21.12.2017
Das Landgericht Hannover hat auf die Klage des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. heute entschieden, dass der gesetzliche Anspruch des Versicherten auf Umwandlung eines bestehenden Lebensversicherungsvertrages in einen pfändungsgeschützten Rentenversicherungsvertrag nicht davon abhängt, ob die Höhe der sich ergebenden Monatsrente einen bestimmten Mindestbetrag überschreitet (Urt. v. 21.12.2017, Az. 74 O 54/17).
Herr A. ist Kunde der beklagten Provinzial Lebensversicherung Hannover, bei der er einen Lebenversicherungsvertrag mit einem jährlichen Beitrag von 31,75 € und einer prognostizierten Ablaufleistung von 2.342,01 € im Jahr 2030 abgeschlossen hat. Nachdem Herrn A. wegen privater Schulden die Zwangsvollstreckung drohte, beantragte er bei der Beklagten, seinen Lebenversicherungsvertrag in eine pfändungsgeschützte Lebensversicherung nach § 851c Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)* umzuwandeln. Die Beklagte lehnte den Antrag zuletzt mit der Begründung ab, dass die sich im Falle einer Vertragsumwandlung ergebende Rentenleistung eine bestimmte Mindesthöhe nicht ereichen würde. Für derartige "Kleinstverträge" biete sie kein Rentenversicherungsmodell an, weshalb sie den Lebenversicherungsvertrag nicht in einen Rentenversicherungsvertrag umwandeln könne.
Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. mahnte die Beklagte wegen der Weigerung, "kleine" Lebenversicherungsverträge in pfändungsgeschützte Lebensversicherungsverträge umzuwandeln, erfolglos ab und beantragte sodann den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung. Mit Beschluss vom 10.05.2017 untersagte das LG Hannover der Beklagten, Anträge von Verbrauchern auf Umwandlung eines bestehenden Lebensversicherungsvertrages in einen den Anforderungen des § 851c ZPO genügenden Rentenversicherungsvertrag mit der Begründung abzulehnen, dass die sich für den neuen Vertrag ergebende Rentenleistung zu niedrig sei oder aus sonstigen Gründen auf den neuen Vertrag kein Rentenversicherungsvertragsmodell der Verfügungsbeklagten passe. Der Widerspruch der Beklagten blieb erfolglos.
Auf Betreiben der Beklagten ordnete das LG Hannover an, dass der Kläger zur Aufrechterhaltung der Verfügung unmittelbar Hauptsacheklage erheben muss. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren verfolgt der Kläger den Unterlassungsanspruch weiter und beantragt, die Beklagte wie im Verfügungsverfahren erkannt zu verurteilen. Er machte geltend, dass die Weigerung der Beklagten eine wettbewerbswidrige Handlung nach §§ 3, 3a UWG sei. Der Versicherte habe aus § 167 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)** einen gesetzlichen Anspruch auf Umwandlung eines bestehenden Lebenversicherungsvertrages in einen pfändungsgeschützte Lebensversicherungsvertrag, der nicht von einer bestimmten Versicherungssumme abhänge. Die Beklagte müsse erforderlichenfalls ein geeignetes Vertragsmodell schaffen.
Die Beklagte ist jedoch der Auffassung, die in § 167 VVG enthaltene gesetzliche Regelung sei auf Kapitallebensversicherungsverträge nicht anzuwenden, deren laufende Leistung 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des 4. Buches des Sozialgesetzbuches nicht übersteige (Stand 2017: 29,75 € monatlich). Die Anwendung der gesetzlichen Regelung auf derartige Verträge widerspreche der Gesetzesbegründung, weshalb systematische und teleologische Gründe dafür sprächen, entsprechende Verträge aus dem Anwendungsbereich des § 167 WG herauszunehmen. Ferner verfüge sie nicht über entsprechende Vertragsmodelle.
Auf Antrag des Klägers hat das LG Hannover der Beklagten die streitgegenständliche Praktik bereits per einstweiliger Verfügung (Beschl. v. 10.05.2017, Az. 74 27/17) untersagt. Den gegen die Verfügung gerichteten Widerspruch hat das LG Hannover zurückgewiesen (Urt. v. 14.08.2017, Az. 74 27/17). Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil im Verfügungsverfahren ist noch beim OLG Celle anhängig.
Im vorliegenden Hauptsachverfahren hat das LG Hannover am 21.12.2017 in erster Instanz entschieden. Die Beklagte kann noch Berufung einlegen.
Das LG Hannover bestätigte auch im Hauptsachverfahren die Rechtsansicht des Klägers.
Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 12 Abs. 2 UWG verlangen, dass sie es unterlässt, die Umwandlung von Lebensversicherungen gem. §§ 167 WG, 851 c ZPO mit der Begründung abzulehnen, die sich für den neuen Vertrag ergebende Rentenleistung sei zu niedrig oder sie besitze kein Rentenversicherungsmodell für die entsprechenden Verträge.
Die Ablehnung der Umwandlung von Lebensversicherungen mit nur geringer Versicherungssumme durch die Beklagte stellt einen Rechtsverstoß i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 3 a UWG dar.
§ 167 WG sieht vor, dass Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine Versicherung verlangen können, die den Anforderungen des § 851 c Abs. 1 ZPO der Zivilprozessordnung entspricht. Die Kosten der Umwandlung hat der Versicherungsnehmer zu tragen. Die Regelung enthält keine wie auch immer geartete Beschränkung auf bestimmt Vertragsarten oder Mindestversicherungssummen. Sie ist nach ihrem Wortlaut auf sämtliche Lebensversicherungen anwendbar.
Es handelt sich hier um eine verbraucherschützende, das Marktverhalten regelnde Bestimmung i.S.d. § 3 a UWG. Die Verfügungsbeklagte begeht einen Rechtsbruch, in dem sie sich entgegen der Bestimmung weigert, diese auf alle Versicherungsverträge anzuwenden. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die für steuerlich geförderte und versicherungsrechtlich besonders geschützte Altersvorsorgeverträge vorgesehenen Sonderregelungen, die für laufende Leistungen unterhalb von 1 % der Bezugsgröße greifen, nicht auf Lebensversicherungen übertragbar.
Der Gesetzgeber hat eine Anwendung der Sondervorschriften auch auf Lebensversicherungen nicht vorgesehen. Eine solche ist auch nicht sachgerecht. Eine analoge Anwendung erscheint nicht geboten, weil es um unterschiedliche Sach- und Interessenlagen geht. Bei Riesterrenten und betrieblichen Altersversorgungen sind zwar Verwaltungs- und Aufwandserleichterungen sowie Ausnahmen von Abfindungsverbot vorgesehen (vgl. beispielhaft § 3 Abs. 2 und 3 BetrAVG), nicht aber in § 167 VVG für Lebensversicherungen. Die Regelung des § 167 WG zielt gerade auf die Herbeiführung des Pfändungsschutzes nach § 851 c Abs. 2 ZPO ab, den die anderen, o.g. Rentenansprüche bereits besitzen, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel auch Riesterrenten (vgl. BGH Urt. vom 16.11.2017, IX ZR 21/17). Würde die Anwendung des § 167 VVG eingeschränkt, blieben die betreffenden Verträge hingegen grundsätzlich pfändbar und müssten z.B. im Falle einer Verbraucherinsolvenz eingebracht werden. Dies zu verhindern ist aber gerade die Intention der gesetzlichen Regelung. Der Schutz vor möglichen Pfändungsmaßnahmen ist unabhängig von Kosten und Praktikabilitätserwägungen auch bei kleinen Beträgen, die z.B. mit anderen Verträgen zusammen in die Nähe der Pfändungsfreigrenzen rücken können, von Bedeutung für die Betroffenen, für die sie zum Beispiel neben anderen Formen der Alterssicherung den Lebensunterhalt im Alter auch durch verhältnismäßig geringe Beträge sichern können. § 167 WG sieht keine Einschränkungen vor, die unterhalb bestimmter Versicherungssummen eine Umwandlung ausschließen und ist daher uneingeschränkt anwendbar (vgl. Brambach in Hofer-Halber-Schimikowski, VVG, 3. Aufl. 2015, § 167 Rn. 11). Im Übrigen sind die Versicherer hinsichtlich der entstehenden Kosten nicht schutzbedürftig, da diese nach der gesetzlichen Regelung der Verbraucher zu tragen hat.
Die Beklagte wird daher der gesetzlichen Regelung entsprechende Vertragsmodelle künftig entwickeln und bei Nachfrage einrichten müssen. Sie kann sich der klaren gesetzlichen Regelung nicht dadurch entziehen, dass sie keine passenden, dem Gesetz entsprechenden Vertragsmodelle vorhält.
Verbrauchern, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten, droht auch der Verlust der Vermögenswerte, die sie in einer Lebensversicherung angespart haben. Anderns als bestimmte Rentenversicherungen unterliegen Lebensversicherungen nämlich in der Regel der Pfändung durch die Gläubiger des Versicherten. Dies kann für die Betroffenen besonders schmerzlich sein, wenn die Lebensversicherung nicht nur der Risikoabsicherung, sondern im Erlebensfall auch der Altersvorsorge dienen sollte. Mit § 167 VVG** hat der Gesetzgeber jedoch die Möglichkeit geschaffen, Lebensversicherungsverträge nachträglich in pfändungsgeschützte Rentenversicherungsverträge umzuwandeln. Damit erhalten Versicherte die Möglichkeit, bestehende Lebensversicherungsverträge zugunsten der Altersvorsorge in bestimmtem Umfang (vgl. § 851c Abs. 2 ZPO*) dem Gläubigerzugriff zu entziehen. Dazu muss der Versicherte einen entsprechenden Umwandlungsantrag bei seiner Versicherung einreichen.
