Das Landgericht Kiel (LG Kiel) hat der Mobilcom-Debitel GmbH durch Urteil vom heutigen Tage untersagt, ihren Kunden pauschale Rücklastschriftkosten i.H.v. 7,45 € in Rechnung zu stellen (Urt. v. 12.12.2014, Az. 17 O 164/14).
Die Beklagte Mobilcom-Debitel GmbH hatte in ihren Preislisten bis zum Jahre 2013 Klauseln verwendet, nach denen der Kunde im Falle einer von ihm verschuldeten Rücklastschrift einen Pauschalbetrag von 20,95 €, 14,95 € und zuletzt von 10,00 € an die Beklagte zahlen sollte. Das Oberlandesgericht Schleswig hatte der Beklagten die Verwendung der entsprechenden Klauseln durch Urteil vom 26.03.2013, Az. 2 U 7/12 verboten, weil die Pauschale auch in Höhe von 10,00 € noch den gewöhnlichen Rücklastschriftschaden überstieg, die Klausel daher gem. § 309 Nr. 5a BGB* unwirksam war.
Daraufhin entfernte die Beklagte alle Hinweise auf eine im Rücklastschriftfall vom Kunden zu erhebende Pauschale aus ihren AGBs und Preislisten. Gleichwohl stellte die Beklagte seit dem Jahr 2013 ihren Kunden systematisch Kosten für Rücklastschriften in Höhe von pauschal 7,45 € in Rechnung. Die Rechnungssoftware der Beklagten weist diesen Betrag unter "Sonstige Beträge" als Buchungsposten "Rücklastschrift, vom Kunden zu vertreten" in den Rechnungen aus.
Der Kläger, der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V., forderte die Beklagte mit Schreiben vom 21.05.2014 auf, es zu unterlassen, ihren Kunden systematisch Rücklastschriftpauschalen in Rechnung zu stellen, ohne mit den betreffenden Kunden eine vertragliche Vereinbarung über eine pauschale Schadensabgeltung getroffen zu haben. Die Beklagte reagierte hierauf nicht. Daraufhin erhob der Kläger Klage zum LG Kiel.
Das erstinstanzlich zuständige LG Kiel entschied durch Urteil vom 12.12.2014. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; es kann binnen Monatsfrist von der Beklagten mit der Berufung zum OLG Schleswig angegriffen werden.
Update, Januar 2015: Mobilcom-Debitel hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Das LG Kiel entschied, dass die vom Kläger angegriffene Rücklastschriftpauschalenpraktik der Beklagten gem. 309 Nr. 5a und 5b BGB i.V.m. § 306a BGB** unzulässig ist. Zwar verwendet die Beklagte keine Rücklastschriftpauschalenklausel mehr in ihren AGB und Preislisten. Die systematische Inrechnungstellung der Pauschalen stellt jedoch eine Umgehung des AGB-Rechts dar, die nach § 306a BGB unzulässig ist.
Gemäß § 1 UKlaG kann derjenige, der in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen verwendet, die nach §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind, auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dieser Anspruch besteht auch, wenn ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306a BGB vorliegt und eine entsprechende Regelung durch eine Klausel in den AGB unwirksam wäre. Eine Umgehung im Sinne des § 306a BGB liegt vor, wenn eine vom Gesetz verbotene Regelung bei gleicher Interessenlage durch eine andere Gestaltung erreicht werden soll, die objektiv nur den Sinn haben kann, dem gesetzlichen Verbot zu entgehen. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine solche Umgehung u.a. dann vor, wenn eine praktische Gestaltung gewählt wird, die wirtschaftlich zum selben Ergebnis wie eine Pauschalierung des Schadensersatzanspruches im Sinne des § 309 Nr. 5 BGB führt.
Eine solche Umgehungssituation ist nach Auffassung des LG Kiel auch hier gegeben. Denn die Beklagte hat – nachdem ihr die Verwendung der Rücklastschriftpauschalenklausel in Höhe von 10,00 € oder höher durch Urteil des OLG Schleswig vom 26.03.2013 untersagt worden war – sämtliche Hinweise auf eine im Rücklastschriftfall vom Kunden zu erhebende Pauschale aus ihren AGBs und Preislisten entfernt. Gleichwohl hat sie von ihren Kunden weiterhin – nunmehr ohne vertragliche Vereinbarung – pauschal Rücklastschriftkosten in Höhe von 7,45 € verlangt. Dass diese Vorgehensweise systematisch durch entsprechende Einstellung der Programmierung der Rechnungssoftware erfolgte, hat die Beklagte nicht bestritten. Mit dieser Praxis stellt die Beklagte sicher, dass allen Kunden auch ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung Pauschalen in Rechnung gestellt werden, die zuvor – wenn auch in anderer Höhe – aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen berechnet wurden. Insofern ist das Vorgehen der Beklagten ohne weiteres mit dem vom BGH entschiedenen Fall einer internen Anweisung vergleichbar und dient ersichtlich dem Zweck, Ersatz für eine entsprechende AGB-Klausel zu schaffen und eine AGB-rechtliche Prüfung durch die Gerichte zu verhindern. Allein der Umstand, dass diese Vorgehensweise zwar praktiziert wird, jedoch nicht vertraglich geregelt ist, führt nicht etwa zu einer Unanwendbarkeit von § 306a BGB, sondern stellt wiederum den Versuch einer Umgehung – nunmehr dieser Vorschrift – dar.
Der danach vorliegende Verstoß gegen § 306a BGB eröffnet die Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB. Die von der Beklagten gewählte Praxis ist wirkungsgleich mit einer Regelung in AGB und verstieße bei tatsächlicher Festschreibung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen § 309 Nr. 5a und 5b BGB, so dass ein Anspruch auf Unterlassung besteht.
Die Erhebung einer Rücklastschriftpauschale von 7,45 € verstößt zunächst gegen § 309 Nr. 5a BGB. Nach dieser Vorschrift ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz unwirksam, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt. Nach h.M. muss dabei der Verwender nachweisen, dass die verlangte Pauschale dem typischen Schadensumfang entspricht. Vorliegend ist die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte dem klägerischen Vorbringen, dass die Pauschale höher sei als der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartende Schaden der Beklagten, nicht entgegengetreten.
Die angegriffene Pauschalierungspraktik verstößt zudem gegen § 309 Nr. 5b BGB. Nach dieser Vorschrift ist in AGB die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz unwirksam, wenn dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, dass ein Schaden überhaupt nicht oder wesentlich niedriger entstanden sei als die Pauschale. So liegt es hier. Durch die in keiner Weise vertraglich geregelte Praxis der Beklagten, den Kunden stets eine Rücklastschriftgebühr von 7,45 € in Rechnung zu stellen, nimmt sie diesen die Möglichkeit, einen geringeren Schaden nachzuweisen. Tatsächlich hat die Beklagte den in ihren "Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Mobilfunkdienstleistungen" zu Beginn des Jahres 2013 noch enthaltenen Hinweis darauf, dass es dem Kunden vorbehalten bliebe, geringere Kosten nachzuweisen, im Rahmen der Modifikation ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum 15.04.2013 entfernt. Dass sie den Kunden gleichwohl die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Schadens einräumt, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
In den zurückliegenden Jahren haben die Gerichte nahezu alle Rücklastschriftpauschalen von Großunternehmen, die höher waren als 4 €, wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 5a BGB für unwirksam erklärt. Einige Unternehmen haben in der Folge versucht, dass AGB-Recht dadurch zu umgehen, dass sie die entsprechenden Pauschalen aus ihren AGB und Preislisten gestrichen, ihren Kunden die Pauschalen aber weiterhin in Rechnung gestellt haben. Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. ist gegen diese Umgehungspraktiken vorgegangen. Vor dem LG Düsseldorf und dem OLG Düsseldorf hat er bereits erste Erfolge gegen die Vodafone D2 GmbH errungen. Vorliegend hat sich auch das LG Kiel dieser Rechtsprechung angeschlossen.
Sowohl die Entscheidungen aus Düsseldorf als auch das vorliegende Urteil aus Kiel zeigen mit erfreulicher Deutlichkeit, dass das geltende AGB-Recht nicht erfolgreich umgangen werden kann. Die Erhebung nach § 309 Nr. 5a BGB überhöhter Schadensersatzpauschalen wird nicht dadurch rechtmäßig, dass der Unternehmer auf eine entsprechende AGB-Klausel verzichtet und sich auf die faktische Inkassierung der Pauschalen beschränkt.
Wenn auch Ihnen von der Mobilcom-Debitel GmbH überhöhte Rücklastschriftpauschalen in Rechnung gestellt wurden, können Sie diese zurückfordern. Wir haben dazu ein Muster-Rückforderungsformular vorbereitet, das Sie auf unserer Download-Seite abrufen können.
Für unser weiteres Vorgehen gegen Mobilcom sammeln wir weitere Beweise. Sollten auch Ihnen Rechnungen der Mobilcom-Debitel GmbH vorliegen, welche "Rücklastschriftgebühren" enthalten, können Sie unsere Arbeit dadurch unterstützen, dass Sie uns die entsprechenden Rechnungen per E-Mail an info@deutscher-verbraucherschutzverein.de senden. Für die Übersendung entsprechender Rechnungen ab Januar 2015 zahlen wir Ihnen eine Aufwandsentschädigung i.H.v. 10,00 € pro Rechnung.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
** § 306a Umgehungsverbot
Die Vorschriften dieses Abschnitts finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden.
* § 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
5. | (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
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a) | die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder | |
b) | dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale; |
Quelle: Urteilsabdruck
Druckansicht weniger Information10.12.2014
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass der Vermieter die Warmwasserkosten auch bei hohem Wohnungsleerstand grundsätzlich im gesetzlich vorgesehenen Umfang nach dem tatsächlichen Verbrauch auf die Mieter umlegen darf. Wenn dieser Umlagemaßstab im Einzelfall zu untragbaren Ergebnissen führt, kann das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zur Abweichung von diesem Maßstab zwingen (Urt. v. 10.12.2014, Az. VIII ZR 9/14).
Die Klägerin, eine Wohnungsbaugenossenschaft, hatte der Beklagten eine Wohnung in einem 28-Familien-Haus in Frankfurt (Oder) vermietet. Da das Haus im Rahmen der Stadtplanung abgerissen werden sollte, waren Ende 2011 nur noch wenige Wohnungen belegt. Der erhebliche Wohnungsleerstand hatte zur Folge, dass die für eine große Leistung und viele Wohnungen ausgelegte Heizungs- und Warmwasseranlage gemessen an dem geringen Verbrauch der wenigen verbliebenen Mieter nicht mehr kostengünstig arbeitete.
Die Klägerin legte von den im Abrechnungsjahr 2011 angefallenen Warmwasserkosten (7.848,61 €) 50 % nach Wohnflächenanteilen um, 50 % der Kosten berechnete sie nach dem Verbrauch. Von dem Gesamtverbrauch im Gebäude (78,220 m³) entfielen 23,820 m³ auf die Beklagte. Daraus errechnete die Klägerin einen Verbrauchskostenanteil von 1.195,06 € (3.924,31 € : 78,22 m³ x 23,82 m³). Hiervon stellte sie der Beklagten "aus Kulanz" allerdings lediglich die Hälfte (597,53 €) in Rechnung. Die Beklagte weigerte sich, Nachzahlungen zu erbringen, da die Klägerin die Warmwasserkosten aufgrund des hohen Leerstandes im Haus nicht nach Verbrauch, sondern ausschließlich nach der Wohnfläche habe umlegen dürfen.
Die auf Zahlung der Betriebskostennachforderung gerichtete Klage hatte in erster Instanz vor dem Amtsgericht Frankfurt (Oder) (Urt. v. 7.06.2013, Az. 2.2 C 215/13) überwiegend Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht Frankfurt (Oder) (Urt. v. 17.12.2013, Az. 16 S 138/13) das Urteil des Amtsgerichts teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin zum BGH hatte Erfolg.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die von der Klägerin vorgenommene Berechnung auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 HeizkostenV* aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Auch bei hohen Leerständen bleibt es grundsätzlich bei der gesetzlich vorgegebenen Abrechnung, wonach die Kosten zu mindestens 50 % nach Verbrauch umzulegen sind. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt eine analoge Anwendung von § 9a HeizkostenV** nicht in Betracht, denn die in § 9a HeizkostenV geregelten Fälle, in denen aus zwingenden technischen Gründen eine Verbrauchserfassung nicht möglich ist, sind mit dem hier in Rede stehenden Fall einer jetzt unwirtschaftlich arbeitenden Heizungsanlage nicht vergleichbar.
