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Deutscher Verbraucherschutzverein e.V.

Pressemitteilung

Potsdam, den 04.05.2022


Mobilcom-Debitel GmbH zahlt zur Abgeltung un­rechtmäßig erhobener überhöhter Rück­last­schrift­pau­scha­len 12,25 Milli­onen Euro an den Bundes­haushalt

Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. hat die Mobilcom-Debitel GmbH (im Folgenden kurz: Mobilcom) in den vergangenen Jahren mehrfach erfolgreich auf Unterlassung der Erhebung überhöhter Rücklastschriftpauschalen in Anspruch genommen. In allen Verfahren wurde das Unternehmen rechtskräftig zur Unterlassung verurteilt. Sodann hat der Verein das Unternehmen vor dem Landgericht Kiel auf Abschöpfung des mit den überhöhten Rück­last­schrift­pauschalen erzielten Gewinns an den Bundeshaushalt verklagt. Dieses Gewinn­abschöpfungsverfahren wurde am 02.05.2022 mit einem Vergleich beendet. Nach diesem Vergleich hat Mobilcom 12,25 Millionen Euro an den Bundeshaushalt zu zahlen.


Viele Unternehmen haben Verbrauchern in der Vergangenheit für das Fehlschlagen einer Lastschrift, z.B. wegen fehlender Kontodeckung, hohe Schadensersatzpauschalen berechnet. In der Telekommunikationsbranche waren noch bis vor 10 Jahren Beträge bis ca. 21,00 € pro Rücklastschrift verbreitet. Nach der gesetzlichen Rechtslage darf die Höhe von Schadens­ersatzpauschalen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, z.B. auch Preislisten, von Unter­nehmen gegenüber Verbrauchern jedoch den im Durch­schnitt der geregelten Fälle entstehenden Schaden nicht übersteigen. Die Unternehmen dürfen mit Schadens­ersatz­pauschalen ihren Schaden decken, aber keine versteckten Gewinne erwirtschaften. Der ersatzfähige Rücklastschriftschaden großer Telekommunikationsunternehmen liegt jedoch nur bei 3,00 € bis 4,00 €. Vor diesem Hintergrund dienten Rücklastschriftpauschalen um die 20,00 € offensichtlich nicht der Schadenskompensation, sondern der vorsätzlich rechtswidrigen Erwirtschaftung verdeckter Zusatz­gewinne.

Mobilcom verlangte von ihren Kunden im Jahr 2011 für eine Rücklastschrift in ihren Preisverzeichnissen eine Pauschale von 20,95 €. Die Verwendung der Klausel mit dieser Pauschalenhöhe wurde dem Unternehmen auf Antrag des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. durch das Landgericht Kiel (Beschl. v. 29.09.2011, Az. 17 O 200/11) untersagt. In der Folge senkte Mobilcom ihre Pauschale auf 14,95 € und später auf 10,00 €. Auf Betreiben des Vereins wurde dem Unternehmen durch das Landgericht Kiel zunächst die Verwendung der Klausel mit der Pauschale von 14,95 € (Urt. v. 11.01.2012, Az. 17 O 200/11) und durch das Oberlandesgericht Schleswig später auch der Pauschale von 10,00 € (Urt. v. 26.03.2013, Az. 2 U 7/12) untersagt. Im Anschluss an das Urteil des OLG Schleswig strich Mobilcom die Rücklastschriftpauschalenklausel ganz aus ihren AGB und Preislisten, stellte ihren Kunden mit ihrer Rechnungssoftware im Rücklastschriftfall aber dennoch systematisch eine Rück­lastschrift­pauschale – nun in Höhe von 7,45 € – in Rechnung. Auch diese Praktik, mit der Mobilcom offenkundig das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen umgehen wollte, wurde ihr auf Klage des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. durch das Landgericht Kiel (Urt. v. 12.12.2014, Az. 17 O 164/14) untersagt.

Alle genannten Entscheidungen sind inzwischen rechtskräftig geworden.