Die Umwandlung von Lebensversicherungsverträgen mit vergleichweise niedrigem Wert ist für die Versicherer wirtschaftlich jedoch häufig nicht attraktiv, obwohl sie die unmittelbaren Kosten der Umwandlung nach § 167 Satz 2 VVG** vom Versicherten ersetzt verlangen können. Aus diesem Grund sträuben sich einige Versicherer, wie vorliegend die Provinzial Lebensversicherung Hannover, Kleinstversicherungsverträge in Rentenversicherungsverträge umzuwandeln. Der Gesetzgeber hat den Umwandlungsanspruch in § 167 VVG jedoch nicht von einer Mindestversicherungshöhe abhängig gemacht. Daher ist die Weigerungshaltung der Provinzial Lebensversicherung Hannover nach Auffassung des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. rechtswidrig. Das LG Hannover hat diese Auffassung erstinstanzlich nun auch im Hauptsachverfahren bestätigt.
Wenn auch Ihnen der Verlust eines Lebensversicherungsvertrags durch die Pfändung eines Gläubigers droht, sollten Sie prüfen, ob die Umwandlung des Vertrages in einen pfändungsgeschützten Rentenversicherungsvertrag in Betracht kommt und ggf. schnellstmöglich einen entsprechenden Antrag bei Ihrem Versicherer stellen. Weigert sich auch Ihr Versicherer einen Lebensversicherungsvertrag umzuwandeln? Gern stehen wir Ihnen mit unseren Beratungsangeboten zur Seite.
Auszug aus der Zivilprozessordnung (ZPO)
* § 851c Pfändungsschutz bei Altersrenten
(1) Ansprüche auf Leistungen, die auf Grund von Verträgen gewährt werden, dürfen nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden, wenn
(2) 1Um dem Schuldner den Aufbau einer angemessenen Alterssicherung zu ermöglichen, kann er unter Berücksichtigung der Entwicklung auf dem Kapitalmarkt, des Sterblichkeitsrisikos und der Höhe der Pfändungsfreigrenze, nach seinem Lebensalter gestaffelt, jährlich einen bestimmten Betrag unpfändbar auf der Grundlage eines in Absatz 1 bezeichneten Vertrags bis zu einer Gesamtsumme von 256 000 Euro ansammeln. 2Der Schuldner darf vom 18. bis zum vollendeten 29. Lebensjahr 2 000 Euro, vom 30. bis zum vollendeten 39. Lebensjahr 4 000 Euro, vom 40. bis zum vollendeten 47. Lebensjahr 4 500 Euro, vom 48. bis zum vollendeten 53. Lebensjahr 6 000 Euro, vom 54. bis zum vollendeten 59. Lebensjahr 8 000 Euro und vom 60. bis zum vollendeten 67. Lebensjahr 9 000 Euro jährlich ansammeln. 3Übersteigt der Rückkaufwert der Alterssicherung den unpfändbaren Betrag, sind drei Zehntel des überschießenden Betrags unpfändbar. 4Satz 3 gilt nicht für den Teil des Rückkaufwerts, der den dreifachen Wert des in Satz 1 genannten Betrags übersteigt.
(3)…
Auszug aus dem Versicherungsevrtragsgesetz (VVG)
** § 167 Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes
1Der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung kann jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine Versicherung verlangen, die den Anforderungen des § 851c Abs. 1 der Zivilprozessordnung entspricht. 2Die Kosten der Umwandlung hat der Versicherungsnehmer zu tragen.
Quelle: Urteilsabdruck
Druckansicht weniger Information22.11.2017
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich heute in zwei Entscheidungen erstmals mit den Auswirkungen einer Rückerstattung des vom Käufer mittels PayPal gezahlten Kaufpreises aufgrund eines Antrags auf PayPal-Käuferschutz befasst (Urt. v. 22.11.2017, Az. VIII ZR 83/16 und VIII ZR 213/16).
Der Online-Zahlungsdienst PayPal bietet an, Bezahlvorgänge bei Internetgeschäften dergestalt abzuwickeln, dass private und gewerblich tätige Personen Zahlungen über virtuelle Konten mittels E-Geld leisten können. Dabei stellt PayPal seinen Kunden unter bestimmten Voraussetzungen ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (namentlich der sogenannten PayPal-Käuferschutzrichtlinie) geregeltes Verfahren für Fälle zur Verfügung, in denen der Käufer den bestellten Kaufgegenstand nicht erhalten hat oder dieser erheblich von der Artikelbeschreibung abweicht. Hat ein Antrag des Käufers auf Rückerstattung des Kaufpreises nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie Erfolg, bucht PayPal dem Käufer den gezahlten Kaufpreis unter Belastung des PayPal-Kontos des Verkäufers zurück.
In beiden Revisionsverfahren ging es maßgeblich um die Frage, ob der Verkäufer nach der Rückbuchung des Kaufpreises erneut berechtigt ist, den Käufer auf Zahlung in Anspruch zu nehmen.
Im Verfahren VIII ZR 83/16 kaufte die Beklagte zu 1, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vom Kläger auf der Internet-Plattform eBay ein Mobiltelefon zu einem Preis von rund 600 €, den sie über den Online-Zahlungsdienst PayPal entrichtete. Nachdem der Kaufpreis auf dem PayPal-Konto des Klägers eingegangen war, versandte dieser das Mobiltelefon in einem (vereinbarungsgemäß unversicherten) Päckchen an die Beklagte zu 1. Diese teilte dem Kläger anschließend mit, das Mobiltelefon nicht erhalten zu haben. Ein Nachforschungsauftrag des Klägers beim Versanddienstleister blieb erfolglos. Daraufhin beantragte die Beklagte zu 1 Rückerstattung des Kaufpreises nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie. Nachdem der Kläger auf Aufforderung von PayPal keinen Nachweis über den Versand des Mobiltelefons vorgelegt hatte, buchte PayPal den Kaufpreis vom PayPal-Konto des Klägers auf das PayPal-Konto der Beklagten zu 1 zurück. Die auf Zahlung des Kaufpreises gerichtete Klage des Klägers blieb vor dem Amtsgericht Essen (Urt. v. 06.10.2015, Az. 134 C 53/15) erfolglos. Die Berufung der Klägerin vor dem Landgericht Essen (Urt. v. 10.03.2016, Az. 10 S 246/15) hatte Erfolg. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision will die Beklagte zu 1 die Abweisung der Kaufpreisklage erreichen.
Im Verfahren VIII ZR 213/16 erwarb der Beklagte von der Klägerin über deren Online-Shop eine Metallbandsäge und bezahlte den Kaufpreis von knapp 500 € ebenfalls über den Online-Zahlungsdienst PayPal. Der Beklagte beantragte Käuferschutz mit der Begründung, die von der Klägerin gelieferte Säge entspreche nicht den von ihr im Internet gezeigten Fotos. Nach entsprechender Aufforderung von PayPal legte der Beklagte ein von ihm in Auftrag gegebenes Privatgutachten vor, wonach die Säge - was die Klägerin bestreitet - von "sehr mangelhafter Qualität" und "offensichtlich ein billiger Import aus Fernost" sei. Daraufhin forderte PayPal den Beklagten auf, die Metallbandsäge zu vernichten, und buchte ihm hiernach den Kaufpreis unter Belastung des Verkäuferkontos zurück. Die auf Kaufpreiszahlung gerichtete Klage blieb vor dem Amtsgericht Merzig (Urt. v. 17.12.2015, Az. 24 C 1358/11) erfolglos. Auch die Berufung der Klägerin hatte vor dem Landgericht Saarbrücken (Urt. v. 31.08.2016, Az. 5 S 6/16) keinen Erfolg. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass der Anspruch eines Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises zwar erlischt, wenn der vom Käufer entrichtete Kaufpreis vereinbarungsgemäß dem PayPal-Konto des Verkäufers gutgeschrieben wird. Jedoch treffen die Kaufvertragsparteien mit der einverständlichen Verwendung des Bezahlsystems PayPal gleichzeitig stillschweigend die weitere Vereinbarung, dass die betreffende Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das PayPal-Konto des Verkäufers nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz rückbelastet wird.
Im Einzelnen:
Die Vereinbarung, zur Tilgung einer Kaufpreisschuld den Online-Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, wird von den Vertragsparteien in der Regel als Nebenabrede mit Abschluss des Kaufvertrags getroffen. In diesem Fall ist die vom Käufer geschuldete Leistung bewirkt und erlischt somit der Kaufpreisanspruch des Verkäufers, wenn der betreffende Betrag dessen PayPal-Konto vorbehaltlos gutgeschrieben wird. Denn ab diesem Zeitpunkt kann der Verkäufer frei über das Guthaben verfügen, indem er es etwa auf sein bei PayPal hinterlegtes Bankkonto abbuchen lässt oder seinerseits für Zahlungen mittels PayPal verwendet.
Dennoch steht dem Verkäufer nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz (erneut) ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zu. Denn mit der Nebenabrede, den Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, vereinbaren die Vertragsparteien gleichzeitig stillschweigend, dass die (mittels PayPal) getilgte Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn - wie in den vorliegenden Fällen geschehen - das PayPal-Konto des Verkäufers nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie rückbelastet wird.
Dies ergibt sich aus einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der zwischen PayPal und den Nutzern des Zahlungsdienstes jeweils vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesondere der sogenannten PayPal-Käuferschutzrichtlinie. Diese hebt unter anderem ausdrücklich hervor, dass PayPal "lediglich" über Anträge auf Käuferschutz entscheidet. In der im Verfahren VIII ZR 83/16 verwendeten (neueren) Fassung der PayPal-Käuferschutzrichtlinie heißt es zudem, diese berühre "die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht" und sei "separat von diesen zu betrachten". Namentlich mit Rücksicht auf diese Bestimmungen besteht kein Zweifel, dass es dem Käufer unbenommen sein soll, anstelle eines Antrags auf Käuferschutz oder auch nach einem erfolglosen Antrag die staatlichen Gerichte in Anspruch zu nehmen, um etwa im Fall einer vom Verkäufer gar nicht oder nicht wie geschuldet erbrachten Leistung Rückgewähr des vorgeleisteten Kaufpreises zu verlangen. Vor diesem Hintergrund ist es allein interessengerecht, dass umgekehrt auch der Verkäufer nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf PayPal-Käuferschutz erneut - im Wege der Wiederbegründung seines Anspruchs auf Zahlung des Kaufpreises - berechtigt sein muss, auf die Kaufpreisforderung zurückzugreifen und zu ihrer Durchsetzung gegebenenfalls die staatlichen Gerichte anzurufen.
