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12.11.2018

Erhebung von Mahnkosten durch private Krankenversicherungen unzulässig.

Das LG Köln hat bereits durch Urteil vom 28.03.2018 (Az. 26 O 409/17) entschieden, dass private Krankenversicherungen von ihren Kunden keine Mahnkosten einfordern dürfen. Das Urteil ist heute rechtskräftig geworden, nachdem der Beklagte Verband der privaten Krankenversicherung e.V. seine Berufung aufgrund eines Hinweisbeschlusses des OLG Köln zurückgenommen hat. In dem Hinweisbeschluss hatte das OLG Köln die Rechtsauffassung des Landgerichts bestätigt (OLG Köln, Beschl. v. 09.10.2018, Az. 9 U 53/18).

Zum Sachverhalt:

Der beklagte Verband der privaten Krankenversicherung e.V. ist ein Interessenverband der privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Zu seinem Tätigkeitsbereich gehört die Herausgabe von "Musterbedingungen", welche er seinen Mitgliedern zur Verwendung zum Abschluss von Verträgen über private Kranken- und Pflegeversicherung mit Verbrauchern empfiehlt. Die Musterbedingungen enthielten in verschiedenen Varianten Klauseln, nach denen der Versicherte zusätzlich zu einem Säumniszuschlag Mahnkosten von 5,00 € je Mahnung, zahlen sollte:

Der Versicherungsnehmer hat für jeden angefangenen Monat eines Beitragsrückstandes einen Säumniszuschlag von 1 % des Beitragsrückstandes sowie Mahnkosten in nachgewiesener Höhe, mindestens 5 Euro je Mahnung, zu entrichten.

Die Mahnkosten betragen je Mahnung 5,00 EUR.

Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. mahnte die Beklagte wegen der Mahnpaschale von 5 € ab. Die Beklagte lehnte die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab. Gleichwohl änderte sie ihre Empfehlung und ließ die Höhe der Pauschalen fortan offen:

Der Versicherungsnehmer hat für jeden angefangenen Monat eines Beitragsrückstandes einen Säumniszuschlag von 1 % des Beitragsrückstandes sowie Mahnkosten in nachgewiesener Höhe, mindestens […] Euro je Mahnung , zu entrichten.

Der Kläger verlangte von der Beklagten Unterlassung und Widerruf der Empfehlung der Klauseln. Er vertrat die Ansicht, dass die Mahnpauschalen von 5,00 € nach § 309 Nr. 5a BGB überhöht sind. Der Beklagten fielen pro Mahnungen Kosten von weniger als 1 € an. Außerdem fehle der nach § 309 Nr. 5b BGB erforderliche Hinweis auf die Gegenbeweismöglichkeit eines geringeren Schadens.

Verfahrensgang:

Das LG Köln hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben (Urt. v. 28.03.2018, Az. 26 O 409/17). Es hat über die Auffassung des Klägers hinausgehend entschieden, dass die von der beklagten empfohlene Mahnpauschale nicht nur überhöht, sondern schon dem Grunde nach unzulässig ist. Dies ergäbe sich daraus, dass der Krankenversicherer gem. § 193 Abs. 6 VVG* zur Mahnung des säumigen Versicherungsnehmer gesetzlich verpflichtet ist, ohne dass die Norm dem Krankenversicherer einen Kostenerstattungsanspruch einräume. Die Mahnpauschalenklauseln stellen eine unangemessene Benachteiligung des Versicherten dar, weil sie mit dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar sind und sind daher gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB** unwirksam.

Mit ihrer Berufung vor dem OLG Köln hat die Beklagte ihr erstinstanzliches Begehren auf Klageabweisung weiter verfolgt. In einem Beschluss vom 09.10.2018 hat das OLG Köln jedoch darauf hingewiesen, dass es die Rechtsauffasung des Landgerichts im Ergebnis für zutreffend hält und die Berufung zurückweisen will. Daraufhin hat die Beklagte die Berufung zurückgenommen, bevor es zu einer Entscheidung des OLG kam.

