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04.05.2023

Bundesgerichtshof (BGH) zur Endgerätewahlfreiheit bei einem Mobilfunkvertrag mit Internetnutzung

Der BGH hat entschieden, dass in einem Mobilfunkvertrag die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Telekommunikationsunternehmens unwirksam ist, mit der der Gebrauch des Internetzugangs auf Endgeräte beschränkt wird, die eine mobile Nutzung unabhängig von einem permanenten kabelgebundenen Stromanschluss ermöglichen (Urt. v. 04.05.2023, Az. III ZR 88/22).

Sachverhalt

Der Kläger ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen. Das beklagte Telekommunikationsunternehmen verwendet in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Mobilfunkverträge mit Internetnutzung u.a. die folgende Bestimmung:

"Der mobile Internetzugang kann/darf nur mit Smartphones, Tablets oder sonstigen Geräten genutzt werden, die eine mobile Nutzung unabhängig von einem permanenten kabelgebundenen Stromanschluss ermöglichen (nicht z.B. in stationären LTE-Routern)."

Der Kläger nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, es zu unterlassen, in Bezug auf Telekommunikationsverträge mit Verbrauchern diese oder eine inhaltsgleiche Klausel zu verwenden.

Verfahrensgang:

Das Landgericht München I (Urt. v. 28.01.2021, Az. 12 O 6343/20) hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht München (Urt. v. 17.02.2022, Az. 29 U 747/21) hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Entscheidung des BGH:

Der III. Zivilsenat des BGH hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die von der Beklagten verwendete Klausel hält einer Inhaltskontrolle nicht stand. Sie verstößt gegen die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten sowie der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union normierte Endgerätewahlfreiheit und ist daher gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Die gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV in allen ihren Teilen verbindliche und in jedem Mitgliedstaat unmittelbar geltende Verordnung (EU) 2015/2120 bestimmt in ihrem Art. 3 Abs. 1, dass Endnutzer eines Internetzugangsdienstes das Recht haben, den Internetzugang mit Endgeräten ihrer Wahl zu nutzen. Der Umfang dieser Endgerätewahlfreiheit richtet sich nicht danach, ob dem Internetzugangsdienst ein Mobilfunkvertrag, ein Festnetzvertrag oder ein anderer Vertragstyp zugrunde liegt. Anknüpfungspunkt für die Endgerätewahlfreiheit ist der Internetzugangsdienst und damit unabhängig von der verwendeten Netztechnologie und den verwendeten Endgeräten der durch den Dienst bereitgestellte Zugang zum Internet. Bei der Nutzung dieses Zugangs kann der Endnutzer grundsätzlich frei unter den zur Verfügung stehenden Endgeräten wählen.

Die Endgerätewahlfreiheit kann nicht wirksam abbedungen werden. Eine Regelung im Sinne der von der Beklagten verwendeten Klausel, die die Nutzung bestimmter Endgeräte ausschließt, obwohl sie technisch zur Herstellung einer Internetverbindung über das Mobilfunknetz geeignet sind, ist daher unwirksam.


Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

§ 307 Inhaltskontrolle
(1) ¹Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. ²Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
  1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
  2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
[…]


Auszug aus der Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten sowie der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union (Text von Bedeutung für den EWR)

Artikel 3 Gewährleistung des Zugangs zum offenen Internet
(1)Endnutzer haben das Recht, über ihren Internetzugangsdienst, unabhängig vom Standort des Endnutzers oder des Anbieters und unabhängig von Standort, Ursprung oder Bestimmungsort der Informationen, Inhalte, Anwendungen oder Dienste, Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten, Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen und Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen.
[…]


Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 077/2023 vom 04.05.2023

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