Die Annahme einer stillschweigend vereinbarten Wiederbegründung der Kaufpreisforderung ist auch deshalb geboten, weil PayPal nur einen vereinfachten Prüfungsmaßstab anlegt, der eine sachgerechte Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien - anders als das gesetzliche Mängelgewährleistungsrecht – nicht sicherzustellen vermag. Gleichwohl ist ein erfolgreicher Antrag auf PayPal-Käuferschutz für den Käufer von Vorteil, weil er danach den (vorgeleisteten) Kaufpreis zurückerhält, ohne den Verkäufer auf Rückzahlung - gegebenenfalls im Klageweg - in Anspruch nehmen zu müssen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat die Revision der Beklagten im Verfahren VIII ZR 83/16 zurückgewiesen, da das Berufungsgericht hier im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen ist, dass dem Kläger nach Rückbelastung seines PayPal-Kontos in Folge des Antrags auf PayPal-Käuferschutz erneut ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zustehe. Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass die Beklagten das Mobiltelefon nach ihrer Behauptung nicht erhalten haben, denn mit der unstreitig erfolgten Versendung desselben ging die Gefahr des zufälligen Verlustes auf dem Versandweg - anders als es bei einem hier nicht vorliegenden Kauf einer beweglichen Sache durch einen Verbraucher von einem Unternehmer (Verbrauchsgüterkauf) der Fall wäre - auf die Beklagte zu 1 über.
Im Verfahren VIII ZR 213/16 hatte die Revision demgegenüber Erfolg, weil das Berufungsgericht trotz der Rückbuchung aufgrund des Antrags auf PayPal-Käuferschutz den Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreiszahlung verneint hatte. Der Senat hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, damit es Feststellungen zu der Frage treffen kann, ob und inwieweit sich der Beklagte gegenüber dem wiederbegründeten Kaufpreisanspruch der Klägerin auf gesetzliche Mängelgewährleistungsrechte berufen kann.
Quelle: Pressemittelung des BGH, Nr. 187/2017
Druckansicht weniger Information21.11.2017
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich heute in einer Entscheidung u.a. mit der Frage befasst, ob Reisende auch dann Anspruch auf eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit haben, wenn sie zwar während der gesamten Urlaubsreise an dem vertragsgemäßen Urlaubsort, für einige Tage aber in einem nicht vertragsgemäßen Hotel mit schwerwiegenden hygienischen Mängel untergebracht worden sind (Urt. v. 21.11.2017, Az. X ZR 111/16).
Die Kläger begehren von dem beklagten Reiseveranstalter Minderung des Reisepreises nach § 651d Abs. 1 BGB sowie eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach § 651f Abs. 2 BGB.
Die Kläger buchten im März 2015 eine Reise nach Antalya. Nach dem Reisevertrag sollten sie in einem bestimmten Hotel in einem Zimmer mit Meerblick oder seitlichem Meerblick wohnen. Wegen einer Überbuchung wurden sie jedoch für drei Tage in einem anderen Hotel untergebracht. Das Zimmer in diesem Hotel bot keinen Meerblick und wies schwerwiegende Hygienemängel auf.
Das Amtsgericht Düsseldorf (Urt. v. 06.05.2016, Az. 44 C 423/15) hat der Klage hinsichtlich einer Minderung des Reisepreises in Höhe von 605,19 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht Düsseldorf (Urt. v. 02.12.2016, Az. 22 S 149/16) den Klägern eine weitere Minderung in Höhe von 371,36 € zugesprochen; die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen begehren die Kläger weiterhin die ihnen von den Vorinstanzen versagte Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von mindestens 1.250 € und die Beklagte eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, soweit sie mit dem Berufungsurteil zu mehr als insgesamt 894,02 € verurteilt worden ist.
Die Revision der Beklagten ist nach dem Urteil des für das Reiserecht zuständigen X. Zivilsenats unbegründet. Die Beklagte wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht bereits in der Unterbringung der Kläger in einem Hotel ähnlichen Standards und ähnlicher Ausstattung, das jedoch nicht das von den Klägern gebuchte war, einen Mangel gesehen hat, der für die betreffenden Urlaubstage zu einer Verringerung des geschuldeten Reisepreises um 10 % führt. Der Wert der vom Reiseveranstalter tatsächlich erbrachten Leistung entsprach nämlich nicht dem Wert der gebuchten. Wie etwa "Fortuna-Reisen" zeigen, bei denen der Reiseveranstalter Einzelheiten der Reise wie das Hotel nachträglich bestimmen darf, zahlt der Reisende, dem vertraglich ein bestimmtes Hotel versprochen wird, einen Teil des Reisepreises auch dafür, dass er diese Auswahl nach seinen persönlichen Vorlieben selbst trifft und gerade nicht dem Reiseveranstalter überlässt.
Die Revision der Kläger, mit der sie sich dagegen wenden, dass ihnen die Vorinstanzen eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit versagt haben, ist hingegen begründet. Der Bundesgerichtshof hebt insoweit das Berufungsurteil auf und spricht den Klägern eine Entschädigung in Höhe von 600 € zu. Das Berufungsgericht hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung nach § 651f Abs. 2 BGB voraussetzt, dass nicht nur einzelne Reiseleistungen oder einzelne Reisetage, sondern die Reise insgesamt vereitelt oder erheblich beeinträchtigt worden ist. Ob dies der Fall ist, hängt aber nicht davon ab, ob die Minderung des Reisepreises wegen Mängeln einzelner Reiseleistungen einen bestimmten Mindestprozentsatz des gesamten Reisepreises übersteigt.
Im Streitfall hat das Berufungsgericht eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise zu Unrecht verneint. Es hat angenommen, dass die ersten drei von zehn Urlaubstagen ihren Zweck weitgehend nicht erfüllen konnten, weil die schwerwiegenden hygienischen Mängel des den Klägern zunächst zur Verfügung gestellten Hotelzimmers den Aufenthalt in diesem "schlechthin unzumutbar" gemacht haben und der Tag des Umzugs in das gebuchte Hotel im Wesentlichen nicht zur Erholung dienen konnte; es hat den anteiligen Reisepreis für diese Tage deshalb als um 70 bzw. 100 % gemindert angesehen. Auch wenn die verbleibenden Tage von den Klägern uneingeschränkt für den Strandurlaub genutzt werden konnten, wird bei einer derart weitgehenden Entwertung eines Teils der nach Wochen oder Tagen bemessenen Urlaubszeit diese teilweise "nutzlos aufgewendet" und damit auch die Reise insgesamt erheblich beeinträchtigt.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
§ 651c Abhilfe
(1) Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.
…
§ 651d Minderung
(1) Ist die Reise im Sinne des § 651c Abs. 1 mangelhaft, so mindert sich für die Dauer des Mangels der Reisepreis nach Maßgabe des § 638 Abs. 3. § 638 Abs. 4 findet entsprechende Anwendung.
…
§ 651f Schadensersatz
(1) Der Reisende kann unbeschadet der Minderung oder der Kündigung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, es sei denn, der Mangel der Reise beruht auf einem Umstand, den der Reiseveranstalter nicht zu vertreten hat.
(2) Wird die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt, so kann der Reisende auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
Quelle: Pressemittelung des BGH, Nr. 184/2017
Druckansicht weniger Information08.11.2017
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob ein Vermieter die in § 548 Abs. 1 BGB* geregelte sechsmonatige Verjährung seiner gegen den Mieter gerichteten Ersatzansprüche nach Rückgabe der Mietsache durch formularvertragliche Regelungen (Allgemeine Geschäftsbedingungen) verlängern kann; derartige Klauseln sind in Formularverträgen im Wohnraummietrecht weit verbreitet (Urt. v. 08.11.2017, Az. VIII ZR 13/17).
Die Beklagte war seit 2003 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Nach Kündigung des Mietverhältnisses durch die Beklagte erhielt die Klägerin die Wohnung Ende Dezember 2014 zurück.
Erst mit im Oktober 2015 zugestellter Klage nahm die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund 16.000 € wegen an der Wohnung eingetretener Schäden in Anspruch. Der hiergegen von der Beklagten unter Bezugnahme auf § 548 Abs. 1 BGB* erhobenen Einrede der Verjährung begegnete die Klägerin mit einem Verweis auf eine in dem von ihr verwendeten Formularmietvertrag enthaltene Bestimmung, nach welcher Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache (ebenso wie Ansprüche des Mieters auf Aufwendungsersatz oder Gestattung der Wegnahme von Einrichtungen) erst in zwölf Monaten nach Beendigung des Mietverhältnisses verjähren würden.
Das Amtsgericht Berlin-Neukölln (Urt. v. 15.06.2016, Az. 9 C 244/15) hat die Klage der Vermieterin abgewiesen. Auch die Berufung der Vermieterin war vor dem Landgericht Berlin (Urt. v. 26.10.2016, Az. 65 S 305/16) erfolglos. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass eine Regelung in einem Formularmietvertrag, durch die ein Vermieter die nach dem Gesetz vorgesehene sechsmonatige Verjährung seiner Ersatzansprüche nach Rückgabe der Mietsache verlängert, wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB** unwirksam ist.
Die im streitgegenständlichen Formularmietvertrag enthaltene Klausel erschwert den Eintritt der Verjährung der in § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB* genannten Ansprüche des Vermieters gegenüber der gesetzlichen Regelung in zweifacher Hinsicht. Zum einen wird die Frist, nach deren Ablauf diese Ansprüche verjähren, von sechs auf zwölf Monate verdoppelt. Zum anderen verändert die Klausel zusätzlich den Beginn des Fristlaufs, indem sie nicht auf den Zeitpunkt des Rückerhalts der Sache, sondern auf das (rechtliche) Mietvertragsende abstellt. Beide Regelungsinhalte sind mit wesentlichen Grundgedanken des § 548 BGB* nicht zu vereinbaren und stellen bereits aus diesem Grund eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten dar. Dies führt zur Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB**.
