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21.12.2017

Versicherer darf Umwandlung von "kleinen" Lebensversicherungsverträgen in pfändungsgeschützte Rentenversicherungsverträge nicht ablehnen

Das Landgericht Hannover hat auf die Klage des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. heute entschieden, dass der gesetzliche Anspruch des Versicherten auf Umwandlung eines bestehenden Lebensversicherungsvertrages in einen pfändungsgeschützten Rentenversicherungsvertrag nicht davon abhängt, ob die Höhe der sich ergebenden Monatsrente einen bestimmten Mindestbetrag überschreitet (Urt. v. 21.12.2017, Az. 74 O 54/17).

Zum Sachverhalt:

Herr A. ist Kunde der beklagten Provinzial Lebensversicherung Hannover, bei der er einen Lebenversicherungsvertrag mit einem jährlichen Beitrag von 31,75 € und einer prognostizierten Ablaufleistung von 2.342,01 € im Jahr 2030 abgeschlossen hat. Nachdem Herrn A. wegen privater Schulden die Zwangsvollstreckung drohte, beantragte er bei der Beklagten, seinen Lebenversicherungsvertrag in eine pfändungsgeschützte Lebensversicherung nach § 851c Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)* umzuwandeln. Die Beklagte lehnte den Antrag zuletzt mit der Begründung ab, dass die sich im Falle einer Vertragsumwandlung ergebende Rentenleistung eine bestimmte Mindesthöhe nicht ereichen würde. Für derartige "Kleinstverträge" biete sie kein Rentenversicherungsmodell an, weshalb sie den Lebenversicherungsvertrag nicht in einen Rentenversicherungsvertrag umwandeln könne.

Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. mahnte die Beklagte wegen der Weigerung, "kleine" Lebenversicherungsverträge in pfändungsgeschützte Lebensversicherungsverträge umzuwandeln, erfolglos ab und beantragte sodann den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung. Mit Beschluss vom 10.05.2017 untersagte das LG Hannover der Beklagten, Anträge von Verbrauchern auf Umwandlung eines bestehenden Lebensversicherungsvertrages in einen den Anforderungen des § 851c ZPO genügenden Rentenversicherungsvertrag mit der Begründung abzulehnen, dass die sich für den neuen Vertrag ergebende Rentenleistung zu niedrig sei oder aus sonstigen Gründen auf den neuen Vertrag kein Rentenversicherungsvertragsmodell der Verfügungsbeklagten passe. Der Widerspruch der Beklagten blieb erfolglos.

Auf Betreiben der Beklagten ordnete das LG Hannover an, dass der Kläger zur Aufrechterhaltung der Verfügung unmittelbar Hauptsacheklage erheben muss. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren verfolgt der Kläger den Unterlassungsanspruch weiter und beantragt, die Beklagte wie im Verfügungsverfahren erkannt zu verurteilen. Er machte geltend, dass die Weigerung der Beklagten eine wettbewerbswidrige Handlung nach §§ 3, 3a UWG sei. Der Versicherte habe aus § 167 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)** einen gesetzlichen Anspruch auf Umwandlung eines bestehenden Lebenversicherungsvertrages in einen pfändungsgeschützte Lebensversicherungsvertrag, der nicht von einer bestimmten Versicherungssumme abhänge. Die Beklagte müsse erforderlichenfalls ein geeignetes Vertragsmodell schaffen.

Die Beklagte ist jedoch der Auffassung, die in § 167 VVG enthaltene gesetzliche Regelung sei auf Kapitallebensversicherungsverträge nicht anzuwenden, deren laufende Leistung 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des 4. Buches des Sozialgesetzbuches nicht übersteige (Stand 2017: 29,75 € monatlich). Die Anwendung der gesetzlichen Regelung auf derartige Verträge widerspreche der Gesetzesbegründung, weshalb systematische und teleologische Gründe dafür sprächen, entsprechende Verträge aus dem Anwendungsbereich des § 167 WG herauszunehmen. Ferner verfüge sie nicht über entsprechende Vertragsmodelle.

Verfahrensgang:

Auf Antrag des Klägers hat das LG Hannover der Beklagten die streitgegenständliche Praktik bereits per einstweiliger Verfügung (Beschl. v. 10.05.2017, Az. 74 27/17) untersagt. Den gegen die Verfügung gerichteten Widerspruch hat das LG Hannover zurückgewiesen (Urt. v. 14.08.2017, Az. 74 27/17). Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil im Verfügungsverfahren ist noch beim OLG Celle anhängig.

Im vorliegenden Hauptsachverfahren hat das LG Hannover am 21.12.2017 in erster Instanz entschieden. Die Beklagte kann noch Berufung einlegen.