Zwar konnten Verbraucher von ihnen gezahlte überhöhte Pauschalen unter Berufung auf diese Urteile von der Mobilcom zurückfordern. Erwartungsgemäß haben die meisten Ver­braucher von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht, denn bei Kleinbeträgen wie überhöhten Rück­last­schrift­pauschalen steht der wirtschaftliche Nutzen der Rückforderung für den einzelnen Verbraucher meist in keinem sinnvollen Verhältnis zu dem Aufwand, den er betreiben muss, um den Betrag zurückzuerhalten. Inzwischen sind die Rück­forderungs­ansprüche der geschädigten Verbraucher verjährt.

Da diese Entwicklung abzusehen war, hatte sich der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. bereits im Jahr 2012 entschieden, Mobilcom nicht nur auf Unterlassung, sondern auch auf Abschöpfung des mit den überhöhten Rücklast­schrift­pauschalen erzielten Unrechtsgewinns an den Bundeshaushalt in Anspruch zu nehmen. Diese Möglichkeit bietet das Gesetz für den Fall, dass ein Unternehmer vorsätzlich gegen Normen des Wettbewerbsrechts verstößt. In derartigen gravierenden Fällen soll der Unternehmer nach dem Willen des Gesetzgebers die zu Unrecht vereinnahmten Gewinne nicht für sich behalten dürfen, auch wenn die betroffenen Verbraucher sie nicht zurückfordern. Qualifizierte Verbraucherschutzverbände können die Abführung der Gewinne an den Bundeshaushalt beanspruchen. Die Anspruchs­durchsetzung erfolgt in der Regel in einem zweistufigen Gerichtsverfahren, in dem der Verbraucher­schutzverband von dem Unternehmer erst Auskunft über die erzielten Gewinne und sodann Zahlung der Gewinne an den Bundeshaushalt verlangt. Das Verfahren kann sich daher, wenn der Rechtsweg ausgeschöpft wird, über viele Jahre hinziehen und ganz erhebliche Kosten verursachen.

Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. hatte gegen Mobilcom für drei aufeinander folgende Zeitabschnitte der Inkassierung überhöhter Pauschalen zunächst drei Stufenklagen erhoben. Aufgrund des enormen Kostenrisikos hatte der Verein mit Zustimmung des Bundesamts für Justiz einen gewerblichen Prozessfinzierer eingeschaltet. In allen drei Verfahren haben die Instanzgerichte entschieden, dass Mobilcom vorsätzlich rechtswidrig gehandelt hat und das Unternehmen zur Auskunftserteilung über die erzielten Unrechtsgewinne verurteilt (OLG Schleswig, Urt. v. 26.03.2013, Az. 2 U 7/12; LG Kiel, Urt. v. 30.12.2016, Az. 13 O 135/15; LG Kiel, Urt. v. 19.03.2018, Az. 6 O 250/16). Diese Gewinnabschöpfungsklagen scheiterten letzlich jedoch, nachdem der Bundesgerichtshof in einem anderen Fall am 13.09.2018 überraschend entschieden hatte, dass die Einschaltung eines gewerblichen Prozessfinanzierers eine Gewinn­abschöpfungs­klage generell unzulässig mache.

Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. hat sich vom Fehlschlagen der ersten Klagen jedoch nicht entmutigen lassen und Mobilcom im Jahr 2019 nochmals auf Abschöpfung derselben Unrechtsgewinne in Anspruch genommen. Dieses Gewinnabschöpfungsverfahren vor dem Landgericht Kiel wurde am 02.05.2022 mit einem Vergleich beendet. Nach diesem Vergleich hat Mobilcom 12,25 Mio. € an den Bundeshaushalt zu zahlen. Zwar hat Mobilcom mit den streitgegenständlichen überhöhten Rücklastschriftpauschalen erheblich höhere Unrechtsgewinne erwirtschaftet. Die Zahlung in ganz erheblicher Höhe erfüllt aus Sicht des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. jedoch einerseits bereits den Sanktionszweck des Abschöpfungsverfahrens, da das Unternehmen immerhin einen erheblichen Teil seines Unrechtsgewinns wieder herausgeben muss. Andererseits konnte der Verein mit dem Vergleich eine unter Umständen noch weitere Jahre andauernde gerichtliche Auseinandersetzung mit einem hohen Prozesskostenrisiko und ungewissem Ausgang vermeiden.

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