Denn die in § 548 Abs. 1 BGB* geregelte kurze Verjährung der Ansprüche des Vermieters ist durch berechtigte Interessen des Mieters im Rahmen der Abwicklung des Mietverhältnisses begründet. Der Mieter hat nach der Rückgabe der Mietsache an den Vermieter auf diese keinen Zugriff mehr und kann somit ab diesem Zeitpunkt regelmäßig auch keine beweissichernden Feststellungen mehr treffen. Demgegenüber wird der Vermieter durch die Rückgabe der Mietsache, an die das Gesetz den Verjährungsbeginn für dessen Ansprüche anknüpft, in die Lage versetzt, sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob ihm gegen den Mieter Ansprüche wegen Verschlechterung oder Veränderung der Mietsache zustehen und er diese durchsetzen oder gegebenenfalls innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist erforderliche verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen will. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Prüfung nicht regelmäßig in der vom Gesetz vorgesehen Verjährungsfrist von sechs Monaten vorgenommen werden könnte. Vor diesem Hintergrund war es - unter Berücksichtigung der Interessen sowohl des Mieters als auch des Vermieters - das ausdrücklich erklärte Ziel des Gesetzgebers, mit der kurzen Verjährungsregelung in § 548 BGB* aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zeitnah zur Rückgabe der Mietsache eine "möglichst schnelle" Klärung über bestehende Ansprüche im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache zu erreichen.
Die unangemessene Benachteiligung des Mieters im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB** entfällt schließlich nicht dadurch, dass die streitgegenständliche Klausel spiegelbildlich eine Verlängerung auch seiner Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen und auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung vorsieht. Denn auch die spiegelbildliche Verlängerung beider Verjährungsfristen ändert nichts an dem berechtigten und zentralen Interesse des Mieters an einer möglichst kurzen, an die Rückgabe der Mietsache anknüpfenden Verjährungsfrist - zumal den in § 548 Abs. 1 BGB* genannten Ersatzansprüchen des Vermieters eine große praktische Bedeutung zukommt, während Streitigkeiten über Wegnahme von Einrichtungen und Aufwendungsersatz des Mieters (§ 548 Abs. 2 BGB*) deutlich seltener vorkommen dürften.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 548 Verjährung der Ersatzansprüche und des Wegnahmerechts
(1) 1Die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren in sechs Monaten. 2Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. 3Mit der Verjährung des Anspruchs des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache verjähren auch seine Ersatzansprüche.
(2) Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung verjähren in sechs Monaten nach der Beendigung des Mietverhältnisses.
** § 307 Inhaltskontrolle
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist […]
Quelle: Pressemittelung des BGH, Nr. 176/2017
Druckansicht weniger Information10.10.2017
Der Fluggast kann eine Ausgleichszahlung für einen anulierten Flug auch dann verlangen, wenn ihm zwar ein Ersatzflug angeboten wird, dieser aber wiederum mehr als zwei Stunden verspätet ist (Urt. v. 10.10.2017, Az. X ZR 73/16).
Die Kläger buchten bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen einen Flug von Frankfurt am Main nach Singapur mit Anschlussflug nach Sydney, der auf beiden Teilstrecken von der Beklagten durchgeführt werden sollte. Die Beklagte annullierte den ersten Flug von Frankfurt nach Singapur am vorgesehenen Abflugtag und bot den Klägern als Ersatz einen Flug eines anderen Luftverkehrsunternehmens an, der am selben Tag starten und am Folgetag um etwa die gleiche Uhrzeit wie der ursprünglich vorgesehene Flug in Singapur landen sollte. Der Start dieses Fluges verzögerte sich jedoch um etwa 16 Stunden, so dass die Reisenden den ursprünglich vorgesehenen Weiterflug in Singapur nicht erreichten und mit einer Verspätung von mehr als 23 Stunden in Sydney ankamen.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main (Urt. v. 14.10.2015, Az. 31 C 2494/15 (17)) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht Frankfurt am Main (Urt. v. 16.06.2016, Az. 2-24 S 208/15) die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von insgesamt 1.800 € nebst Verzugszinsen verurteilt. Die Regelung in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. iii FluggastrechteVO* sei nach ihrem Sinn und Zweck dahin zu verstehen, dass Ausgleichsansprüche nicht bereits durch ein Angebot zur anderweitigen Beförderung ausgeschlossen würden, sondern nur dann, wenn der Fluggast mit dem angebotenen Ersatzflug sein Endziel tatsächlich höchstens zwei Stunden später als ursprünglich vorgesehen erreicht habe. Mit Ihrer Revision verfolgt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Der für das Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des BGH hat die Revision der Beklagten gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen. Die Beklagte bleibt wegen der Annullierung des ursprünglichen, von ihr geplanten Fluges ausgleichspflichtig, da die Kläger mit dem ihnen angebotenen Ersatzflug ihr Endziel tatsächlich nicht höchstens zwei Stunden später als ursprünglich vorgesehen erreicht haben. Dass der angebotene Ersatzflug, wenn er planmäßig durchgeführt worden wäre, den Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. iii FluggastrechteVO* entsprochen hätte, reicht nicht aus, um die Beklagte von ihrer Ausgleichspflicht zu befreien. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Kläger gegen das den Ersatzflug ausführende Luftverkehrsunternehmen Ausgleichsansprüche wegen Verspätung geltend machen könnten. Den Zielen der Fluggastrechteverordnung wird allein durch ein Verständnis des Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. iii FluggastrechteVO* Rechnung getragen, wonach ein Ausgleichsanspruch nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Fluggast das Endziel mit dem Ersatzflug tatsächlich höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erreichen konnte. Die Begründung eines Ausgleichsanspruchs gegen das den Ersatzflug ausführende Luftverkehrsunternehmen genügt hierfür nicht, zumal eine Verspätung des Ersatzflugs nicht in jedem Fall zu einem Ausgleichsanspruch führt. Ein solcher Anspruch ist beispielsweise ausgeschlossen, wenn das den Ersatzflug ausführende Luftverkehrsunternehmen nicht dem Geltungsbereich der Fluggastrechteverordnung unterfällt oder dessen Verspätung weniger als drei Stunden beträgt.
Auszug aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (FluggastrechteVO)
* Art. 5 Annulierung.
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen
Fluggästen
…
c) | vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn, | |
(i) | sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder | |
(ii) | sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder | |
(iii) | sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen. |
Art. 7 Ausgleichsanspruch.
(1) 1Wird auf diesen Artikel Bezug genommen,
so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
…
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
…
Quelle: Pressemittelung des BGH, Nr. 138/2017
Druckansicht weniger Information29.06.2017
Das Oberlandesgericht Koblenz hat entschieden, dass die Rücklastschriftpauschale der 1 & 1 Telecom GmbH und der 1 & 1 Mail & Media GmbH (GMX) i.H.v. 5,00 € und die Mahnpauschale dieser Unternehmen i.H.v. 2,50 € überhöht und damit unzulässig sind (Urt. v. 29.06.2017, Az. 2 U 486 / 16).
Die Beklagte zu 1., die 1 & 1 Telecom GmbH, bietet Telekommunikationsdienstleistungen an. Ihre Preislisten enthielten folgende Einträge:
Rechnung, Kommunikation & Sonstiges | |||
Bemerkungen | Kommunikation | AbrechnungsintervallPreise | |
Mahngebür | je Mahnung | 2,50 € | |
Rücklastschriftgebühr (Kosten Rücklastschrift und Bearbeitungsgebühr) | je Rücklastschrift | 5,00 € |
Die Beklagte zu 2., die 1 & 1 Mail & Media GmbH, betreibt u.a. das bekannte Internetportal GMX. Ihre AGB enthielten folgende Klauseln:
Preise und Zahlung
…
Im Verzugsfall ist GMX weiterhin berechtigt, für jede Mahnung eine Mahngebühr in Höhe von 2,50 Euro zu fordern, es sei denn, der Kunde weist nach, dass ein Schaden überhaupt nicht oder in wesentlich geringerer Höhe entstanden ist. Kann GMX einen höheren Verzugsschaden nachweisen, kann GMX diesen ebenfalls geltend machen.
…
Bei Zahlung der Entgelte durch Lastschrifteinzug berechnet GMX 5,00 Euro pro Rücklastschrift, wenn der Kunde die Rücklastschrift zu vertreten hat, es sei denn der Kunde weist nach, dass ein Schaden überhaupt nicht oder in wesentlich geringerer Höhe entstanden ist.
Der Kläger mahnte die Beklagten im August 2015 wegen der Rücklastschrift- und Mahngebühren ab. Er ist der Auffassung, dass beide Gebührenkauseln wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 5a BGB* unwirksam sind, weil die Pauschalen den den Beklagten Falle einer Rücklastschrift bzw. für eine Mahnung durchschnittlich anfallenden Kosten übersteigen. Die Beklagten weigerten sich jedoch, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben, so dass der Kläger Unterlassungsklage erhob.
Das Landgericht Koblenz gab der Klage hinsichtlich der Rücklastschriftgebührenklauseln statt, weil die Beklagte nicht bewiesen haben, dass die Höhe der Pauschalen den durchschnittlichen Rücklastschriftkosten entspricht. Die Mahnpauschalenklauseln hielt das Landgericht jedoch für wirksam und wies die Klage insoweit ab. Die Höhe der Mahnkosten könne das Gericht schätzen, auch wenn die Beklagten dazu nichts Konkretes vorgetragen haben (Urt. v. 20.04.2016, Az. 15 O 298/15). Dier Beklagten und der Kläger legten gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung zum Oberlandesgericht Koblenz (OLG Koblenz) ein. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Berufung des Klägers hatte Erfolg. Das OLG lies die Revision nicht zu.
