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Deutscher Verbraucherschutzverein e.V.

Pressemitteilung

Potsdam, den 27.07.2023


Vodafone West GmbH zahlt zur Abgeltung un­rechtmäßig er­ho­bener, überhöhter Rück­last­schrift- und Mahn­kosten­pau­scha­len mehr als 4,4 Millionen Euro an den Bundes­haus­halt

Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. hat die Unitymedia Hessen GmbH & Co. KG, die Unitymedia NRW GmbH und die Unitymedia BW GmbH in den vergangenen zehn Jahren mehrfach auf Unterlassung der Erhebung überhöhter Rücklastschrift- und Mahnkostenpauschalen von anfänglich 10,00 € bzw. 15,00 € in Anspruch genommen, woraufhin die Unternehmen jeweils Unterlassungserklärungen abgaben und die Pauschalen stufenweise reduzierten. Zwischenzeitlich wurde die Unitymedia-Gruppe vom Vodafone-Konzern übernommen. Zuletzt hat der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. vor dem LG Köln, Az. 31 O 146/22, Klage auf Abschöpfung des mit den überhöhten Pauschalen erzielten Gewinns an den Bundeshaushalt erhoben. Dieses Gewinnabschöpfungsverfahren wurde nun durch einen Vergleich beendet. In Vollzug dieses Vergleichs hat die Vodafone West GmbH als Rechtsnachfolgerin der früheren Unitymedia-Gesellschaften gestern 4 Millionen Euro nebst Zinsen, zusammen 4.409.475,07 Euro, an den Bundeshaushalt gezahlt.

Der nun geschlossene Vergleich mit der Vodafone West GmbH ist Teil einer Gesamteinigung des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. mit dem Vodafone-Konzern, in dem sich zuvor bereits die Vodafone GmbH verpflichtet hatte, ca. 50 Millionen Euro als Ausgleich für von ihr unrechtmäßig erhobene, überhöhte Rücklastschrift- und Mahnkostenpauschalen an den Bundeshaushalt zu zahlen (dazu unsere Pressemitteilung vom 14.07.2023).


Zu den Details:

Viele Unternehmen haben Verbrauchern in der Vergangenheit für das Fehlschlagen einer Lastschrift, z.B. wegen fehlender Kontodeckung, hohe Schadensersatzpauschalen berechnet. In der Telekommunikationsbranche waren noch bis vor zehn Jahren Beträge bis ca. 21,00 € pro Rücklastschrift verbreitet. Nach der gesetzlichen Rechtslage darf die Höhe von Schadens­ersatzpauschalen von Unter­nehmen gegenüber Verbrauchern jedoch den im Durch­schnitt der geregelten Fälle entstehenden Schaden nicht übersteigen. Die Unternehmen dürfen danach mit Schadens­ersatz­pauschalen ihren Schaden decken, aber keine versteckten Gewinne erwirtschaften. Die Rechtsprechung erkennt zudem nur bestimmte Kostenpositionen des Unternehmens als ersatzfähigen Rücklastschriftschaden an, so dass der ersatzfähige Rücklastschriftschaden großer Telekommunikationsunternehmen bei nur 3,00 € bis 4,00 € liegt. Vor diesem Hintergrund dienen Rücklastschriftpauschalen über 4,00 € offensichtlich nicht der Schadenskompensation, sondern der vorsätzlich rechtswidrigen Erwirtschaftung verdeckter Zusatz­gewinne.

Ähnlich verhält es sich mit Mahnkostenpauschalen. Einige Telekommunikationsunternehmen verlangten von ihren Kunden 10,00 € und mehr. Nach der Rechtsprechung des BGH sind im Wesentlichen jedoch nur die Material- und Portokosten für das Mahnschreiben ersatzfähig. Das sind zusammen kaum 1,00 €. Bei elektronischen Mahnungen per E-Mail oder SMS fallen so gut wie keine ersatzfähigen Kosten an.

