31.07.2020
Das LG Kiel hat auf Antrag des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. entschieden, dass die Mobilcom-Debitel GmbH wegen Verstoßes gegen ein Unterlassungsurteil ein Ordnungsgeld i.H.v. 100.000 € an die Staatskasse zahlen muss. Das Gericht hatte die Mobilcom-Debitel GmbH im Jahre 2018 verurteilt, es zu unterlassen, von Verbrauchern Mahnpauschalen von 5,95 € oder höher und Rücklastschriftpauschalen von 4,59 € oder höher zu verlangen. Daran hat sich das Unternehmen nicht gehalten (LG Kiel, Beschl. v. 31.07.2020, Az. 6 O 351/15).
Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. begehrt die Festsetzung eines Zwangsmittels nach § 890 ZPO* gegen die Mobilcom-Debitel GmbH wegen Verstoßes gegen ein Unterlassungsurteil.
Auf Klage des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. untersagte das Landgericht Kiel der Mobilcom-Debitel GmbH durch Urteil vom 19.03.2018, Az. 6 O 351/15, von Verbrauchern Mahnpauschalen von 5,95 € oder höher und Rücklastschriftpauschalen von 4,59 € oder höher zu verlangen, weil diese Beträge die gewöhnlichen Mahnkosten bzw. den gewöhnlichen Rücklastschriftschaden der Mobilcom-Debitel GmbH übersteigen. Außerdem untersagte das Gericht dem Unternehmen, für Rücklastschriften Beträge zu verlangen, in die Refinanzierungskosten, Personalkosten oder sonstige allgemeine Verwaltungsaufwände einberechnet sind, da diese Kosten nach der Rechtsprechung nicht als Rücklastschriftschaden ersatzfähig sind. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht bestätigte das Urteil des Landgerichts im Berufungsverfahren durch Urteil vom 07.02.2019, Az. 2 U 5/18, und erklärte das erstinstanzliche Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar. Die Mobilcom-Debitel GmbH legte gegen das Berufungsurteil Nichtzulassungsbeschwerde ein, die der BGH mit Beschluss vom 31.10.2019 zurückwies.
Mit seinem Antrag auf Festsetzung eines Zwangsmittels vom 15.01.2020 macht der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. geltend, dass die Mobilcom-Debitel GmbH die Erhebung der Pauschalen auch nach Verkündung des vorläufig vollstreckbaren Berufungsurteils am 07.02.2019 fortgesetzt habe. Er beruft sich auf neun konkrete Fälle, in denen die Mobilcom-Debitel GmbH ihren Kunden nach dem 07.02.2019 noch die überhöhten Pauschalen in Rechnung gestellt habe.
Die Mobilcom-Debitel GmbH bestreitet die Inrechungstellung der Pauschalen nicht. Sie meint aber, der Ordnungsmittelantrag sei unbegründet, da zum Zeitpunkt der geltend gemachten Zuwiderhandlungen die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen bezüglich des Urteils des LG Kiel vom 19.03.2018 noch nicht vorgelegen haben. Vor dem Hintergrund der Risikoverteilung des § 717 Abs. 2 ZPO sei es unzulässig, die Vollstreckung nach Rechtskraft des Unterlassungstenors für solche Zuwiderhandlungen zu betreiben, die noch zu einer Zeit erfolgten, in der der Titel noch nicht rechtskräftig vollstreckbar gewesen sei.
Das LG Kiel entschied in erster Instanz. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Mobilcom-Debitel GmbH kann noch Beschwerde zum OLG Schleswig einlegen.
Das LG Kiel hat entschieden, dass ein Ordnungsgeld i.H.v. 100.000 € gegen die Mobilcom-Debitel GmbH zu verhängen ist, da sie durch das Abrechnen von Pauschalbeträgen i.H.v. 5,95 € als Mahngebühren und die systematische Berücksichtigung unzulässiger Beträge
bei der Berechnung der Rücklastschriftgebühren gegen das Urteil des LG Kiel vom 19.03.2018 in der Fassung des Berufungsurteils vom
07.02.2019 verstoßen hat.
