10.04.2019
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass Energieversorger bei Bestelldialogen im Internet gegenüber Verbrauchern verschiedene Zahlungsmöglichkeiten anbieten müssen.
Der Kläger ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein. Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen in Dortmund und bietet Verbrauchern außerhalb der Grundversorgung Stromlieferungsverträge an, unter anderem über Preisvergleichsportale im Internet. Den – auch für Verbraucher abrufbaren – Bestellvorgang für den Tarif "U." hat die Beklagte so gestaltet, dass ein (potentieller) Kunde ausschließlich die Zahlung per Bankeinzug wählen kann; ohne Eintragung der Kontodaten in die dafür vorgesehenen Felder kann der Bestellvorgang nicht fortgeführt werden.
Der Kläger hat die Beklagte darauf in Anspruch genommen, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern die "Bestellung" eines Stromlieferungsvertrages von der Bedingung abhängig zu machen, dass die Verbraucher ihre Kontodaten eingeben und einer Zahlung per Bankeinzug zustimmen.
Das Landgericht Dortmund (Urt. v. 28.03.2017, Az. 25 O 292/16) hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat vor dem OLG Hamm (Urt. v. 25.01.2018, Az. 2 U 89/17) nur insoweit Erfolg gehabt, als das Berufungsgericht die Verurteilung zur Unterlassung – unter Abweisung der weitergehenden Klage – in einer in Bezug auf den konkret angegriffenen Buchungsdialog enger gefassten Form aufrechterhalten hat.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.
Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat richtig entschieden, dass dem Kläger gegen die Beklagte im zuerkannten Umfang ein Anspruch auf Unterlassung des beanstandeten Internetangebots zusteht. Das genannte Internetangebot der Beklagten verstößt gegen § 41 Abs. 2 Satz 1 EnWG.*
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG** kann derjenige, der in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen solchen Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze), auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Bei dem hier von der Beklagten im Internet angebotenen Bestellvorgang, der der Vorbereitung eines Stromlieferungsvertrages dient, liegt eine solche geschäftliche Handlung vor. Sie verstößt gegen die – als Verbraucherschutzgesetz einzuordnende – Regelung des § 41 Abs. 2 EnWG.*
Für Verträge über die Belieferung von Haushaltskunden mit Energie außerhalb der Grundversorgung bestimmt § 41 Abs. 2 Satz 1 EnWG*, dass dem Haushaltskunden vor Vertragsschluss "verschiedene" Zahlungsmöglichkeiten anzubieten sind. Für den Bereich der Versorgung mit Gas im Rahmen von Sonderkundenverträgen hat der Senat bereits entschieden, dass damit Zahlungsmittel und Zahlungswege gemeint sind und dass es jedenfalls ausreicht, den Verbrauchern drei verschiedene Zahlungswege zur Verfügung zu stellen (vgl. Senatsurt. v. 05.06.2013, Az. VIII ZR 131/12, Rn. 12 ff., 19). Ferner hat der Senat aus der Zielsetzung der Gasrichtlinie das Erfordernis abgeleitet, dass die Kunden durch die vorgesehenen Zahlungsmöglichkeiten nicht unangemessen benachteiligt werden dürfen, etwa durch "diskriminierend" ausgestaltete Zahlungsmodalitäten, vor allem, wenn diese besonders schutzbedürftige Verbrauchergruppen benachteiligen (Senatsurt., a.a.O., Rn. 13, 25 ff.). Für den Bereich der Versorgung mit Strom im Rahmen von Sonderkundenverträgen mit Verbrauchern gelten die genannten Grundsätze in gleicher Weise, denn § 41 Abs. 2 Satz 1 EnWG* findet auf sämtliche Energielieferungsverträge mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung Anwendung.
Diesen Anforderungen wird der von der Beklagten angebotene Bestellvorgang im Internet nicht gerecht. Denn den Kunden wird vor Vertragsschluss faktisch nur eine einzige Zahlungsmöglichkeit, nämlich das Bankeinzugsverfahren (Lastschrifteinzug) angeboten, das in dem standardisierten Online-Angebotsmuster der Beklagten allein vorgesehen ist und dessen sich der Verbraucher auch bedienen muss, um überhaupt eine Bestellung aufgeben zu können.
Zudem hat das von der Beklagten verwendete Angebotsmuster eine diskriminierende Wirkung, weil es bestimmte Verbrauchergruppen von der Wahrnehmung ihres Online-Angebots völlig ausschließt. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, hat das Angebot der Beklagten eine faktische Filterfunktion. Denn sämtliche Kunden, die mit der einzig angebotenen Zahlungsweise nicht einverstanden sind oder die nicht über ein Bankkonto verfügen, werden von der Bestellung abgehalten. Diese Kunden können den Bestellvorgang mangels Eingabe der Kontodaten nicht beenden. Auf diese Weise werden vor allem die besonders schutzbedürftigen Verbraucher, die nicht über ein Bankkonto verfügen oder die am Lastschriftverfahren nicht teilnehmen wollen, weil sie eine ausreichende Kontodeckung zum jeweiligen Abbuchungstermin nicht sicherstellen können, vom Angebot der Beklagten von vornherein ausgeschlossen oder zumindest abgehalten (vgl. Senatsurt., a.a.O., Rn. 26 ff.).
