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28.04.2020

Zur Höhe und Fälligkeit von Abschlagszahlungen und zur Mahnpauschale eines Energielieferanten (Strogon GmbH).

Das LG Köln hat heute entschieden, dass die Strogon GmbH monatliche Abschlagszahlungen, nicht vor dem Ende des jeweiligen Liefermonats fällig stellen darf, der mit dem Abschlag abgegolten werden soll. Außerdem darf die Summe der Abschlagszahlungen das vom Kunden voraussichtlich geschuldete Jahresentgelt nicht übersteigen. Eine Mahnpauschale von 2,50 € ist überhöht. Eine Rücklastschriftpauschale von 7,50 € ist überhöht (Urt. v. 28.04.2020, Az. 33 O 71/18).

Zum Sachverhalt:

Die beklagte Strogon GmbH ist ein Strom- und Gasversorgungsunternehmen, welches seine Leistungen auch gegenüber Endverbrauchern außerhalb der Grundversorgung erbringt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielten unter Ziff. 13 „Wie bezahle ich meinen monatlichen Abschlag und wie wird er errechnet?" folgende Klausel:

[Sie leisten monatliche Abschlagszahlungen.] Die Fälligkeit richtet sich nach dem genannten Zeitpunkt in Ihrer Auftragsbestätigung. Die Abschiagshöhe wird unter Berücksichtigung ihrer Verbrauchsdaten des vorhergehenden Abrechnungszeitraums oder nach dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kundengruppen errechnet. [Machen Sie glaubhaft, dass Ihr Verbrauch erheblich geringer ist, so werden wir dies angemessen berücksichtigen.]

Auf der Grundlage dieser Klausel bestimmte die Strogon GmbH die Fälligkeit der ihren Kunden beginnend mit dem ersten Belieferungsmonat in Rechnung gestellten Abschlagszahlungen regelmäßig auf den ersten Tag des Monats. Dabei berechnete die Strogon GmbH jedenfalls einem Teil ihrer Kunden 12 Abschläge i.H.v. jeweils 1/11 des nach der Verbrauchsprognose voraussichtlich geschuldeten Jahresentgelts und verschaffte sich dadurch "Abschlagszahlungen" i.H.v. 109 % des voraussichtlich geschuldeten Jahresentgelts.

Weiterhin enthielt die Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter anderem folgende Angaben:

Gebühren. Kosten und Entgelte im Rahmen des Vertragsverhältnisses:
Mahngebühren 2,50 EUR je Mahnung
Rücklastschrift 7,50 EUR je Rücklastschrift
Bei den pauschalen Kosten und Entgelten steht Ihnen der Nachweis frei, dass solche Kosten nicht oder in geringerer Höhe entstanden sind.

Der Kläger mahnte die Strogon GmbH wegen der Abschlagsklausel, der Anwendungspraktik der Abschlagsklausel und wegen der Höhe der Mahnpauschale und der Rücklastschriftpauschale erfolglos ab und erhob dann Klage.

Er vertritt die Ansicht, dass die Abschlagsklausel in Ziff. 13 AGB nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist, weil diese Klausel der Beklagten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einräume, das nach seinem Grund und seiner konkreten Ausgestaltung unangemessen sei.

Darüber hinaus wendet sich der Kläger gegen die Praktik der Beklagten, bei der Bestimmung der Fälligkeit sowie der Höhe und Anzahl der Abschlagszahlungen. Die Bestimmung der Fälligkeit auf den Anfang einer Lieferperiode sei als eine nach § 3 Abs. 2 UWG unlautere geschäftliche Handlung zu werten. Er vertritt ferner die Auffassung, dass auch die Bestimmung der Höhe der Abschlagszahlung eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Abs. 2 UWG darstelle, soweit die Beklagte 12 Abschläge in Höhe von 1/11 des voraussichtlichen Jahresentgelts berechne.

