27.04.2021
Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam sind, die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen fingieren (Urt. v. 27.04.2021, Az. XI ZR 26/20).
Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, der als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen ist. Die beklagte Bank verwendet in ihrem Geschäftsverkehr mit Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Klauseln enthalten, die im Wesentlichen den Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken und Nr. 2 Abs. 1 bis 3 AGB-Sparkassen bzw. den Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken und Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen entsprechen. Danach werden Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung weist ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hin. Der Kunde hat die Möglichkeit der Kündigung.
Der Kläger hält die Klauseln für unwirksam. Er begehrt mit seiner Klage, der Beklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln aufzugeben, es zu unterlassen, die Klauseln in Verträge mit Verbrauchern einzubeziehen und sich auf die Klauseln zu berufen.
Das Landgericht Köln (Urt. v. 12.06.2018, Az. 21 O 351/17) hat die Klage, mit der der Kläger in erster Instanz außerdem noch die Erstattung von Abmahnkosten nebst Rechtshängigkeitszinsen verlangt hat, abgewiesen. Das Oberlandesgericht Köln (Urt. v. 19.12.2019, Az. 12 U 87/18) hat die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren mit Ausnahme seines Zahlungsantrags weiterverfolgt hat, zurückgewiesen.
Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH hat auf die Rechtsmittel des Klägers das Berufungsurteil aufgehoben und die beklagte Bank nach Maßgabe der in zweiter Instanz gestellten Anträge verurteilt.
Die Klauseln unterliegen vollumfänglich der AGB-Kontrolle. Das gilt auch, soweit sie Zahlungsdiensterahmenverträge erfassen. § 675g BGB sperrt die Anwendung der §§ 307 ff. BGB nicht. Das folgt aus dem Unionsrecht (vgl. EuGH, Urt. v. 11.11.2020, Az. C-287/19 ("DenizBank"), WM 2020, S. 2218), dessen Umsetzung § 675g BGB dient und der in diesem Sinne unionsrechtskonform auszulegen ist.
Die Klauseln, die so auszulegen sind, dass sie sämtliche im Rahmen der Geschäftsverbindung geschlossenen Verträge der Beklagten mit ihren Kunden wie etwa auch das Wertpapiergeschäft und den Sparverkehr betreffen, halten der eröffneten AGB-Kontrolle nicht stand.
Nr. 1 (2) der AGB der Beklagten betrifft alle Änderungen "dieser" Geschäftsbedingungen, also der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die zugleich mit Nr. 1 (2) AGB vereinbart werden, und Änderungen (künftiger) "besonderer Bedingungen" für einzelne gesondert vereinbarte Geschäftszweige, die das gesamte Tätigkeitsspektrum der Beklagten umfassen. Sie betrifft nicht nur Anpassungen von einzelnen Details der vertraglichen Beziehungen der Parteien mittels einer fingierten Zustimmung des Kunden, sondern ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung jede vertragliche Änderungsvereinbarung. Damit weicht sie von wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB ab, indem sie das Schweigen des Verwendungsgegners als Annahme eines Vertragsänderungsantrags qualifiziert. Diese Abweichung benachteiligt die Kunden der Beklagten unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders wird vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist. Die allgemeine Änderungsklausel bietet eine Handhabe, unter Zuhilfenahme einer Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung das Vertragsgefüge insgesamt umzugestalten. Dass "vereinbarte" Änderungen ihrerseits der Ausübungskontrolle unterliegen, gleicht diesen Umstand nicht aus. Für so weitreichende, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffende Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können, ist vielmehr ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig.
Auch Nr. 12 (5) der AGB der Beklagten hält einer Inhaltskontrolle nicht stand. Die Klausel betrifft Entgelte für Hauptleistungen. Damit benachteiligt die Klausel auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass keine einseitige Anpassungsbefugnis der Beklagten besteht, sondern Änderungen des Vertragsverhältnisses nur im Wege eines - gegebenenfalls fingierten - Konsenses zustande kommen sollen, die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB). Mittels Zustimmungsfiktion kann die vom Kunden geschuldete Hauptleistung geändert werden, ohne dass dafür Einschränkungen vorgesehen sind. Die Beklagte erhält damit eine Handhabe, das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben und damit die Position ihres Vertragspartners zu entwerten. Für solche weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffenden Änderungen ist, wie oben ausgeführt, ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig. Eine Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung reicht hierfür unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Verwendungsgegners nicht aus.
Die Entscheidung des BGH dürfte weitreichende Folgen für Millionen von Bankkunden haben, die von Ihnen bezahlte Bankgebühren nun zurückfordern können.
Zwar betrifft die Entscheidung unmittelbar nur die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Postbank, über die der BGH hier entschieden hat. Die meisten Banken verwenden in ihren AGB jedoch ähnlich weitreichende Zustimmungsklauseln, die auf der Grundlage der Rechtsauffassung des BGH nun ebenfalls als unwirksam anzusehen sein dürften.
Die praktische Folge ist, dass alle von den Banken vorgenommenen Preiserhöhungen, deren Zustandekommen nur auf einer solchen Zustimmungsfiktionsklausel beruht, unwirksam sind. Sehr viele Banken haben auf der Grundlage solcher Klauseln in den zurückliegenden Jahren kräftig ihre Gebühren erhöht und sogar für bisher kostenfrei geführte Konten neue Gebühren eingeführt. Betroffenen Kunden können jedenfalls ab 2018 gezahlte Gebühren nun zurückfordern. Rückforderungsansprüche für vor 2018 gezahlte Gebühren sind bereits verjährt.
Haben Sie selbst seit 2018 Bankgebühren gezahlt und vermuten, dass auch diese Gebühren ganz oder teilweise auf einer unwirksamen Zustimmungsklausel beruhen? Gern prüfen wir die Zustimmungsklausel Ihrer Bank und beraten wir Sie zu Ihrem individuellen Anliegen. Bitte nutzen Sie für Ihre Fragen unser Online-Rechtsberatungsformular.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 088/2021 vom 27.04.2021
© 2021 Deutscher Verbraucherschutzverein e.V.
Letzte Aktualisierung: 30.04.2021