Das OLG Koblenz wies die Berufung der Beklagten zurück. Nach Auffassung des OLG Koblenz hat das Landgericht den Beklagten zu Recht die Verwendung der Rücklastschriftpauschalenklauseln untersagt. Die Beklagten haben den ihnen obliegenden Beweis, dass die Höhe der Rücklastschriftpauschalen dem gewöhnlichen Rücklastschriftschaden entspricht, nicht erbracht. Nach Auffassung des OLG tragen die Beklagten als Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Höhe des von ihnen in den streitgegenständlichen Klauseln pauschalierten Schadensersatzes die Darlegungs- und Beweislast. Dies gilt auch, soweit sich die Beklagten auf den branchentypischen durchschnittlichen Schaden beziehen (ausdrücklich bestätigt in BGH, Beschl. v. 23.02.2017, Az. III ZR 389/16, Juris Rn. 8). Diesen Beweis haben die Beklagten nicht erbraucht. Sie haben insofern lediglich zu den von ausgewählten Banken im Rücklastschriftfall angeblich erhobenen Kosten vorgetragen. Diese lassen einen Rückschluss auf die durchschnittlichen Kosten jedoch nicht zu. Deshalb kommt vorliegend auch eine Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht. Interne Bearbeitungskosten der Beklagten – Personalkosten bzw. sonstige Vorhaltekosten – sind nicht berücksichtigungsfähig (BGH NJW 2009, 3570).
Der Berufung des Klägers gab OLG Koblenz statt und untersagte den Beklagten auch die Verwendung der Mahnpauschalenklauseln. Die vorgesehene Mahngebühr ist höher, als der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartende Schaden bei den Beklagten. Auch hinsichtlich der Mahngebühren fehle es an einer zumindest im Ansatz nachprüfbaren Darstellung der Schadensfaktoren, um die Höhe der Schadenspauschale gegen eine willkürliche Festsetzung abzugrenzen. Insoweit verbleibt es bei den auch für die Rücklastschriftgebühr geltenden Grundsätzen. Für eine andere Behandlung der Mahngebühr fehlt es an sachlichen Gründen. Eine diesbezügliche Schätzung gemäß § 287 ZPO kommt nicht in Betracht, da die abstrakt gehaltenen Ausführungen der Beklagten mangels Nachprüfbarkeit der Angaben einen Schluss auf die Angemessenheit der Pauschale nicht zulassen.Mit dem Urteil steht praktisch fest, dass die 1 & 1 Telecom GmbH und der 1 & 1 Mail & Media GmbH nicht berechtigt sind, von Verbrauchern Rücklastschrift- und Mahnpauschalen von 5,00 € bzw. 2,50 € zu verlangen. Zwar können die Unternehmen gegen die Nichtzulassung der Revision noch Beschwerde beim BGH einlegen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde dürfte aber keine Aussicht auf Erfolg haben, weil die Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind. Es ist daher zu erwarten, dass das Urteil rechtskräftig wird.
Wenn die 1 & 1 Telecom GmbH oder die 1 & 1 Mail & Media GmbH auch von Ihnen Rücklastschrift- oder Mahngebühren von 5,00 € bzw. 2,50 € oder höher verlangt haben, können Sie die Gebühren zurückverlangen. Beachten Sie aber, dass die Rückforderungsansprüche der Verjährung binnen drei Jahren zum Jahresende unterliegen. Der Rückzahlung von Ihnen im Jahre 2014 zu Unrecht gezahlter Pauschalen können die Unternehmen daher ab 01.01.2018 wegen Verjährung verweigern, wenn Sie nicht vorher z.B. einen gerichtlichen Mahnbescheid beantragt haben haben.
Haben Sie die Pauschalen gezahlt und wollen sie nun zurückfordern? Gern können Sie dazu die Rückforderungsformulare auf unserer Download-Seite nutzen.
Weigert sich die 1 & 1, die Pauschalen freiwillig zurückzuzahlen? In unserem Online-Rechtsberatungsforum beraten wir Sie bei Bedarf gern individuell zu Ihrem Fall.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
…
5. | (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
|
|
a) | die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder | |
b) | dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale; |
Quelle: Entscheidungsabdruck
Druckansicht weniger Information02.06.2017
Der BGH hat heute entschieden, dass bei einer Grenzbepflanzung eines Grundstücks, das tiefer liegt als das Nachbargrundstück, die nach den nachbarrechtlichen Vorschriften (hier: Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB) zulässige Pflanzenwuchshöhe von dem höheren Geländeniveau des Nachbargrundstücks aus zu messen ist (Urt. v. 02.06.2017, Az. V ZR 230/16).
Die Parteien sind Eigentümer aneinandergrenzender Grundstücke in Hanglage in Bayern. Das Grundstück des Klägers liegt höher als das der Beklagten. Zwischen den Grundstücken befindet sich eine ca. 1 m bis 1,25 m hohe Geländestufe, an der eine Mauer verläuft. Auf dem Grundstück der Beklagten steht entlang der Geländestufe eine 6 m hohe Thujenhecke. Sie wurde zuletzt 2009 oder 2010 auf eine Höhe von ca. 2,90 m geschnitten, gemessen von ihrer Austrittstelle. Der Kläger verlangt von der Beklagten, die Hecke zweimal jährlich mit Ausnahme des Zeitraums vom 1. März bis 30. September auf eine Höhe von 2 m, gemessen ab dem oberen Ende der Mauer zwischen den Grundstücken der Parteien zurückzuschneiden. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
Das Amtsgericht Hersbruck (Urt. v. 14.01.2016, Az. 11 C 750/15) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht Nürnberg-Fürth (Urt. v. 25.08.2016, Az. 5 S 1274/16) ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstnzlichen Urteils.
Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Nach Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB* kann der Eigentümer eines Grundstücks verlangen, dass u.a. Bäume, Sträucher und Hecken, die in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze seines Grundstücks gehalten werden, nicht höher als 2 m sind. Anderenfalls kann er den Rückschnitt der Pflanzen verlangen. Die zulässige Höhe der Pflanzen ist grundsätzlich von der Stelle aus zu messen, an der diese aus dem Boden austreten. Das gilt aber nicht, wenn die Pflanzen auf einem Grundstück stehen, das tiefer als das Nachbargrundstück liegt. In diesem Fall ist eine Beeinträchtigung des höher gelegenen Grundstücks erst möglich, wenn die Pflanzen dessen Höhenniveau erreichen. Die zulässige Pflanzenwuchshöhe ist deshalb nicht von der Austrittstelle der Pflanzen, sondern von dem Bodenniveau des höher gelegenen Grundstücks aus zu bestimmen.
Das führt hier dazu, dass Verjährung nicht eingetreten ist. Nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 BayAGBG** verjährt der Anspruch auf Rückschnitt in fünf Jahren. Der Anspruch des Klägers auf Rückschnitt ist entstanden, als die Thujenhecke zuletzt eine Höhe von 2 m, gemessen von der ca. 1 m hohen Geländestufe, und damit eine absolute Höhe von 3 m überschritten hat. Das war frühestens 2009 der Fall. Der zu diesem Zeitpunkt begonnene Lauf der Verjährungsfrist ist rechtzeitig gehemmt worden.
Nicht Gegenstand der Entscheidung war die Frage, wie die Messung im umgekehrten Fall zu erfolgen hat, also bei einer Grenzbepflanzung des höher gelegenen Nachbargrundstücks.
Auszug aus dem (bayerischen) Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BayAGBGB)
* Art. 47 Grenzabstand von Pflanzen
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, dass auf einem Nachbargrundstück nicht Bäume, Sträucher oder Hecken, Weinstöcke oder Hopfenstöcke in einer geringeren Entfernung als 0,50 m oder, falls sie über 2 m hoch sind, in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze seines Grundstücks gehalten werden.
[…]
** Art. 52 Verjährung der nachbarrechtlichen Ansprüche
(1) […] 2Der Anspruch auf Beseitigung eines die Art. 47 bis 50 und 51 Abs. 1 und 2 verletzenden Zustands verjährt in fünf Jahren. 3Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem
Quelle: Pressemittelung des BGH, Nr. 90/2017
Druckansicht weniger Information16.05.2017
Der unter für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass die durch einen behördlichen Fehler eingetretene Unbrauchbarkeit eines Reisepasses keine zur Kündigung des Reisevertrages berechtigende höhere Gewalt ist (Urt. v. 16.05.2017, Az. X ZR 142/15).
Die Klägerin buchte bei der beklagten Reiseveranstalterin für ihren Ehemann, ihre Tochter und sich selbst eine Pauschalreise vom 19. Mai bis 1. Juni 2013 in die Vereinigten Staaten von Amerika.
Vor Reiseantritt beantragte sie für sich und ihre Tochter bei der Gemeinde ihres Wohnsitzes, die sie im Rechtsstreit als Streithelferin unterstützt, neue Reisepässe, die ausgestellt und übergeben wurden. Die Bundesdruckerei hatte jedoch diese beiden sowie 13 weitere an die Streithelferin versandten Ausweisdokumente wegen Nichtvorliegens einer Eingangsbestätigung als abhandengekommen gemeldet. Dies führte wiederum dazu, dass der Klägerin und ihrer Tochter am Abreisetag der Abflug in die Vereinigten Staaten verweigert wurde. Die Beklagte zahlte einen Teil des Reisepreises zurück. Die Klägerin beansprucht die Rückzahlung auch des restlichen Reisepreises.
Das Amtsgericht Nürnberg (Urt. v. 25.11.2014, Az. 13 C 4487/14) hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth (Urt. v. 27.11.2015, Az. 5 S 9724/14) blieb erfolglos. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Rückzahlung auch des restlichen Reisepreises weiter.
Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nunmehr auch die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Der Reisevertrag kann nach § 651j Abs. 1 BGB* sowohl vom Reiseveranstalter als auch vom Reisenden gekündigt werden, wenn die Reise infolge bei Vertrags-abschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wird. Unter höherer Gewalt wird dabei ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes und auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis verstanden. Erfasst sind etwa Naturkatastrophen oder allgemeine staatlich angeordnete Reisebeschränkungen. Es handelt sich um einen besonderen Fall der Störung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, deren Ursache keiner Vertragspartei zugeordnet werden kann und die daher beiden Vertragsparteien die Möglichkeit eröffnet, sich von ihren vertraglichen Verpflichtungen zu lösen.