Das Urteil vom 19.03.2018 war zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zuwiderhandlungen – der früheste vorgelegte Rechnung stammt aus April 2019 – ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Da mit der Verkündung des Berufungsurteils ein ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbarer Titel vorlag, musste sich die Schuldnerin ab diesem Zeitpunkt und nicht erst ab Rechtskraft an das Unterlassungsgebot halten. Es besteht keine weitergehende allgemeine Voraussetzung der Zwangsvollstreckung desjenigen Inhalts, dass der Gläubiger seine Absicht zur tatsächlichen Vollstreckung gegenüber dem Schuldner kundtun muss.
Der Tatsachenvortrag hinsichtlich der Zuwiderhandlungen selbst ist unstreitig. Daraus ergibt sich zunächst, dass die Schuldnerin in neun Fällen gegen das Urteil verstoßen hat.
Die Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungstenor erfolgten auch schuldhaft. Trifft die
Schuldnerin nicht alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen, um Zuwiderhandlungen
durch Angestellte und Beauftragte zu verhindern, trifft sie ein eigenes Organisationsverschulden
hinsichtlich derjenigen Verstöße, die durch derartige Maßnahmen verhindert worden
wären. Das vom Gläubiger behauptete Verschulden der Schuldnerin blieb unbestritten.
Im Übrigen trifft die Schuldnerin jedenfalls eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich etwaig ergriffener Maßnahmen. Dieser ist sie nicht nachgekommen.
Im Hinblick auf die Zuwiderhandlung der Schuldnerin gegen das Unterlassungsgebot ist die
Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von insgesamt 100.000 € angemessen.
Bei der Festsetzung eines Ordnungsmittels sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des
Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung
und die Gefährlichkeit der begangenen und möglichen zukünftigen Verletzungshandlungen
für den Verletzten zu berücksichtigen. Eine Titelverletzung soll sich für den Schuldner nicht
lohnen. Insoweit erfordert der Zweck des Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO grundsätzlich
die Festsetzung empfindlich hoher Beträge.
Dies entspricht sowohl der Funktion des Ordnungsmittels als zivilrechtlicher Beugemaßnahme
zur Vermeidung künftiger Zuwiderhandlungen als auch dessen repressivem, strafähnlichen
Sanktionscharakter.
Dies zugrunde gelegt, ist ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.000 € angemessen.
Dabei war von insgesamt neun Zuwiderhandlungen im Rechtssinne auszugehen.
Insoweit hält die Kammer im Ausgangspunkt ein Ordnungsgeld in Höhe von jeweils 12.500 € für angemessen. Bei der Bemessung des Ordnungsgeldes war zu berücksichtigen, dass
die Verstöße nicht auf einem Einzelfall, sondern auf einem Organisationsverschulden beruhen,
sodass eine weitere Anzahl von Verstößen naheliegt. Schließlich ist zwischen den Parteien
auch unstreitig, dass die Schuldnerin im Monat ein Aufkommen von 90.000 Rücklastschriften
hat. Nimmt man allein den streitgegenständlichen Zeitraum von April bis November
2019 in den Blick, kommen unrechtmäßige Abrechnungen in insgesamt 720.000 Fällen in
Betracht. Insoweit sind auch die Finanzkraft und Größe der Schuldnerin zu berücksichtigen.
Nicht zuletzt ist zu beachten, dass der Schuldnerin in der Vergangenheit bereits wegen zwei
Verstößen gegen einen ähnlichen Unterlassungstitel von der 17. Zivilkammer ein Ordnungsgeld
von jeweils 10.000 € auferlegt wurde. Gerade vor dem Hintergrund der repressiven Funktion des Ordnungsgeldes und neun konkreten Verstößen im vorliegenden Fall war in
soweit ein gesteigerter Betrag pro Zuwiderhandlung anzusetzen. Den bereits erfolgten Rückzahlungen bzw. Ausbuchungen bezüglich der unrechtmäßig berechneten
Gebühren an die streitgegenständlich betroffenen Kunden ist demgegenüber aufgrund
des zugleich präventiven Charakters des Ordnungsgeldes im Falle drohender späterer
Zuwiderhandlungen eine nur eingeschränkt
mildernde Wirkung zuzugestehen, weswegen das Ordnungsgeld pro Zuwiderhandlung
in Höhe von 12.500 € nur geringfügig zu mindern ist.
Auszug aus der Zivilprozessordnung (ZPO)
* § 890 Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen
(1) ¹Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. ²Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250 000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.
(2) …
Quelle: Entscheidungsabdruck
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Letzte Aktualisierung: 12.08.2020