kontoinhabers für Handlungen Dritter keinesfall in jedem Fall ausschließt. Der BGH hat die allgemeinen Regelungen des Zivilrechts für anwendbar erklärt, wonach es sich bei dem unbefugten Dritten zunächst um einen vollmachtlosen Vertreter handelt, durch dessen Willenserklärungen der eBay-Kontoinhaber nicht vertraglich gebunden wird. Die Anwendbarkeit des allgemeinen Zivilrechts bedeutet in der Konsequenz aber auch, dass die weiteren zivilrechtlichen Institute zur Anwendung kommen, die im Ausnahmefall durchaus dazu führen können, dass der eBay-Kontoinhaber doch Vertragspartner wird. Dies dürfte etwa über das Institut der Anscheinsvollmacht möglich sein. Wenn etwa dem Inhaber des ebay-Nutzerkontos bekannt ist oder hätte bekannt sein müssen, dass ein Dritter unbefugt sein eBay-Nutzerkonto verwendet, er nicht dagegen einschreitet und dadurch den Anschein erweckt, die über das eBay-Nutzerkonto abgegebenen Willenserklärungen seien ihm zuzurechnen, kann er durchaus selbst Vertragspartner werden. Zu dieser Frage musste sich der BGH in dem hier entschiedenen Fall jedoch nicht äußern, weil für das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht offenbar keine Anhaltspunkte bestanden.
Quelle: Mitteilung der Pressestelle des BGH: Nr. 84/2011
weniger Information04.05.2011
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass die Erstattungsansprüche eines Mieters wegen Renovierungsarbeiten, die er in Unkenntnis der Unwirksamkeit einer mietvertraglichen Schönheitsreparaturklausel vorgenommen hat, (spätestens) in sechs Monaten ab Beendigung des Mietverhältnisses verjähren (Urt. v. 04.05.2011, Az.: VIII ZR 195/10 ).
Der Kläger und seine Ehefrau waren bis Ende 2006 Mieter einer Wohnung der Beklagten in Freiburg. Der Mietvertrag enthielt eine Formularklausel, die den Mietern die Durchführung von Schönheitsreparaturen nach einem starren Fristenplan auferlegte. Der Kläger und seine Ehefrau ließen die Wohnung vor der Rückgabe am Ende des Mietverhältnisses für 2.687 € renovieren. Später erfuhren sie, dass sie zur Ausführung dieser Arbeiten wegen der Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel nicht verpflichtet waren. Mit seiner am 22. Dezember 2009 eingereichten Klage hat der Kläger, dem die Ansprüche seiner Ehefrau abgetreten wurden, die Zahlung von 2.687 € nebst Zinsen begehrt. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Amtsgericht Freiburg (Urt. v. 5.03.2010, Az.: 6 C 4050/09) hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht Freiburg (Urt. v. 15.07.2010, Az.: 3 S 102/10) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision des Klägers blieb ohne Erfolg.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat – in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen – entschieden, dass der eingeklagte Erstattungsanspruch bei Klageerhebung bereits verjährt war, weil die in § 548 Abs. 2 BGB enthaltene Verjährungsfrist von sechs Monaten ab Beendigung des Mietverhältnisses auch Ersatzansprüche des Mieters wegen Schönheitsreparaturen erfasst, die er in Unkenntnis der Unwirksamkeit einer Renovierungsklausel durchgeführt hat.
Das Urteil beinhaltet keine Überraschung. Der gesetzgeberische Zweck des § 548 BGB ist es gerade, dass Aufwendungsersatzansprüche von Mieter und Vermieter innerhalb einer kurzen Zeitspanne nach Rückgabe der Mietsache bzw. Beendigung des Mietverhältnisses abschließend geklärt werden sollen. Entsprechend allgemein verwendet § 548 Abs. 2 BGB den Begriff "Aufwendungsersatzansprüche". Hierzu gehören, wie nun höchstrichterlich festgestellt ist, auch solche Ersatzansprüche, die dem Mieter aufgrund von ihm durchgeführter Schönheitsreparaturen zustehen können.