Das Erfordernis des fehlenden betrieblichen Zusammenhangs bringt dabei für den typischen Fall, dass das nicht abwendbare Ereignis die Betriebstätigkeit des Reiseveranstalters und damit die Durchführung der Pauschalreise selbst stört oder verhindert, zum Ausdruck, dass die Ursache nicht in der (Risiko-)Sphäre des Reiseveranstalters liegen darf. Entsprechendes gilt auch für die andere Vertragspartei: Höhere Gewalt liegt ebenso wenig vor, wenn das Ereignis der Sphäre des Reisenden zuzurechnen ist. So verhält es sich hier. Im Verhältnis zum Reiseveranstalter fällt die Mitführung für die Reise geeigneter Ausweispapiere in die Risikosphäre des Reisenden ohne dass es darauf ankäme, aus welchen Gründen die Pässe der Reisenden nicht als ausreichend angesehen wurden. Maßgeblich ist allein, dass keine allgemeine Beschränkung der Reisemöglichkeiten – wie etwa ein kurzfristig eingeführtes Visumserfordernis – vorlag, die jeden anderen Reisenden ebenso getroffen hätte.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 651j Kündigung wegen höherer Gewalt
(1) Wird die Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt, so können sowohl der Reiseveranstalter als auch der Reisende den Vertrag allein nach Maßgabe dieser Vorschrift kündigen.
[…]
Quelle: Pressemittelung des BGH, Nr. 76/2017
Druckansicht weniger Information10.05.2017
Das Landgericht Hannover hat heute entschieden, dass ein Versicherer den Antrag eines Versicherten auf Umwandlung einer Lebensversicherung in eine pfändungsgeschützte Rentenversicherung auch dann nicht ablehnen darf, wenn sich nur eine sehr niedrige Rente ergibt (Beschl. v. 10.05.2017, Az. 74 O 27/17).
Die Antragsgegnerin ist die Provenzial Lebensversicherung Hannover. Ein Kunde beantragte bei der Antragsgegnerin gem. § 167 VVG* die Umwandlung seines bestehenden kleinen Lebensversicherungsvertrages in eine pfändungsgeschützte Rentenversicherung nach § 851c Abs. 1 ZPO**. Die Antragsgegnerin lehnte dies mit der Begründung ab, dass die sich nach einer Umwandlung ergebende Rentenleistung nur ca. 3,50 € monatlich betrage und sie Rentenversicherungsverträge mit einer derart niedrigen Rentenleistung nicht anbiete. Zudem erfülle eine Rentenversicherung mit einer derart niedrigen Rente auch gar nicht den Zweck einer Altersvorsorge des § 851c Abs. 1 ZPO.
Der Antragsteller, der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. mahnte die Antragsgegnerin wegen der Weigerung, den Lebensversicherungsvertrag umzuwandeln, ab. Er machte geltend, dass der der Gesetzgeber den Anspruch des Versicherten auf Umwandlung eines Lebenversicherungsvertrages in eine pfändungsgschützte Rentenversicherung nach § 851c Abs. 1 ZPO nicht von einer bestimmten Rentenhöhe abhängig gemacht habe. Der Versicherte könnte auch die Umwandlung kleiner Lebensversicherungsverträge verlangen. Nachdem die Antragsgegnerin die Abgabe einer Unterlassungserklärung abgelehnt hatte, beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung.
Das erstinstanzlich zuständige Landgericht Hannover gab dem Antrag durch Beschluss vom 10.05.2017, Az. 74 O 27/17 statt. (Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Antragsgegnerin kann noch Beschwerde einlegen oder die Durchführung des Hauptsachverfahrens verlangen.)
Das LG Hannover hat entschieden, dass § 167 VVG einen Umwandlungsanspruch der Verbraucher ohne Einschränkungen auf bestimmte Renten- oder Versicherungssummen oder auf bestimmte Verträge normiert. § 167 VVG verpflichte die Versicherungsunternehmen, für die unter die Regelung fallenden Verträge dem § 851 c ZPO entsprechende insolvenzfeste Tarifmodelle gegebenenfalls zu entwickeln, sofern diese nicht vorgehalten werden (vgl. Brambach in Rüffer/Halbach/Schimikowski, WG, 3. Aufl. 2015 § 167 Rn. 11).
Auszug aus dem Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG)
* § 167 Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes
Der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung kann jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine Versicherung verlangen, die den Anforderungen des § 851c Abs. 1 der Zivilprozessordnung entspricht. Die Kosten der Umwandlung hat der Versicherungsnehmer zu tragen.
Auszug aus der Zivilprozessordnung (ZPO)
** § 851c Pfändungsschutz bei Altersrenten
(1) Ansprüche auf Leistungen, die auf Grund von Verträgen gewährt werden, dürfen nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden, wenn
Quelle: Abdruck des Beschlusses
Druckansicht weniger Information30.03.2017
Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des BGH hat sich erneut mit Fragen der Haftung wegen der Teilnahme an Internet-Tauschbörsen befasst (Urt. v. 30.03.2017, Az. I ZR 19/16).
Die Klägerin hat die Verwertungsrechte an den auf dem Musikalbum "Loud" der Künstlerin Rihanna enthaltenen Musiktiteln inne. Sie nimmt die Beklagten wegen Urheberrechtsverletzung auf Schadensersatz in Höhe von mindestens 2.500 € sowie auf Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 1.379,80 € in Anspruch, weil diese Musiktitel über den Internetanschluss der Beklagten im Januar 2011 im Wege des "Filesharing" öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Die Beklagten haben bestritten, die Rechtsverletzung begangen zu haben, und darauf verwiesen, ihre bei ihnen wohnenden und bereits volljährigen drei Kinder hätten jeweils eigene Rechner besessen und über einen mit einem individuellen Passwort versehenen WLAN-Router Zugang zum Internetanschluss gehabt. Die Beklagten haben erklärt, sie wüssten, welches ihrer Kinder die Verletzungshandlung begangen habe; nähere Angaben hierzu haben sie jedoch verweigert.
Das Landgericht München I (Urt. v. 01.07.2015, Az. 37 O 5394/14) hat der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 2.500 € und den Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 1.044,40 € zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist vor dem OLG München (Urt. v. 14.01.2016, Az. 29 U 2593/15) ohne Erfolg geblieben.
Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Im Ausgangspunkt trägt die Klägerin als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Beklagten für die Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich sind. Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen - etwa die Familienangehörigen - diesen Internetanschluss benutzen konnten. Zu dieser Frage muss sich der Anschlussinhaber im Rahmen einer sogenannten sekundären Darlegungslast erklären, weil es sich um Umstände auf seiner Seite handelt, die der Klägerin unbekannt sind. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Entspricht der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der klagenden Partei, die für eine Haftung der Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen.
Die Beklagten haben im Streitfall ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt, weil sie den Namen des Kindes nicht angegeben haben, das ihnen gegenüber die Rechtsverletzung zugegeben hat. Diese Angabe war den Beklagten auch unter Berücksichtigung der Grundrechtspositionen der Parteien zumutbar. Zugunsten der Klägerin sind das Recht auf geistiges Eigentum nach Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 GG sowie auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 EU-Grundrechtecharta und auf Seiten der Beklagten der Schutz der Familie gemäß Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG zu berücksichtigen und in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen. Danach ist der Anschlussinhaber etwa nicht verpflichtet, die Internetnutzung seines Ehegatten zu dokumentieren und dessen Computer auf die Existenz von Filesharing-Software zu untersuchen. Hat der Anschlussinhaber jedoch im Rahmen der ihm obliegenden Nachforschungen den Namen des Familienmitglieds erfahren, das die Rechtsverletzung begangen hat, muss er dessen Namen offenbaren, wenn er eine eigene Verurteilung abwenden will.
Quelle: Pressemittelung des BGH, Nr. 46/2017
Druckansicht weniger Information15.03.2017
Der BGH hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, in welchem Umfang sich Gerichte mit vom Mieter vorgetragenen Härtegründen bei der Entscheidung über eine Fortsetzung eines Mietverhältnisses nach § 574 Abs. 1 BGB auseinanderzusetzen haben (Urt. v. 15.03.2017, Az. VIII ZR 270/15).
Die Beklagten sind seit 1997 Mieter einer Dreieinhalbzimmerwohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses. Der (im Verlauf des Rechtsstreits verstorbene) Vermieter kündigte das Mietverhältnis mit der Begründung, dass er die Wohnung für die vierköpfige Familie seines Sohnes benötige, der bisher die im Obergeschoss liegende Wohnung bewohne und beabsichtige, diese Wohnung und die Wohnung der Beklagten zusammenzulegen, um zur Beseitigung der bislang beengten Wohnverhältnisse mehr Wohnraum für seine Familie zu schaffen.
Die Beklagten widersprachen der Kündigung und machten unter anderem geltend, der Sohn könne mit seiner Familie alternativ die leer stehende Dachgeschosswohnung nutzen. Jedenfalls könnten sie - die Beklagten - die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund persönlicher Härte verlangen, da der im Jahre 1930 geborene Beklagte zu 1 zahlreiche gesundheitliche Einschränkungen habe und an einer beginnenden Demenz leide, die sich zu verschlimmern drohe, wenn er aus seiner gewohnten Umgebung gerissen würde. Bei einem Verlust der bisherigen Wohnung sei ein Umzug in eine Altenpflegeeinrichtung nicht zu umgehen; insoweit lehne es die noch rüstige Beklagte zu 2 aber ab, sich entweder von ihrem Mann zu trennen oder selbst in ein Altenpflegeheim zu ziehen.