Allerdings kann die strikte Anwendung der Vorgaben der HeizkostenV bei hohen Leerständen in Einzelfällen zu derartigen Verwerfungen führen, dass eine angemessene und als gerecht empfundene Kostenverteilung nicht mehr gegeben ist. Diesen Fällen kann mit einer aus dem Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abzuleitenden Anspruchsbegrenzung Rechnung getragen werden. Ob eine solche Anspruchskürzung geboten ist, um die beiderseitigen Interessen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, obliegt grundsätzlich der Beurteilung des Tatrichters. Im vorliegenden Fall konnte der Senat die Beurteilung selbst vornehmen, da keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen waren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in Anwendung von § 8 Abs. 1 HeizkostenV bereits den für die Beklagte günstigsten Maßstab (50 %) gewählt hat und von dem sich so ergebenden Betrag lediglich die Hälfte geltend macht, so dass sich für die knapp 50 qm große Wohnung der Beklagten für Heizung und Warmwasser ein zwar hoher, aber nicht völlig untragbar erscheinender Betrag von rund 1.450 € ergibt. Auf der anderen Seite hat auch die Klägerin - ohne für die leerstehenden Wohnungen Mieteinnahmen zu erhalten - schon über den Wohnflächenanteil - beträchtliche Kosten zu tragen und muss es insoweit ihrerseits ebenfalls hinnehmen, dass die angesichts des Leerstandes unwirtschaftliche Heizungsanlage erhebliche Mehrkosten verursacht. Insgesamt erscheint es daher nicht unangemessen, dass auch die Mieter einen nicht ganz unerheblichen Teil der leerstandsbedingten Mehrkosten zu tragen haben. Eine weitere Anspruchskürzung über den von der Klägerin bereits freiwillig abgezogenen Betrag hinaus ist deshalb auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht geboten.
Aus Sicht des Mieters ist das vom BGH gefundene Ergebnis wenig befriedigend, da der Mieter letztlich bis zur Grenze von Treu und Glauben an den betriebswirtschaftlichen Kosten eines Wohnungsleerstandes beteiligt wird.
Der BGH bleibt bei seiner Auslegung der §§ 8 und 9a HeikostenV zunächst streng an deren Wortlaut haften. Insofern ist es zutreffend, dass sich der Vermieter, der 50 % der Heizkosten nach dem tatsächlichen Verbrauch auf die Mieter umlegt, im gesetzlichen Rahmen des § 8 Abs. 1 HeizkostenV hält, da diese Norm den Umlagemaßstab nicht davon abhängig macht, in welchem Umfang die Wohnungen einer Abrechnungseinheit tatsächlich vermietet sind. Es liegt auch kein Fall des § 9a HeizkostenV vor, da der tatsächliche Verbrauch der betroffenen Mieter im Streitfall durchaus korrekt festgestellt worden ist. Fraglich ist jedoch, ob in dem Fall, dass ein hoher Anteil der Wohnungen nicht belegt ist, was – wie auch der BGH einräumt – zu unangemessenen Ergebnissen führen, die § 8, 9a HeizkostenV nicht teleologisch mit dem Ergebnis zu reduzieren ist, dass der Vermieter die durch den Wohnungsleerstand verursachten Mehrkosten selbst tragen muss. Allein dieses Ergebnis wäre sachgerecht, weil der Mieter keinerlei Möglichkeit hat, die Wohnungsbewirtschaftung durch den Vermieter zu beeinflussen. Damit muss aber auch das wirtschaftliche Risiko des Wohnungsleerstands allein dem Vermieter auferlegt werden. Diese Notwendigkeit wird gearde in Fällen der vorliegenden Art besonders deutlich, wenn der vermeiter sich aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen entschließt, die Vermietung ganz einzustellen und absichtlich einen umfangreiche Wohnungsleerstand herbeiführt.
Zwar sieht auch der BGH das Problem, löst es mit dem Rückgriff auf Treu und Glauben aber nur unvollständig. Nach Treu und Glauben ist – so der BGH – lediglich grob unangemessenen Ergebnissen des gesetzlichen Umlagemaßstabes entgegen zu wirken, nicht aber dem grundsätzlichen Problem, dass der Mieter hier zu großen Teilen an den Kosten des Wohnungsleerstandes beteiligt wird. Auch nach dem vom Vermieter aus "Kulanz" vorgenommenen Abzug von 50% der nach § 8 HeizkostenV berechneten Verbrauchskosten, den der BGH im Rahmen des § 242 BGB für ausreichend hält, muss der Mieter im vorliegenden Rechtsstreit für 23,82 m³ Warmwasser noch 597,53 € Verbrauchskosten zzgl. des nach der Wohnfläche umgelegten Kostenanteils zahlen. Dies entspricht einem Verbrauchskostenanteil von 25,09 € / m³, der weit überdurchschnittlich ist.
Da der BGH die Frage nun aber in der geschehenen Weise entschieden hat, wäre eine Korrektur nur durch den Gesetzgeber herbeizuführen. Die Umlage der Betriebskosten sollte generell so gereglt werden, dass der Vermieter durch einen Wohnungsleerstand verursachte Mehrkosten nicht auf die Mieter umlegen darf.
Auszug aus der Heizkostenverordnung (HeizkostenV)
* § 8 Verteilung der Kosten der Versorgung mit Warmwasser
(1) Von den Kosten des Betriebs der zentralen Warmwasserversorgungsanlage sind mindestens 50 vom Hundert, höchstens 70 vom Hundert nach dem erfassten Warmwasserverbrauch, die übrigen Kosten nach der Wohn- oder Nutzfläche zu verteilen.
…
* § 8 Heizkostenverordnung: Kostenverteilung in Sonderfällen
(1) Kann der anteilige Wärme- oder Warmwasserverbrauch von Nutzern für einen Abrechnungszeitraum wegen Geräteausfalls oder aus anderen zwingenden Gründen nicht ordnungsgemäß erfasst werden, ist er vom Gebäudeeigentümer auf der Grundlage des Verbrauchs der betroffenen Räume in vergleichbaren Zeiträumen oder des Verbrauchs vergleichbarer anderer Räume im jeweiligen Abrechnungszeitraum oder des Durchschnittsverbrauchs des Gebäudes oder der Nutzergruppe zu ermitteln. Der so ermittelte anteilige Verbrauch ist bei der Kostenverteilung anstelle des erfassten Verbrauchs zu Grunde zu legen.
…
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 184/2014
Druckansicht weniger Information12.11.2014
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage der Wirksamkeit eines im Wege einer Internetauktion abgeschlossenen Kaufvertrags befasst, bei dem ein grobes Missverhältnis zwischen dem Kaufpreis und dem Wert der Kaufsache besteht (Urt. v. 12.11.2014, Az. VIII ZR 42/14).
Der Beklagte bot seinen Gebrauchtwagen bei eBay zum Kauf an und setzte ein Mindestgebot von 1 € fest. Der Kläger bot kurz nach dem Beginn der eBay-Auktion 1 € für den Pkw und setzte dabei eine Preisobergrenze von 555,55 €. Einige Stunden später brach der Beklagte die eBay-Auktion ab. Per E-Mail teilte er dem Kläger, der mit seinem Anfangsgebot Höchstbietender war, mit, er habe außerhalb der Auktion einen Käufer gefunden, der bereit sei, 4.200 € zu zahlen. Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen Nichterfüllung des nach seiner Ansicht wirksam zu einem Kaufpreis von 1 € geschlossenen Kaufvertrags und macht geltend, der Pkw habe einen Wert von 5.250 €.
Das Landgericht Mühlhausen (Urt. v. 09.042013, Az. 3 O 527/12) hat der auf Schadensersatz in Höhe von 5.249 € gerichteten Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist vor dem Oberlandesgericht Jena (Urt. v. 15.01.2014, Az. 7 U 399/13) erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren vor dem BGH weiter.
Die Revision hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Kaufvertrag nicht wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB*) nichtig ist. Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot des Käufers und dem Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB. Es macht gerade den Reiz einer Internetauktion aus, den Auktionsgegenstand zu einem "Schnäppchenpreis" zu erwerben, während umgekehrt der Veräußerer die Chance wahrnimmt, einen für ihn vorteilhaften Preis im Wege des Überbietens zu erzielen. Besondere Umstände, aus denen auf eine verwerfliche Gesinnung des Klägers geschlossen werden könnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Auch die Wertung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte dem Kläger nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen halten könne, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dass das Fahrzeug letztlich zu einem Preis von 1 € verkauft worden ist, beruht auf den freien Entscheidungen des Beklagten, der das Risiko eines für ihn ungünstigen Auktionsverlaufs durch die Wahl eines niedrigen Startpreises ohne Festsetzung eines Mindestgebots eingegangen ist und durch den nicht gerechtfertigten Abbruch der Auktion die Ursache dafür gesetzt hat, dass sich das Risiko verwirklicht.
Wer bei eBay eine Sache zum Kauf einstellt, gibt grundsätzlich ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages nach den von eBay vorgegebenen Regeln ab. Zwar kann der Verkäufer nach diesen Regeln eine Auktion auch "abbrechen". Wurden jedoch bereits Gebote abgegeben, kommt durch den Abbruch der Auktion grundsätzlich ein Kaufvertrag mit dem in diesem Zeitpunkt Höchstbietenden zum aktuellen Gebot zustande. Dies gilt nur in bestimmten Ausnahmekonstellationen nicht, wenn dem Verkäufer z.B. ein Anfechtungsrecht wegen Irrtums zusteht. Diese Grundsätze sind rechtlich geklärt und wurden hier vom BGH zugrunde gelegt.
Vorliegend hatte sich der BGH im Schwerpunkt mit der Frage zu befassen, ob ein per eBay-Auktion geschlossener Vertrag wegen Sittenwidrigkeit unwirksam ist, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen dem erzielten Kaufpreis und dem Wert der Kaufsache besteht. Wenig überraschend und völlig zu Recht hat der BGH ausgeführt, dass die Ungewissheit der Höhe des letztlich erzielten Kaufpreises gerade in der Natur einer eBay-Auktion mit niedrigem Startpreis liegt. Der Verkäufer kann bei eBay-Auktionen den Startpreis frei wählen, also auch ein höheres Mindestgebot fordern, wenn er sich gegen einen Verkauf zum "Dumpingpreis" schützen will. Wählt der Verkäufer indes einen besonders niedrigen Startpreis, wie z.B. hier 1,00 €, geht er bewusst das Risiko ein, dass ein Kaufvertrag zu diesem Preis zustande kommen könnte. Sittenwidrig ist das nicht. Zutreffend stellt der BGH klar, dass auch der Käufer, der auf dieses Angebot eingeht, nicht sittenwidrig handelt.
Besonders pikant in diesem Fall ist, dass es der klagende Verkäufer selbst war, der durch den Abbruch der Auktion dafür gesorgt hat, dass letztlich ein Vertrag zu nur 1,00 € zustande gekomen ist. Hätte er die Auktion bis zum planmäßigen Endzeitpunkt weiter laufen lassen, hätte er vermutlich jedenfalls einen höheren Preis als 1,00 € erzielt, wenn auch möglicherweise nicht die 4.200 €, die er außerhalb von eBay für das Fahrzeug erzielen wollte. Auch den eigenen Auktionsabbruch durch den Verkäufer führt der BGH als Indiz dafür an, dass gerade kein sittenwidriges Rechtsgeschäft vorliegt.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
…
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 164/2014
Druckansicht weniger Information24.10.2014
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat der Vodafone D2 GmbH ein Ordnungsgeld i.H.v. 70.000 € auferlegt, weil Vodafone trotz einer vom Landgericht Düsseldorf bereits am 07.01.2013 erlassenen Verbotsverfügung von seinen Kunden noch bis August bzw. September 2013 Mahnpauschalen i.H.v. 9 € und Rücklastschriftpauschalen i.H.v. 13 € oder höher erhoben hat (Beschl. v. 24.10.2014, Az. I-6 W 47/14).
Der Gläubiger, der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V., hatte der Schulderin, der Vodafone D2 GmbH, bereits durch Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 07.01.2013 untersagen lassen, für eine Mahnung einen Pauschalbetrag i.H.v. 9,00 € und für eine Rücklastschrift einen Pauschalbetrag i.H.v. 13,00 € zu verlangen, sofern Vodafone mit dem betreffenden Verbraucher keine vertragliche Vereinbarung über eine pauschale Abgeltung des ihr für eine Mahnung bzw. eine Rücklastschrift anfallenden Schadens getroffen hat. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde Vodafone eine Ordnungsgeld von bis zu 250.000 € oder Ordnungshaft angedroht. Vodafone ignorierte das gerichtliche Verbot zunächst. Der Gläubiger beantragte daher im Juni 2013 vor dem Landgericht Düsseldorf die Festsetzung eines Ordnungsgeldes. Erst im August oder September 2013 reduzierte die Schuldnerin ihre Mahnpauschale auf 6,50 € und ihre Rücklastschriftpauschale auf 9,50 €.