Nach wie vor gilt damit, dass der Mieter eventuelle Aufwendungsersatzansprüche gegen den Vermieter alsbald, nachdem diese entstanden sind, geltend machen sollte. Andernfalls riskiert er, dass sich der Vermieter erfolgreich auf die Verjährung der Ansprüche berufen kann.
Dies gilt übrigens auch im noch laufenden Mietverhältnis. Unbeschadet des § 548 Abs. 2 BGB unterliegen Aufwendungsersatzansprüche nämlich auch der regelmäßigen, dreijährigen Verjährung des § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Aufwendungsersatzanspruch entstanden ist. Hat der Mieter etwa im Jahre 2008 Renovierungsarbeiten ausgeführt, können daraus resultierende Aufwendungsersatzansprüche gem. § 195 BGB schon zum 31.12.2011 verjähren, auch wenn das Mietverhältnis gar nicht beendet wird.
§ 195 Regelmäßige Verjährungsfrist
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
§ 548 BGB: Verjährung der Ersatzansprüche und des Wegnahmerechts
(1) 1Die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren in sechs Monaten. 2Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. 3Mit der Verjährung des Anspruchs des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache verjähren auch seine Ersatzansprüche.
(2) Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung verjähren in sechs Monaten nach der Beendigung des Mietverhältnisses.
Quelle: Mitteilung der Pressestelle des BGH: Nr. 74/2011
weniger Information28.04.2011
Das Landgericht Frankfurt am Main (LG Frankfurt a.M.) hat, wie erst jetzt bekannt wurde, bereits am 08.04.2011 entschieden, dass die Deutsche Bank von ihren Privatkunden kein Entgelt für die unaufgeforderte Zusendung eines Kontoauszugs verlangen darf (Urt. v. 08.04.2011, Az.: 2-25 O 260/10).
Die beklagte Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG verwendete in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Klausel:
Nicht abgeholte Kontoauszüge
Die Bank ist berechtigt, dem Kunden Kontoauszüge und Kontoabschlüsse durch die Post oder in sonstiger Weise zugehen zu lassen, wenn diese 30 Bankarbeitstage lang nicht abgerufen wurden. Hierfür kann die Bank ein Entgelt in Rechnung stellen. Die Höhe des Entgelts ist dem Preisverzeichnis für Persönliche Konten zu entnehmen.
Im "Preis- und Leistungerverzeichnis" der Beklagten fand sich dazu folgender Kostenpunkt:
Zusendung zunächst gesammelter Abholerpost bzw. am Kontoauszugsdrucker
nicht abgerufener Auszüge nach 6 Wochen 1,94 EUR5
5) Zuzüglich Porto
Der Kläger, der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) nahm die Beklagte auf Unterlassung dieser Klauseln in Anspruch. Er vertrat u.a. die Auffassung, diese Klauseln verstießen gegen §§ 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 675f Abs. 4, 675d Abs. 3 BGB, Art. 248 §§ 7, 8, 10 EGBGB und stellten eine unangemessene Benachteiligung der Kunden dar.
Bisher liegt nur das - noch nicht rechtskräftige - erstinstanzliche Urteil des LG Frankfurt a.M. vom Urt. v. 08.04.2011 zu Az.: 2-25 O 260/10 vor.
[Ergänzung 22.06.2011: Nach mündlicher Auskunft der Geschäftsstelle des Landgerichts ist das Urteil inzwischen rechtskräftig.]
Das LG Frankfurt a.M. gab dem Käger Recht. Die nach "kundenfeindlichster Auslegung" in der streitigen Klausel geregelte Berechtigung der Beklagten zur Erhebung von Entgelten erstreckt sich nach Auffassung des Landgerichts auch auf solche Tätigkeiten, zu deren Erbringung die Beklagte schon kraft Gesetzes oder aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet ist oder die sie im eigenen Interesse vornimmt. Für solche Tätigkeiten darf die Bank kein gesondertes Entgelt verlangen.