Die Mahnpauschale von 2,50 € und die Rücklastschriftüpauchal von 7,50 € hält der Kläger nach § 309 Nr. 5 a) BGB für überhöht, weil die Beträge den Schaden übersteige, welcher der Beklagten durch eine Mahnung bzw. eine Rücklastschrift entstehe.

Verfahrensgang:

Das Landgericht Köln (Urt. v. 28.04.2020, Az. 33 O 71/18) entschied in erster Instanz. Die Berufung der Beklagten ist beim OLG Köln anhängig.

Die Entscheidung des LG Köln:

Das LG Köln gab der Klage in allen Punkten statt.


1.

Die Klausel in Ziff. 13 der AGB der Beklagten ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil sie die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Auf Grund ihrer unzureichenden Bestimmtheit beinhaltet die beanstandete Klausel ein von den berechtigten Interessen der Beklagten so nicht mehr gedecktes, zu weitreichendes sowie intransparentes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, welches den berechtigten Belangen der Kunden der Beklagten nicht ausreichend Rechnung trägt.

Durch die Klausel behält sich die Beklagte bezüglich der Fälligkeit (Satz 3) und der Höhe (Satz 1 bis 3) der von ihren Kunden monatlich zu leistenden Abschlagszahlungen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vor. Fälligkeit und Höhe der Abschlagszahlungen werden nicht zwischen den Vertragsparteien verhandelt, sondern einseitig von der Beklagten festgelegt und dem Kunden mit der Vertragsbestätigung durch die Beklagte mitgeteilt.

An die Wirksamkeit einer formularmäßigen Begründung eines einseitigen  Leistungsbestimmungsrechts werden im Hinblick auf § 307 Abs. 1 BGB nach gefestigter Rechtsprechung strenge Voraussetzungen geknüpft. So müssen zunächst gewichtige Sachgründe einen solchen Vorbehalt rechtfertigen. Ferner müssen die Voraussetzungen und der Umfang des Leistungsbestimmungsrechts hinreichend konkretisiert sein. Schließlich müssen die berechtigten Belange des anderen Teils ausreichend gewahrt sein (vgl. BGH, Urt. v. 18.01.2017, VIII ZR 263/15, juris, Rn. 27; BGH, Urt. v. 20.07.2005, VIII ZR 121/04, juris, Rn. 39 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

2.

Der Kläger kann von der Beklagten weiterhin nach § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG i.V.m. § 3 Abs. 2 UWG verlangen, dass es die Beklagte unterlässt, die Fälligkeit von Abschlagszahlungen vor dem Ende des jeweiligen Belieferungsmonats zu bestimmen. Bei diesen Fälligkeitsbestimmungen handelt es sich um an Verbraucher gerichtete, der Durchführung der Belieferungsverträge dienende geschäftliche Handlungen im Sinne des § 2 Nr. 1 UWG, die als unlauter zu werten sind, weil sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

Indem die Beklagte auf der Grundlage von Ziff. 13 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Fälligkeit der monatlichen Abschlagszahlungen auf einen Zeitpunkt vor dem Ende der mit der jeweiligen Zahlung abzugeltenden Lieferperiode bestimmt, erhebt sie de facto eine von der vertraglichen Absprache nicht gedeckte Vorauszahlung. Das ist unlauter.

3.
Eine Unterlassungsverpflichtung der Beklagten besteht nach § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG i.V.m. § 3 Abs. 2 UWG ferner bezüglich der Geschäftspraktik der Beklagten bei der Bestimmung von Höhe und Anzahl von Abschlagszahlungen. Auch bei dieser Bestimmung maßgeblicher Komponenten der Abschlagszahlungen handelt es sich um an Verbraucher gerichtete, der Durchführung der Belieferungsverträge dienende geschäftliche Handlungen im Sinne des § 2 Nr. 1 UWG, die dann als unlauter zu werten sind, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

Diese Voraussetzungen liegen vor, weil die Berechnung von 12 Abschläge i.H.v. 1/11 der voraussichtlichen Jahreskosten des Vertrages dazu führt, dass dem Kunden in der Summe über das Jahr Abschlagszahlungen i.H.v. 12/11 der voraussichtlichen Jahreskosten in Rechnung gestellt werden, obwohl der Energieversorger Abschlage nur in Höhe der voraussichtlichen Kosten berechnen darf.