Die Entscheidung des LG Hannover:

Das LG Hannover bestätigte auch im Hauptsachverfahren die Rechtsansicht des Klägers.

Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 12 Abs. 2 UWG verlangen, dass sie es unterlässt, die Umwandlung von Lebensversicherungen gem. §§ 167 WG, 851 c ZPO mit der Begründung abzulehnen, die sich für den neuen Vertrag ergebende Rentenleistung sei zu niedrig oder sie besitze kein Rentenversicherungsmodell für die entsprechenden Verträge.

Die Ablehnung der Umwandlung von Lebensversicherungen mit nur geringer Versicherungssumme durch die Beklagte stellt einen Rechtsverstoß i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 3 a UWG dar.

§ 167 WG sieht vor, dass Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine Versicherung verlangen können, die den Anforderungen des § 851 c Abs. 1 ZPO der Zivilprozessordnung entspricht. Die Kosten der Umwandlung hat der Versicherungsnehmer zu tragen. Die Regelung enthält keine wie auch immer geartete Beschränkung auf bestimmt Vertragsarten oder Mindestversicherungssummen. Sie ist nach ihrem Wortlaut auf sämtliche Lebensversicherungen anwendbar.

Es handelt sich hier um eine verbraucherschützende, das Marktverhalten regelnde Bestimmung i.S.d. § 3 a UWG. Die Verfügungsbeklagte begeht einen Rechtsbruch, in dem sie sich entgegen der Bestimmung weigert, diese auf alle Versicherungsverträge anzuwenden. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die für steuerlich geförderte und versicherungsrechtlich besonders geschützte Altersvorsorgeverträge vorgesehenen Sonderregelungen, die für laufende Leistungen unterhalb von 1 % der Bezugsgröße greifen, nicht auf Lebensversicherungen übertragbar.

Der Gesetzgeber hat eine Anwendung der Sondervorschriften auch auf Lebensversicherungen nicht vorgesehen. Eine solche ist auch nicht sachgerecht. Eine analoge Anwendung erscheint nicht geboten, weil es um unterschiedliche Sach- und Interessenlagen geht. Bei Riesterrenten und betrieblichen Altersversorgungen sind zwar Verwaltungs- und Aufwandserleichterungen sowie Ausnahmen von Abfindungsverbot vorgesehen (vgl. beispielhaft § 3 Abs. 2 und 3 BetrAVG), nicht aber in § 167 VVG für Lebensversicherungen. Die Regelung des § 167 WG zielt gerade auf die Herbeiführung des Pfändungsschutzes nach § 851 c Abs. 2 ZPO ab, den die anderen, o.g. Rentenansprüche bereits besitzen, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel auch Riesterrenten (vgl. BGH Urt. vom 16.11.2017, IX ZR 21/17). Würde die Anwendung des § 167 VVG eingeschränkt, blieben die betreffenden Verträge hingegen grundsätzlich pfändbar und müssten z.B. im Falle einer Verbraucherinsolvenz eingebracht werden. Dies zu verhindern ist aber gerade die Intention der gesetzlichen Regelung. Der Schutz vor möglichen Pfändungsmaßnahmen ist unabhängig von Kosten und Praktikabilitätserwägungen auch bei kleinen Beträgen, die z.B. mit anderen Verträgen zusammen in die Nähe der Pfändungsfreigrenzen rücken können, von Bedeutung für die Betroffenen, für die sie zum Beispiel neben anderen Formen der Alterssicherung den Lebensunterhalt im Alter auch durch verhältnismäßig geringe Beträge sichern können. § 167 WG sieht keine Einschränkungen vor, die unterhalb bestimmter Versicherungssummen eine Umwandlung ausschließen und ist daher uneingeschränkt anwendbar (vgl. Brambach in Hofer-Halber-Schimikowski, VVG, 3. Aufl. 2015, § 167 Rn. 11). Im Übrigen sind die Versicherer hinsichtlich der entstehenden Kosten nicht schutzbedürftig, da diese nach der gesetzlichen Regelung der Verbraucher zu tragen hat.

Die Beklagte wird daher der gesetzlichen Regelung entsprechende Vertragsmodelle künftig entwickeln und bei Nachfrage einrichten müssen. Sie kann sich der klaren gesetzlichen Regelung nicht dadurch entziehen, dass sie keine passenden, dem Gesetz entsprechenden Vertragsmodelle vorhält.