Die Beklagte ist gemäß § 675d BGB verpflichtet, den Kunden über die verschiedenen Zahlungsvorgänge zu unterrichten. Nach § 675d Abs. 3 BGB darf die Beklagte hierfür ein Entgelt aber nur verlangen, wenn der Kunde (Zahlungsdienstnutzer) dies verlangt und die Beklagte über die Informationspflicht nach Art. 248 EGBGB hinausgeht oder in anderer als der vereinbarten Kommunikationsform erbringt. Diese Voraussetzungen konnte das LG Frankfurt a.M. vorliegend nicht feststellen. Die Übersendung der nicht abgerufenen Kontoauszüge erfolgt durch die Beklagte im Wesentlichen zur Übersendung und Mitteilung des regelmäßigen Kontoabschlusses und damit im eigenen Interesse der Beklagten, die daraus das Anerkenntnis des Kontoabschlusses erlangt.
Zwar erstreckt sich die unmittelbare Wirkung des Urteils zunächst nur auf die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG. Die Parallele zu den Praktiken anderer Banken ist jedoch offensichtlich. Insofern könnte das Urteil eine ganz erhebliche Breitenwirkung entfalten. Das Gesetz verpflichtet die Bank nämlich nur, den Kunden regelmäßig über die Buchungsvorgänge zu informieren, was aber grundsätzlich auch elektronisch möglich ist. Die zusätzliche Übersendung der Kontoauszüge auf dem Postweg ist nach der gesetzlichen Vorgabe nicht zwingend erforderlich. Sie dient, worauf das Landgericht zutreffend abhebt, vor allem dazu, im Interesse der Bank ein Kontoabschlussanerkenntnis des Kunden herbeizuführen. Dass die Bank den Kunde für eine im eigenen Interesse erfolgte Leistung nicht zusätzlich zur Kasse bitten soll, ist vor diesem Hintergrund durchaus naheliegend.
§ 675d Unterrichtung bei Zahlungsdiensten
(1) Zahlungsdienstleister haben Zahlungsdienstnutzer bei der Erbringung von Zahlungsdiensten über die in Artikel 248 §§ 1 bis 16 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bestimmten Umstände in der dort vorgesehenen Form zu unterrichten. Dies gilt nicht für die Erbringung von Zahlungsdiensten in der Währung eines Staates außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums oder die Erbringung von Zahlungsdiensten, bei denen der Zahlungsdienstleister des Zahlers oder des Zahlungsempfängers außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums belegen ist.
(2) Ist die ordnungsgemäße Unterrichtung streitig, so trifft die Beweislast den Zahlungsdienstleister.
(3) Für die Unterrichtung darf der Zahlungsdienstleister mit dem Zahlungsdienstnutzer nur dann ein Entgelt vereinbaren, wenn die Information auf Verlangen des Zahlungsdienstnutzers erbracht wird und der Zahlungsdienstleister
Das Entgelt muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein.
(4) Zahlungsempfänger und Dritte unterrichten über die in Artikel 248 §§ 17 und 18 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bestimmten Umstände.
Quelle: hier vorliegender Urteilsabdruck
weniger Information09.03.2011
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschienden, dass der Käufer in dem Fall, dass die Kaufsache auch nach den Nachbesserungsversuchen des Verkäufers noch den bereits zuvor gerügten Mangel aufweist, nicht nachweisen muss, dass dieser Mangel auf derselben technischen Ursache beruht wie der zuvor gerügte Mangel (Urt. v. 09.03.2011, Az.: VIII ZR 266/09).
Der Kläger leaste von einer Leasinggesellschaft einen Neuwagen Audi S4, den die Gesellschaft bei der Beklagten erwarb. Die Gewährleistungsansprüche bezüglich des Pkw wurden von der Leasinggesellschaft an den Kläger abgetreten. Bereits kurz nach Übergabe beanstandete der Kläger verschiedene Mängel, darunter einen Fehler des Motors, der sich in Zündaussetzern, sporadischem Leistungsverlust und Rütteln des Motors zeige. Die Beklagte führte mehrfach Nachbesserungsarbeiten durch. Der Kläger behauptet, dass der Mangel auch durch die Reparaturversuche der Beklagten nicht beseitigt worden sei, und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich der erlangten Gebrauchsvorteile Zug um Zug gegen Rückgabe des Audi S4. Im Rahmen der während des Prozesses erfolgten Beweiserhebung stellte der Sachverständige erstmals bei der dritten Begutachtung des Fahrzeugs den vom Kläger beschriebenen Mangel fest. Der Sachverständige konnte jedoch nicht angeben, wann dieser Mangel erstmalig aufgetreten war.
