12.05.2015
Das Landgericht Berlin hat entschieden, dass die weitere Zusendung eines zunächst vom Empfänger bestellten E-Mail-Newsletters unzumutbare Werbung darstellt, nachdem der Empfänger den Newsletter abbestellt hat. Dabei kommt es auf die Form der Abbestellung nicht an. Insbesondere kann sich der Versender nicht darauf berufen, dass die Abbestellung eines online bestellten Newsletter nur wirksam sei, wenn sie ebenfalls online erfolgt (Urt. v. 12.05.2015, Az. 15 O 511/14).
Der Antragsgegner ist Inhaber der Berliner Firma "Hekticket". Er betreibt u. a. einen Internet-Ticketshop auf der Seite www.hekticket.de. In den vergangenen Monaten übersandte er der Zeugin B. an deren E-Mail-Adresse …@gmx.de wiederholt seinen E-Mail-Newsletter zu den von ihm angebotenen Veranstaltungstickets.
Die Zeugin teilte dem Antragsgegner daraufhin mehrmals mit, u.a. mit Einschreiben vom 28. Juli 2014, dass sie keine E-Mail-Werbung, u.a. keine Newsletter mehr vom Antragsgegner erhalten wolle. Gleichwohl erhielt sie über die vorgenannte E-Mail-Adresse weiterhin Newsletter zugesandt, u.a. vom 26. September, 17. und 19. Oktober 2014.
Der Antragsteller, der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V., ist der Auffassung, dass die Zeugin die dem Antragsgegner mit der Anmeldung zum Bezug des Newsletter zunächst erteilte Einwilligung in die Zusendung der Newsletter durch die zuletzt per Einschreiben erfolgte Abbestellung wirksam widerrufen habe. Der Widerruf sei formfrei möglich. Insbesondere könne der Antragsgegner von der Antragstellerin nicht verlangen, dass deise zum Abbestellen des Newsletters einen bestimmten Link verwende, zumal der Hinweis auf diesen Abbestell-Link teilweise in englischer Sprache formuliert sei.
Der Antragsteller mahnte den Antragsgegner im Oktober 2014 erfolglos ab. Sodann beantragte er beim Landgericht Berlin (LG Berlin),
Das LG Berlin gab dem Antrag durch Beschlussverfügung vom 14.11.2014 statt. Hiergegen legte der Antragsgegner Widerspruch ein. Er vertrat die Auffassung, dass die Zeugin den von ihr online auf der Internetseite des Antragsgegners bestellten Newletter nur online abbestellen könne. Der dem Antragsgegner für eine Bearbeitung "formfreier" Abbestellungen anfallende Verwaltungsaufwand sei ihm nicht zumutbar, weshalb er nicht online erfolgte Abbestellungen nicht berücksichtigen müsse. Das LG Berlin wies den Widerspruch mit Urteil vom 12.05.2015 zurück.
Das LG Berlin bestätigte die Beschlussverfügung vom 14.11.2014 in vollem Umfang.
Dem Antragsteller als qualifizierter Einrichtung gem. § 4 UKlaG steht gegenüber dem Antragsgegner ein Unterlassungsanspruch gem. § 2 UKlaG* i. V. m. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG** zu.
Die an die Zeugin übersandten E-Mail-Newsletter des Antragsgegners stellen unzumutbare Belästigungen dar. Es handele sich um Werbung unter Verwendung elektronischer Post gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, da die E Mail-Newsletter darauf gerichtet waren, die Zeugin zu einem Vertragsschluss mit dem Antragsgegner zu bestimmen. Diese Newsletter sind ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung der Zeugin als Adressatin übersandt worden. Die Übersendung ist auch nicht etwa ausnahmsweise nach § 7 Abs. 3 UWG** zulässig, weil die Zeugin einer entsprechenden Verwendung ihrer E-Mail-Adresse gem. § 7 Abs. 3 Nr. 3 UWG ausdrücklich widersprochen hat. Dabei reichte der schriftliche Widerspruch in Form des Einschreibens vom 28. Juli 2014 aus.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners konnte dieser nicht verlangen, dass die Zeugin den Widerruf elektronisch durch Anklicken eines entsprechenden links auf dem übersandten Newsletter erklärte. Ein einmal erklärtes Einverständnis mit der Zusendung von Werbung ist nach den vorgenannten Vorschriften jederzeit formfrei zu widerrufen. Für die Erkennbarkeit eines entgegenstehenden Willens des Empfängers genügt eine entsprechende Mitteilung an das werbende Unternehmen. Das Gesetz sieht keine besondere Form des Widerrufs nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 UWG vor.
