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18.03.2015

Formularmäße Schönheitsreparatur- und Quotenabgeltungsklausel bei unrenoviert übergebener Wohnung unwirksam

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in mehreren Entscheidungen erneut mit der Frage der Wirksamkeit von Schönheitsreparatur- und Quotenabgeltungsklauseln befasst. Er hat unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass Schönheitsreparatur- und Quotenabgeltungsklauseln wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam sind, wenn der Mieter bei Vertragsbeginn eine unrenovierte Wohnung erhalten hat (Urt. v. 18.03.2015, Az. VIII ZR 185/14, VIII ZR 242/13).

Zum Sachverhalt:

Den in den zwei Verfahren waren den Mietern jeweils durch eine formularmäßige Mietvertragsklausel die Schönheitsreparaturen auferlegt worden. Die Mieter hatten die Schönheitsreparaturen jedoch jeweils nicht ausgeführt. Die klagenden Vermieter begehrten daher von den beklagten Mietern Schadensersatz wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen. In dem zweiten Verfahren forderte die klagende Mieterin hilfsweise die Zahlung anteiliger Renovierungskosten aufgrund einer einer formularmäßigen Quotenabgeltungsklausel.

Verfahrensgang:

In dem Verfahren zu Az. VIII ZR 185/14 hatte das AG Tempelhof (Urt. v. 09.08.2013, Az. 22 C 57/12) der Klage des Vermieters stattgeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Mieters zum LG Berlin (Urt. v. 25.06.2014, A.z 65 S 388/13) war erfolglos geblieben. Die gegen das Berufungsurteil gerichtete Revision des Mieters zum BGH hatte indes Erfolg und führte zur Aufhebung der angegriffenen Urteile und abschließenden Abweisung der Klage des Vermieters.

In dem Verfahren zu Az. VIII ZR 242/13 hatte das AG Hannover (Urt. v. 03.01.2013, Az. 510 C 12173/11) der Klage des Vermieters stattgeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Mieters zum LG Hannover (Urt. v. 10.07.2013, Az. 12 S 9/13 ) war erfolglos geblieben. Die gegen das Berufungsurteil gerichtete Revision des Mieters zum BGH hatte Erfolg und führte zur Aufhebung der angegriffenen Urteile und Zurückweisung der Klage an das Landgericht.

 

Die Entscheidungen des BGH:

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nunmehr – wie bereits im Hinweisbeschluss vom 22.01.2014 (Az. VIII ZR 352/12) erwogen – seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, dass die Schönheitsreparaturen auch bei einer zu Mietbeginn dem Mieter unrenoviert überlassenen Wohnung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen auf den Mieter übertragen werden können (dazu grundlegend BGH, Rechtsentscheid v. 01.07.1987, Az. VIII ARZ 9/86, BGHZ 101, 253, 264 ff.).

Auch an seiner weiteren (früheren) Rechtsprechung zur Wirksamkeit formularmäßiger Quotenabgeltungsklauseln (dazu Rechtsentscheid v. 06.07.1988, Az. VIII ARZ 1/88; Urt. v. 26.09.2007, Az. VIII ZR 143/06) hält der Senat nach den heutigen Entscheidungen nicht mehr fest.

Weiterhin maßgeblich ist allerdings der Ausgangspunkt auch der früheren Rechtsprechung des Senats, dass der Mieter nur zu den auf seine eigene Vertragszeit entfallenden Renovierungsleistungen verpflichtet werden darf. Er darf zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung – jedenfalls nicht ohne Gewährung eines angemessenen Ausgleichs durch den Vermieter – formularmäßig nicht mit der Beseitigung von Gebrauchsspuren der Wohnung belastet werden, die bereits in einem vorvertraglichen Abnutzungszeitraum entstanden sind.

Bei Erlass der oben genannten Rechtsentscheide aus den Jahren 1987 und 1988 entsprach es noch der Praxis des Bundesgerichtshofs, den Anwendungsbereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in einer Weise einzuschränken, die nach heutiger Sichtweise als unzulässige geltungserhaltende Reduktion einer Klausel auf den gerade noch zulässigen Inhalt eingestuft würde (vgl. Rechtsentscheid vom 06.07.1988, Az. VIII ARZ 1/88). Dem damaligen Verständnis lag die Vorstellung zugrunde, dass der Mieter nur mit Renovierungsarbeiten für seine eigene Vertragslaufzeit belastet würde, wenn die "üblichen" Renovierungsfristen im Falle der Überlassung einer unrenovierten Wohnung an den Mietbeginn anknüpften.