Das Landgericht Hof (Urt. v. 03.11.2008, Az.: 32 O 1297/04) hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Bamberg (Urt. v. 26.08.2009, Az.: 8 U 193/08) als Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, weil der Kläger nicht habe beweisen können, dass der vom Sachverständigen im Prozess festgestellte Fahrzeugmangel auf der erfolglosen Nachbesserung der Beklagten beruhe und nicht auf eine neue Mängelursache zurückzuführen sei. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte Erfolg.
Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat hat seine Rechtsprechung bekräftigt, dass der Käufer, der die Kaufsache nach einer Nachbesserung des Verkäufers wieder entgegengenommen hat, die Beweislast für das Fehlschlagen der Nachbesserung trägt. Die Beweislast erstreckt sich allerdings nicht auf die Frage, auf welche Ursache ein Mangel der verkauften Sache zurückzuführen ist, sofern eine Verursachung durch unsachgemäßes Verhalten des Käufers ausgeschlossen ist. Weist die Kaufsache – wie vorliegend – auch nach den Nachbesserungsversuchen des Verkäufers noch den bereits zuvor gerügten Mangel auf, muss der Käufer nicht nachweisen, dass dieser Mangel auf derselben technischen Ursache beruht wie der zuvor gerügte Mangel.
Der BGH stärkt wiederum die Rechte des Käufers. Dies ist in der vorliegenden Konstellation auch folgerichtig, der der Käufer bei einem komplizierten technischen Geräte – und darum geht es in den streitigen Fällen meistens – praktisch nie nachweisen könnte, dass dergleiche Mangel nach den Reparaturversuchen des Käufern noch immer auf derselben technischen Ursache beruht wie der zuvor gerügte Mangel.
Quelle: Mitteilung der Pressestelle des BGH: Nr. 40/2011
02.03.2011
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass wegen einer Flächenunterschreitung auch bei einer möbliert vermieteten Wohnung die Kaltmiete nach der prozentualen Flächenunterschreitung gemindert ist (Urt. v. 02.03.2011, Az.: VIII ZR 209/10).
Der Kläger ist seit 2006 Mieter einer vollständig möblierten und mit umfassendem Hausrat eingerichteten Wohnung des Beklagten in Berlin. Die monatlich zu zahlende Kaltmiete beträgt 560 €, hinzu kommen ein Heizkostenvorschuss von 15 € und ein Stromkostenvorschuss von 25 €. Im Mietvertrag wurde die Größe der Wohnung mit ca. 50 m² angegeben. Die tatsächliche Wohnfläche beträgt jedoch nur 44,3 m². Der Kläger hält wegen der Flächenabweichung von 11,5 % eine Minderung der Kaltmiete in entsprechender Höhe für berechtigt und forderte mit Schreiben von Mai 2009 eine teilweise Rückzahlung des Mietzinses für die gesamte Mietzeit in Höhe von 1.964,20 €. Der Beklagte meint, in der Kaltmiete sei die Möblierung der Wohnung berücksichtigt worden; deshalb sei die Miete nur um insgesamt 736,58 € gemindert. Diesen Betrag hat er dem Kläger erstattet.
Mit seiner Klage hat der Kläger den Beklagten auf Zahlung des Differenzbetrages in Anspruch genommen.
