Deutscher Verbraucherschutzverein e.V.Pressemitteilung |
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Potsdam, den 11.03.2013 |
In vielen Freizeit- und Saunabädern können zusätzliche Leistungen innerhalb der Einrichtung (z.B. Speisen und Getränke) bargeldlos mittels eines elektronischen Buchungsmediums (sog. "Chips" oder "Coins") bezahlt werden. Der Chip wird dem Besucher beim Betreten der Einrichtung ausgehändigt. Zugleich wird auf einem zentralen Computer ein Kundenkonto mit einem bestimmten Kreditlimit eingerichtet. Der Besucher trägt den Chip während des Aufenthaltes mit einem Armband am Handgelenk. Die von ihm in der Einrichtung konsumierten Leistungen werden über den Chip auf seinem Kundenkonto verbucht. Beim Verlassen der Einrichtung legt der Besucher den Chip vor und bezahlt die auf dem Kundenkonto gebuchten Leistungen.
Dieses bargeldlose Bezahlsystem ist für die Besucher und den Betreiber der Einrichtung sehr bequem. Probleme treten aber auf, wenn der Besucher den Chip verliert und eine Feststellung des dem Besucher zugeordneten Kundenkontos auch auf andere Weise nicht möglich ist. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vieler Freizeiteinrichtungen enthalten daher eine Schadensersatzklausel, nach der der Besucher im Falle des Verlustes des Chips, unbeschadet der Umstände des Verlustes und der tatsächlichen Inanspruchnahme, das volle Kreditlimit bezahlen soll. So kann etwa der schöne Familienausflug ins Freizeitbad schnell zum kostspieligen Ereignis werden, wenn z.B. beim Gedränge im Umkleideraum ein Chip verloren geht. Gerade bei Familien mit mehreren Kindern, bei denen es beim Umkleiden häufig turbulent zugeht, ist ein Chip-Verlust nicht selten.
Besonders schlimm wird es, wenn die geforderte Schadensersatzpauschale dann auch noch extrem hoch ist, wie es z.B. beim überregional bekannten Freizeitpark Tropical Island in Brand bei Cottbus der Fall war. Nach dessen AGB waren für den Verlust eines Kinder-Chips 35,00 € und eines Erwachsenen-Chips 150,00 € Schadensersatz fällig, wenn sich das Buchungskonto ohne den Chip auch auf andere Weise nicht ermitteln ließ, etwa weil der Besucher auch keine Schranknummer angeben konnte. Hiergegen wandte sich der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. und nahm das Tropical Island nach erfolgloser Abmahnung gerichtlich auf Unterlassung der Verwendung dieser Schadensersatzpauschalierung in Anspruch.
Das Brandenburgische Oberlandesgericht gab der Klage mit einem bereits am 06.02.2013 verkündeten Urteil (Az.: 7 U 6/12) statt. Es bestätigte die Auffassung des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V., wonach die Schadensersatzpauschalen zu hoch seien. Tropical Island hat die Höhe der Pauschalen anhand des jeweiligen Kreditlimits, also des maximal möglichen Schadens bestimmt. Dies verstößt jedoch gegen § 309 Nr. 5a Bürgerliches Gesetzbuch, wonach die Höhe einer Schadenspauschale in AGB den gewöhnlichen, also den durchschnittlichen Schaden nicht übersteigen darf. Dass ein durchschnittlicher Schaden in Höhe des Kreditlimits anfällt, ist aber ausgeschlossen, weil natürlich nicht jeder Gast das Kreditlimit ausschöpft. Daneben ist die Schadensersatzklausel nach Auffassung des Gerichts aber auch deshalb unwirksam, weil sie dem Besucher des Tropical Island eine verschuldensunabhängige Haftung auferlegt. So könne es etwa passieren, dass einem Besucher der Chip unverschuldet z.B. während einer Ruhepause im Saunabereich durch Trickdiebe entwendet wird. Auch in diesen Fällen könnte der Besucher nach der Klausel auf Zahlung der Pauschale in Anspruch genommen werden. Eine solche verschuldensunabhängige Haftung weicht jedoch vom gesetzlichen Leitbild des Schadensersatzrechts ab und ist daher in AGB unzulässig.
Tropical Island kann gegen das Urteil noch Revision zum Bundesgerichtshof einlegen. Sobald das Urteil rechtskräftig ist, darf Tropical Island von seinen Besuchern für einen Chip-Verlust keine verschuldensunabhängige Schadensersatzpauschale in Höhe des Kreditlimits mehr verlangen. Das Tropical Island darf in seinen AGB nur für verschuldete Chip-Verluste eine Schadensersatzpauschale und dann nur in Höhe des durchschnittlichen Schadens festlegen. Ansonsten kann es nach der gesetzliche Rechtslage nur den ihm im Einzelfall tatsächlich angefallenen und von Tropical Island individuell nachgewiesenen Schaden verlangen.
Der Volltext des Urteils steht hier auf der Internetseite www.deutscher-verbraucherschutzverein.de/pressemitteilungen.html zum Abruf bereit.
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