Auf den Antrag des Gläubigers hat das Landgericht Düsseldorf (Beschl. v. 16.06.2014, Az. 12 O 649/12) hat ein Ordnungsgeld i.H.v. 20.000 € gegen die Schuldnerin festgesetzt. Dagegen legten der Gläubiger und die Schuldnerin Beschwerde ein. Der Gläubiger begehrte die Festsetzung eines höheren Ordnungsgeldes, weil er das festgesetzte Ordnungsgeld für zu niedrig hielt. Die Schulderin begehrte die Aufhebung des Beschlusses, weil Sie der Auffassung war, dass der Gläubiger den vom Gericht angenommenen Verstoß nicht hinreichend bewiesen habe und daher gar kein Ordnungsgeld festzusetzen sei. Die Beschwerde des Gläubigers zum Oberlandesgericht Düsseldorfhatte Erfolg. Die Anschlussbeschwerde der Schuldnerin wurde zurückgewiesen.
Das OLG Düsseldorf bestätigte die Auffassung des Gläubigers.
Der Gläubiger habe den Verstoß hinreichend bewiesen. Es sei anhand des bisherigen Prozessverlaufs unstreitig, dass die Schuldnerin ihre Pauschalen erst im August oder September 2014 reduziert hat. Es käme damit für einen Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung lediglich noch darauf an, ob die Schuldnerin die Pauschalen bis zu diesem Zeitpunkt auch von Kunden verlangt hat, deren Vertrag erst zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, zu dem in den AGB der Antragsgegnerin keine Pauschalierungsklauseln mehr enthalten waren. Dies aber habe der Gläubiger vorgetragen und die Schuldnerin nicht hinreichend bestritten. Es sei daher davon auszugehen, dass die Schuldnerin die Verstöße in einer erheblichen Vielzahl von Fällen begangen hat.
Bei der Festsetzung eines Ordnungsmittels seien insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglichen künftigen Verletzungshandlungen für den Verletzten zu berücksichtigen. Eine Titelverletzung soll sich für den Schuldner nicht lohnen. Insoweit erfordert der Zweck des Ordnungsgeldes grundsätzlich die Festsetzung empfindlich hoher Beträge. Dies entspricht sowohl der Funktion des Ordnungsmittels als zivilrechtlicher Beugemaßnahme zur Vermeidung künftiger Zuwiderhandlung als auch dessen repressivem, strafähnlichem Sanktionscharakter. Diesen Bemessungsgrundsätzen werde ein Ordnungsgeld von nur 20.000 € in Anbetracht der erheblichen Anzahl von Verstößen und der Größe des Unternehmens der Schuldnerin vorliegend nicht gerecht, weshalb das Ordnungsgeld auf 70.000 € festzusetzen sei.
Die Entscheidung ist einerseits erfreulich. Sie macht deutlich, dass Verstöße gegen gerichtliche Anordnungen nicht tolerabel sind und mit hohen Geldbußen belegt werden können. Anderseits zeigt der Vorgang aber auch, wie lange gerade große Unternehmen gegen verbraucherrechtliche gerichtliche Anordnungen verstoßen können, bis die "Mühlen der Justiz" greifen. Zudem dürfte auch der nun festgesetzte Betrag von 70.000 € noch deutlich niedriger als die Einnahmen sein, die Vodafone durch den Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung bis August bzw. September 2013 erzielt hat.
Letztlich hat sich Vodafone nun zwar der Unterlassungsverfügung vom 07.01.2013 gebeugt und die Pauschalen reduziert. Auch die aktuellen Rücklastschrift- (9,50 €) und Mahnpauschalen (6,50 €) von Vodafone sind nach Einschätzung des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. jedoch noch überhöht (vgl. dazu auch unsere Newsmeldung vom 05.06.2013). Eine gerichtliche Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf über diese Pauschalen wird für Januar 2015 erwartet.
Für unser weiteres Vorgehen gegen Vodafone wären weitere Beweismittel über von Vodafone erhobene Pauschalen hilfreich für uns. Sollten auch Ihnen Vodafone-Rechnungen ab August/September 2013 vorliegen, welche die reduzierte Rücklastschriftpauschale von 9,50 € oder die reduzierte Mahnpauschale von 6,50 € enthalten, können Sie unsere Arbeit durch eine entsprechende Mitteilung per E-Mail an info@deutscher-verbraucherschutzverein.de unterstützen. Bitte teilen Sie uns in der E-Mail auch mit, wann der Vertrag mit Vodafone geschlossen wurde.
Quelle: Abdruck des Beschlusses vom 24.10.2014
Druckansicht weniger Information30.09.2014
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass Ausgleichszahlungen nach der europäischen Fluggastrechteverordnung wegen Verspätung eines Fluges auf solche Ansprüche nach deutschem Recht anzurechnen sind, die ebenfalls der Kompensation der durch die Verspätung erlittenen Nachteile dienen (BGH, Urt. v. 30.09.2014, Az. X ZR 126/13).
Die Klägerin buchte für sich und ihren Ehemann bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Kreuzfahrt ab und nach Dubai inklusive Hin- und Rückflug. Der Rückflug nach Deutschland erfolgte 25 Stunden später als vorgesehen. Die ausführende Fluggesellschaft zahlte an die Klägerin und ihren Ehemann jeweils 600 Euro wegen erheblicher Verspätung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004)*.
Die Klägerin macht wegen der Flugverspätung gegen die Beklagte aufgrund des deutschen Reisevertragsrechts einen Minderungsanspruch nach § 651d Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)** in Höhe von fünf Prozent des anteiligen Tagesreisepreises ab der fünften Stunde der Verspätung geltend.
Die Parteien streiten darüber, ob nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung*** die Leistungen der Fluggesellschaft auf den geltend gemachten Minderungsanspruch anzurechnen sind. Die Klägerin meint, eine Anrechnung komme nicht in Betracht, weil es sich bei der Minderung des Reisepreises nicht um einen Schadensersatzanspruch im Sinne dieser Bestimmung handele.
Das Amtsgericht Bonn (Urt. v. 13.05.2013, Az. 113 C 204/12) hat die Ausgleichsleistungen angerechnet und die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung zum Landgericht Bonn (Urt. v. 26.09.2013, Az. 8 S 156/13) ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision zum BGH verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter.
Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Für die Qualifikation eines Anspruchs als weitergehender Schadensersatzanspruch i.S.v. Art. 12 Abs. 1 der Verordnung ist entscheidend, ob dem Fluggast mit dem Anspruch eine Kompensation für durch die Nicht- oder Schlechterfüllung der Verpflichtung zur Luftbeförderung, etwa durch eine große Verspätung, entstandene Beeinträchtigungen gewährt wird. Bei diesen Beeinträchtigungen kann es sich auch um einen immateriellen Schaden wie die dem Fluggast durch die große Verspätung verursachten Unannehmlichkeiten handeln. Da die verlangte Minderung im Streitfall ausschließlich zum Ausgleich derselben, durch den verspäteten Rückflug bedingten Unannehmlichkeiten dienen sollte, für die bereits die Ausgleichsleistungen erbracht waren, war die Anrechnung geboten.
Der Entscheidung des BGH ist auch aus Verbrauchersicht uneingeschränkt zuzustimmen. Die Fluggastrechteverordnung gewährt den Fluggästen im Falle großer Verspätungen und Flugausfällen recht großzügig bemessene Entschädigungszahlungen, die sich anhand fester Kriterien der Höhe nach einfach beziffern und meist auch problemlos durchsetzen lassen. Ausweislich Art. 12 Abs. 1 S. 1 der Verordnung wollte der europäische Gesetzgeber die Rechte der Reisenden durch dei Verorndung nicht einschränken: Es bleibt den Reisenden unbenommen, aufgrund der Verspätung (auch) Rechte nach nationalem Recht geltend zu machen. Allerdings hat der Gesetzgeber mit Art. 12 Abs. 1 S. 2 klargestellt, dass keine "doppelte" Entschädigung erfolgen muss: Schadensersatzansprüche nach nationalem Recht können um eine bereits gewährte Entschädigungszahlung nach der Verordnung gekürzt werden. Dies hat auch die Klägerin im vorliegenden Fall nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen, meinte aber, eine Minderung des Flugpreises nach deutschem Recht sei kein "Schadensersatzanspruch" i.S.d. Art. 12 Abs. 1 S. 2 der Verordnung. Dem ist der BGH (wie auch schon die Vorinstanzen) zu Recht entgegen getreten. Es ist nämlich nicht ersichtlich, wieso es für die Anrechnung einen Unterschied machen soll, ob der Reisende nach nationalem Recht wegen der Verspätung eine Schadensersatzzahlung oder eine Minderung also eine teilweise Rückzahlung des Reisepreises beansprucht.
Es ist aus Verbrauchersicht sehr positiv, dass der Fluggast durch die Verordnung bei großen Verspätungen Anspruch auf einfach durchzusetzende Entschädigungszahlungen hat. Einer doppelter Entschädigung, indem Kompensationsansprüche nach nationalem Recht mit derselben Zielrichtung anrechnungsfrei zusätzlich gewährt werden, bedarf es aber nicht.
Auszug aus der Verordnung (EG) 261/2004 vom 11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (Fluggastrechteverordnung)
* Art. 7 Ausgleichsanspruch
Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste
Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) | 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1.500 km oder weniger, |
b) | 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1.500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km, |
c) | 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen. |
*** Art. 12 Weitergehender Schadensersatz
(1) Diese Verordnung gilt unbeschadet eines weiter
gehenden Schadensersatzanspruchs des Fluggastes. Die nach
dieser Verordnung gewährte Ausgleichsleistung kann auf einen
solchen Schadensersatzanspruch angerechnet werden.
(2) Unbeschadet der einschlägigen Grundsätze und
Vorschriften des einzelstaatlichen Rechts, einschließlich der
Rechtsprechung, gilt Absatz 1 nicht für Fluggäste, die nach
Artikel 4 Absatz 1 freiwillig auf eine Buchung verzichtet
haben.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
** § 651d BGB Minderung
(1) Ist die Reise im Sinne des § 651 c Abs. 1 mangelhaft, so mindert sich für die Dauer des Mangels der Reisepreis nach Maßgabe des § 638 Abs. 3. § 638 Abs. 4 findet entsprechende Anwendung.
…
Quelle: Pressmitteilung Nr. 138/214 des BGH
Druckansicht weniger Information08.09.2014
Das Landgericht Leipzig (LG Leipzig) hat heute entschieden, dass die Betreiberin der Flugpreissuchmaschine fluege.de in die auf der Trefferliste angezeigten Flugpreise auch solche Nebenkosten einberechnen muss, die der Nutzer der Internetseite bei einer Buchung des Fluges nur durch Verwendung eines nicht allgemein gebräuchlichen Zahlungsmittels (z.B. "fluege.de MasterCard Gold") vermeiden kann (Urt. v. 08.09.2014, Az. 05 O 1977/14).
Die Antragsgegnerin betreibt u.a. eine sog. "Flugpreissuchmaschine" unter der Internetadresse www.fluege.de. Dem Nutzer dieses Portals wird nach Eingabe des gewünschten Start- und Zielorts sowie des gewünschten Flugdatums eine Trefferliste möglicher Flugverbindungen verschiedener Fluggesellschaften mit den jeweiligen Preisen angezeigt. Die Preise waren mit einem Sternchen versehen. Über der Liste wurde das Sternchen mit dem Text "* Die folgende Liste zeigt von den Airlines übermittelte Ticketpreise. Bedingt durch Zusatzprodukte und Zahlungsart können weitere Gebühren hinzukommen. Diese werden während des Buchungsvorganges zum Ticketpreis hinzugefügt und vor der Buchung ausgewiesen." erläutert. Der Nutzer kann aus der Liste einen Flug auswählen und sodann buchen. Jedenfalls bis August 2014 erfuhr der Nutzer, abgesehen von dem Sterchen-Hinweis, erst am Beginn des Buchungsvorgangs auf der nächsten Dialogseite, dass er den Flug auf www.fluege.de nur bei Verwendung der "fluege.de MasterCard Gold" oder der "Visa Electron" als Zahlungsmittel zu dem ihm in der Trefferliste angezeigten Preis buchen kann. Bei allen anderen in dem Portal angebotenen Zahlungsmitteln wie "Lastschrift", "American Express", "Mastercard" und "Visacard" erhöhte sich der vom Nutzer des Portals zu zahlende Gesamtflugpreis in diesem Buchungsschritt zum Teil um 23,99 € (Lastschrift) bis 39,99 € (Kreditkarten).
Der Antragsteller sah in dieser Art des Angebots von Flügen u.a. eine unzulässige Irreführung des Verbrauchers. Der gewöhnliche Nutzer des Internetportals fluege.de verfüge nicht über eine "fluege.de MasterCard Gold" oder eine "Visa Electron". Er könne daher nur zu den höheren Preisen, z.B. dem Preis bei Nutzung des Lastschriftverfahrens, buchen. Die von ihm letztlich zu zahlenden, höheren Endpreise erfahre er aber erst, wenn er bereits mit dem Buchungsvorgang begonnen habe. Außerdem beanstandete der Antragsteller, dass die Antragsgegnerin Verbrauchern keine gängige und zumutbare Zahlungsart ohne Zusatzkosten anbiete. Weder die "fluege.de MasterCard Gold" noch die "Visa Electron" seien in Deutschland gängige und zumutbare Zahlungsmittel.