Das Amtsgericht Charlottenburg (Urt. v. 17.12.2009, Az.: 211 C 334/09) hat der Klage in Höhe von 288,22 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landgericht Berlin (Urt. v. 13.07.2010, Az.: 65 S 28/10) hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision des Klägers hatte Erfolg.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Mangel in Form einer Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche von mehr als 10 % den Mieter auch bei möbliert vermieteten Wohnungen zu einer Minderung der Miete in dem Verhältnis berechtigt, in dem die tatsächliche Wohnfläche die vereinbarte Wohnfläche unterschreitet. Die von einer Wohnflächenunterschreitung ausgehende Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit des vermieteten Wohnraums ist nicht deshalb geringer zu veranschlagen, weil die für eine Haushaltsführung benötigten Einrichtungsgegenstände trotz der geringeren Wohnfläche vollständig in der Wohnung untergebracht werden können.
Das vom BGH gefundene Ergebnis ist nur logisch, legt man die bisherige Rechtsprechung des zugrunde. Nach dieser Rechtsprechung ist die Kaltmiete einer unmöbliert vermieteten Wohnung im Falle der Wohnflächenunterschreitung um mehr als 10 % entsprechend dem Verhältnis von vertraglicher und tatsächlicher Wohnfläche gemindert, weil der Nuttzwert der Wohnung in diesem Verhältnis gemindert ist. Warum dis für eine möbliert vermietete Wohnung nicht gelten soll, ist nicht ersichtlich. Auf den Umstand, ob auch in der kleineren Wohnung alle für eine Haushaltsführung benötigten Einrichtungsgegenstände untergebracht werden können, kommt es gerade nicht an. Bei vertragsgemäßer Größe der Wohnung wäre eben neben der notwendigen Stellfläche für die benötigten Einrichtungsgegenstände noch entsprechend mehr Freiraum verblieben, den der Mieter hätte anderweitig nutzen können. Insofern ist sein Nutzwert bei der Wohnflächenunterschreitung einer möbliert vermieteten Wohnung in gleicher Weise gemindert wie bei einer unmöbliert vermieteten Wohnung.
Quelle: Mitteilung der Pressestelle des BGH: Nr. 35/2011
17.02.2011
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass eine AGB-Klausel, wonach ein Anbieter von Mobilfunkdienstleistungen bereits bei einem Zahlungsrückstand des Kunden von nur 15,50 € zur Sperrung des Mobiltelefonanschlusses berechtigt sein soll, unwirksam ist (Urt. v. 17.02.2011, A.z.: III ZR 35/10).
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände e. V. beanstandete u.a. drei Klauseln der von der Beklagten – einem Telekommunikationsunternehmen – in Verträgen mit Verbrauchern über Mobilfunkleistungen verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Zu den beanstandeten Klauseln gehörte auch die folgende, neben zwei weiteren im Revisionsverfahren noch streitgegenständlichen Klauseln:
11.Verzug
11.2 Ist der Kunde mit Zahlungsverpflichtungen in Höhe von mindestens 15,50 € in Verzug, kann ... den Mobilfunkanschluss auf Kosten des Kunden sperren.
Das Landgericht Köln (Urt. v. 17.06.2009, Az.: 26 O 150/08) hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung der Verwendung dieser Klauseln verurteilt. Das Oberlandesgericht Köln (Urt. v. 22.01.2010, A.z.: 6 U 119/09) hat die Berufung der Beklagten hinsichtlich der Klausel Nr. 11.2 zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag hinsichtlich der Klausel Nr. 11.2 weiter verfolgt. Die Revision ist bleibt geblieben.
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen, weil die Klausel Nr. 11.2 einer Inhaltskontrolle nicht stand hält und sie nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Sie benachteiligt die jeweiligen Mobilfunkkunden der Beklagten entgegen Treu und Glauben unangemessen. Die Sperre des Mobilfunkanschlusses stellt der Sache nach die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts dar. Insbesondere von § 320 Abs. 2 BGB weicht die Klausel Nr. 11.2. zum Nachteil des Kunden ab. Ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der noch zu erbringenden Mobilfunkdienstleistungen steht der Beklagten danach nicht zu, wenn nur ein verhältnismäßig geringfügiger Teil der Gegenleistung noch offen steht. Dies kann bei einem Verzug mit einem Betrag von 15,50 Euro, der nach der Klausel die Sperre rechtfertigt, nicht ausgeschlossen werden. Dabei hat der Senat insbesondere in Betrachtung gezogen, dass der Gesetzgeber in § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG für die Telefondienstleistungsunternehmen im Festnetzbereich als Voraussetzung für eine Sperre den Betrag von 75 € festgelegt hat. Der Bundesgerichthof hat diese gesetzgeberische Wertung im Rahmen der Kontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Verträge über Mobilfunkdienstleistungen für übertragbar gehalten.