4.
Der Kläger kann weiterhin nach § 1 UKlaG die Unterlassung der Verwendung der Klausel verlangen, nach welcher die Beklagte im Falle des Zahlungsverzugs ihrer Kunden Mahngebühren in Höhe von pauschal 2,50 € pro Mahnung erhebt.

Die beanstandete Geschäftsbedingung ist nach § 309 Nr. 5a BGB unwirksam, weil sie in der Sache einen den gesetzlichen Anforderungen nicht genügenden pauschalierten Schadensersatzanspruch beinhaltet. Nach § 309 Nr. 5 a BGB ist die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz unwirksam, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die in der Klausel festgesetzte Pauschale von 2,50 € dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden entspricht, trägt die Beklagte als Verwenderin dieser Allgemeinen Geschäftsbedingung. Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an ihren Sachvortrag ist die Beklagte nicht ansatzweise gerecht geworden. Während der Kläger dargelegt hat, dass eine Mahnung keine entsprechenden Kosten verursacht, hat sich die Beklagte auf die unbegründete Kundgabe ihrer Auffassung beschränkt, dass die von ihr erhobenen Kostenpauschalen angemessen seien. Dabei hat sie nicht einmal auf ihre geringfügig ausführlichere vorprozessuale Stellungnahme Bezug genommen. Abgesehen davon vermögen auch ihre vorprozessualen abstrakten Rechtshinweise den erforderlichen konkreten Sachvortrag nicht zu ersetzen.

5.
Aus den gleichen Gründen kann der Kläger schließlich nach § 1 UKlaG i.V.m. § 309 Nr. 5 a BGB auch die Unterlassung der Verwendung der Klausel verlangen, wonach die Beklagte im Falle einer Rücklastschrift einen pauschalen Schadensbetrag in Höhe von 7,50 € je Rücklastschrift einfordert. Auch bezüglich dieser Schadenspauschale fehlt es an jeglichem Sachvörtrag der Beklagten dazu, dass dieser Betrag dem durch eine Rücklastschrift gewöhnlich verursachten Schaden entspricht.


Auszug aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)

§ 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.
(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.


Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

§ 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäfts­bedingungen unwirksam

5. (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen)
die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
a) die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder
b) dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale;


Auszug aus dem Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG)

§ 41 Energielieferverträge mit Haushaltskunden, Verordnungsermächtigung

(2) 1Dem Haushaltskunden sind vor Vertragsschluss verschiedene Zahlungsmöglichkeiten anzubieten. 2Wird eine Vorauszahlung vereinbart, muss sich diese nach dem Verbrauch des vorhergehenden Abrechnungszeitraums oder dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kunden richten. 3Macht der Kunde glaubhaft, dass sein Verbrauch erheblich geringer ist, so ist dies angemessen zu berücksichtigen. 4Eine Vorauszahlung wird nicht vor Beginn der Lieferung fällig.


Auszug aus der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (StromGVV)

§ 13 Abschlagszahlungen
(1) 1Wird der Verbrauch für mehrere Monate abgerechnet, so kann der Grundversorger für die nach der letzten Abrechnung verbrauchte Elektrizität eine Abschlagszahlung verlangen. 2Diese ist anteilig für den Zeitraum der Abschlagszahlung entsprechend dem Verbrauch im zuletzt abgerechneten Zeitraum zu berechnen. 3Ist eine solche Berechnung nicht möglich, so bemisst sich die Abschlagszahlung nach dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kunden. 4Macht der Kunde glaubhaft, dass sein Verbrauch erheblich geringer ist, so ist dies angemessen zu berücksichtigen.


Quelle: Urteilsabdruck

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