Zwar kommt der Stromlieferungsvertrag noch nicht mit der Absendung des Online-Formulars der Beklagten durch den Kunden zustande, sondern erst dann, wenn das darin liegende Angebot des Verbrauchers von ihr angenommen wird. Darauf kommt es aber nicht. Die von der Beklagten angeführte, allein theoretisch denkbare Fallgestaltung, dass den Kunden nach Abschluss des Bestelledialogs aber noch vor der Annahme des Angebots durch die Beklagte weitere Zahlungsmöglichkeiten angeboten werden könnten, könnte nichts daran ändern, dass die Kunden, die mit dem Lastschriftverfahren nicht einverstanden sind oder die nicht über ein Bankkonto verfügen und die Bestellung deshalb nicht ausfüllen können, von dem Online-Angebot von vornherein ausgeschlossen sind und von einer Wahlmöglichkeit auch keine Kenntnis erlangen können (so auch LG Düsseldorf, Urt. v. 22.10.2015, Az. 14d O 4/15, Rn. 24).
Mit dem Urteil stellt der BGH klar, was sich eigentlich bereits klar aus dem Wortlaut des § 41 Abs. 2 Satz 1 EnWG* ergibt: Der Energielieferant muss portentiellen Haushaltskunden verschiedene Zahlungsmöglichkeiten anbieten. Die praktische Wirkung dieser Regelung zugunsten des Haushaltskunden darf der Energielieferant auch nicht dadurch aushebeln, dass er durch eine entsprechende Gestaltung seines Online-Bestelldialogs in einem ersten Schritt die potentiellen Kunden "herausfiltert", die Willens sind, per Lastschrift zu zahlen und nur diesen Kunden dann pro forma vor der Vertragsbestätigung noch weitere Zahlungsmöglichkeiten anbietet. Bereits im Bestelldialog muss der Energielieferant potentiellen Haushaltskunden verschiedene Zahlungsmöglichkeiten anbieten. Es ist offensichtlich, dass ein Angebot weiterer Zahlungsmittel in einem weiteren Schrift nach dem Abschluss des Bestelldialoges unüblich und zweckwidrig wäre. Zu Recht stellt der BGH fest, dass es sich bei diesem Einwand der Beklagten daher um eine "allein theoretisch denkbare Fallgestaltung" handelt.
Sollte Ihnen bei dem Versuch des Abschlusses eines Energieliefervertrages nur eine Zahlungsweise angeboten werden, die nicht Ihren Vorstellungen entspricht, müssen Sie das nicht akzeptieren. Wenden Sie sich an den Energielieferanten und verlangen unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH, dass Ihnen der Lieferant weitere Zahlungsmöglichkeiten zur Auswahl stellt. Gern können Sie sich auch an uns wenden. Wir sind berechtigt, gegen entsprechende Rechtsverstöße im öffentlichen Interesse einzuschreiten, können eine Abmahnung aussprechen und wenn erforderlich auch eine Unterlassungsklage erheben.
Auszug aus dem Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG)
* § 41 Energielieferverträge mit Haushaltskunden, Verordnungsermächtigung
[…]
(2) 1Dem Haushaltskunden sind vor Vertragsschluss verschiedene Zahlungsmöglichkeiten anzubieten. 2Wird eine Vorauszahlung vereinbart, muss sich diese nach dem Verbrauch des vorhergehenden Abrechnungszeitraums oder dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kunden richten. 3Macht der Kunde glaubhaft, dass sein Verbrauch erheblich geringer ist, so ist dies angemessen zu berücksichtigen. 4Eine Vorauszahlung wird nicht vor Beginn der Lieferung fällig.
[…]
Auszug aus dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz – UKlaG)
** § 2 Ansprüche bei verbraucherschutzgesetzwidrigen Praktiken
(1) 1Wer in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze), kann im Interesse des Verbraucherschutzes auf Unterlassung und Beseitigung in Anspruch genommen werden. 2Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so ist der Unterlassungsanspruch oder der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet. 3Bei Zuwiderhandlungen gegen die in Absatz 2 Satz 1 Nummer 11 genannten Vorschriften richtet sich der Beseitigungsanspruch nach den entsprechenden datenschutzrechtlichen Vorschriften.
[…]
Quelle: Urteilsabdruck
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Letzte Aktualisierung: 29.05.2019