Mit der Bezugnahme auf die 75 € Regelung in § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG macht der BGH deutlich, dass er in heutiger Zeit die vom Gestezgeber für Telefondienstleistungsunternehmen im Festnetzbereich geregelten Anforderungen jedenfalls teilweise im Mobilfunkbereich für entsprechend anwendbar hält. Der BGH trägt damit der Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse Rechnung, denn zumindest im privaten Bereich haben Mobilfunkdientleistungen längt begonnen, die traditionellen Festnetzdienstleistungen abzulösen. Wenn aber Mobilfunkdientleistungen für den Kunden ähnliche Bedeutung haben wie Festnetzdienstleistungen ist nicht einzusehen, warum Telefondienstleistungsunternehmen diese Leistungten im Zahlungsverzug einfacher einstellen können sollen, als bei entsprechende Festnetzdienstleistungen. Insofern könnte das Urteil durchaus eine über den entschiedenen Fall hinausreichende Bedeutung haben, den im Bereich der Festnetzdienstleistungen gibt es eine Vielzahl von Reglementierungen, die im Mobilfunkbereich nicht unmittelbar gelten. Es bleibt daher abzuwarten, ob der BGH zukünftig weitere gesetzliche Wertungen aus dem Festnetzbereich auf den Mobilfunkbereich überträgt.
Quelle: Mitteilung der Pressestelle des BGH: Nr. 31/2011
10.02.2011
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die strengen Anforderungen, die das deutsche Recht an die Zulässigkeit von Werbeanrufen bei Verbrauchern stellt, mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar sind (Urt. v. 10.02.2011, A.z.: I ZR 164/09).
Die AOK Plus, die Allgemeine Ortskrankenkasse für Sachsen und Thüringen, hatte sich im Jahr 2003 gegenüber der Verbraucherzentrale Sachsen verpflichtet, es zu unterlassen, Verbraucher ohne deren Einverständnis zu Werbezwecken anzurufen. Ferner hatte sie sich verpflichtet, für jeden Verstoß eine Vertragsstrafe von 5.000 € zu zahlen. Im September 2008 erhielten zwei Verbraucher Werbeanrufe von einem Call-Center, das von der AOK Plus beauftragt worden war. Die Verbraucherzentrale Sachsen hat die AOK Plus daraufhin auf Zahlung von 10.000 € in Anspruch genommen.
Die beklagte AOK Plus hat behauptet, die Einwilligung der Angerufenen im sog. Double-Opt-In-Verfahren erhalten zu haben: Die Verbraucher hätten an Online-Gewinnspielen teilgenommen, dort ihre Telefonnummer angegeben und durch Markieren eines Feldes ihr Einverständnis auch mit Telefonwerbung erklärt. Daraufhin sei ihnen eine E-Mail mit dem Hinweis auf die Einschreibung für das Gewinnspiel (sog. "Check-Mail") an die angegebene E-Mail-Adresse übersandt worden, die sie durch Anklicken eines darin enthaltenen Links bestätigt hätten.
Die Klage der Verbraucherzentrale war vor dem Landgericht Dresden (Urt. v. 08.04.200, Az.: 42 HKO 42/08) und in der Berufungsinstanz dem Oberlandesgericht Dresden (Urt. v. 22.09.2009, Az.: 14 U 721/09) erfolgreich. Gegen das Berufungsurteil hat die Beklagte Revision eingelegt.