Der Anstragsteller beantragte beim Landgericht Leipzig den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das Gericht gab dem Antrag durch Urteil vom 08.09.2014 (Az. 05 O 1977/14) in den beiden hier erörterten Punkten statt. Die Entscheidung ist jedoch noch nichts rechtskräftig. Sie kann noch mit der Berufung zum OLG Dresden angegriffen werden. Außerdem handelt es sich nur um eine vorläufige Entscheidung. Wenn die Parteien das Ergebnis des Verfügungsverfahrens nicht akzeptieren wollen, können sie den Rechtsstreit im Hauptsachverfahren fortsetzen.
Das Landgericht Leipzig untersagte der Antragsgegnerin die Preisauszeichnung in der Trefferliste ohne Einberechnung der Kosten eines gängigen Zahlungsmittels. Nach Art. 23 S. 2 VO (EG) 1008/2008* ist bei Flugpreisauszeichnungen stets der Endpreis einschließlich aller unvermeidbaren Zusatzkosten anzugeben. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei den auf www.fluege.de verlangten Mehrkosten bei Wahl der Zahlungsarten "Lastschrift", "American Express", "Mastercard" und "Visacard" um solche unvermeidbaren Zusatzkosten. Der Nutzer des Portals könne diese Kosten nur vermeiden, indem er mit der "fluege.de MasterCard Gold" oder der "Visa Electron" bezahlt. Bei diesen Zahlungsmitteln handele es sich jedoch um kaum verbreite Zahlungsmittel, über die der gewöhnliche Nutzer des Internetportals nicht verfüge. Die Möglichkeit, den Flug mit diesen Karten zu dem in der Trefferliste angegebenen Preis buchen zu können, müsse daher bei der Anwendung der europäischen Rechtsnorm außer Betracht bleiben. Da der Endpreis stets anzugeben ist, müssten diese Zusatzkosten bereits in die auf der Trefferliste angezeigten Preise einberechnet werden.
Ferner verurteilte das Gericht die Antragsgegnerin, es zu unterlassen, Verbrauchern Angebote zu unterbreiten ohne ihnen wenigsten eine gängige und zumutbare Zahlungsart unentgeltlich anzubieten. Nach dem seit 13.06.2014 geltenden § 312a Abs. 4 BGB** sind Unternehmer verpflichtet, gegenüber Verbrauchern wenigstens eine gängige und zumutbare Zahlungsart unentgeltlich anzubieten. Mit dem Angebot unentgeltlicher Zahlungen mit der "fluege.de MasterCard Gold" und der "Visa Electron" genüge Antragsgegnerin diesen Anforderungen nicht, weil diese Zahlungsmittel wegen ihres geringen Verbreitungsgrads nicht gängig und zumutbar seien.
Die Betreiberin der Flugpreissuchmaschine fluege.de, die Unister GmbH, musste sich schon häufiger mit den Beanstandungen durch Verbraucherschutzverbände auseinandersetzen. Streitgegenstand waren und sind zumeist die Modalitäten der Auszeichnung von "Zusatzgebühren", also zusätzlicher Entgelte, die das Unternehmen von seinen Kunden neben dem Preis der eigentlichen Hauptleistung verlangt. Die Beanstandungen der Verbraucherschützer wenden sich – wie auch in vorliegendem Fall – zumeist dagegen, dass die Erhebung bestimmter zusätzlicher Entgelte entweder ganz unzulässig ist oder aber die Internetseiten der Unister GmbH so gestaltet sind, dass die zusätzlichen Entgelte den potentiellen Vertragspartnern nicht rechtzeit oder nicht ausreichend deutlich angezeigt würden. Jedenfalls in erster Instanz wurde Unister schon mehrfach zur Unterlassung bestimmter Praktiken verurteilt. In zweiter Instanz sollen jedoch noch mehrere Verfahren anhängig sein. Auch vorliegend ist zu erwarten, dass der Rechtsstreit vor dem OLG Dresden fortgesetzt werden muss.
Auszug aus der VERORDNUNG (EG) Nr. 1008/2008 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft
* Artikel 23 Information und Nichtdiskriminierung
(1) Die der Öffentlichkeit zugänglichen Flugpreise und Luftfrachtraten,
die in jedweder Form — auch im Internet — für
Flugdienste von einem Flughafen im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedstaats, auf das der Vertrag Anwendung findet, angeboten
oder veröffentlicht werden, schließen die anwendbaren Tarifbedingungen
ein. Der zu zahlende Endpreis ist stets auszuweisen
und muss den anwendbaren Flugpreis beziehungsweise die
anwendbare Luftfrachtrate sowie alle anwendbaren Steuern und
Gebühren, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum
Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind, einschließen.
Neben dem Endpreis ist mindestens Folgendes auszuweisen:
a) | der Flugpreis bzw. die Luftfrachtrate, |
b) | die Steuern, L 293/14 DE Amtsblatt der Europäischen Union 31.10.2008 |
c) | die Flughafengebühren und |
d) | die sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte, wie etwa diejenigen, die mit der Sicherheit oder dem Kraftstoff in Zusammenhang stehen, |
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
** § 312a Allgemeine Pflichten und Grundsätze bei Verbraucherverträgen; Grenzen der Vereinbarung von Entgelten
…
(4) Eine Vereinbarung, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass er für die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein bestimmtes Zahlungsmittel nutzt, ist unwirksam, wenn
Quelle: Urteilsabdruck
Druckansicht weniger Information20.08.2014
Bereits durch Urteil vom 12.03.2013, Az. 312 O 250/12 hatte das LG Hamburg die callmobile GmbH zur Unterlassung der Verwendung mehrerer Klauseln in ihren damals aktuellen Allgemeinen Geschäftsbedingungen verurteilt. Das LG Hamburg hatte eine Klausel über eine Rücklastschriftgebühr i.H.v. 15,00 €, eine Klausel über eine Mahngebühr i.H.v. 10 € und zwei weitere Gebührenklauseln für unwirksam erklärt. Die callmobile GmbH hat ihre gegen Teile des Urteils gerichtete Berufung nunmehr zurückgenommen nachdem das Oberlandesgericht Hamburg durch Hinweisbeschluss mitgeteilt hatte, die Berufung wegen offensichtlich fehlender Erfolgsaussichten zurückweisen zu wollen (OLG Hamburg, Beschl. v. 17.06.2014, Az. 10 U 9/13).
Der klagende Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. hatte die beklagte callmobile GmbH im März 2012 erfolglos zur Unterlassung der Verwendung der fettgedruckten Passagen nachfolgender Klauseln aufgefordert, die in den damals aktuellen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthalten waren:
Der Kläger hat im April 2012 Klage erhoben und beantragt, der Beklagten die Verwendung der Klauseln zu untersagen. Er vertrat die Auffassung, dass die Rücklastschrift- und Mahnpauschalenklauseln in den AGB zwar dem Grund nach zulässig sind. Die im konkreten Fall festgesezten Höhen von 15,00 € bzw. 10,00 € aber den gewöhnlichen Rücklastschrift- bzw. Mahnschaden übersteigen, was die Klauseln a. und b. gem. § 309 Nr. 5a BGB* unwirksam mache. Die Erhebung eines Entgelts für die Rückgewähr eines Restguthabens am Vertragsende nach Klausel c. sei schon dem Grunde nach unzulässig. Ebenso stelle es eine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar, dass die Beklagte nach Klausel d. den Netzzugang des Kunden im Falle einer Rücklastschrift ohne Mahnung sperren darf.
In der mündlichen Verhandlung am 11.12.2012 vor dem LG Hamburg hat die Beklagte die Unterlassungsansprüche des Klägers zu den Klauseln b. und c. anerkannt und zu den Klauseln a. und d. die Abweisung der Klage beantragt.
Das Landgericht Hamburg (Urt. v. 12.03.2013, Az. 312 O 250/12) hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung der Verwendung der Klauseln a. bis d. verurteilt. Die Beklagte hat dagegen hinsichtlich der Klausel zu a. Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht Hamburg hat durch Hinweisbeschluss (Beschl. v. 17.06.2014, Az. 10 U 9/13) mitgeteilt, die Berufung wegen offensichtlich fehlender Erfolgsaussichten durch Beschluss zurückweisen zu wollen. Daraufhin hat die Beklagte ihre Berufung zurückgenommen.
Die Höhe einer Rücklastschriftpauschale darf nach § 309 Nr. 5a BGB* den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge anfallenden Schaden nicht übersteigen. Nach Auffassung des OLG Hamburg muss der Verwender der Klausel in der gerichtlichen Auseinandersetzung vortragen und ggf. beweisen, dass die Pauschale dem typischen Schadensumfang entspricht. Personalkosten sind bei der Bemessung der Rücklastschriftpauschale nicht als Rücklastschriftschaden berücksichtigungsfähig. Auch ein etwaiger entgangener Gewinn, der dadurch entsteht, dass die Beklagte die Rücklastschrift zum Anlass nimmt, das Kundenkonto zu sperren, wodurch der Kunde keine Umsatz mehr generieren kann, stellt keinen erstattungsfähigen Rücklastschriftschaden dar. Da die übrigen von der Beklagten geltend gemachten Schadensfaktoren lediglich einen Betrag von 10,98 € ergaben, die Höhe der verlangten Paschale von 15,00 € mithin nicht rechtfertigen konnten, konnte es das OLG dahinstehen lassen, ob diese übrigen Schadenspositionen erstattungsfähig wären.
Der Ausgang des Rechtsstreit reiht sich nahtlos ein in Vielzahl in eine Reihe gerichtlicher Entscheidungen jüngeren Datums, in denen Mobilfunkunternehmen die Erhebung bestimmter als "Gebühren" deklarierten Zusatzbeträge verboten wurden. Im zunehmenden Konkurrenzdruck sind gerade Mobilfunkunternehmen bestrebt, den Grundpreis der von ihr angebotenen Tarife möglichst niedrig zu halten. Zum Ausgleich haben sie zur Erhöhung ihrer Einnahmen eine Vielzahl von "Nebenentgelten" für angebliche Zusatzleistungen erfunden, die der Kunde bei Vertragschluss nur schwer überblicken kann, im Laufe des Vertrages, aber notgedrungen in bestimmten Situationen zahlen muss. Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen setzt dieser Form der Preisverschleierung jedoch Grenzen. So handelt es sich bei vielen solcher "Gebühren" rechtlich nicht um (vertraglich frei vereinbare) Leistungsentgelte, sondern um pauschalierte Schadensersatzbeträge. Dies ist bei den Rücklastschrift- und Mahngebühren der Fall. Pauschalierte Schadensersatzbeträge dürfen nach § 309 Nr. 5a BGB* nicht höher sein, als der gewöhnliche Schaden. Jedenfalls bei Großunternehmen dürften Rücklastschriftgebühren nur im Bereich von 3 bis 4 € und Mahngebühren bis ca. 1,50 € gerechtfertigt sein. Die Rücklastschrift- und Mahnpauschalen von 15 € bzw. 10 € sind insofern jenseits jeder akzeptablen Grenze. Allen Verbrauchern, die derartig überhöhe Rücklastschrift- oder Mahnpauschalen gezahlt haben, ist daher zu empfehlen, diese zurückzufordern. Dies ist meist bis zum Ablauf der dreijährigen Regelverjährungszeit möglich.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
…
5. | (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn |
|
a) | die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder | |
b) | dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale; |
Quellen: | Abdruck des Urteils des LG Hamburg v. 12.03.2013, Az. 312 O 250/12 Abdruck des Beschlusses des OLG Hamburg v. 17.06.2014, Az. 10 U 9/13 |
24.07.2014
Bereits durch Urteil vom 26.03.2013, Az. 2 U 7/12 hatte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG Schleswig) die Mobilcom-Debitel GmbH zur Unterlassung der Verwendung einer Klausel über eine Rücklastschriftgebühr i.H.v. 10,00 € verurteilt. Nunmehr hat der Bundesgerichtshof (BGH) die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Mobilcom-Debitel GmbH zurückgewiesen. Das Urteil des OLG Schleswig ist damit rechtskrätig (BGH, Beschl. v. 24.07.2014, Az. III ZR 123/13).
