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17.11.2021

Verjährung von Rückforderungsansprüchen nach einer Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über einen Fall entschieden, in dem der Versicherungsnehmer erhöhte Krankenversicherungsbeiträge zurückverlangte, die er seit dem Jahr 2008 aufgrund seiner Ansicht nach unwirksamer Prämienanpassungen gezahlt hatte. Der Senat hat in diesem Fall einen möglichen Anspruch auf Rückzahlung der bis zum 31. Dezember 2014 gezahlten Erhöhungsbeträge als verjährt angesehen (Urt. v. 17.11.2021, Az. IV ZR 113/20).

Sachverhalt:

Der Kläger wandte sich gegen mehrere Beitragserhöhungen in den Jahren 2008, 2009, 2013 und 2016, die sein privater Krankenversicherer vorgenommen hatte. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beitragserhöhungen wegen unzureichender Begründungen im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG unwirksam seien; er forderte mit seiner im Jahr 2018 erhobenen Klage zuletzt u.a. die Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2017 gezahlten Prämienanteile.

Verfahrensgang:

Das Landgericht Köln (Urt. v. 14.11.2018, Az. 23 O 216/18) hat seiner Klage stattgegeben und den beklagten Versicherer u.a. antragsgemäß zur Rückzahlung der gezahlten Erhöhungsbeträge verurteilt. Das Oberlandesgericht Köln (Urt. v. 21.04.2020, Az. 9 U 174/18) hat dies teilweise abgeändert und die Beklagte u.a. nur zur Rückzahlung der vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2017 geleisteten Erhöhungsbeträge verurteilt. Nach Auffassung des Berufungsgerichts seien weitere Beitragszahlungen, die bis Ende 2014 erfolgt seien, nicht zurückzuerstatten, da insoweit Verjährung eingetreten sei.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Auch die Beklagte hat Revision eingelegt.

Die Entscheidung des BGH:

Der u.a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung aufgrund einer den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG nicht genügenden Begründung geltend gemacht wird, jedenfalls dann nicht wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage bis zur Klärung durch den Bundesgerichtshof unzumutbar war, wenn der Versicherungsnehmer gleichwohl bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend macht und dadurch selbst zu erkennen gibt, vom Bestehen des Anspruchs auszugehen. Der Beginn der Verjährungsfrist für Ansprüche auf Rückzahlung erhöhter Beiträge war daher nicht bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinausgeschoben. Der IV. Zivilsenat hatte mit Urteil vom 16. Dezember 2020 (IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56, Pressemitteilung Nr. 161/2020) über die Anforderungen an die Begründung einer Prämienanpassung entschieden.

Der Kläger erlangte die für den Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes für die Zahlung der Erhöhungsbeträge mit Erhalt der seiner Ansicht nach formal unzureichenden Änderungsmitteilungen. Dagegen ist es für den Beginn der Verjährungsfrist ohne Bedeutung, ob er mit dem Zugang der Änderungsmitteilungen auch Kenntnis von den Tatsachen hatte, aus denen die von ihm ebenfalls geltend gemachte materielle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen folgen könnte. Eine erneute Kenntnisnahme vom Fehlen desselben Rechtsgrundes aus weiteren Gründen setzt keine neue Verjährungsfrist in Gang.

Das Berufungsgericht hat daher zu Recht die Rückzahlungsansprüche für die bis zum 31. Dezember 2014 geleisteten Erhöhungsbeträge für verjährt gehalten. Während die Revision des Klägers deswegen insgesamt zurückgewiesen wurde, hatte die Revision der Beklagten zu nicht die Verjährung betreffenden Fragen teilweise Erfolg und führte insoweit zur Abänderung des Berufungsurteils. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit es die materielle Rechtmäßigkeit der Prämienanpassungen aus den Jahren 2008, 2009 und 2013 im Hinblick auf die in nicht verjährter Zeit gezahlten Erhöhungsbeträge prüfen kann.

Rat und Tat für Sie:

Bereits mit den Urteilen vom 16.12.2020 hat der BGH entschieden, dass Prämienerhöhungen einer privaten Krankenversicherung unwirksam sind, wenn die Krankenversicherung die Prämienerhöhung nicht ordnungsgemäß begründet hat. Betroffene Versicherte können zuviel gezahlte Beträge zurückfordern. Wir hatten im Dezember 2020 schon in einer News-Mitteilung über die Entscheidungen berichtet. Schon damals hatten wir darauf hingewiesen, dass Eile geboten ist, weil wir der Auffassung waren, dass die Rückforderungsansprüche der regelmäßigen Verjährung unterliegen und deshab nur binnen drei Jahren zum Jahresende zurückgefordert werden können. Unsere Befürchtung hat sich durch die Entscheidung des BGH nun bestätigt.

Damit ist zum Jahresende 2021 erneut Eile geboten, denn Ansprüche auf Erstattung im Jahr 2018 gezahlter Beiträge verjähren mit Ablauf des 31.12.2021. Wenn Sie noch Rückforderungsansprüche aus dem Jahr 2018 geltend machen wollen, ist es daher notwendig, bis spätetens zum 31.12.2021 eine verjährungshemmende Maßnahme zu ergreifen, z.B. einen gerichtlichen Mahnbescheid zu beantragen. Anderfalls kann sich Ihr Versicherer auf Verjährung berufen und muss Ihnen überzahlte Beträge aus dem Jahr 2018 nicht mehr zurückzahlen.

Haben Sie Fragen zur Prämienerhöhung Ihrer Krankenversicherung? In unserem Online-Rechtsberatungsforum beraten wir Sie gern.


Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

§ 195 Regelmäßige Verjährungsfrist
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

§ 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
  1. der Anspruch entstanden ist und
  2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.


Auszug aus dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

§ 203 Tarifwechsel

(2) ¹Ist bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat. …

(5) Die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach den Absätzen 2 und 3 werden zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.


Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 214/2021 vom 17.11.2021

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