Die von den Erben des bisherigen Vermieters weiterverfolgte Räumungsklage hatte vor dem Amtsgericht Bühl (Urt. v. 16.02.2015, Az. 3 C 403/13) Erfolg. Die gegen das erstinstanzliche Urteil gerichtete Berufung der beklagten Mieter blieb vor dem Landgericht Baden-Baden (Urt. v. 20.11.2015, Az. 2 S 12/15) erfolglos. Nach Auffassung des Berufungsgerichts könnten die Beklagten insbesondere auch eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 574 Abs. 1 BGB* nicht verlangen. Zwar könne das Vorbringen der Beklagten zu den Härtegründen als wahr unterstellt werden. Gleichwohl verdienten diese keinen Vorrang gegenüber den Interessen der Vermieterseite, nicht länger auf unabsehbare Zeit im eigenen Anwesen in beengten, einer Familie mit zwei Kindern nicht angemessenen Wohnverhältnissen leben oder sich auf die Dachgeschosswohnung verweisen lassen zu müssen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klagabweisungsbegehren weiter.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat in seiner heutigen Entscheidung die besondere Bedeutung unterstrichen, die bei der Prüfung von Härtegründen nach § 574 Abs. 1 BGB* der sorgfältigen Sachverhaltsfeststellung und Interessengewichtung zukommt. Insbesondere darf eine (vermeintliche) Wahrunterstellung vorgetragener Härtegründe nicht dazu führen, dass es das Gericht zum Nachteil des Mieters unterlässt, sich ein in die Tiefe gehendes eigenständiges Bild von dessen betroffenen Interessen zu verschaffen.
Nach § 574 Abs. 1 BGB* kann der Mieter einer an sich an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dabei müssen sich die Konsequenzen, die für den Mieter mit einem Umzug verbunden wären, deutlich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten abheben, um als tauglicher Härtegrund in Betracht zu kommen.
Dies hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zwar zutreffend erkannt. Es hat sich dann jedoch darauf beschränkt, den Beklagtenvortrag zu den Härtegründen formal als wahr zu unterstellen und anschließend zu dem Ergebnis zu gelangen, dass diese Härten keinesfalls Vorrang gegenüber den Interessen der Vermieterseite verdienten. Damit hat es das Berufungsgericht unterlassen, sich inhaltlich mit der im Beklagtenvortrag zum Ausdruck gekommenen existenziellen Bedeutung der Beibehaltung der bisherigen Wohnung in der gebotenen Weise auseinanderzusetzen.
Gerade bei drohenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr sind die Gerichte aber verfassungsrechtlich gehalten, ihre Entscheidung auf eine tragfähige Grundlage zu stellen, Beweisangeboten besonders sorgfältig nachzugehen sowie den daraus resultierenden Gefahren bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen hinreichend Rechnung zu tragen. Macht ein Mieter - wie hier - derart schwerwiegende gesundheitliche Auswirkungen eines erzwungenen Wohnungswechsels geltend, müssen sich die Gerichte bei Fehlen eigener Sachkunde mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen für den Mieter mit einem Umzug verbunden sind, insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen erreichen können und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann. Erst dies versetzt die Gerichte in einem solchen Fall in die Lage, die Konsequenzen, die für den Mieter mit dem Umzug verbunden sind, im Rahmen der nach § 574 Abs. 1 BGB* notwendigen Abwägung sachgerecht zu gewichten.
Nachdem die insoweit notwendigen Feststellungen bislang unterblieben sind, hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 574 Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung
(1) 1Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. 2Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.
[…]
Quelle: Pressemittelung des BGH, Nr. 36/2017
Druckansicht weniger Information25.01.2017
Der BGH hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob der Vermieter einer Eigentumswohnung, auch noch nach Ablauf der Jahresfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB* für die Abrechnung über die Betriebskosten eine Nachforderung geltend machen kann, wenn der WEG-Verwalter verspätet abgerechnet hat (Urt. v. 25.01.2017, Az. VIII ZR 249/15).
Die Beklagte war Mieterin einer in einer Wohnungseigentumsanlage gelegenen Wohnung des Klägers, für die sie neben der Nettomiete monatliche Betriebskostenvorauszahlungen zu entrichten hatte. Der Mietvertrag enthielt eine handschriftliche Ergänzung, wonach die Betriebskosten jährlich nach Genehmigung der Abrechnung in der Eigentümerversammlung mit dem Mieter abgerechnet werden. Die Betriebskosten für die Jahre 2010 und 2011 rechnete der Kläger gegenüber der Beklagten erst mit Schreiben vom 7. Dezember 2013 ab, nachdem die Wohnungseigentümergemeinschaft kurz zuvor den Beschluss über die Jahresabrechnungen der Wohnungseigentümer nach § 28 Abs. 5 WEG** gefasst hatte.
Mit seiner Klage hat der Kläger für die jeweiligen Abrechnungszeiträume Nachforderungen geltend gemacht. Die Klage ist in allen Instanzen ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Das Amtsgericht Schwetzingen (Urt. v. 26.11.2014, Az. 4 C 81/14) wie die Klage des Vermieters ab. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landgericht Mannheim (Urt. v. 14.10.2015, Az. 4 S 142/14) erfolglose. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Der unter anderem für das Mietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Vermieter einer Eigentumswohnung grundsätzlich auch dann innerhalb der Jahresfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB* über die Betriebskosten abzurechnen hat, wenn der Beschluss der Wohnungseigentümer über die Jahresabrechnung noch nicht vorliegt. Nur wenn der Vermieter die Verspätung nach § 556 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BGB nicht zu vertreten hat, wofür er darlegungs- und beweisbelastet ist, kann er nach Ablauf der Frist noch eine Nachforderung geltend machen. Eine hiervon abweichende Vereinbarung ist gemäß § 556 Abs. 4 BGB unwirksam.
Nach § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB ist über die Vorauszahlungen für Betriebskosten jährlich abzurechnen. Diese Abrechnungspflicht ist nicht davon abhängig, dass dem Vermieter einer Eigentumswohnung bereits der Beschluss über die Jahresabrechnung der Wohnungseigentumsgemeinschaft vorliegt, die regelmäßig als Grundlage für die Betriebskostenabrechnung gegenüber dem Mieter genutzt wird. Eine solche (ungeschriebene) Voraussetzung ist der Vorschrift nicht zu entnehmen, ergibt sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien oder der Gesetzessystematik und wäre insbesondere mit dem Zweck der Vorschrift, Abrechnungssicherheit für den Mieter und - durch eine zeitnahe Abrechnung der Betriebskosten - rasche Klarheit und Rechtssicherheit über die gegenseitigen Forderungen der Mietvertragsparteien zu schaffen, nicht vereinbar. Zudem würde hierdurch der Mieter einer Eigentumswohnung in einer aus Sachgründen nicht zu rechtfertigenden Weise gegenüber dem Mieter einer sonstigen Wohnung benachteiligt, da er durch das zusätzliche Erfordernis eines Beschlusses der Wohnungseigentümer nach § 28 Abs. 5 WEG dem erhöhten Risiko ausgesetzt wäre, die Betriebskostenabrechnung nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Jahresfrist zu erhalten.
Die Verpflichtung des einzelnen Wohnungseigentümers, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen (§ 16 Abs. 2 WEG), entsteht zwar gegenüber den anderen Eigentümern im Innenverhältnis nicht bereits durch die Entstehung der Kosten und Lasten, sondern erst durch den Beschluss der Wohnungseigentümer gemäß § 28 Abs. 5 WEG. Dieser Beschluss entfaltet jedoch gegenüber einem Dritten, wie hier dem Mieter, keine Bindung. Die Frage des laufenden Entstehens und des Anfallens der Betriebskosten für die vermietete Eigentumswohnung ist damit unabhängig hiervon nach den Grundsätzen des Wohnraummietrechts und dem Inhalt des konkreten Mietverhältnisses zu beurteilen.
Damit kann ein Vermieter einer Eigentumswohnung, wenn die Hausverwaltung die WEG-Abrechnung verspätet erstellt hat, nach Ablauf der Jahresfrist nur dann noch eine Nachforderung geltend machen, wenn er die verspätete Abrechnung über die Vorauszahlungen nicht zu vertreten hat, was er konkret darzulegen hat.
Hieran fehlte es. Zwar muss sich der Kläger ein Verschulden des (früheren) Verwalters der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zurechnen lassen, weil dieser, wie der Senat nunmehr entschieden hat, grundsätzlich - und so auch hier - nicht Erfüllungsgehilfe des Vermieters der Eigentumswohnung hinsichtlich der Erstellung der mietrechtlichen Betriebskostenabrechnung ist. Der Kläger hat jedoch lediglich geltend gemacht, die bis zum 31. Dezember 2012 tätige Hausverwaltung habe die Wohngeldabrechnung der Hauseigentümer für die Jahre 2010 und 2011 nicht ordnungsgemäß erstellt und sei wegen dieser Versäumnisse von der Wohnungseigentümergemeinschaft zum 31. Dezember 2012 abberufen worden. Die neue, ab 1. Januar 2013 tätige Hausverwaltung sei mit Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 20. August 2013 zur Abrechnung der Wohngelder für die Jahre 2010 und 2011 beauftragt worden und habe diese im November 2013 fertiggestellt. Dies genügt nicht. Denn es fehlt jeder Vortrag dazu, was der Kläger selbst veranlasst hat, nachdem für ihn im Laufe des Jahres 2010 erkennbar wurde, dass die bisherige Hausverwaltung die Wohngeldabrechnung, die er als Grundlage für die von ihm selbst erstellte Betriebskostenabrechnung benötigte, nicht rechtzeitig vorlegen würde oder die schließlich erstellte Abrechnung so fehlerhaft war, dass sie sich nicht als Grundlage für die Betriebskostenabrechnung eignete.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 556 Vereinbarungen über Betriebskosten
[…]
(3) 1Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen; […]. 2Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. 3Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten.
Auszug aus dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG)
** § 28 Wirtschaftsplan, Rechnungslegung
[…]
(3) Der Verwalter hat nach Ablauf des Kalenderjahres eine Abrechnung aufzustellen.
[…]
(5) Über den Wirtschaftsplan, die Abrechnung und die Rechnungslegung des Verwalters beschließen die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit.
