Bereits vor zehn Jahren haben wir uns in einem "Aktuellen Thema" mit den Rechten des Käufers bei Lieferung einer mangelhaften Sache beschäftigt ("Oktober 2009: Mängelgewährleistung und Garantie im Kaufrecht"). In unserer Beratungspraxis sehen wir bestätigt, dass Fragestellungen rund um dieses Thema immer wieder die Verbraucher bewegen. Besonders häufig streiten Verkäufer und Käufer über die Modalitäten der Nacherfüllung. Jedenfalls bei hochwertigeren Artikeln haben die Verkäufer meist ein Interesse daran, die mangelhafte Sache ggf. auch mehrfach zu reparieren. Die Käufer wollen meist schnell eine funktionsfähige Sache haben und sich allenfalls auf einen Reparaturversuch einlassen. Wir haben uns daher entschlossen, auf diese Fragen in einem neuen "Aktuellen Thema" vertieft einzugehen.
Wenn die Kaufsache mangelhaft ist, kann der Käufer gem. § 437 Nr. 1 BGB* zunächst Nacherfüllung verlangen. Damit ist die Beseitigung des Mangels (Reparatur der mangelhaften Sache) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache gemeint. Die Auswahl zwischen beiden Möglichkeiten obliegt gem. § 439 Abs. 1 BGB* dem Käufer. Hat ein Käufer z.B. in einem Elektronikfachgeschäft einen Fernseher erworben, der schon bei der ersten Inbetriebnahme zu Hause nicht funktionierte, so kann er bestimmen, ob der Fernseher repariert oder neu geliefert werden soll.
Das grundsätzliche Wahlrecht des Käufers aus § 439 Abs. 1 BGB kann durch vertragliche Vereinbarungen nicht eingeschränkt werden, wenn es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handelt. Verbrauchsgüterkäufe sind gem. § 474 BGB* Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Beim solchen Verträgen ist jede Einschränkung des Wahlrechts des Käufers gem. § 476 Abs. 1 BGB* unwirksam.
Das grundsätzliche Wahlrecht des Käufers kann im konkreten Fall aber aus Billigkeitsgründen gem. § 439 Abs. 4 BGB* eingeschränkt sein. Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Gemeint ist dabei erstens eine Unverhältnismäßigkeit im Vergleich zur anderen Art der Nacherfüllung und zweitens eine Unverhältnismäßigkeit im Vergleich mit dem Interesse des Käufers an einer bestimmten Art der Nacherfüllung. Was unverhältnismäßig ist, muss in jedem Einzelfall anhand einer Interessenabwägung festgestellt werden. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte.
Wenn die Mehrkosten des Verkäufers für die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung gemessen am Wert der mangelfreien Sache gering sind, kann der Verkäufer nicht einwenden, dass ihm die gewählte Art der Nacherfüllung unzumutbar ist. Verbreitet wird hier eine Mindestwertgrenze von 10 % genannt. Beträgt der Wert der mangelfreien Sache z.B. 100 €, kann der Verkäufer eine Reparatur nicht ablehnen, nur weil ihn die Reparatur 9 € mehr kosten würde als die Nachlieferung einer mangelfreien Sache.
Ab 10 % kommt es bereits auf die Umstände des Einzelfalles an. Auch bei höheren Kosten kann der Einwand der Unzumutbarkeit aber ausscheiden, wenn der Käufer ein berechtigten Interesse an der von ihm gewählten Form der Nacherfüllung hat. Leidet z.B. ein vom Käufer dringend benötigter Laptop an einem Fehler, dessen Suche und Reparatur voraussichtlich mehrere Wochen dauern würde, kann der Verkäufer eine Nachlieferung nur ablehnen, wenn ihm diese ganz erheblich höhere Kosten als eine Reparatur verursachen würde. Wenn eine vom Käufer gewünschte Nachlieferung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles dennoch als übermäßig teuer erscheint und eine Nachbessung möglich ist, muss sich der Käufer mit der Nachbesserung zufrieden geben.