Hieran hält der Senat angesichts der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Maßstäben der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht fest. Insbesondere durch die ab 2004 einsetzende Rechtsprechung des Senats zum Erfordernis eines flexiblen Fristenplans (grundlegend Senatsurteil vom 23.06.2004, Az. VIII ZR 361/03) und durch die Anwendung der kundenfeindlichsten Auslegung auch im Individualprozess (dazu Senatsurteil v. 29.05.2013, Az. VIII ZR 285/12) sind die Maßstäbe der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen erheblich verschärft worden.

Gemessen daran ist eine Formularklausel, die dem Mieter einer unrenoviert übergebenen Wohnung die Schönheitsreparaturen ohne angemessenen Ausgleich auferlegt, unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB*). Denn eine solche Klausel verpflichtet den Mieter zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters und führt – jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung – dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben müsste als er sie selbst vom Vermieter erhalten hat.

In dem Verfahren VIII ZR 185/14, in dem die Vorinstanzen der auf Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen gerichteten Klage überwiegend stattgegeben hatten, hat der Bundesgerichtshof unter Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts abschließend entschieden, dass die Klage wegen unterlassener Schönheitsreparaturen (insgesamt) abgewiesen wird. Die formularmäßige Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf die beklagten Mieter ist unwirksam, denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts waren bei Mietbeginn in drei Zimmern Streicharbeiten erforderlich, so dass die Mieter bei Nutzungsbeginn eine unrenovierte Wohnung übernommen hatten. Der ihnen zu Mietbeginn gewährte Nachlass von lediglich einer halben Monatsmiete stellt in diesem Fall keinen angemessenen Ausgleich dar.

Im Verfahren VIII ZR 242/13, in dem das Berufungsgericht dem Vermieter den begehrten Schadensersatz wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen zugesprochen hatte, hat der Bundesgerichtshof die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die – vom Mieter zu beweisende Frage - geklärt werden kann, ob die Wohnung zu Vertragsbeginn unrenoviert übergeben worden und die Abwälzung der Schönheitsreparaturen deshalb unwirksam ist. Dabei kommt es (wie in dem Verfahren VIII ZR 185/14 näher ausgeführt wird) für die Abgrenzung renoviert/unrenoviert letztlich darauf an, ob etwa vorhandene Gebrauchsspuren so unerheblich sind, dass die Mieträume im Zeitpunkt der Überlassung den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln; dies hat der Tatrichter unter umfassender Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

In dem Verfahren VIII ZR 242/13 hat der Senat zusätzlich entschieden, dass ein – von der klagenden Vermieterin hilfsweise geltend gemachter - Anspruch auf anteilige Kostentragung nach einer Quotenabgeltungsklausel nicht besteht.

Auch bei der Quotenabgeltungsklausel hatte der Senat ursprünglich eine Bemessung des vom Mieter zu tragenden Anteils nach "starren" Fristen für zulässig erachtet (Rechtsentscheid vom 06.07.1988) und dies später (Urt. v. 26.09.2007) dahin modifiziert, dass derartige Klauseln (nur dann) der Inhaltskontrolle standhielten, wenn sie den vom Mieter zu zahlenden Anteil nach dem Verhältnis zwischen der Mietdauer seit Durchführung der letzten Schönheitsreparaturen und dem Zeitraum bemessen würden, nach dem bei einer hypothetischen Fortsetzung aufgrund des Wohnverhaltens des Mieters voraussichtlich Renovierungsbedarf bestünde.

Im Hinweisbeschluss vom 22.01.2014 (Az. VIII ZR 352/12) hatte der Senat bereits Bedenken angedeutet, ob eine Berechnung des vom Mieter zu tragenden Anteils an den Renovierungskosten anhand einer hypothetischen Fortsetzung seines bisherigen Wohnverhaltens der Inhaltskontrolle standhält. Diese Bedenken hat der Senat nunmehr für durchgreifend erachtet und unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass eine – zur Unwirksamkeit der Abgeltungsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB* führende – unangemessene Benachteiligung des Mieters darin liegt, dass der auf ihn entfallende Kostenanteil nicht verlässlich ermittelt werden kann und für ihn bei Abschluss des Mietvertrags nicht klar und verständlich ist, welche Belastung gegebenenfalls auf ihn zukommt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Wohnung dem Mieter zu Beginn des Mietverhältnisses renoviert oder unrenoviert überlassen wurde.


Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

* § 307 Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.


Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 39/2015

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