Auch lag keine Vereinbarung zwischen dem Antragsgegner und der Zeugin vor, wonach sie die Einwilligung ausschließlich auf dem Internetportal des Antragsgegners widerrufen könne. Dabei ist irrelevant, ob sich auf der Website des Antragsgegners die im Tatbestand wiedergegebene englischsprachige Zeile befunden hat. Denn die Zeugin bestellte als deutschsprachige Verbraucherin im Newsletter bei einem deutschen Händler auf einer deutschsprachigen Website. Die Vertragssprache war demzufolge deutsch, so dass sich die Verbraucherin darauf verlassen durfte, dass ihr die für sie relevanten Hinweise auch in deutscher Sprache erteilt werden.
Unbeachtlich ist ferner der Einwand des Antragsgegners, eine händische Abmeldung vom Newsletter würde für ihn zu einem zu hohen Verwaltungsaufwand führen. Ein Unternehmer hat nach ständiger Rechtsprechung den durch den Widerspruch geäußerte Willen des Empfängers unabhängig davon zu beachten, ob dies wegen der Art und Anlage der Werbeaktion mit einem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden ist, der in keinem angemessenen Verhältnis zu der mit der Werbung verbundenen Belästigung des Umworbenen steht.
Die für den Unterlassungsanspruch als Voraussetzung erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich aus dem Verletzungsgeschehen; sie hätte nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden können (BGH GRUR 1985, 155, 156 – Vertragsstrafe bis zu ... I – m.w.N.). Die antragsgegnerseits unter dem 18. Februar 2015 abgegebene – gerade nicht strafbewehrte –Unterlassungserklärung reicht demzufolge zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht aus.
Der erste Teil der Entscheidung beeinhaltet nichts Bemerkenswertes. Selbstverständlich stellen auch sog. "E-Mail-Newsletter" Werbung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar, soweit ein Unternehmer darin seine Produkte und Dienstleistungen – hier insbesondere Veranstaltungstickets – anpreist. Derjene, der einen entsprechenden Newsletter "abboniert", erklärt sich mit der Zusendung der Werbung einverstanden. Sobald er den Newsletter wieder abbestellt, entfällt die Einwilligung in die Zusendung von Werbung für die Zukunft. Eine weitere Zusendung der Newsletter stellt dann wieder eine unzumutbare Belästigung dar.