Der Hinweisbeschluss des OLG Köln:

Das OLG Kölnhat hat sich der Rechtsauffassung des Landgerichts angeschlossen. Die Unwirksamkeit der kontrollfähigen Regelungen über die dem Versicherungsnehmer auferlegten Mahnkosten ergibt sich aus ihrer Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung. Abgewichen wird von § 193 Abs. 6 VVG*. Die Unwirksamkeit der Klausel ergibt sich aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB** und der infolge dessen nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB** anzunehmenden unangemessenen Benachteiligung der betroffenen Versicherungsnehmer durch die Abwälzung der Mahnkosten auf diese.

Das OLG stützt seine Auffassung auf einen Vergleich des § 193 Abs. 6 VVG mit § 38 Abs. 1 S. 1 VVG**. Bei der Regelung des § 38 Abs. 1 S. 1 VVG** kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei nicht rechtzeitiger Zahlung einer Folgeprämie "auf dessen Kosten" in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen und dafür nach § 38 Abs. 1 S. 2 VVG neben den rückständigen Beiträgen der Prämie und Zinsen auch die "Kosten" im Einzelnen beziffern. Die insoweit spezielleren Regelungen in § 193 Abs. 6 bis 10 VVG für die Krankenversicherung sehen eine solche Kostentragungspflicht des säumigen Versicherungsnehmers gerade nicht vor. Eine weitere Abweichung liegt darin, dass nach § 38 Abs. 2 VVG eine Leistungsfreiheit des Versicherers nur bei schuldhaftem Verzug des säumigen Versicherungsnehmers mit der Zahlung der rückständigen Prämien oder Zinsen oder Kosten – gemeint sind damit die Mahnkosten i.S.d. § 38 Abs. 1 S. 1 und S. 2 VVG – etc. eintritt , während dies für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 193 VI VVG nicht erforderlich ist. Insbesondere bedarf es nach dem Gesetzeswortlaut für das Ruhen der Leistungen abweichend von § 286 Abs. 4 BGB auch keines Verschuldens des Versicherungsnehmers. Aufgrund dessen ist die Annahme des Landgerichts nicht zu beanstanden, dass die im Zusammenhang mit der in § 193 Abs. 6 VVG geregelten Mahnung ausdrücklich nicht erwähnten Mahnkosten nicht von den § 193 Abs. 9 S. 1 VVG genannten "Beitreibungskosten" umfasst sind . Dafür spricht auch, dass in § 193 Abs. 9 S. 1 WG – insoweit abweichend von § 38 Abs. 1 S. 1 und S. 2 sowie Abs. 2 VVG – nicht allgemein von "Kosten", sondern von "Beitreibungskosten" gesprochen wird und überdies die Beitreibungskosten in § 193 Abs. 6 VVG im Zusammenhang mit den darin geregelten Mahnungen und angeordneten Rechtsfolgen gar nicht erwähnt werden. Die Begleichung der Beitreibungskosten ist zusammen mit der Begleichung der rückständigen Prämienanteile einschließlich der Säumniszuschläge nach § 193 Abs. 9 S. 1 WG erforderlich zur Fortsetzung des Kranken-Pflichtversicherungsvertrag in dem Tarif, in dem der Versicherungsnehmer vor dem Eintritt des Ruhens des Vertrags versichert war.

Ob die Klauseln auch wegen verstoßes gegen § 309 Nr. 5 BGB unwirksam sind, lässt das OLG Köln ausdrücklich offen. Auf die Frage einer Überhöhung der Mahnpauschalen kommt es nicht an, wenn die Klauseln schon dem Grunde nach gem. § 307 BGB unwirksam sind.