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Das deutsche Recht geht zwar damit, dass es unaufgeforderte Werbeanrufe stets als unzumutbare Belästigung und damit als unlauter einstuft, über die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken der Europäischen Union hinaus. Aufgrund einer in der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation enthaltenen Öffnungsklausel ist der deutsche Gesetzgeber aber berechtigt, Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern generell von deren vorherigem ausdrücklichen Einverständnis abhängig zu machen (sog. "opt in").
Im Streitfall hatte die beklagte AOK Plus nach Feststellung des BGH das Einverständnis der angerufenen Verbraucher nicht ausreichend nachgewiesen. Für diesen Nachweis kommt insbesondere der Ausdruck einer E-Mail des angerufenen Verbrauchers in Betracht, in der er sich ausdrücklich mit der Werbung einverstanden erklärt. Die Speicherung der entsprechenden E-Mail ist dem Werbenden ohne weiteres möglich und zumutbar. Diesen Nachweis hat die beklagte AOK Plus nicht geführt, sondern sich nur allgemein auf die Einhaltung des Double-Opt-In-Verfahrens berufen.
Dieses elektronisch durchgeführte Double-Opt-In-Verfahren ist von vornherein ungeeignet, um ein Einverständnis von Verbrauchern mit Werbeanrufen zu belegen. Zwar kann bei Vorlage der dabei angeforderten elektronischen Bestätigung angenommen werden, dass der – die Einwilligung in Werbeanrufe enthaltende – Teilnahmeantrag für das Online-Gewinnspiel tatsächlich von der angegebenen E-Mail-Adresse stammt. Damit ist aber nicht sichergestellt, dass es sich bei der angegebenen Telefonnummer tatsächlich um den Anschluss des Absenders der Bestätigungs-E-Mail handelt. Es kann zahlreiche Gründe für die versehentliche oder vorsätzliche Eintragung einer falschen Telefonnummer geben. Das Gesetz verlangt aber zwingend, dass der konkret angerufene Teilnehmer vor dem Werbeanruf ausdrücklich sein Einverständnis erklärt hat.
Mit der Entscheidung nach der BGH deutlich, dass der Beweis des Einverständnisses eines Verbrauchers mit Werbeanrufen nicht mit dem pauschalen Darlegung des angeblich von dem Werbeenden praktizierten Double-Opt-In-Verfahrens erbracht werden kann. Vielmehr muss der Werbende im Streitfall konkret nachweisen, dass der Angerufene sein Einverständnis wirklich erteilt hat. Dies entspricht zwar den allgemeinen Prinzipien des prozessualen Beweisrechts, wird aber gerade von größeren Unternehmen gern geleugnet. Diese Berufen sich regelmäßig pauschal auf eien angeblich generell eingehaltete Praxis oder automatisierte Abläufe, ohne den Beweis im Einzelfall erbringen zu können. Es ist begrüßenswert, dass der BGH hier ganz deutlich an die zivilprozessualen Beweisregeln erinnert.
Quelle: Mitteilung der Pressestelle des BGH: Nr. 29/2011
23.01.2011
Das AG Halle hat bereits am 11.01.2011 entschieden, dass eine formularmäßige Klausel, wonach dem Mieter "Abwasserkosten" auferlegt werden, den Vermieter nicht zur Umlage kommunaler Regenwassergebühren berechtigt, die bei Abschluss des Mietvertrages vor der Wende noch gar nicht erhoben worden sind (Urt. v. 11.01.2011, A.z.: 95 C 3168/10, noch nicht rechtskräftig).
Mit einem fomularmäßigen Nutzungsvertrag vom 18.12.1989 überließ der Rechtsvorgänger der Klägerin der Rechtsvorgängerin der Beklagten Garageninteressengemeinschaft (GIG) Leuna III ein für eine Dauer von 30 Jahren zur Errichtung von Garagen. In § 3 der Vereinbarung findet sich unter der Überschrift „Nutzungszweck und Baumaßnahmen“ folgende Passage:
"Der Nutzungsberechtigte ist befugt, das Grundstück für den Garagenbau zu nutzen. Er verpflichtet sich, die hierfür erforderlichen Baumaßnahmen, Instandhaltung, Instandsetzung, Müllabfuhr, Energie, Wasser- und Abwasserkosten sowie den Versicherungsschutz mit eigenen Mitteln zu finanzieren“.
