07.04.2015
Das Landgericht Dortmund hat dem Energieversorgungsunternehmen RWE Vertrieb AG durch einstweilige Verfügung vorläufig untersagt, von Grundversorgungskunden Mahnkostenpauschalen i.H.v. 6,50 € zu verlangen. Auch weitere "Gebühren", die RWE im Falle des Zahlungsverzugs erhoben hat, so etwa für "Telefoninkasso" i.H.v. 18,50 €, "Nachinkassogang" i.H.v. 52,90 € und "Rücknahme eines Sperrauftrages" i.H.v. 25,00 €, erklärte das Gericht für unzulässig (Urt. v. 07.04.2015, Az. 25 O 83/15).
Die Verfügungsbeklagte RWE Vertrieb AG verwendete gegenüber Grundversorgungskunden in ihren "Ergänzenden Bedingungen der RWE Vertrieb Aktiengesellschaft (RWE) zur Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV)" folgende Klauseln:
3. Zahlungsverzug; Unterbrechung der Versorgung | ||
3.1 | Rückständige Zahlungen werden nach Ablauf des von der RWE angegebenen Fälligkeitstermins schriftlich angemahnt. Die dadurch entstehenden Kosten werden dem Kunden mit einer Pauschale berechnet. | |
3.2 | Bei Zahlungsverzug, Unterbrechung der Versorgung und Wiederherstellung der Versorgung werden folgende Pauschalen in Rechnung gestellt: | |
Euro | ||
Mahnung/Sperrung | 6,50 | |
Telefoninkasso | 18,50 | |
Nachinkassogang | 52,90 | |
Rücknahme des Sperrauftrages | 25,00 | |
Dem Kunden ist der Nachweis gestattet, dass ein Schaden überhaupt nicht oder wesentlich niedriger als die Pauschale entstanden ist. |
Die "Ergänzenden Bedingungen der RWE Vertrieb Aktiengesellschaft (RWE) zur Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz" enthielten inhaltsgleiche Klauseln.
Der Verfügungskläger, der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V., hält die vorstehenden Pauschalen für verbraucherrechtswidrig. Er ist der Auffassung, dass die Klauseln teilweise schon gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB* verstießen, weil sie unklar seien. Zudem hält er die Klauseln gem. § 309 Nr. 5a BGB** bzw. § 17 Abs. 2 S. 2 StromGVV*** für unwirksam, weil die Pauschalen höher seien, als der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartende Verzugsschaden in den von den Klauseln geregelten Fällen. Der Verfügungskläger mahnte die Verfügungsbeklagte daher mit Telefax vom 25.02.2015 wegen vorstehender und weiterer Klauseln – erfolglos – ab und beantragte sodann den Erlaß einer einstweiligen Unterlassungsverfügung.
Das erstinstanzlich zuständige Landgericht Dortmund gab dem Antrag des Verfügungskläger durch Urteil vom 07.04.2015 (Az. 25 O 83/15) in allen Punkten statt.
Hinweis: Es handelt sich nur um eine vorläufige Entscheidung im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung. Die Verfügungsbeklagte hat die Möglichkeit, gegen das Urteil Berufung zum Oberlandesgericht Hamm einzulegen. Außerdem können die Parteien auf die Durchführung des Hauptsacheverfahrens bestehen, wenn sie das Ergebnis des Verfügungsverfahrens nicht als endgültige Entscheidung akzeptieren wollen.
1. Das Landgericht erklärte zunächst die Pauschale für "Mahnung/Sperrung" in Höhe von 6,50 € nach § 309 Nr. 5a BGB bzw. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 17 Abs. 2 S. 2 StromGVV für unwirksam unwirksam, da die erhobene Pauschale den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt. dazu stelle es im Wesentlichen darauf ab, dass der Verfügungsbeklagten die Glaubhaftmachungslast für die Höhe des gewöhnlichen Schadens obliege. Zur Höhe der gewöhnlichen Mahnkosten habe die Verfügungsbeklagte jedoch nichts konkretes vorgetragen. Soweit die Verfügungsbeklagte die Pauschale auch für eine "Sperrung" erhebt, erklärte das Gericht die Klausel auch Verstoß gegen das Transparentgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB für unwirksam. Die Verfügungsbeklagte habe vorgerichtlich bereits eingeräumt, dass es sich um einen Druckfehler handele und es vielmehr statt "Sperrung" "Sperrandrohung" heißen müsse. Der verwendete Begriff "Sperrung" könne durch Auslegung jedoch nur in dem Sinne verstanden werden, wie ihn auch der Verfügungskläger versteht, nämlich als Unterbrechung der Stromversorgung. Insofern sei die verwendete Klausel missverständlich.
