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01.07.2014

Kein Anspruch auf Auskunft über Anmeldedaten gegen den Betreiber eines Internetportals

Der für das Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte darüber zu befinden, ob der in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzte von dem Betreiber eines Internetportals Auskunft über die bei ihm hinterlegten Anmeldedaten des Verletzers beanspruchen kann (Urt. v. 01.07.2014, Az. VI ZR 345/13).

Zum Sachverhalt:

Der Kläger, ein frei praktizierender Arzt, machte einen Auskunftsanspruch gegen die Beklagte geltend. Diese ist Betreiberin eines Internetportals, das Bewertungen von Ärzten ermöglicht.

Im November 2011 entdeckte der Kläger auf der Internetseite der Beklagten eine Bewertung, in der über ihn verschiedene unwahre Behauptungen aufgestellt wurden. Im Juni 2012 wurden weitere, den Kläger betreffende Bewertungen mit unwahren Tatsachenbehauptungen veröffentlicht. Auf sein Verlangen hin wurden die Bewertungen jeweils von der Beklagten gelöscht. Am 4. Juli 2012 erschien (jedenfalls) bis November 2012 erneut eine Bewertung mit den von dem Kläger bereits beanstandeten Inhalten.

Verfahrensgang:

Das Landgericht Stuttgart (Urt. v. 11.01.2013, Az. 11 O 172/12) hat die Beklagte zur Unterlassung der Verbreitung der vom Kläger beanstandeten Behauptungen und zur Auskunft über Name und Anschrift des Verfassers der Bewertung vom 4. Juli 2012 verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht Stuttgart (Urt. v. 26.06.2013, Az. 4 U 28/13) hat einen Auskunftsanspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen der bei ihr hinterlegten Anmeldedaten des Verletzers gemäß §§ 242, 259, 260 BGB bejaht. § 13 Abs. 6 S. 1 TMG*, wonach ein Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist, schließe den allgemeinen Auskunftsanspruch nicht aus.

Mit der vom Oberlandesgericht beschränkt auf den Auskunftsanspruch zugelassenen Revision zum BGH verfolgte die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage – im Umfang der Zulassung – weiter. Die Revision hatte Erfolg. Der BGH hat die Klage auf Auskunftserteilung abgewiesen.

Die Entscheidung des BGH:

Der Betreiber eines Internetportals ist in Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG** grundsätzlich nicht befugt, ohne Einwilligung des Nutzers dessen personenbezogene Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln.

Nach dem Gebot der engen Zweckbindung des § 12 Abs. 2 TMG dürfen für die Bereitstellung von Telemedien erhobene personenbezogene Daten für andere Zwecke nur verwendet werden, soweit eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Nutzer – was hier nicht in Rede stand – eingewilligt hat. Ein Verwenden im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG stellt auch eine Übermittlung an Dritte dar. Eine Erlaubnis durch Rechtsvorschrift kommt außerhalb des Telemediengesetzes nach dem Gesetzeswortlaut lediglich dann in Betracht, wenn sich eine solche Vorschrift ausdrücklich auf Telemedien bezieht. Eine solche Vorschrift hat der Gesetzgeber bisher – bewusst – nicht geschaffen.

Dem durch persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte einer Internetseite Betroffenen kann allerdings ein Unterlassungsanspruch gegen den Diensteanbieter zustehen (vgl. Senatsurteil v. 25.10.2011, Az. VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219), den das Oberlandesgericht im Streitfall auch bejaht hat. Darüber hinaus darf der Diensteanbieter nach § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 5 Satz 4 Telemediengesetz (TMG) auf Anordnung der zuständigen Stellen im Einzelfall Auskunft über Bestands-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten erteilen, soweit dies u. a. für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist.

Die Fazit:

Die Entscheidung ist begrüßenswert, soweit sie hervorhebt, dass die persönlichen Daten der Nutzer einer Internetplattform einen besonderen gesetzlichen Schutz genießen und ohne Einverständnis des Nutzers nur auf gesetzlicher Grundlage an Dritte weiter gegeben werden dürfen. Auf der anderen Seite offenbart die Entscheidung aber auch, dass diese – für Verbraucher grundsätzlich positive – Rechtslage einen Freibrief für anonyme Beleidigungen und Verleumdungen aller Art bietet. Wer im Schutz der Anonymität des Internets derartige "Nachrichten" über Dritte verbreitet, muss mit der zivilrechtlichen Inanspruchnahme durch den Betroffenen kaum rechnen.

Dennoch sind Betroffene nicht ganz schutzlos. Sie haben, das stellt der BGH klar, einen Unterlassungs- und Beseitigunganspruch gegen den Betreiber der Internetplattform. Dieser muss entsprechende Beiträge auf Anfforderung des Betroffenen entfernen und sicherstellen, dass sich vergleichbare Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht wiederholen. Ggf. muss der Betreiber den entsprechenden Nutzer von der Internetplattform ausschließen. Ein Hintertürchen, durch das Betroffene in bestimmten Fällen mittelbar doch noch an die Nutzerdaten kommen können, spricht der BGH zudem ausdrücklich an: Den Strafverfolgungsbehörden müssen die Betreiber der Internetplattformen sehr wohl Aukunft über die Identität ihrer Nutzer geben. Sind die Daten des Nutzers jedoch erst einmal in einer Ermittlungsakte, kann sie der Geschädigte meist über ein Akteneinsichtsrecht erhalten.

Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. empfiehlt daher denjenigen, die auf Internetplattformen beleidigt oder sogar verleumdet werden, sich zunächst an den Betreiber der Internetplattform zu wenden und die Löschung der entsprechenden Beiträge zu verlangen. Darüber hinaus sollten Geschädigte Strafanzeige zur Polizei oder zur Staatsanwaltschaft erstatten. Die Strafverfolgungsbehörden prüfen dann den Sachverhalt. Wenn sie den Anfangsverdacht der Begehung einer Straftat (hier also vor allem der Beleidung***, der Üblen Nachrede**** oder der Verleumdung*****) für gegeben halten, werden sie ein Ermittlungsverfahren einleiten und die Identität des Nutzers der Internetplattform ermitteln. Sodann können Geschädigte zumeist ein Akteneinsichtsrecht geltend machen und auf diese Weise letztlich doch die Identität des Nutzers in Erfahrung bringen, um diese Nutzer dann je nach Lage des Falles zivilrechtlich auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.


Auszug aus dem Telemediengesetz (TMG)

** § 12 Grundsätze

(2) Der Diensteanbieter darf für die Bereitstellung von Telemedien erhobene personenbezogene Daten für andere Zwecke nur verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.


* § 13 Pflichten des Diensteanbieters

(6) 1Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. 2Der Nutzer ist über diese Möglichkeit zu informieren.

Auszug aus dem Strafgesetzbuch (StGB)

*** § 185 Beleidigung
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

**** § 186 Üble Nachrede
Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

***** § 187 Verleumdung
Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.


Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 102/2014

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