Bereits in unserem Aktuellen Thema vom August 2011 hatten wir uns ausführlich mit der Frage befasst, ob dem Vermieter ein Mieterhöhungsrecht aufgrund der Unwirksamkeit einer im Mietvertrag vereinbarten Schönheitsreparaturklausel zusteht. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 11.02.2009, Az. VIII ZR 118/07) ist der Vermieter bei preisfreiem Wohnraum nicht berechtigt, allein aufgrund der Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel die Miete zu erhöhen. Nicht selten versuchen Vermieter preisfreien Wohnraums dennoch, die festgestellte Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel als Grund für eine Mieterhöhung zu verwenden.
Dies hat auch die allgäuer Wohnungsbaugesellschaft Sozialbau Kempten Wohnungs- und Städtebau GmbH (im Folgenden: Sozialbau) im August 2011 getan. Die Gesellschaft schrieb zahlreiche ihrer Mieter nicht preisgebundenen Wohnraums an und wies diese auf die Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel in dem jeweils geschlossenen Mietvertrag hin.
Unter diffuser Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs teilte sie ihren Mieter mit, dass sie aufgrund der Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklauseln die Miete erhöhen dürfe. Sie bot den Mietern jedoch den Abschluss einer neuer neuen, wirksamen Schönheitsreparaturvereinbarung an, nach welcher die Mieter wieder zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet wären. Für den Fall, dass die Mieter der angebotenen Vertragsänderung nicht zustimmen sollten, kündigte die Sozialbau an, die Miete wegen der Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel zu erhöhen. Auch wenn dei Schrieebn dise Aussage nicht ausdrücklich enthalten, werden sie bei den meisten Mietern doch den - falschen - Eindruck erwecken, die das behauptete Mieterhöhungsrecht mit der Rechtsprechung des BGH in Einklang stehe.
Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V.ist geegn diese Irreführung vorgegangen und hat die Sozialbau auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die zuständige 37. Zivilkammer des Landgerichts München I ließ in der Verhandlung am 16.05.2012 keinen Zweifel daran, dass sie das Vorgehen der Sozialbau für irreführend und daher rechtswidrig hält und die Sozialbau antragsgemäß zur Unterlassung verurteilen würde. Um einer Verurteilung zuvor zu kommen, gab die Sozialbau noch im Termin die geforderte Unterlassungserklärung ab. Sie verpflichtete sich unter hoher Strafandrohung, es zu unterlassen, ihre Mieter in der durch die Schreiben vom August 2011 geschehenen Weise zu täuschen.
Für jene Mieter nicht preisgebundenen Wohnraums, die sich aufgrund der streitgegenständlichen Schreiben der Sozialbau mit der Vereinbarung einer neuen Schönheitsreparaturklausel einverstanden erklärt haben, hat der Rechtsstreit keine unmittelbaren Auswirkungen. Die Vereinbarung der neuen Schönheitsreparaturklausel bleibt zunächst wirksam.
Den Mietern dürfte jedoch das Recht zustehen, ihre Einverständniserklärung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)* anzufechten. Nach dieser Vorschrift kann sich von einem Vertrag wieder lösen, wer durch arglistige Täuschung zum Vertragsschluss bestimmt worden ist. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtung würde die Einverständniserklärung der Mieter mit der Vertragsänderung ihre Wirkung verlieren. Es würde dann beim ursprünglichen Mietvertrag bleiben. Falls in diesem Mietvertrag nur eine unwirksame Schönheitsreparaturklausel enthalten ist, bleibt die Sozialbau zur Durchführung der fälligen Schönheitsreparaturen verpflichtet. Eine Mieterhöhung kann die Sozialbau deswegen nicht verlangen. Ihr stehen dann lediglich die allgemeinen – von der Wirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel völlig unabhängigen – gesetzlichen Mietererhöhungsrechte unter Beachtung deren enger Voraussetzungen zu.
Wenngleich sich das Landgericht München I zu der Frage, ob in dem Verhalten der Sozialbau auch eine arglistige Täuschung i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB liegt, nicht geäußert hat, spricht doch einige dafür. Mieter, die ihre Einverständniserklärung anfechten wollen, müsssen dem Vermeiter gem. § 124 BGB binnen eines Jahre nach Kenntnis der Täuschung mitteilen, dass sie ihre Einverständniserklärung aufgrund der Täuschung nicht gelten lassen wollen. Die Anfechtung sollte so erklärt werden, dass sich deren Zugang beim Vermieter im Streitfall auch beweisen läßt. Dazu kann mein den Vermieter gleich mit Anfechtungserklärung um eine ausdrückliche Eingangsbestätigung bitten. Ist der Vermieter insofern nicht kooperativ, kann man die Anfechtungserklärung - unter Beachtung der Frist - auch nochmal per Einschreiben versenden.
Natürlich besteht die prinzipielle Möglichkeit, dass die Sozialbau, wenn die Vertragsänderung angefochten wird, versucht, die Miete über § 558 BGB an die ortsübliche Vergleichsmiete anzupassen. Dieses Recht steht jedem Vermieter aber ganz unabhängig von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel zu, sofern die Voraussetzungen des § 558 BGB vorliegen.
Auch wir werden die Entwicklung im Fall Sozialbau weiter beobachten und Sie im Rahmen unserer rechtlichen Möglichkeiten bei der Durchsetzung Ihrer Rechte unterstützen. Leider liegen uns noch keine konkreten Informationen über die Anzahl der von der Sozialbau angeschriebenen Mieter und die Zahl der Fälle vor, in denen sich Mieter tatsächlich mit der Vereinbarung einer neuen Schönheitsreparaturklausel einverstanden erklärt haben. Sind auch Sie von den Vorgängen betroffen? Wenn ja, könnten Sie unsere Arbeit im Interesse des Verbraucherschutzes sehr unterstützen, indem Sie uns durch das Ausfüllen nachfolgenden Formulars über Ihren speziellen Fall informieren.
*Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB):
§ 123 Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung§ 124 Anfechtungsfrist
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.