2. Die für Telefoninkasso erhobene Pauschale von 18,50 € hielt das Gericht ebenfalls nach den § 309 Nr. 5a BGB bzw. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 17 Abs. 2 S. 2 StromGVV für unwirksam, da die erhobene Pauschale den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteige. Auch insofern stellte das Gericht darauf ab, dass die Verfügungsbeklagte den ihr obliegenden Beweis, dass ihr nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ein zu erwartender Schaden von 18,50 € entsteht, nicht erbracht habe. Auch soweit die Verfügungsbeklagte angibt, dass externe Dienstleister ihr für das Telefoninkasso 17,59 € berechnen, sei dieser Vortrag nicht geeignet, einen entsprechenden Schaden darzulegen. Zunächst sei bereits nicht ersichtlich, ob in diesem Betrag Kosten für den allgemeinen Verwaltungsaufwand beinhaltet sind, die im Rahmen des Verzugsschadens grundsätzlich nicht zu ersetzen seinen. Im Übrigen könne es im Rahmen des dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden nicht darauf ankommen, welche Kosten ein Drittunternehmen dem Verwender in Rechnung stellt, da anderenfalls der Verwender etwaige überhöhte vereinbarte Preise mit dem Drittunternehmen entgegen der Schadensminderungspflicht des § 254 BGB auf den Vertragspartner des Verwenders abwälzen könnte. Maßgeblich ist daher stets der tatsächlich zu erwartende Schaden. Für dessen Höhe habe die Verfügungsbeklagte jedoch nichts vorgetragen.
3. Die Klausel, mit der die Verfügungsbeklagte für "Nachinkassogang" eine Pauschale von 52,90 € erhebt, erklärte das Gericht gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB für unwirksam. Die Klausel sei nicht klar und verständlich. Für den durchschnittlichen Kunden sei nicht ersichtlich, was unter dem Begriff "Nachinkassogang" zu verstehen ist, weshalb er nicht einschätzen könne, wofür eine solche Pauschale erhoben wird. Der Begriff lege nahe, dass es um Tätigkeiten geht, die zeitlich dem Inkassovorgang nachgelagert sind. Tatsächlich handele es sich nach dem Vorbringen der Verfügungsbeklagten jedoch gerade um einen Teil des Inkassovorgangs, bei dem Mitarbeiter die Kunden zu Hause aufsuchen. Im Übrigen sei die Klausel aber auch nach den § 309 Nr. 5a BGB bzw. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 17 Abs. 2 S. 2 StromGVV unwirksam. Es könne dahinstehen, ob für den Fall des "Nachinkassogang" überhaupt eine Pauschale erhoben werden dürfe, denn jedenfalls übersteige die erhobene Pauschale den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden. Auch insofern konnte die Verfügungsbeklagte den ihr obliegenden Beweis nicht erbringen, dass ihr nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ein zu erwartender Schaden von 52,90 € entsteht.
4. Auch die für die "Rücknahme des Sperrauftrags" erhobene Pauschale in Höhe von 25,00 € erklärte das Gericht wegen Verstoßes gegen die § 309 Nr. 5a BGB bzw. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 17 Abs. 2 S. 2 StromGVV für unwirksam, weil die Verfügungsbeklagte auch insofern nicht glaubhaft gemacht habe, dass ihr nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ein zu erwartender Schaden von 25,00 € entsteht.
Die Entscheidung hinsichtlich der Höhe der Pauschalen bindet RWE zunächst nur für Verträge mit Grundversorgungskunden. Zwar hat RWE die Pauschalen auch gegenüber Sondervertragskunden erhoben. Gegenüber Sondervertragskunden hatte RWE die Pauschalen zuvor aber nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgeschrieben, so dass wir zunächst nur gegen die Pauschalen in Verträgen mit Grundversorgungskunden einschreiten konnten. In Reaktion auf das Urteil hat RWE die Pauschalen nun aus den Bedingungen für Grundversogungskunden gestrichen. Wir wissen daher nicht, ob und ggf. welche Mahnpauschalen RWE aktuell von seinen Grundversorgungskunden erhebt. Hier sind wir auf Ihre Mithilfe angwiesen. Sollten Ihnen RWE-Rechnungen ab ca. 10.04.2015 vorliegen, welche Mahnkostenpauschalen, Inklassogebühren, o.ä. enthalten, können Sie unsere Arbeit unterstützen, indem Sie uns die Rechnung zusenden, z.B. per E-Mail an info@deutscher-verbraucherschutzverein.de. Bitte teilen Sie uns auch mit, ob Sie Grundversorgungs- oder Sondervertragskunde sind. Für die Übersendung entsprechender Rechnungen zahlen wir Ihnen eine Aufwandsentschädigung i.H.v. 10,00 €.
Allerdings haben wir festgestellt, dass RWE die Pauschalen gegenüber Sondervertragskunden nun ausdrücklich geregelt hat, nämlich genau in der Höhe, in der RWE die Pauschalen von Grundversorgungskunden nach dem Urteil des LG Dortmund nicht mehr erheben darf. Wir halten das für einen unglaublichen Vorgang und werden uns erneut mit RWE in Verbindung setzen.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 307 Inhaltskontrolle
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
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** § 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
5. | (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
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a) | die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder | |
b) | dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale; |
Auszug aus der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV)
*** § 17 Zahlung, Verzug
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(2) 1Bei Zahlungsverzug des Kunden kann der Grundversorger, wenn er erneut zur Zahlung auffordert oder den Betrag durch einen Beauftragten einziehen lässt, die dadurch entstandenen Kosten für strukturell vergleichbare Fälle pauschal berechnen; die pauschale Berechnung muss einfach nachvollziehbar sein. 2Die Pauschale darf die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten nicht übersteigen. 3Auf Verlangen des Kunden ist die Berechnungsgrundlage nachzuweisen.
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Quelle: Urteilsabdruck
© 2015 Deutscher Verbraucherschutzverein e.V.
Letzte Aktualisierung: 21.04.2015