Rat und Tat für Sie:

Sind Sie privat krankenversichert und hat Ihnen Ihrer Versicherung Mahnkosten in Rechnung gestellt? Wenn ja, können Sie nun versuchen, die Mahnkosten unter Berufung auf das Urteil des LG Köln vom 28.03.2018 und den Hinweisbeschluss des OLG Köln vom 09.10.2018 zurückfordern. Beachten Sie aber, dass Rückforderungsansprüche binnen drei Jahren zum Jahresende verjähren. Der Rückforderungsanspruch für eine z.B. im Jahre 2015 zu Unrecht gezahlte Mahnpauschale würde mit Ablauf, des 31.12.2018 verjähren, wenn Sie bis dahin keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergriffen haben. Benötigen Sie eine individuelle rechtliche Beratung? Gern können Sie sich dazu über unser Beratungsformular an uns wenden.


Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

** § 307 Inhaltskontrolle
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Auszug aus dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

*** § 38 Zahlungsverzug bei Folgeprämie
(1) 1Wird eine Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt, kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer auf dessen Kosten in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei Wochen betragen muss. 2Die Bestimmung ist nur wirksam, wenn sie die rückständigen Beträge der Prämie, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und die Rechtsfolgen angibt, die nach den Absätzen 2 und 3 mit dem Fristablauf verbunden sind; bei zusammengefassten Verträgen sind die Beträge jeweils getrennt anzugeben.
(2) Tritt der Versicherungsfall nach Fristablauf ein und ist der Versicherungsnehmer bei Eintritt mit der Zahlung der Prämie oder der Zinsen oder Kosten in Verzug, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet.
(3) 1Der Versicherer kann nach Fristablauf den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, sofern der Versicherungsnehmer mit der Zahlung der geschuldeten Beträge in Verzug ist. 2Die Kündigung kann mit der Bestimmung der Zahlungsfrist so verbunden werden, dass sie mit Fristablauf wirksam wird, wenn der Versicherungsnehmer zu diesem Zeitpunkt mit der Zahlung in Verzug ist; hierauf ist der Versicherungsnehmer bei der Kündigung ausdrücklich hinzuweisen. 3Die Kündigung wird unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb eines Monats nach der Kündigung oder, wenn sie mit der Fristbestimmung verbunden worden ist, innerhalb eines Monats nach Fristablauf die Zahlung leistet; Absatz 2 bleibt unberührt.

* § 193 Versicherte Person; Versicherungspflicht

(6) 1Ist der Versicherungsnehmer in einer der Pflicht nach Absatz 3 genügenden Versicherung mit einem Betrag in Höhe von Prämienanteilen für zwei Monate im Rückstand, hat ihn der Versicherer zu mahnen. 2Der Versicherungsnehmer hat für jeden angefangenen Monat eines Prämienrückstandes an Stelle von Verzugszinsen einen Säumniszuschlag in Höhe von 1 Prozent des Prämienrückstandes zu entrichten. 3Ist der Prämienrückstand einschließlich der Säumniszuschläge zwei Monate nach Zugang der Mahnung höher als der Prämienanteil für einen Monat, mahnt der Versicherer ein zweites Mal und weist auf die Folgen nach Satz 4 hin. 4Ist der Prämienrückstand einschließlich der Säumniszuschläge einen Monat nach Zugang der zweiten Mahnung höher als der Prämienanteil für einen Monat, ruht der Vertrag ab dem ersten Tag des nachfolgenden Monats. 5Das Ruhen des Vertrages tritt nicht ein oder endet, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist oder wird; die Hilfebedürftigkeit ist auf Antrag des Versicherungsnehmers vom zuständigen Träger nach dem Zweiten oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu bescheinigen.

(9) 1Sind alle rückständigen Prämienanteile einschließlich der Säumniszuschläge und der Beitreibungskosten gezahlt, wird der Vertrag ab dem ersten Tag des übernächsten Monats in dem Tarif fortgesetzt, in dem der Versicherungsnehmer vor Eintritt des Ruhens versichert war. 2Dabei ist der Versicherungsnehmer so zu stellen, wie er vor der Versicherung im Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes stand, abgesehen von den während der Ruhenszeit verbrauchten Anteilen der Alterungsrückstellung. 3Während der Ruhenszeit vorgenommene Prämienanpassungen und Änderungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen gelten ab dem Tag der Fortsetzung.

Quelle: Abdruck des Beschlusses vom 09.10.2018

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