Rat und Tat für Sie:

Verbrauchern, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten, droht auch der Verlust der Vermögenswerte, die sie in einer Lebensversicherung angespart haben. Anderns als bestimmte Rentenversicherungen unterliegen Lebensversicherungen nämlich in der Regel der Pfändung durch die Gläubiger des Versicherten. Dies kann für die Betroffenen besonders schmerzlich sein, wenn die Lebensversicherung nicht nur der Risikoabsicherung, sondern im Erlebensfall auch der Altersvorsorge dienen sollte. Mit § 167 VVG** hat der Gesetzgeber jedoch die Möglichkeit geschaffen, Lebensversicherungsverträge nachträglich in pfändungsgeschützte Rentenversicherungsverträge umzuwandeln. Damit erhalten Versicherte die Möglichkeit, bestehende Lebensversicherungsverträge zugunsten der Altersvorsorge in bestimmtem Umfang (vgl. § 851c Abs. 2 ZPO*) dem Gläubigerzugriff zu entziehen. Dazu muss der Versicherte einen entsprechenden Umwandlungsantrag bei seiner Versicherung einreichen.

Die Umwandlung von Lebensversicherungsverträgen mit vergleichweise niedrigem Wert ist für die Versicherer wirtschaftlich jedoch häufig nicht attraktiv, obwohl sie die unmittelbaren Kosten der Umwandlung nach § 167 Satz 2 VVG** vom Versicherten ersetzt verlangen können. Aus diesem Grund sträuben sich einige Versicherer, wie vorliegend die Provinzial Lebensversicherung Hannover, Kleinstversicherungsverträge in Rentenversicherungsverträge umzuwandeln. Der Gesetzgeber hat den Umwandlungsanspruch in § 167 VVG jedoch nicht von einer Mindestversicherungshöhe abhängig gemacht. Daher ist die Weigerungshaltung der Provinzial Lebensversicherung Hannover nach Auffassung des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. rechtswidrig. Das LG Hannover hat diese Auffassung erstinstanzlich nun auch im Hauptsachverfahren bestätigt.

Wenn auch Ihnen der Verlust eines Lebensversicherungsvertrags durch die Pfändung eines Gläubigers droht, sollten Sie prüfen, ob die Umwandlung des Vertrages in einen pfändungsgeschützten Rentenversicherungsvertrag in Betracht kommt und ggf. schnellstmöglich einen entsprechenden Antrag bei Ihrem Versicherer stellen. Weigert sich auch Ihr Versicherer einen Lebensversicherungsvertrag umzuwandeln? Gern stehen wir Ihnen mit unseren Beratungsangeboten zur Seite.


Auszug aus der Zivilprozessordnung (ZPO)

* § 851c Pfändungsschutz bei Altersrenten
(1) Ansprüche auf Leistungen, die auf Grund von Verträgen gewährt werden, dürfen nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden, wenn

  1. die Leistung in regelmäßigen Zeitabständen lebenslang und nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder nur bei Eintritt der Berufsunfähigkeit gewährt wird,
  2. über die Ansprüche aus dem Vertrag nicht verfügt werden darf,
  3. die Bestimmung von Dritten mit Ausnahme von Hinterbliebenen als Berechtigte ausgeschlossen ist und
  4. die Zahlung einer Kapitalleistung, ausgenommen eine Zahlung für den Todesfall, nicht vereinbart wurde.

(2) 1Um dem Schuldner den Aufbau einer angemessenen Alterssicherung zu ermöglichen, kann er unter Berücksichtigung der Entwicklung auf dem Kapitalmarkt, des Sterblichkeitsrisikos und der Höhe der Pfändungsfreigrenze, nach seinem Lebensalter gestaffelt, jährlich einen bestimmten Betrag unpfändbar auf der Grundlage eines in Absatz 1 bezeichneten Vertrags bis zu einer Gesamtsumme von 256 000 Euro ansammeln. 2Der Schuldner darf vom 18. bis zum vollendeten 29. Lebensjahr 2 000 Euro, vom 30. bis zum vollendeten 39. Lebensjahr 4 000 Euro, vom 40. bis zum vollendeten 47. Lebensjahr 4 500 Euro, vom 48. bis zum vollendeten 53. Lebensjahr 6 000 Euro, vom 54. bis zum vollendeten 59. Lebensjahr 8 000 Euro und vom 60. bis zum vollendeten 67. Lebensjahr 9 000 Euro jährlich ansammeln. 3Übersteigt der Rückkaufwert der Alterssicherung den unpfändbaren Betrag, sind drei Zehntel des überschießenden Betrags unpfändbar. 4Satz 3 gilt nicht für den Teil des Rückkaufwerts, der den dreifachen Wert des in Satz 1 genannten Betrags übersteigt.
(3)…


Auszug aus dem Versicherungsevrtragsgesetz (VVG)

** § 167 Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes
1Der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung kann jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine Versicherung verlangen, die den Anforderungen des § 851c Abs. 1 der Zivilprozessordnung entspricht. 2Die Kosten der Umwandlung hat der Versicherungsnehmer zu tragen.


Quelle: Urteilsabdruck

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