Die Kosten der Nacherfüllung trägt allein der Verkäufer. Er muss gem. § 439 Abs. 2 BGB3 insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten tragen. Wenn der Käufer die Ware zum Zwecke der Reparatur einschickt, muss der Verkäufer z.B. auch die Kosten der Einsendung und Rücksendung der Sache tragen. Hat der Käufer die Sache bereits bestimmungsgemäß in eine andere Sache eingebaut, muss der Verkäufer gem. § 439 Abs. 4 BGB* auch die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache ersetzen. Hat der Käufer z.B. einen Elektroherd erworben und anschließen lassen, so muss der Verkäufer bei einer Nachlieferung auch die erforderlichen Kosten für einen Elektrikers ersetzen, der den mangelhaften Herd wieder abklemmt und den nachgelieferten Herd anschliesst .
Bei der Nachlieferung ist der Verkäufer vorleistungspflichtig. Das bedeutet, dass er dem Käufer zuerst eine mangelfreie Sache übergeben muss. Erst dann kann er die mangelhafte Sache gem. § 439 Abs. 5 BGB* zurückfordern. In der Praxis verlangen Verkäufer beim Versendungskauf häufig, dass der Käufer die mangelhafte Sache erst zurückschicken soll, um dem Verkäufer eine Prüfung des Mangels zu ermöglichen. Erst dann will der Verkäufer dem Käufer eine neue Sache zusenden. In der Zwischenzeit vergehen oft einige Wochen. Darauf muss sich der Käufer nicht einlassen und kann die sofortige Nachlieferung verlangen. Stellt sich allerdings später heraus, dass die Sache gar nicht mangelhaft war, ist der Käufer dem Verkäufer für den verursachten Aufwand u.U. schadensersatzpflichtig.
Weitere Mängelrechte (Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz) kann der Käufer erst geltend machen, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist.
Bei einer Nachlieferung hat der Verkäufer im Regefall nur einen Versuch. Ist das gelieferte Ersatzgerät wieder mangelhaft, ist die Nachlieferung gem. § 440 Satz 1 BGB* fehlgeschlagen. Der Käufer kann nach § 437 Nr. 2 BGB* z.B. vom Vertrag zurücktreten und den Kaufpreis zurückverlangen.
Eine Nachbesserung gilt gem. § 440 Satz 2 BGB* im Regelfall erst nach zwei Reparaturversuchen als fehlgeschlagen. Im Einzelfall kannn es aber auch sein, dass der Käufer dem verkäufer z.B. bei einem teuren, technisch komplizierten Gerät, drei Reparaturversuche zugestehen muss. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar. So kann auch nur ein Reparaturversuch zumutbar sein, z.B. wenn der Käufer dringend auf die Sache angewiesen ist oder wenn ein sperriges oder schweres Gerät zur Reparatur versendet werden muss.
* Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
§ 307 Inhaltskontrolle
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
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§ 437 Rechte des Käufers bei Mängeln
Ist die Sache mangelhaft, kann der K äufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
1. | nach § 439 Nacherfüllung verlangen, |
2. | nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern und |
3. | nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen. |
§ 439 Nacherfüllung
(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.
(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.
(3) Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen. § 442 Absatz 1 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass für die Kenntnis des Käufers an die Stelle des Vertragsschlusses der Einbau oder das Anbringen der mangelhaften Sache durch den Käufer tritt.
(4) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.
(5) Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen.
§ 440 Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz
1Außer in den Fällen des § 281 Absatz 2 und des § 323 Absatz 2 bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Absatz 4 verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. 2Eine Nachbesserung gilt nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.
§ 474 Verbrauchsgüterkauf
(1) Verbrauchsgüterkäufe sind Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Um einen Verbrauchsgüterkauf handelt es sich auch bei einem Vertrag, der neben dem Verkauf einer beweglichen Sache die Erbringung einer Dienstleistung durch den Unternehmer zum Gegenstand hat.
(2) Für den Verbrauchsgüterkauf gelten ergänzend die folgenden Vorschriften dieses Untertitels. Dies gilt nicht für gebrauchte Sachen, die in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann.
§ 476 Abweichende Vereinbarungen
(1) Auf eine vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer getroffene Vereinbarung, die zum Nachteil des Verbrauchers von den §§ 433 bis 435, 437, 439 bis 443 sowie von den Vorschriften dieses Untertitels abweicht, kann der Unternehmer sich nicht berufen. Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden.
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Letzte Aktualisierung: Mai 2019