Quelle: Pressemittelung des BGH, Nr. 11/2017
Druckansicht weniger Information18.01.2017
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob die Ausschreibung eines Gebrauchtwagens im Schengener Informationssystem (SIS) einen den Käufer zum Rücktritt berechtigenden Rechtsmangel (§ 433 Abs. 1 Satz 2*, § 435 Satz 1 BGB**) darstellen kann (Urt. v. 18.01.2017, Az. VIII ZR 234/15).
Beim Schengener Informationssystem handelt es sich um eine umfangreiche Datenbank, die unter anderem Informationen über gestohlene oder vermisste Fahrzeuge enthält. Der Hauptzweck der Datenbank ist — vor dem Hintergrund grundsätzlich weggefallener Grenzkontrollen an den Binnengrenzen — die Sicherstellung eines hohen Maßes an Sicherheit innerhalb der Schengen-Staaten, indem den zuständigen nationalen Behörden, wie Polizei und Grenzschutz, gestattet wird, Ausschreibungen zu Personen und Gegenständen einzugeben und abzufragen.
Der Kläger kaufte vom Beklagten im Jahr 2012 einen gebrauchten Oldtimer Rolls Royce Corniche Cabrio zum Preis von 29.000 €. Beim Versuch des Klägers, das Fahrzeug im Juli 2013 anzumelden, wurde es jedoch polizeilich sichergestellt, weil es im Schengener Informationssystem (SIS) von den französischen Behörden als gestohlen gemeldet und zur Fahndung ausgeschrieben worden war. Nachdem im Zuge der Ermittlungen — die auch gegen den Kläger und den Beklagten wegen des Verdachts der Hehlerei geführt wurden — die Vermutung aufkam, der ehemalige französische Eigentümer könnte den Diebstahl des Fahrzeugs zum Zwecke des Versicherungsbetrugs nur vorgetäuscht haben, wurde das Fahrzeug Ende 2013 von der Polizei freigegeben und vom Kläger zugelassen. Bereits kurz darauf wurden die Ermittlungen allerdings auch gegen die Parteien wiederaufgenommen.
Aufgrund der unverändert fortdauernden SIS-Ausschreibung erklärte der Kläger im Mai 2014 schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte Rückzahlung des Kaufpreises.
Seine entsprechende Klage hatte vor dem Landgericht Ravensburg (Urt. v. 1.12.2014, Az. 6 O 243/14) Erfolg. Die Berufung des Beklagten blieb vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (Urt. v. 30.09.2015, Az. 3 U 192/14) erfolglos. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass bei einem Gebrauchtwagen ein Fahndungseintrag im Schengener Informationssystem (SIS) einen zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigenden Rechtsmangel darstellen kann.
Um seine Leistungspflicht zu erfüllen, hat ein Verkäufer dem Käufer nicht nur Eigentum an der Kaufsache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB*). Er muss weiterhin dafür sorgen, dass sie frei von Rechtsmängeln ist, der Käufer sie also unangefochten und frei von Rechten Dritter wie ein Eigentümer nutzen kann (§ 433 Abs. 1 Satz 2*, § 435 Satz 1**, § 903 Satz 1 BGB***). Insofern ist nicht erst die behördliche Sicherstellung oder Beschlagnahme eines Kraftfahrzeugs, sondern bereits dessen Eintragung in die Fahndungsliste aufgrund einer SIS-Ausschreibung als Rechtsmangel anzusehen. Denn eine solche Eintragung ist für den Käufer mit der konkreten, im gesamten Schengen-Raum bestehenden Gefahr verbunden, dass bei der Zulassung des Fahrzeugs oder einer Halteränderung oder einer polizeilichen Kontrolle die Eintragung festgestellt und ihm das Fahrzeug daraufhin auf unbestimmte Zeit entzogen wird.
Im vorliegenden Fall war dies im Jahr 2013 bereits für die Dauer von einigen Monaten geschehen. Nachdem die SIS-Eintragung weiterhin nicht beseitigt ist, muss der Kläger auch zukünftig im gesamten Schengen-Raum jederzeit mit einer erneuten Beschlagnahme rechnen. Gerade bei einem Entzug im Ausland wäre dies für ihn nicht nur mit einem erneuten zeitweisen Entzug der Nutzungsmöglichkeit, sondern insbesondere auch mit erheblichen Anstrengungen zur Wiedererlangung des Fahrzeugbesitzes verbunden. Weiterhin ist auch die (Weiter-)Verkäuflichkeit eines Pkw durch die Fahndungseintragung stark beeinträchtigt; denn der Kläger wäre redlicherweise gehalten, einen potentiellen Käufer über die SIS-Eintragung aufzuklären.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 433 Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag
(1) 1Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. 2Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
[…]
** § 435 Rechtsmangel
1Die Sache ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. 2Einem Rechtsmangel steht es gleich, wenn im Grundbuch ein Recht eingetragen ist, das nicht besteht.
*** 903 Befugnisse des Eigentümers
1Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. […]
Quelle: Pressemittelung des BGH, Nr. 6/2017
Druckansicht weniger Information11.01.2017
Das Landgericht Düsseldorf bestätigt das bereits durch Einstweilige Verfügung vom 29.07.2015 ergangene Verbot gegen die Vodafone GmbH, ihren Kunden Rücklastschriftpauschalen i.H.v. 5,00 € oder höher und Mahnpauschalen i.H.v. 3,00 € oder höher zu berechnen (Urt. v. 11.01.2017, Az. 12 O 374/15).
Die Beklagte, die Vodafone GmbH, stellte ihren Kunden im Falle einer Rücklastschrift seit April 2015 eine Pauschale von 5,00 € und im Falle einer Mahnung eine Pauschale i.H.v. 3,00 € in Rechnung. In den AGB und Preislisten der Beklagten fanden sich Regelungen über entsprechende Pauschalen zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht. Der Kläger, der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V., mahnte die Beklagte wegen dieser Praktik erfolglos ab und nahm sie sodann gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch.
Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, ihren Kunden die Pauschalen in der geschehenen Weise in Rechnung zu stellen. Die Praktik der Beklagten stelle eine Umgehung des AGB-Rechts nach § 306a BGB* dar. Wenn die Beklagte die Pauschalen in ihren AGB bzw. Preislisten ausweisen würde, wären entsprechende Klauseln gem. § 309 Nr. 5a BGB** unwirksam. Die Höhe der Rücklastschriftpauschale von 5,00 € liege über dem gewöhnlichen Schaden im Falle einer Rücklastschrift, den die Beklagte pauschal allenfalls ersetzt verlangen dürfe. Ebenso sei der Betrag von 3,00 € für Mahnungen überhöht. Wenn die Beklagte die Pauschalen in AGB nicht wirksam vereinbaren kann, sei die systematische Inrechnungstellung der entsprechenden Beträge ohne AGB-Klauseln als Umgehung des AGB-Rechts gem. § 306a BGB aber ebenso unzulässig und daher zu unterlassen. Außerdem verstoße die Praktik auch gegen § 309 Nr. 5b BGB**, weil die Beklagte ihren Kunden in den Rechnungen nicht ausdrücklich die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Schadens einräume.
Der Kläger beantragte beim Landgericht Düsseldorf zunächst den Erlass einer einstweiligen Untersagungsverfügung. Im Laufe des Verfügungsverfahrens änderte die Beklagte ihre Preislisten und nahm die Rücklastschrift- und Mahnpauschalen i.H.v. 5,00 € und 3,00 € am 01.07.2015 in ihre Preislisten auf. Der Kläger erweiterte daraufhin seinen Antrag auf die Unterlassung auch der Verwendung dieser Klauseln, weil diese gegen § 309 Nr. 5a BGB** verstießen. Mit Urteil vom 29.07.2015, Az. 12 O 195/15 untersagte das Landgericht der Beklagten antragsgemäß die Fortsetzung der beanstandeten Umgehungspraktik und die Verwendung der Pauschalierungsklauseln.
Die Beklagte erkannte die Entscheidung im Verfügungsverfahren jedoch nicht als endgültige Regelung des Rechtsstreits an und zwang den Kläger dadurch zur Erhebung der Hauptsacheklage. Mit dem vorliegenden Hauptsacheurteil vom 11.01.2017 bestägtigt das Landgericht Düsseldorf seine Entscheidung aus dem Jahre 2015.
Mit der systematischen Inrechnungstellung eines Pauschalbetrages i.H.v. 5,00 € für eine Rücklastschrift und eines Pauschalbetrages i.H.v. 3,00 € für eine Mahnung verstößt die Beklagte gegen das Umgehungsverbot des § 306a BGB. Danach finden die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen auch dann Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Eine solche anderweitige Gestaltung liege hier vor. Die Beklagte habe nicht hinreichend bestritten, die Pauschalen ihren Kunden systematisch in Rechnung zu stellen, so dass anhand der äußeren Umstände von der systematischen Inrechnungstellung auszugehen ist. Das ergibt sich nach Auffassung des Landgerichts insbesondere auch daraus, dass die Beklagte die Beträge genau in der beanstandeten Höhe am 01.07.2015 schließlich in ihre Preislisten aufgenommen hat. Die bis 30.06.2015 verfolgte Praktik stellt eine Umgehung des AGB-Rechts i.S.d. § 306a BGB dar. In AGB könnten die Pauschalen in der streitgegenständlichen Höhe nicht wirksam vereinbart werden, weil sie überhöht sind. Entsprechende Klauseln in AGB wären daher gem. § 309 Nr. 5a BGB unwirksam. Zudem verstößt die Praktik nach Auffassung des Landgerichts auch gegen § 309 Nr. 5b BGB i.V.m. § 306a BGB, weil die Beklagte ihren Kunden Pauschalen in Rechnung stellt, ohne ihnen den Nachweis eines geringeren Schadens einzuräumen.
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Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 306a Umgehungsverbot
Die Vorschriften dieses Abschnitts finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden.
** § 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
5. | (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
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a) | die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder | |
b) | dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale; |
Quelle: Urteilsabdruck
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