Die beklagte Mobilcom-Debitel GmbH hatte in ihren AGB jedenfalls bis September 2011 eine Regelung vorgesehen, nach der sie im Falle einer vom Kunden verschuldeter Rücklastschrift einen Pauschalbetrag i.H.v. 20,95 € verlangte. Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. mahnte Mobilcom ab und erwirkte am 29.09.2011 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Kiel, durch die der Beklagten die Verwendung der Rücklastschriftpauschalenklausel i.H.v. 20,95 € untersagt wurde. In der Folge reduzierte die Beklagte die Pauschale stufenweise auf 14,95 € und später auf 10,00 €. Auch gegen diese Pauschalen ging der Kläger vor. Im Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Kiel begehrte der Kläger von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung der Rücklastschriftpauschale i.H.v. 10,00 € und höher. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die Rücklastschriftpauschalenklausel gem. § 309 Nr. 5a BGB* unwirksam ist, weil die Pauschale höher ist als der gewöhnliche Schaden im Rücklastschriftfall. Zudem machte der Kläger gegen die Beklagte einen Gewinnabführungsanspruch gem. § 10 Abs. 1 UWG** geltend. Er vertrat die Auffassung, dass die Beklagte vorsätzlich gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 5a BGB verstoßen habe und deshalb den mit den unzulässig hohen Pauschalen erwirtschafteten Gewinn an die Staatskasse abführen müsse. Um den abzuschöpfenden Gewinn beziffern zu können, begehrte der Kläger von der Beklagten zunächst Auskunft über die Höhe des erzielten Gewinns.
Das Landgericht Kiel (Urt. v. 27.07.2012, Az. 17 O 242/11) gab der Klage insoweit statt, als dass es der Beklagten untersagte, Rücklastschriftpauschalen i.H.v. 14,95 € oder höher zu erheben. Die zuletzt von der Beklagten erhobene Pauschale i.H.v. 10,00 € sah es jedoch als angemessen an und wies die Klage insoweit ab. Auch den vom Kläger geltend gemachten Gewinnabschöpfungsanspruch wies das Landgericht ab.
Auf die Berufung des Klägers hob das OLG Schleswig (Urt. v. 26.03.2013, Az. 2 U 7/12) das Urteil des LG Kiel auf, soweit es die Klage abgewiesen hatte und gab der Klage in vollem Umfang statt. Das OLG Schleswig sah es als erwiesen an, dass die Rücklastschriftpauschale der Beklagten auch in Höhe von 10,00 € noch höher ist, als der gewöhnlich anfallende Rücklastschriftschaden. Erstattungsfähig seien im wesentlichen nur die der Beklagten im Falle einer Rücklastschrift anfallenden eigenen Bankkosten und die Kosten einer einmaligen Benachrichtigung des Kunden über das Fehlschlagen der Lastschrift. Dass hierfür gewöhnlich Kosten in Höhe von 10,00 € oder mehr anfallen sei weder naheliegend noch habe die Beklagte entsprechende Kosten substantiiert behauptet. Die Klausel sei daher gem. § 309 Nr. 5a BGB unwirksam. Darüber hinaus stehe dem Kläger auch ein Gewinnabschöpfungsanspruch aus § 10 UWG zu, weshalb die Beklagte dem Kläger Auskunft über die Höhe des mit den überhöhten Rücklastschriftpauschalen erzielten Gewinns erteilen müsse. Das OLG Schleswig sah es insoweit insbesondere als erwiesen an, dass die Beklagte jedenfalls billigend in Kauf genommen habe, dass die von ihr verwendeten Pauschalen gegen § 309 Nr. 5a BGB verstoßen und sie insofern mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Bedingter Vorsatz sei zur Erfüllung des Tatbestands des § 10 Abs. 1 UWG ausreichend.
Das OLG Schleswig ließ die Revision zum BGH nicht zu, da die Zulassungsvoraussetzungen nach § 543 ZPO nicht vorlägen. Nach Auffassung des OLG sei die vom BGH bisher offen gelassene Frage der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu § 309 Nr. 5a BGB hier nicht entscheidungserheblich, weil beide dazu vertretenen Auffassungen zu dem vom OLG gefunden Ergebnis führen würden. Hinsichtlich der Frage des Vorsatzes bei § 10 Abs. 1 UWG bedürfe es der Revisionszulassung ebenfalls nicht, weil die Entscheidung insoweit auf der Tatsachenfeststellung des Einzelfalles beruhe, ihr insoweit also keine grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Beklagten zum BGH blieb ohne Erfolg.
Der BGH hat die Beschwerde der Beklagte mit nur wenigen bausteinartigen Sätzen zurückgewiesen. Er stellt fest, dass die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.
Die Revision gegen eine Berufungsentscheidung ist nur zulässig, wenn sie vom Berufungsgericht oder auf die Nichtzulassungsbeschwerde einer Partei vom BGH selbst zugelassen worden ist. Die Zulassung hat nur zu erfolgen, wenn einer der in § 542 Abs. 2 ZPO*** genannten Revisionsgründe vorliegt. Danach ist die Revision nur zuzulassen, wenn
Mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde wird die Berufungsentscheidung rechtskräftig, sie kann also nicht mehr mit Rechtsmitteln angegriffen werden.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
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5. | (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn |
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a) | die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder | |
b) | dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale; |
Auszug aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
** § 10 Gewinnabschöpfung
(1) Wer vorsätzlich eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt, kann von den gemäß § 8 Absatz 3 Nummer 2 bis 4 zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten auf Herausgabe dieses Gewinns an den Bundeshaushalt in Anspruch genommen werden.
…
Auszug aus der Zivilprozessordnung (ZPO)
*** § 543 Zulassungsrevision
(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie
1. | das Berufungsgericht in dem Urteil oder |
2. | das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung |
1. | die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder |
2. | die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. |
Quelle: Entscheidungsabdruck
09.07.2014
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, welchen Vorschriften ein Mietverhältnis unterliegt, das sowohl eine Wohnnutzung als auch eine freiberufliche Nutzung umfasst (Urt. v. 09.07.2014, Az. VIII ZR 376/13).
Die Beklagten sind Mieter, die Kläger Vermieter eines mehrstöckigen Hauses in Berlin. In dem schriftlichen Mietvertrag vom 20. November 2006 wurde den Mietern gestattet, die Räume im Erdgeschoss als Hypnosepraxis zu nutzen. Mit Schreiben vom 20. Februar 2012 kündigten die Kläger das Mietverhältnis ohne Angaben von Kündigungsgründen zum 30. September 2012. Nachdem die Beklagten der Kündigung widersprochen hatten, erhoben die Kläger Räumungsklage beim Landgericht Berlin.
Das Landgericht Berlin (Urt. v. 30.11.2012, Az. 12 O 268/12) hat das Mietverhältnis als Wohnraummiete eingeordnet und die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen.
Auf die Berufung der Kläger hat das Kammergericht Berlin (Urt. v. 12.08.2013 Az. 8 U 3/13) die Beklagten zur Räumung und Herausgabe des Hauses verurteilt. Es hat das Mietverhältnis als Gewerberaummietverhältnis eingestuft und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ein Mischmietverhältnis, wie es hier gegeben sei, unterliege insgesamt entweder dem Wohnraum- oder dem Gewerberaummietrecht, je nachdem, welcher Vertragszweck nach dem Parteiwillen bei Vertragsschluss überwiege. Ausschlaggebend sei, dass die Beklagten in einem Teil der Mieträume mit dem Betrieb der Hypnosepraxis ihren Lebensunterhalt bestritten. Dies mache die freiberufliche Nutzung zum vorherrschenden Vertragszweck. Dem stehe auch nicht die Verteilung der Flächen auf die verschiedenen Nutzungszwecke entgegen. Denn die für die gewerbliche Nutzung und die für die Wohnnutzung vorgesehenen Flächen seien gleich groß. Da die gewerbliche Nutzung den Schwerpunkt des Mietverhältnisses bilde, sei – anders als bei der Wohnraummiete – für eine Kündigung des Mietverhältnisses kein berechtigtes Interesse erforderlich.
Die vom BGH zugelassene Revision hatte Erfolg.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass das Berufungsgericht zwar zutreffend von einem Mischmietverhältnis, also einem einheitlichen Mietverhältnis über Wohn- und Geschäftsräume, ausgegangen ist, dessen Beurteilung sich wegen der von den Parteien gewollten Einheitlichkeit entweder nach den Bestimmungen der Wohnraummiete oder nach den Vorschriften der Geschäftsraummiete richtet. Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht für die rechtliche Einordnung des Mietverhältnisses auf den überwiegenden Vertragszweck bei Vertragsabschluss abgestellt.
Dagegen hat der BGH beanstandet, dass das Berufungsgericht den vorherrschenden Vertragszweck allein deswegen in der Nutzung zu freiberuflichen Zwecken gesehen hat, weil die Mieter in den angemieteten Räumen eine Hypnosepraxis betreiben und damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Das Bestreiten des Lebensunterhalts durch eine freiberufliche oder gewerbliche Nutzung stellt kein sachgerechtes Kriterium für die Bestimmung des überwiegenden Nutzungszwecks dar. Es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz dahin, dass bei einem Mischmietverhältnis die Schaffung einer Erwerbsgrundlage Vorrang vor der Wohnnutzung hat. Dass das Wohnen als wesentlicher Aspekt des täglichen Lebens generell hinter der Erwerbstätigkeit des Mieters zurücktreten soll, lässt sich weder mit der Bedeutung der Wohnung als – grundrechtlich geschütztem – Ort der Verwirklichung privater Lebensvorstellungen, noch mit dem Stellenwert, dem das Wohnen in der heutigen Gesellschaft zukommt, in Einklang bringen.
Bei der gebotenen Einzelfallprüfung sind vielmehr alle auslegungsrelevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei etwa der Verwendung eines auf eine der beiden Nutzungsarten zugeschnittenen Vertragsformulars, dem Verhältnis der für die jeweilige Nutzungsart vorgesehen Flächen und der Verteilung der Gesamtmiete auf die einzelnen Nutzungsanteile Indizwirkung zukommen kann. Lässt sich ein Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen, sind vorrangig die für die Wohnraummiete geltenden Vorschriften anzuwenden. Andernfalls würden die zum Schutz des Wohnraummieters bestehenden zwingenden Sonderregelungen unterlaufen.
Da die Auslegung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft war und weitere Feststellungen nicht zu erwarten waren, hat der Senat die gebotene Vertragsauslegung selbst vorgenommen und entschieden, dass vorliegend unter anderem wegen des auf die Wohnraummiete zugeschnittenen Mietvertragsformulars, der für Gewerberaummietverhältnisse untypischen unbestimmten Vertragslaufzeit sowie wegen der Vereinbarung einer einheitlichen Miete ohne Umsatzsteuerausweis von einem Wohnraummietverhältnis auszugehen ist.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 109/2014
Druckansicht weniger Information01.07.2014
Der für das Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte darüber zu befinden, ob der in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzte von dem Betreiber eines Internetportals Auskunft über die bei ihm hinterlegten Anmeldedaten des Verletzers beanspruchen kann (Urt. v. 01.07.2014, Az. VI ZR 345/13).
Der Kläger, ein frei praktizierender Arzt, machte einen Auskunftsanspruch gegen die Beklagte geltend. Diese ist Betreiberin eines Internetportals, das Bewertungen von Ärzten ermöglicht.
Im November 2011 entdeckte der Kläger auf der Internetseite der Beklagten eine Bewertung, in der über ihn verschiedene unwahre Behauptungen aufgestellt wurden. Im Juni 2012 wurden weitere, den Kläger betreffende Bewertungen mit unwahren Tatsachenbehauptungen veröffentlicht. Auf sein Verlangen hin wurden die Bewertungen jeweils von der Beklagten gelöscht. Am 4. Juli 2012 erschien (jedenfalls) bis November 2012 erneut eine Bewertung mit den von dem Kläger bereits beanstandeten Inhalten.
Das Landgericht Stuttgart (Urt. v. 11.01.2013, Az. 11 O 172/12) hat die Beklagte zur Unterlassung der Verbreitung der vom Kläger beanstandeten Behauptungen und zur Auskunft über Name und Anschrift des Verfassers der Bewertung vom 4. Juli 2012 verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht Stuttgart (Urt. v. 26.06.2013, Az. 4 U 28/13) hat einen Auskunftsanspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen der bei ihr hinterlegten Anmeldedaten des Verletzers gemäß §§ 242, 259, 260 BGB bejaht. § 13 Abs. 6 S. 1 TMG*, wonach ein Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist, schließe den allgemeinen Auskunftsanspruch nicht aus.
Mit der vom Oberlandesgericht beschränkt auf den Auskunftsanspruch zugelassenen Revision zum BGH verfolgte die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage – im Umfang der Zulassung – weiter. Die Revision hatte Erfolg. Der BGH hat die Klage auf Auskunftserteilung abgewiesen.
Der Betreiber eines Internetportals ist in Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG** grundsätzlich nicht befugt, ohne Einwilligung des Nutzers dessen personenbezogene Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln.
Nach dem Gebot der engen Zweckbindung des § 12 Abs. 2 TMG dürfen für die Bereitstellung von Telemedien erhobene personenbezogene Daten für andere Zwecke nur verwendet werden, soweit eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Nutzer – was hier nicht in Rede stand – eingewilligt hat. Ein Verwenden im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG stellt auch eine Übermittlung an Dritte dar. Eine Erlaubnis durch Rechtsvorschrift kommt außerhalb des Telemediengesetzes nach dem Gesetzeswortlaut lediglich dann in Betracht, wenn sich eine solche Vorschrift ausdrücklich auf Telemedien bezieht. Eine solche Vorschrift hat der Gesetzgeber bisher – bewusst – nicht geschaffen.