Bemerkenswert ist das Urteil aber insofern, als dass sich das Landgericht explizit zu den Voraussetzungen den Widerrufs einer erteilten Einwillgung äußert. Werbetreibende, wie vorliegend der Antragsgegner, stellen sich regelmäßig auf den Standpunkt, dass der Widerruf einer erteilten Einwilligung nur in einer besonderen, dem Werbetreibende wenig Verwaltungsaufwand verursachenden Form möglich sei, so etwa durch die Nutzung eines vom Werbetreibenden dazu vorgesehenen Online-Verfahrens. Das Gesetz sieht eine bestimmte Form des Widerrufs jedoch nicht vor. Damit ist der Widerruf grundsätzlich formfrei möglich. Zutreffend ergänzt das Landgericht, dass sich eine Formgebundenheit des Widerrufs auch nicht daraus ergibt, dass der formfreie Widerruf dem Werbetreibenden einen u.U. unverhältnismäßig hohen Aufwand verursacht. Diese Lastenverteilung ist auch gerechtfertigt. Gerade die E-Mail-Technik ermöglicht es Werbetreibenden, nahezu kostenfrei Werbung in beliebigem Umfang zu versenden und eröffnet dadurch ein besonders großes Belästigungspotential. Dies hat der Gesetzgeber selbst dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er die Zulässigkeit von E-Mail-Werbung an die vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten geknüpft hat. Dann aber ist es nur billig, wenn der Werbetreibende prinzipiell auch den Verwaltungsaufwand für die Kontrolle eines etwaigen Widerrufs einer erteilten Einwilligung tragen muss. Allerdings konnte das Landgericht hier offen lassen, ob es dem Werbetreibenden möglich wäre, den Adressaten des Newsletters vertraglich auf einen Widerruf durch ein bestimmtes Online-Verfahren einzuschränken. Es wäre denkbar, so etwas in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu regeln. Jedenfalls müßte eine entsprechende klar und verständlich sein. Dies aber ist, was das Landgericht entschieden hat, bei einer fremdsprachigen Klausel jedenfalls nicht der Fall.
Die vorliegende Problematik stellt sich in ähnlicher Weise bei sog. Briefkastenwerbung, d.h. bei nicht namentlich adressierter Werbung, die in den Hausbriefkasten eingeworfen wird (vgl. dazu Themenbeitrag Briefkastenwerbung). Anders als E-Mail-Werbung ist Briefkastenwerbung ohne ausdrückliche Einwilligung des Empfängers zulässig. Sie wird aber unzulässig, wenn der erkennbare Willen des Empfängers (hier also des Briefkasteninhabers) entgegen steht. Will nun ein Briefkasteninhaber einem Werbetreibenden seinen entgegenstehenden Willen erklären, stellt sich die Frage, ob er dies auf bestimmte Weise tun muss. Für den Werbetreibenden am einfachsten zu handhaben ist es sicherlich, wenn der Briefkasteninhaber einen sog. Sperraufkleber (z.B. "Bitte keine Werbung einwerfen!", Aufkleber hier kostenlos zu bestellen) auf seinem Briefkasten anbringt. Schwierig wird dies aber, wenn der Briefkasteninhaber nur die Werbung bestimmter Absender blockieren will. Ein Hinweis hierzu auf dem Briefkasten kann schnell unübersichtlich werden (z.B. "Bitte keine Werbung von folgenden Firmen einwerfen: ..."). Außerdem würde jeder anhand der Briefkastenbeschriftung erkennen, von welchen Absendern der Briefkasteninhaber keine Werbung wünscht, was dem Briefkasteninhaber nicht zumutbar ist. Daher steht es dem Beworbenen auch bei Briefkastenwerbung frei, seinen entgegen stehenden Willen auf beliebige Weise kundzutun. Auch wenn der Briefkasteninhaber dem Werbetreibenden per Brief mitteilt, keine Werbung mehr zu wünschen, muss der Werbetreibende diesen Willen beachten, auch wenn ihm das einen erheblichen logistischen Aufwand verursacht (LG Flensburg, Urt. vom 19.01.2007, Az. 4 O 267/06).
Auszug aus dem Unterlassungsklagegesetz (UKlaG)
* § 2 Unterlassungsanspruch bei verbraucherschutzgesetzwidrigen Praktiken
(1) Wer in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze), kann im Interesse des Verbraucherschutzes auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Werden die Zuwiderhandlungen in einem geschäftlichen Betrieb von einem Angestellten oder einem Beauftragten begangen, so ist der Unterlassungsanspruch auch gegen den Inhaber des Betriebs begründet.
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Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
** § 7 Unzumutbare Belästigungen
(1) Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.
(2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen
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Quelle: Urteilsabdruck
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Letzte Aktualisierung: 20.05.2015