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17.10.2018

Kein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht des Mieters nach Zustimmung zu einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass dem Mieter nach einer Zustimmung zu einem Mieterhúhungsverlangen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete kein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht zusteht (Urt. v. 17.10.2018, Az. VIII ZR 94/17).

Zum Sachverhalt:

Der Kläger ist Mieter einer Wohnung der Beklagten in Berlin. Im Juli 2015 forderte die Beklagte, eine Kommanditgesellschaft, vertreten durch die Hausverwaltung, den Kläger unter Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel brieflich auf, einer (näher erläuterten) Erhöhung der Netto-Kaltmiete von 807,87 € auf 929,15 € zuzustimmen. Dem kam der Kläger zwar zunächst nach, erklärte jedoch kurz darauf den Widerruf seiner Zustimmung. Anschließend entrichtete er von Oktober 2015 bis Juli 2016 die monatlich um 121,18 € erhöhte Miete lediglich unter Vorbehalt. Mit seiner Klage verlangt er die Rückzahlung der für diese zehn Monate entrichteten Erhöhungsbeträge von insgesamt 1.211,80 € sowie die Feststellung, dass sich die Netto-Kaltmiete der von ihm gemieteten Wohnung nicht erhöht habe.

Verfahrensgang:

Das Amtsgericht Pankow-Weißensee (Urt. v. 05.08.2016, Az. 6 C 64/16) hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers war vor dem Landgericht Berlin (Urt. v. 10.03.2017, Az. 63 S 248/16) erfolglos. Dabei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass im Grundsatz auch bei Zustimmungserklärungen des Mieters zu Mieterhöhungsverlangen (§ 558a Abs. 1, § 558b Abs. 1 BGB) ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht des Verbrauchers bestehe. Im vorliegenden Fall fehle es jedoch an einem im Fernabsatz geschlossenen Verbrauchervertrag (§ 312c Abs. 1 BGB). Denn die Mieterhöhungsvereinbarung zwischen dem Kläger als Verbraucher und der Beklagten, die gewerblich Wohnungen vermiete, sei zwar unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (Brief), nicht jedoch "im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems" (§ 312c Abs. 1 Halbs. 2 BGB) getroffen worden. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Die Entscheidung des BGH:

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat die Revision zurückgewiesen und entschieden, dass - entgegen einer teilweise im Schrifttum vertretenen Auffassung - die gemäß § 558b Abs. 1 BGB erklärte Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters nach § 558 Abs. 1, § 558a Abs. 1 BGB vom Anwendungsbereich des Verbraucherwiderrufs bei Fernabsatzverträgen nicht erfasst ist und dem Mieter ein dahingehendes Widerrufsrecht nicht zusteht.

Der Wortlaut des § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB erstreckt das Widerrufsrecht zwar auf "Verträge über die Vermietung von Wohnraum". Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift jedoch ist dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein Widerrufsrecht des Mieters bei einer Zustimmungserklärung zu einer vom Vermieter verlangten Erhöhung der Miete nach den §§ 558 ff. BGB nicht gegeben ist. Dies folgt aus dem Regelungszweck sowohl der Bestimmungen über die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 558 ff. BGB) als auch der Bestimmungen über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen.

Denn mit dem in § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB vorgesehenen Widerrufsrecht des Mieters einer Wohnung soll Fehlentscheidungen aufgrund der Gefahr psychischen Drucks sowie dem typischerweise bestehenden Informationsdefizit des Mieters begegnet werden. Dieser Zielsetzung des Gesetzes tragen bei Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete die in den §§ 558 ff. BGB vorgesehenen Bestimmungen zum Schutz des Mieters bereits uneingeschränkt Rechnung. Gemäß § 558a Abs. 1 BGB ist das (in Textform zu erklärende) Mieterhöhungsverlangen vom Vermieter zu begründen. Damit soll dem Mieter die Möglichkeit gegeben werden, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen. Schon dadurch kann der Mieter seinen rechtsgeschäftlichen Willen ohne ein Informationsdefizit und außerhalb einer etwaigen Drucksituation bilden. Außerdem räumt das Gesetz dadurch, dass der Vermieter frühestens nach Ablauf des zweiten Kalendermonats nach Zugang des Mieterhöhungsverlangens auf Erteilung der Zustimmung klagen kann (§ 558b Abs. 2 BGB), dem Mieter eine angemessene Überlegungsfrist ein, innerhalb derer er sich entscheiden kann, ob und gegebenenfalls inwieweit er der Mieterhöhung zustimmt. Somit ist bereits durch die Bestimmungen der §§ 558 ff. BGB sichergestellt, dass der Sinn und Zweck der verbraucherschützenden Regelungen für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz erfüllt ist.

Die Rechtsprechung des Senats zum Widerrufsrecht des Mieters bei außerhalb von Geschäftsräumen (früher: in einer Haustürsituation) geschlossenen Verbraucherverträgen zwischen einem Vermieter und einem Mieter (BGH, Urteil vom 17. Mai 2017 – VIII ZR 29/16, NJW 2017, 2823 Rn. 11 ff.) bleibt hiervon unberührt.

Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

§ 312 Anwendungsbereich
(1) Die Vorschriften […] sind nur auf Verbraucherverträge […] anzuwenden, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben.
[…]
(3) Auf Verträge über […] sind von den Vorschriften […] nur folgende anzuwenden:
1. die Definitionen der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge und der Fernabsatzverträge nach den §§ 312b und 312c,
[…]
7. § 312g über das Widerrufsrecht.
(4) 1Auf Verträge über die Vermietung von Wohnraum sind von den Vorschriften […] nur die in Absatz 3 Nummer 1 bis 7 genannten Bestimmungen anzuwenden. […]

§ 312c Fernabsatzverträge
(1) Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.
[…]

§ 312g BGB Widerrufsrecht
(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.
[…]

§ 355 Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen
(1) 1Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat.
[…]

§ 558 Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete
(1) 1Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn […]

§ 558a BGB Form und Begründung der Mieterhöhung
(1) Das Mieterhöhungsverlangen nach § 558 ist dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen.
[…]

§ 558b BGB Zustimmung zur Mieterhöhung
(1) Soweit der Mieter der Mieterhöhung zustimmt, schuldet er die erhöhte Miete mit Beginn des dritten Kalendermonats nach dem Zugang des Erhöhungsverlangens.
(2) 1Soweit der Mieter der Mieterhöhung nicht bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach dem Zugang des Verlangens zustimmt, kann der Vermieter auf Erteilung der Zustimmung klagen. […]


Quelle: Pressemittelung des BGH, Nr. 168/2018

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