Dem durch persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte einer Internetseite Betroffenen kann allerdings ein Unterlassungsanspruch gegen den Diensteanbieter zustehen (vgl. Senatsurteil v. 25.10.2011, Az. VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219), den das Oberlandesgericht im Streitfall auch bejaht hat. Darüber hinaus darf der Diensteanbieter nach § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 5 Satz 4 Telemediengesetz (TMG) auf Anordnung der zuständigen Stellen im Einzelfall Auskunft über Bestands-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten erteilen, soweit dies u. a. für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist.
Die Entscheidung ist begrüßenswert, soweit sie hervorhebt, dass die persönlichen Daten der Nutzer einer Internetplattform einen besonderen gesetzlichen Schutz genießen und ohne Einverständnis des Nutzers nur auf gesetzlicher Grundlage an Dritte weiter gegeben werden dürfen. Auf der anderen Seite offenbart die Entscheidung aber auch, dass diese – für Verbraucher grundsätzlich positive – Rechtslage einen Freibrief für anonyme Beleidigungen und Verleumdungen aller Art bietet. Wer im Schutz der Anonymität des Internets derartige "Nachrichten" über Dritte verbreitet, muss mit der zivilrechtlichen Inanspruchnahme durch den Betroffenen kaum rechnen.
Dennoch sind Betroffene nicht ganz schutzlos. Sie haben, das stellt der BGH klar, einen Unterlassungs- und Beseitigunganspruch gegen den Betreiber der Internetplattform. Dieser muss entsprechende Beiträge auf Anfforderung des Betroffenen entfernen und sicherstellen, dass sich vergleichbare Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht wiederholen. Ggf. muss der Betreiber den entsprechenden Nutzer von der Internetplattform ausschließen. Ein Hintertürchen, durch das Betroffene in bestimmten Fällen mittelbar doch noch an die Nutzerdaten kommen können, spricht der BGH zudem ausdrücklich an: Den Strafverfolgungsbehörden müssen die Betreiber der Internetplattformen sehr wohl Aukunft über die Identität ihrer Nutzer geben. Sind die Daten des Nutzers jedoch erst einmal in einer Ermittlungsakte, kann sie der Geschädigte meist über ein Akteneinsichtsrecht erhalten.
Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. empfiehlt daher denjenigen, die auf Internetplattformen beleidigt oder sogar verleumdet werden, sich zunächst an den Betreiber der Internetplattform zu wenden und die Löschung der entsprechenden Beiträge zu verlangen. Darüber hinaus sollten Geschädigte Strafanzeige zur Polizei oder zur Staatsanwaltschaft erstatten. Die Strafverfolgungsbehörden prüfen dann den Sachverhalt. Wenn sie den Anfangsverdacht der Begehung einer Straftat (hier also vor allem der Beleidung***, der Üblen Nachrede**** oder der Verleumdung*****) für gegeben halten, werden sie ein Ermittlungsverfahren einleiten und die Identität des Nutzers der Internetplattform ermitteln. Sodann können Geschädigte zumeist ein Akteneinsichtsrecht geltend machen und auf diese Weise letztlich doch die Identität des Nutzers in Erfahrung bringen, um diese Nutzer dann je nach Lage des Falles zivilrechtlich auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.
Auszug aus dem Telemediengesetz (TMG)
** § 12 Grundsätze
…
(2) Der Diensteanbieter darf für die Bereitstellung von Telemedien erhobene personenbezogene Daten für andere Zwecke nur verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.
…
* § 13 Pflichten des Diensteanbieters
…
(6) 1Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. 2Der Nutzer ist über diese Möglichkeit zu informieren.
…
Auszug aus dem Strafgesetzbuch (StGB)
*** § 185 Beleidigung
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
**** § 186 Üble Nachrede
Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
***** § 187 Verleumdung
Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 102/2014
Druckansicht weniger Information11.06.2014
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage der Schadensersatzpflicht eines Vermieters befasst, der den Mietern einer Dreizimmerwohnung, die sich aus beruflichen Gründen mehrere Jahre im Ausland aufhielten, die Untervermietung zweier Zimmer versagt hatte (Urt. v. 11.06.2014, Az. VIII ZR 349/13).
Die Kläger sind seit 2001 Mieter einer Dreizimmerwohnung der Beklagten in Hamburg. Sie halten sich seit 15.11.2010 in Kanada auf, weil der Kläger zu 2 zum 01.01.2011 eine befristete mehrjährige Arbeitstätigkeit in Ottawa aufgenommen hat. Mit Schreiben vom 19.08.2010 unterrichteten sie die Hausverwaltung der Beklagten von ihrer Absicht, die Wohnung – mit Ausnahme eines von ihnen weiter genutzten Zimmers – ab dem 15.11.2010 voraussichtlich für zwei Jahre an eine namentlich benannte Interessentin unterzuvermieten, weil sie sich in dieser Zeit aus beruflichen Gründen regelmäßig im Ausland aufhalten würden. Die Beklagte verweigerte die Zustimmung zur Untervermietung. Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts vom 04.10.2011 wurde sie verurteilt, die Untervermietung der beiden vorderen Zimmer der Wohnung bis zum 31.12.2012 an die von den Klägern benannte Interessentin zu gestatten.
Im vorliegenden Verfahren nehmen die Kläger die Beklagte auf Zahlung entgangener Untermiete im Zeitraum vom 15.11.2010 bis 30.10.2011 in Höhe von insgesamt 7.475 € nebst Zinsen in Anspruch.
Das Amtsgericht Hamburg (Urt. v. 06.06.2013, Az. 44 C 257/12) hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht Hamburg (Urt. v. 26.11.2013, Az. 316 S 57/13) hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision der Beklagten zum BGH hatte keinen Erfolg.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass den Klägern nach § 553 Abs. 1 BGB* ein Anspruch auf Gestattung der Untervermietung der zwei vorderen Zimmer der Mietwohnung an die Untermietinteressentin zustand. Indem die Beklagte die Zustimmung zur Untervermietung verweigert hat, hat sie schuldhaft eine mietvertragliche Pflicht verletzt und ist zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens (Mietausfalls) verpflichtet.
Der Wunsch der Kläger, im Hinblick auf die (befristete) Arbeitstätigkeit des Klägers zu 2 im Ausland von berufsbedingt entstehenden Reise- und Wohnungskosten entlastet zu werden, stellt ein berechtigtes Interesse zur Untervermietung eines Teils der Wohnung dar. Dem Anspruch auf Gestattung der Untervermietung stand auch nicht entgegen, dass die Kläger nur ein Zimmer der Dreizimmerwohnung von der Untervermietung ausnahmen und auch dieses während ihres Auslandaufenthalts nur gelegentlich zu Übernachtungszwecken nutzen wollten. § 553 Abs. 1 BGB stellt weder quantitative Vorgaben hinsichtlich des beim Mieter verbleibenden Anteils des Wohnraums noch qualitative Anforderungen bezüglich seiner weiteren Nutzung durch den Mieter auf. Von einer "Überlassung eines Teils des Wohnraums an Dritte" im Sinne des § 553 Abs. 1 BGB ist regelmäßig bereits dann auszugehen, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgibt. Hierfür genügt es, wenn er ein Zimmer einer größeren Wohnung zurückbehält, um hierin Einrichtungsgegenstände zu lagern und/oder es gelegentlich zu Übernachtungszwecken zu nutzen.
Die Beklagte kann sich hinsichtlich der verweigerten Zustimmung zur Untervermietung nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen. Dass die Frage, ob ein Mieter Anspruch auf Zustimmung zur Untervermietung hat, wenn er einen mehrjährigen Auslandsaufenthalt antritt, während dessen er den ihm verbleibenden Teil des Wohnraums nur sporadisch nutzen wird, bislang noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist, entlastet die Beklagte nicht von ihrer rechtlichen Fehleinschätzung. Denn sie hätte sich mit Rücksicht auf eine insoweit bestehende Rechtsunsicherheit nicht der Möglichkeit verschließen dürfen, dass sie zur Erteilung der Erlaubnis verpflichtet war, und durfte das Risiko einer Fehleinschätzung nicht den Mietern zuweisen.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 553 BGB Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte
(1) Entsteht für den Mieter nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauche zu überlassen, so kann er von dem Vermieter die Erlaubnis hierzu verlangen.
…
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 92/2014
Druckansicht weniger Information28.05.2014
Das Oberlandesgericht Koblenz hat die Berufung der 1 & 1 Internet AG und der 1 & 1 Telecom GmbH gegen die Verurteilung zur Unterlassung der Verwendung einer AGB-Klausel durch das Landgericht Koblenz zurückgewiesen, wonach die Unternehmen von ihren Kunden im Falle einer Rücklastschrift eine Pauschale i.H.v. 12,00 € erheben durften (Beschl. v. 28.05.2014, Az. 2 U 246 / 13).
Die Beklagten bieten unter anderem Mobilfunk- und Internetdienstleistungen an. Auf einer über die Internetseite der Beklagten zu 1 zugänglichen Subdomain der Beklagten zu 2 waren im Jahre 2012 "Allgemeine Geschäftsbedingungen 1&1" eingestellt, die folgende Präambel enthielten:
Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen der 1&1 Telecom GmbH, einer 100%igen Tochtergesellschaft der 1&1 Internet AG, Elgendorfer Str. 57, 56410 Montabaur (nachfolgend 1&1 genannt), regeln das Vertragsverhältnis zwischen 1&1 und dem Kunden.
Außerdem enthielten diese AGB unter Ziffer 3.9 folgende Klausel :
Die Zahlung der Entgelte kann ausschließlich durch Lastschrifteinzug erfolgen. Der Kunde ermächtigt 1&1, anfallende Entgelte über sein angegebenes Konto einzuziehen. Bei Rücklastschriften, die der Kunde zu vertreten hat, berechnet 1&1 eine Bearbeitungsgebühr gemäß der jeweils aktuellen Preisliste pro Lastschrift, es sei denn, der Kunde weist nach, dass ein Schaden überhaupt nicht oder in wesentlich geringerer Höhe entstanden ist.
Die damalige "Preisliste 1&1 Mobilfunk" enthielt unter Ziffer 9 folgenden Eintrag:
Zusätzliche Dienstleistungen und Sonstiges: [...] Rücklastschriftgebühr 12,00 €.
Der Kläger mahnte die Beklagte zu 1 im März 2012 wegen der Klausel ab. Er vertrat die Auffassung, dass die Klausel wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 5a BGB* unwirksam sei, weil die Pauschale den der Beklagten zu 1 im Falle einer Rücklastschrift durchschnittlich anfallenden Schaden erheblich übersteige. Die Beklagte zu 1 weigerte sich jedoch, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben, so dass der Kläger Unterlassungsklage erhob. Im Laufe des Rechtsstreits behauptete die Beklagte zu 1, dass die Klausel nicht von ihr, sondern von der Beklagten zu 2, der für die Vertragsabwicklung mit den Kunden zuständigen Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1, verwendet werde. Daraufhin erweiterte der Kläger seinen Antrag, indem er die Unterlassungsklage nun auch gegen die Beklagte zu 2 richtete.
Das Landgericht Koblenz hat der Klage stattgegeben (Urt. v. 28.01.2013, Az. 5 O 150/12). Die gegen das Urteil gerichtete Berufung der Beklagten zum Oberlandesgericht Koblenz hatte keinen Erfolg.
Das Oberlandesgericht Koblenz wies die Berufung der Beklagten gem. § 522 Abs. 2 ZPO** durch einstimmigen Beschluss zurück, weil es davon überzeugt war, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat.
Das Landgericht hatte antragsgemäß neben der Beklagten zu 1 auch die Beklagte zu 2 als Verwenderin der streitgegenständlichen Klausel zur Unterlassungs verurteilt. Es hatte dazu auf den Wortlaut der Präambel der "Allgemeinen Geschäftsbedingungen 1&1" abgestellt, aus der weder für den verständigen Verbraucher noch für einen Volljuristen gemäß §§ 133, 157 BGB*** eindeutig erkennbar gewesen sei, ob die Beklagte zu 1 oder die Beklagte zu 2 Vertragspartner des Kunden und Verwenderin der AGB ist. Hinzu kam nach Auffassung des Landgerichts, dass die AGB auf einer über die Internetseite der Beklagten zu 1 erreichbaren Subdomain der Beklagten zu 2 eingestellt sind und beide Firmen unter der gemeinsamen Firmenbezeichnung "1&1" im Geschäftsverkehr auftreten. Das Oberlandesgericht Koblenz schloss sich der Auffassung des Landgerichts in beidnen Punkten an. Jedenfalls wenn AGB einer 100-%igen Tochtergesellschaft über eine Subdomain der Internetpräsenz der Muttergesellschaft abrufbar sind, könne auch die Muttergesellschaft als Verwenderin i.S.d. § 1 UKlaG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden
Als Pauschalierung eines Schadensersatzanspruchs verstieß die Klausel nach Auffassung des Landgerichts gegen § 309 Nr. 5a BGB. Auch dieser Auffassung schloss sich das OLG an. Im Klauselprozess über die Wirksamkeit einer Schadenspauschalierungsklausel nach § 309 Nr. 5a BGB treffe den Verwender der Klausel jedenfalls dann die Vortrags- und Beweislast zur Höhe des gewöhnlichen Schadens, wenn der Anspruchsteller zur mutmaßlichen Schadenshöhe substanttiert vorgetragen hat. Der Verwender müsse dem Vortrag des Klägers durch die konkrete Darstellung jener Kosten entgegen treten, die entweder ihm selbst oder allgemein Unternehmen vergleichbarer Größenordnung anfallen. Andernfalls gilt der Vortrag des Klägers als zugestanden. Nach diesem Maßstab sind die Beklagten dem substantiierten Vortrag des Klägers, wonach die gewöhnlichen Rücklastschriftkosten unter 12,00 € liegen, nicht hinreichend entgegen getreten. Personal-, Büro- und Ausstattungskosten sind – so das OLG Koblenz – ohnehin nicht als Rücklastschriftschaden erstattungsfähig.