Die oben genannnten Gesellschaften der Unitymedia-Gruppe verlangten von ihren Kunden noch im Jahr 2013 Rücklastschriftpauschalen von 10,00 € und Mahnkostenpauschalen von 15,00 €. Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. hat die Gesellschaften auf Unterlassung der Erhebung der überhöhten Rücklastschrift- und Mahnkostenpauschalen in Anspruch genommen, woraufhin die Gesellschaften Unterlassungserklärungen abgaben und die Pauschalen stufenweise reduzierten. Durch die Abgabe der Unterlassungserklärungen verhinderten die Unternehmen jeweils ihre Verurteilung zur Unterlassung.

Zwar konnten Verbraucher von ihnen gezahlte überhöhte Pauschalen von den Unitymedia-Gesellschaften zurückfordern. Erwartungsgemäß haben die meisten Ver­braucher von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht, da bei Kleinbeträgen wie überhöhten Rück­last­schrift­- und Mahnkostenpauschalen der wirtschaftliche Nutzen der Rückforderung für den einzelnen Verbraucher meist in keinem sinnvollen Verhältnis zu dem Aufwand steht, den er betreiben muss, um den Betrag zurückzuerhalten. Inzwischen sind die meisten Rück­forderungs­ansprüche der geschädigten Verbraucher verjährt.

Da diese Entwicklung abzusehen war, hat sich der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. bereits im Jahr 2016 entschieden, die Unitymedia Hessen GmbH & Co. KG, die Unitymedia NRW GmbH und die Unitymedia BW GmbH – wie auch einige andere große Telekommunikationsunternehmen – auf Abschöpfung des mit den überhöhten Pauschalen erzielten Unrechtsgewinns an den Bundeshaushalt in Anspruch zu nehmen. Diese Möglichkeit bietet das Gesetz für den Fall, dass ein Unternehmer vorsätzlich gegen Normen des Wettbewerbsrechts verstößt. In derartigen gravierenden Fällen soll der Unternehmer nach dem Willen des Gesetzgebers die zu Unrecht vereinnahmten Gewinne nicht für sich behalten dürfen, auch wenn die betroffenen Verbraucher sie nicht zurückfordern. Qualifizierte Verbraucherschutzverbände können die Abführung der Gewinne an den Bundeshaushalt beanspruchen. Die Anspruchs­durchsetzung erfolgt in der Regel in einem zweistufigen Gerichtsverfahren, in dem der Verbraucher­schutzverband von dem Unternehmer erst Auskunft über die erzielten Gewinne und sodann Zahlung der Gewinne an den Bundeshaushalt verlangt. Das Verfahren kann sich daher über viele Jahre hinziehen und ganz erhebliche Kosten verursachen.

Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. hatte gegen die drei genannten Gesellschaften im Jahr 2016 eine Stufenklage erhoben. Aufgrund des enormen Kostenrisikos hatte der Verein mit Zustimmung des Bundesamts für Justiz einen gewerblichen Prozessfinanzierer eingeschaltet. Die Klage scheiterte jedoch daran, dass der Bundesgerichtshof in einem anderen Verfahren überraschend entschieden hatte, dass die Einschaltung eines gewerblichen Prozessfinanzierers generell zur Unzulässigkeit einer Gewinn­abschöpfungs­klage führe.

Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. hat sich vom Fehlschlagen der ersten Klage jedoch nicht entmutigen lassen und im Jahr 2020 erneut – nun ohne Prozessfinanzierer – Klage erhoben. Inzwischen war die Unitymedia-Gruppe vom Vodafone-Konzern übernommen worden. Dieses Gewinnabschöpfungsverfahren wurde nun mit einem Vergleich beendet. In Vollzug dieses Vergleichs hat die Vodafone West GmbH als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Unitymedia-Unternehmen gestern 4 Millionen Euro nebst Zinsen, zusammen 4.409.475,07 Euro, an den Bundeshaushalt gezahlt.


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