Vor der Wende erhob das damalige Halle-Neustadt keine Regenwassergebühren.
Mit mehreren Bescheiden aus den Jahren 2007 und 2008 erhob die Hallesche Wasser und Abwasser GmbH zu Lasten der Klägerin für die vom Beklagten vertragsgemäß genutzte Grundstücksfläche Niederschlagswassergebühren für die Jahre 2004 bis 2007. Grundlage der Gebührenerhebungen ist ein Vertrag vom 01.01.2007 zwischen der GmbH und der Klägerin. Bis einschließlich 2006 hatte die Klägerin Gebührensatzungen erlassen. Anschließend forderte die Klägerin die Beklagte mit Hinweis auf § 3 des Nutzungsvertrages auf, die Niederschlagswassergebühren an die Klägerin zu zahlen.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die ersattet der Niederschlagswassergebühren i.H.v. 45.525,71 € nebst Zinsen.
Das AG Halle wie die Klage ab.
Das AG Halle führt zunächst aus, dass nach der gesetzlichen Regelung der Vermieter die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen habe, welche sich aus privatrechtlichen oder öffentlich rechtlichen Verpflichtungen ergeben können (§ 535 Abs. 1 S. 3 BGB). Es kome also darauf an, ob die Parteien eine abweichende vertragliche Vereinbarung getroffen haben.
Das ist nach Auffassung des AG Halle vorliegend jedoch nicht geschehen. Bei der im Tatbestand abgedruckten Regelung handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, auf die § 305c Abs. 2 BGB (sog. Unklarheitenregelung) anzuwenden ist. Danach gehen Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Anwenders.
Die streitgegenständliche Regelung kann hinsichtlich des Begriffes "Abwasserkosten" an den Abwasserbegriff in seiner technischen Verwendung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses anknüpfen. Hierzu gehörte nach damaligem Recht der DDR auch Grund- und Oberflächenwasser, also auch das Regenwasser.
Stellt man jeodch auf die Zielrichtung der Regelung zum damaligen Zeitpunkt ab, ging es um die Auferlegung von Lasten auf die damaligen Nutzer. Für den Horizont der damals Beteiligten war daher nicht entscheidend der bloße sprachliche Begriff des „Abwassers“, sondern welche Kosten des Abwassers erfasst werden sollten. Regenwassergebühren erhob seinerzeit Halle-Neustadt aber nicht, so dass diese bei dieser Betarchtung nicht erfaßt wären.
Insgesamt verbleiben nach Einschätzung des AG Halle danach bedeutsame Zweifel daran, welche Abwasserkosten von der vertraglichen Regelung erfasst werden sollten. Diese gingen gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Klägerin.
Die Entscheidung betrifft natürlich einen sehr speziellen Fall, da zum einen für die Auslegung der Klausel der Abwasserbegriff zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses - also unter Geltung des DDR-Rechts - maßgeblich war und zum anderen die streitgegenständlichen kummunalen Gebühren im Zeitpunkt des Vertragschlusses noch gar nicht erhoben worden sind. Insofern wird es nur noch wenige Verträge aus jener Zeit geben, für die das vorliegende Urteil unmittelbar relevant ist. Für jene Verträge stärkt das Urteil freilich die Rechte der Mieter bzw. Pächter.
In neueren Verträgen wird hinsichtlich der umlegbaren Betriebskosten zumeist vereinbart, dass der Mieter die "Kosten der Be- und Entwässerung" zu tragen hat. Welche Kosten das sind, definiert die Betriebskostenverordnung (BetrKV), in dieser heisst es unter § 2 Nr. 2, dass die Kosten der "Entwässerung" die "Gebühren für die Haus- und Grundstücksentwässerung" also unstreitig auch kommunale Regen- bzw. Niederschlagswassergebühren umfassen.
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