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Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
*** § 133 Auslegung einer Willenserklärung
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
*** § 157 Auslegung von Verträgen
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
* § 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
…
5. | (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
|
|
a) | die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder | |
b) | dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale; |
Auszug aus der Zivilprozessordnung (ZPO)
** § 522 Zulässigkeitsprüfung, Zurückweisungsbeschluss
…
(2) 1Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
1. | die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, |
2. | die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, |
3. | die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und |
4. | eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. |
2Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 3Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. 4Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.
Quelle: Entscheidungsabdruck
Druckansicht weniger Information13.05.2014
Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in zwei im wesentlichen Punkt parallel gelagerten Revisionsverfahren entschieden, dass vorformulierte Bestimmungen über ein Bearbeitungsentgelt in Darlehensverträgen zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher unwirksam sind (Urt. v. 13.05.2014, Az. XI ZR 405/12).
Im Verfahren XI ZR 405/12 macht der klagende Verbraucherschutzverein gegenüber der beklagten Bank im Wege der Unterlassungsklage die Unwirksamkeit der im Preisaushang der Beklagten für Privatkredite enthaltenen Klausel
"Bearbeitungsentgelt einmalig 1%"
geltend. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen.
Im Verfahren XI ZR 170/13 (vgl. dazu die Pressemitteilungen Nrn. 176/2013 und 199/2013) begehren die Kläger als Darlehensnehmer von der beklagten Bank aus ungerechtfertigter Bereicherung die Rückzahlung des von der Beklagten beim Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags berechneten Bearbeitungsentgelts. Die Parteien schlossen im März 2012 einen Online-Darlehensvertrag. Dazu hatten die Kläger die von der Beklagten vorgegebene und auf deren Internetseite eingestellte Vertragsmaske ausgefüllt, die u. a. folgenden Abschnitt enthielt:
"Bearbeitungsentgelt EUR
Das Bearbeitungsentgelt wird für die Kapitalüberlassung geschuldet. Das Entgelt wird mitfinanziert und ist Bestandteil des Kreditnennbetrages. Es wird bei der Auszahlung des Darlehens oder eines ersten Darlehensbetrages fällig und in voller Höhe einbehalten."
Die Höhe des Bearbeitungsentgelts war von der Beklagten sodann mit 1.200 € berechnet und in das Vertragsformular eingesetzt worden. Die auf Rückzahlung dieses Betrages nebst entgangenem Gewinn, Verzugszinsen und Ersatz der Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage ist - bis auf einen kleinen Teil der Zinsen - ebenfalls in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen.
In beiden Verfahren hat der XI. Zivilsenat des BGH die Revisionen der beklagten Kreditinstitute zurückgewiesen. Die jeweils in Streit stehenden Bestimmungen über das Bearbeitungsentgelt unterliegen der gerichtlichen Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB* und halten dieser - wie die Berufungsgerichte zutreffend entschieden haben - nicht stand.
Wie in der Parallelsache XI ZR 405/12 handelt es sich auch bei der im Verfahren XI ZR 170/13 streitgegenständlichen Regelung um eine - von der beklagten Bank gestellte - Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 307 BGB. Dafür ist ausreichend, wenn das Entgelt, wie dies hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beim Abschluss der Online-Darlehensverträge der Fall war, zum Zwecke künftiger wiederholter Einbeziehung in Vertragstexte "im Kopf" des Kreditinstituts als Klauselverwender gespeichert ist, anhand der Daten des individuellen Darlehensvertrages errechnet und sodann in ein Leerfeld in der Vertragsurkunde eingesetzt wird.
Die beiden beanstandeten Entgeltklauseln stellen ferner keine gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfreien Preisabreden, sondern vielmehr der Inhaltskontrolle zugängliche Preisnebenabreden dar. Ausgehend von der jeweils ausdrücklichen Bezeichnung als "Bearbeitungsentgelt" haben die Berufungsgerichte aus der maßgeblichen Sicht eines rechtlich nicht gebildeten Durchschnittskunden rechtsfehlerfrei angenommen, die beklagten Banken verlangten ein zusätzliches Entgelt zur Abgeltung ihres Bearbeitungsaufwandes im Zusammenhang mit der Kreditgewährung und der Auszahlung der Darlehensvaluta; dass im Verfahren XI ZR 170/13 ausweislich des Darlehensvertrages das Bearbeitungsentgelt für die "Kapitalüberlassung" geschuldet wird, steht dem bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung nicht entgegen.
Gemessen hieran ist das Bearbeitungsentgelt weder kontrollfreie Preishauptabrede für die vertragliche Hauptleistung noch Entgelt für eine Sonderleistung der Beklagten. Beim Darlehensvertrag stellt der gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB** vom Darlehensnehmer zu zahlende Zins den laufzeitabhängigen Preis für die Kapitalnutzung dar; aus Vorschriften des Gesetzes- und Verordnungsrechts - insbesondere soweit darin neben Zinsen von "Kosten" die Rede ist - ergibt sich nichts Abweichendes. Mit einem laufzeitunabhängigen Entgelt für die "Bearbeitung" eines Darlehens wird indes gerade nicht die Gewährung der Kapitalnutzungsmöglichkeit "bepreist". Das Bearbeitungsentgelt stellt sich auch nicht als Vergütung für eine sonstige, rechtlich selbständige, gesondert vergütungsfähige Leistung der Beklagten dar. Vielmehr werden damit lediglich Kosten für Tätigkeiten (wie etwa die Zurverfügungstellung der Darlehenssumme, die Bearbeitung des Darlehensantrages, die Prüfung der Kundenbonität, die Erfassung der Kundenwünsche und Kundendaten, die Führung der Vertragsgespräche oder die Abgabe des Darlehensangebotes) auf die Kunden der Beklagten abgewälzt, die die Beklagten im eigenen Interesse erbringen oder auf Grund bestehender eigener Rechtspflichten zu erbringen haben.
Der danach eröffneten Inhaltskontrolle halten die streitigen Klauseln nicht stand. Sie sind vielmehr unwirksam, weil die Erhebung eines laufzeitunabhängigen Entgelts für die Bearbeitung eines Verbraucherdarlehens mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist und die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Nach dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB haben die Beklagten anfallende Kosten für die Kreditbearbeitung und -auszahlung durch den laufzeitabhängig bemessenen Zins zu decken und können daneben kein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt verlangen. Gründe, die die angegriffenen Klauseln bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung gleichwohl als angemessen erscheinen lassen, haben die Beklagten weder dargetan noch sind solche ersichtlich. Insbesondere vermögen bankbetriebswirtschaftliche Erwägungen die Erhebung eines laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelts nicht zu rechtfertigen, zumal mit einem laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelt in Verbraucherdarlehensverträgen nicht bloß unerhebliche Nachteile für die Kunden bei der Vertragsabwicklung verbunden sind.
Verfassungsrechtliche Erwägungen stehen der Annahme, Bearbeitungsentgelte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien unwirksam, ebenso wenig entgegen wie das Unionsrecht einem AGB-rechtlichen Verbot formularmäßig erhobener Bearbeitungsentgelte Grenzen setzt.
Im Verfahren XI ZR 170/13 hat der XI. Zivilsenat - insoweit über den Streitstoff der der Parallelsache XI ZR 405/12 zugrunde liegenden Unterlassungsklage hinausgehend - weiter ausgeführt, dass der dortigen Beklagten auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung des nicht wirksam vereinbarten Bearbeitungsentgelts gegen die Kläger zugebilligt werden kann. Zudem ist der im Verfahren XI ZR 170/13 streitgegenständliche Bereicherungsanspruch der dortigen Kläger nicht gemäß § 814 Fall 1 BGB*** ausgeschlossen.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 307 Inhaltskontrolle
…
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
** § 488 Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag
(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.
…
*** § 814 Kenntnis der Nichtschuld
Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 80/2014
Druckansicht weniger Information07.05.2014
Der Bundesgerichtshof (BGH) sich heute in einer Entscheidung mit der Wirksamkeit einer Vereinbarung beschäftigt, die dem Vermieter gestattet, während des laufenden Mietverhältnisses die Kaution zur Befriedigung streitiger Forderungen zu verwerten (Urt. v. 07.05.2014, Az. VIII ZR 234/13).
Die Klägerin ist Mieterin einer Wohnung des Beklagten. Vereinbarungsgemäß zahlte die Klägerin 1.400 € auf ein Kautionskonto. Eine Zusatzvereinbarung der Parteien zum Mietvertrag bestimmt: "Der Vermieter kann sich wegen seiner fälligen Ansprüche bereits während des Mietverhältnisses aus der Kaution befriedigen. Der Mieter ist in diesem Fall verpflichtet, die Kautionssumme wieder auf den ursprünglichen Betrag zu erhöhen…" Als die Klägerin später eine Minderung der Miete geltend machte, ließ sich der Beklagte während des laufenden Mietverhältnisses das Kautionsguthaben auszahlen. Die Klägerin verlangt, den Betrag wieder dem Kautionskonto gutzuschreiben und insolvenzfest anzulegen.
Das Amtsgericht Bonn (Urt. v. 21.11.2012, Az. 201 C 361/12) hat der Klage stattgegeben, das Landgericht Bonn (Urt. v. 25.07.2013, Az. 6 S 200/12) hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten zum BGH, mit der er seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt, blieb ohne Erfolg.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass der Beklagte nicht berechtigt war, die Kaution während des laufenden Mietverhältnisses wegen der von der Klägerin bestrittenen Mietforderungen in Anspruch zu nehmen. Das Vorgehen des Beklagten widerspricht dem in § 551 Abs. 3 BGB* zum Ausdruck gekommenen Treuhandcharakter der Mietkaution. Gemäß § 551 Abs. 3 Satz 3 BGB hat der Vermieter die ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme getrennt von seinem Vermögen anzulegen. Damit wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass der Mieter die Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses auch bei Insolvenz des Vermieters ungeschmälert zurückerhält, soweit dem Vermieter keine gesicherten Ansprüche zustehen. Diese Zielsetzung würde unterlaufen, wenn der Vermieter die Mietkaution bereits während des laufenden Mietverhältnisses auch wegen streitiger Forderungen in Anspruch nehmen könnte. Die hiervon zum Nachteil der Klägerin abweichende Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag ist deshalb gemäß § 551 Abs. 4 BGB unwirksam.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 551 Begrenzung und Anlage von Mietsicherheiten
…
(3) 1Der Vermieter hat eine ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen. 2Die Vertragsparteien können eine andere Anlageform vereinbaren. 3In beiden Fällen muss die Anlage vom Vermögen des Vermieters getrennt erfolgen und stehen die Erträge dem Mieter zu. …
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
…
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 77/2014
Druckansicht weniger Information30.04.2014
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich heute in einer Entscheidung mit der Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten befasst, die zur Aufklärung der Verantwortlichkeit für Mängel einer Kaufsache aufgewandt worden sind (Urt. v. 30.04.2014, Az. VIII ZR 275/13).
Die Kläger kauften bei der Beklagten, die unter anderem mit Bodenbelägen handelt, Massivholzfertigparkett, das sie anschließend von einem Schreiner in ihrem Wohnhaus verlegen ließen. Der Schreiner ging nach einer von der Beklagten mitgelieferten Verlegeanleitung vor, die von der Streithelferin der Beklagten als der Herstellerin des Parketts stammte. Nach der Verlegung traten am Parkett Mängel (u.a. Verwölbungen) auf. Die Beklagte sah die Ursache nach Rücksprache mit der Streithelferin in einer zu geringen Raumfeuchtigkeit und wies die Mängelrüge der Kläger zurück. Die Kläger holten daraufhin ein Privatgutachten ein. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass die Veränderungen des Parketts auf eine in diesem Fall ungeeignete, in der Verlegeanleitung aber als zulässig und möglich empfohlenen Art der Verlegung zurückzuführen seien. Hierauf gestützt begehrten die Kläger eine Minderung des Kaufpreises um 30 Prozent sowie Erstattung der Privatgutachterkosten.
Das Amtsgericht Andernach (Urt. v. 01.02.2013, Az. 62 C 947/11) hat die Mängelrüge für berechtigt erachtet, der Klage aber nur hinsichtlich der geltend gemachten Minderung stattgegeben. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht Koblenz (Urt. v. 20.08.2013, Az. 6 S 58/13) ihnen auch den Ersatz der Sachverständigenkosten zugesprochen.
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Streithelferin der Beklagten zum BGH, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt, hatte keinen Erfolg.
Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass den Klägern der vom Berufungsgericht bejahte verschuldensunabhängige Anspruch aus § 439 Abs. 2 BGB* auf Erstattung der Kosten des Privatgutachtens zusteht. Denn schon für § 476a BGB a.F., der dem § 439 Abs. 2 BGB als Vorbild gedient hat, hat der BGH in der Vergangenheit mehrfach eine Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten zur Aufklärung der Verantwortlichkeit für Mängel bejaht. Auf dieses Normverständnis hat der Gesetzgeber für § 439 Abs. 2 BGB zurückgegriffen, so dass für die heutige Rechtslage nichts anderes gelten kann. Da die Aufwendungen ursprünglich "zum Zwecke der Nacherfüllung" getätigt worden sind, ist es im Übrigen auch unschädlich ist, dass die Kläger nach Erstattung des Gutachtens schließlich erfolgreich zur Minderung übergangen sind. Denn ob derartige Aufwendungen anschließend tatsächlich zu einer (erfolgreichen) Nacherfüllung führen, ist für den zuvor bereits wirksam entstandenen Ersatzanspruch ohne Bedeutung, wenn der Mangel und die dafür bestehende Verantwortlichkeit des Verkäufers feststehen.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes
…
(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. …
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 71/2014
Druckansicht weniger Information05.03.2014
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Mieter Schadensersatz für die Erneuerung einer Schließanlage schuldet, wenn er einen zu seiner Wohnung gehörenden Schlüssel bei Auszug nicht zurückgibt (Urt. v. 05.03.2014, Az. VIII ZR 205/13).
Der Beklagte mietete ab dem 1. März 2010 eine Eigentumswohnung des Klägers. In dem von den Parteien unterzeichneten Übergabeprotokoll ist vermerkt, dass dem Beklagten zwei Wohnungsschlüssel übergeben wurden. Das Mietverhältnis endete einvernehmlich am 31. Mai 2010. Der Beklagte gab nur einen Wohnungsschlüssel zurück. Nachdem der Kläger die Hausverwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft darüber informiert hatte, dass der Beklagte den Verbleib des zweiten Schlüssels nicht darlegen könne, verlangte diese mit Schreiben vom 21. Juli 2010 vom Kläger die Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 1.468 € für den aus Sicherheitsgründen für notwendig erachteten Austausch der Schließanlage. Sie kündigte an, den Austausch der Schließanlage nach Zahlungseingang zu beauftragen. Der Kläger hat den verlangten Betrag nicht gezahlt; die Schließanlage wurde bis heute nicht ausgetauscht.
Der Kläger begehrt vom Beklagten unter Abzug von dessen Mietkautionsguthaben Zahlung von zuletzt 1.367,32 € nebst Zinsen an die Wohnungseigentümergemeinschaft.
Das Amtsgericht Heidelberg (Urt. v. 31.08.2012, Az. 27 C 221/10) hat der Klage in Höhe von 968 € nebst Zinsen stattgegeben.
Das Landgericht Heidelberg (Urt. v. 24.06.2013, Az. 5 S 52/12) hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und ausgeführt, der Beklagte habe wegen des fehlenden Schlüssels seine Obhuts- und Rückgabepflicht verletzt, die sich auf den Schlüssel als mitvermietetes Zubehör erstreckt habe. Dem Kläger sei durch die Inanspruchnahme seitens der Wohnungseigentümergemeinschaft ein Schaden entstanden, der die Kosten der Erneuerung der Schließanlage umfasse, weil diese aufgrund bestehender Missbrauchsgefahr in ihrer Funktion beeinträchtigt sei. Es komme aber nicht darauf an, ob die Schließanlage bereits ausgewechselt worden oder dies auch nur beabsichtigt sei. Denn gemäß § 249 Abs. 2 BGB* könne der Gläubiger bei Beschädigung einer Sache Schadensersatz in Geld verlangen und sei in dessen Verwendung frei. Dies gelte auch bei Beschädigung einer Sachgesamtheit wie einer Schließanlage.
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten hatte Erfolg.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass die Schadensersatzpflicht des Mieters, der einen zu einer Schließanlage gehörenden Schlüssel verloren hat, auch die Kosten des Austausches der Schließanlage umfassen kann, wenn der Austausch wegen bestehender Missbrauchsgefahr aus Sicherheitsgründen erforderlich ist. Ein Vermögensschaden liegt insoweit aber erst vor, wenn die Schließanlage tatsächlich ausgetauscht worden ist. Daran fehlt es hier.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes
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(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 42/2014
Druckansicht weniger Information28.01.2014
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass sich aus dem Bundesdatenschutzgesetz kein Anspruch gegen die Schufa auf Auskunft darüber ergibt, wie einzelne, zur Berechnung des sog. Score-Wertes herangezogene Bonitätsmerkmale gewichtet werden (Urt. v. 28.01.2014, Az. VI ZR 156/13).
Die Klägerin hat gegen die beklagte Wirtschaftsauskunftei SCHUFA einen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch geltend gemacht.
Die Beklagte sammelt und speichert im Rahmen ihrer Tätigkeit personenbezogene Daten, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Betroffenen relevant sein können. Darüber hinaus erstellt sie, u.a. auch unter Berücksichtigung der hinsichtlich des jeweiligen Betroffenen vorliegenden Daten, sog. Scorewerte. Ein Score stellt einen Wahrscheinlichkeitswert über das künftige Verhalten von Personengruppen dar, der auf der Grundlage statistisch-mathematischer Analyseverfahren berechnet wird. Die von der Beklagten ermittelten Scores sollen aussagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Betroffene seine Verbindlichkeiten vertragsgemäß erfüllen wird. Ihren Vertragspartnern stellt die Beklagte diese Scorewerte zur Verfügung, um ihnen die Beurteilung der Bonität ihrer Kunden zu ermöglichen.
Nachdem die Finanzierung eines Automobilkaufs der Klägerin zunächst aufgrund einer unrichtigen Auskunft der Beklagten gescheitert war, wandte sich die Klägerin an die Beklagte. Diese übersandte ihr nachfolgend eine Bonitätsauskunft sowie mehrfach eine "Datenübersicht nach § 34 Bundesdatenschutzgesetz". Die Klägerin ist der Ansicht, die von der Beklagten erteilte Auskunft genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Das Amtsgericht Gießen (Urt. v. 11.10.2012, Az. 47 C 206/12) hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin beim Landgericht Gießen (Urt. v. 06.032013, Az. 1 S 301/12) blieb ohne Erfolg. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt, ihr hinsichtlich einzelner Scorewerte Auskunft darüber zu erteilen, welche Merkmale zur Scoreberechnung in welcher Gewichtung eine Rolle spielen. Der für Ansprüche nach dem Bundesdatenschutzgesetz zuständige VI. Zivilsenat des BGH hat die Revision zurückgewiesen.
Allerdings hat die Beklagte Auskunft darüber zu erteilen, welche personenbezogenen, insbesondere kreditrelevanten Daten bei ihr gespeichert und in die Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte eingeflossen sind. Diese Auskunft hat die Beklagte gegenüber der Klägerin (teilweise erst im vorliegenden Verfahren) erteilt. Ihr wurden alle bei der Beklagten zu ihrer Person gespeicherten Daten übermittelt. Ferner wurde sie über die in den letzten zwölf Monaten an Dritte übermittelten und die aktuell berechneten Wahrscheinlichkeitswerte sowie über die zur Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte genutzten Daten informiert. Die Einzelheiten wurden in einem Merkblatt erläutert.
Einen darüber hinausgehenden Auskunftsanspruch der Klägerin hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Die von ihr beanspruchten konkreten Angaben zu Vergleichsgruppen zählen nicht zu den Elementen des Scoringverfahrens, über die nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BDSG Auskunft zu erteilen ist. Gleiches gilt für die Gewichtung der in den Scorewert eingeflossenen Merkmale. Dem Auskunftsanspruch des § 34 Abs. 4 BDSG liegt die gesetzgeberische Intention zugrunde, trotz der Schaffung einer größeren Transparenz bei Scoringverfahren Geschäftsgeheimnisse der Auskunfteien, namentlich die sog. Scoreformel, zu schützen. Die Auskunftsverpflichtung soll dazu dienen, dass der Betroffene den in die Bewertung eingeflossenen Lebenssachverhalt erkennen und darauf reagieren kann. Hierzu bedarf es keiner Angaben zu Vergleichsgruppen und zur Gewichtung einzelner Elemente. Das gesetzgeberische Ziel eines transparenten Verfahrens wird dadurch erreicht, dass für den Betroffenen ersichtlich ist, welche konkreten Umstände als Berechnungsgrundlage in die Ermittlung des Wahrscheinlichkeitswerts eingeflossen sind. Dieses Ziel wird durch die der Klägerin erteilten Auskünfte erreicht.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 16/2014
Druckansicht weniger Information08.01.2014
Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat heute entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für das Verhalten eines volljährigen Familienangehörigen nicht haftet, wenn er keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass dieser den Internetanschluss für illegales Filesharing missbraucht (Urt. v. 08.01.2014, Az. I ZR 169/12 – BearShare).
Die Klägerinnen sind vier führende deutsche Tonträgerhersteller. Der Beklagte ist Inhaber eines Internetzugangs. In seinem Haushalt leben auch seine Ehefrau und deren volljähriger Sohn.
Die Klägerinnen ließen den Beklagten durch Anwaltsschreiben abmahnen; sie behaupteten, am 12. Juni 2006 seien über seinen Internetanschluss 3.749 Musikaufnahmen, an denen sie die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte besäßen, in einer Internettauschbörse zum Herunterladen verfügbar gemacht worden. Der Beklagte gab ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Er weigerte sich jedoch, die geltend gemachten Abmahnkosten zu bezahlen.
Die Klägerinnen nehmen den Beklagten auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 3.454,60 € in Anspruch.
Der Beklagte macht geltend, er sei für die behaupteten Rechtsverletzungen nicht verantwortlich. Sein damals 20-jähriger Stiefsohn habe die Musikdateien über den Internetanschluss zugänglich gemacht. Der Stiefsohn des Beklagten hat im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung gegenüber der Polizei eingeräumt, er habe mit dem Tauschbörsenprogramm "BearShare" Musik auf seinen Computer heruntergeladen.
Das Landgericht Köln (Urt. v. 24.11.2010, Az. 28 O 202/10) hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgeriht Köln (Urt. v. 22.07.2011, Az. 6 U 208/10) als Berufungsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerinnen 2.841 € zu zahlen, und die weitergehende Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
Auf die Verfassungsbeschwerde des Beklagten hob das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 21.03.2012, Az. 1 BvR 2365/11) das Berufungsurteil auf, weil das OLG die Nichtzulassung der Revision nicht nachvollziehbar begründet hatte, obwohl sich die Zulassung der Revision nach Auffassung des BVerfG aufgedrängte.
Mit Urteil vom 17.08.2012 (Az. 6 U 208/10) hielt das OLG Köln in der Sache im Wesentlichen an seiner Rechtsauffassung fest. Dazu hat es ausgeführt, der Beklagte sei für die Verletzung der urheberrechtlich geschützten Rechte an den Musiktiteln verantwortlich. Er habe dadurch, dass er seinem 20-jährigen Stiefsohn den Internetanschluss zur Verfügung gestellt habe, die Gefahr geschaffen, dass dieser an urheberrechtsverletzenden Musiktauschbörsen teilnehme. Es sei ihm daher zumutbar gewesen, seinen Stiefsohn auch ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihm die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen. Der Beklagte habe diese Verpflichtung verletzt, weil er seinen Stiefsohn nicht - jedenfalls nicht hinreichend - belehrt habe. Die vom OLG Köln nunmher zugelassene Revision des Beklagten zum BGH hatte Erfolg.
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige ist zu berücksichtigen, dass die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruht und Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Im Blick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung von Volljährigen darf der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschlussinhaber - etwa aufgrund einer Abmahnung - konkreten Anlass für die Befürchtung hat, dass der volljährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbraucht, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Da der Beklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass sein volljähriger Stiefsohn den Internetanschluss zur rechtswidrigen Teilnahme an Tauschbörsen missbraucht, haftet er auch dann nicht als Störer für Urheberrechtsverletzungen seines Stiefsohnes auf Unterlassung, wenn er ihn nicht oder nicht hinreichend über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen belehrt haben sollte.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 5/2014
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