Deutscher Verbraucherschutzverein e.V.Pressemitteilung |
|
Potsdam, den 16.05.2012 |
Die allgäuer Wohnungsbaugesellschaft Sozialbau Kempten Wohnungs- und Städtebau GmbH (im Folgenden: Sozialbau) verwaltet und vermietet rund 6.000 Wohnungen im Raum Kempten. Die von ihr geschlossenen Mietverträge enthalten Klauseln, nach denen die nach den gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich dem Vermieter obliegenden Schönheitsreparaturen auf den Mieter verlagert werden (sog. Schönheitsreparaturklauseln). Viele dieser Klauseln, vor allem in älteren Mietverträgen der Sozialbau, sind nach der aktuellen, strengen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam. In diesen Fällen bleibt die Sozialbau als Vermieterin zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet. Die Mieter sind von dieser Pflicht frei.
Die Sozialbau schrieb daher im August 2011 zahlreiche ihrer Mieter nicht preisgebundenen Wohnraums (Wohnraum, der nicht staatlich gefördert wird) an und wies diese auf die Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel in dem jeweils geschlossenen Mietvertrag hin. Die Sozialbau erläuterte in den Schreiben unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sie aufgrund der Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklauseln die Miete erhöhen dürfe. Sie bot den Mietern jedoch den Abschluss einer neuer neuen, wirksamen Schönheitsreparaturvereinbarung an, nach welcher die Mieter wieder zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet wären. Für den Fall, dass die Mieter der angebotenen Vertragsänderung nicht zustimmen sollten, kündigte die Sozialbau an, die Miete wegen der Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel gem. § 28 Abs. 4 Zweite Berechnungsverordnung (BV) zu erhöhen.
Das Brisante daran: § 28 Abs. 4 BV ist auf Mietverträge über nicht preisgebundenen Wohnraum gar nicht anwendbar. Zudem hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 11.02.2009 (Az. VIII ZR 118/07) eindeutig entschieden, dass die Unwirksamkeit einer Schönheitsreparaturklausel den Vermieter nicht preisgebundenen Wohnraums nicht zu einer Mieterhöhung berechtigt.
Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. hat die Sozialbau daher im Dezember 2011 zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert. Die Sozialbau war jedoch nicht zur Abgabe der Unterlassungserklärung bereit, weshalb der Verein die Gesellschaft schließlich vor dem Landgericht München I (Az. 37 O 28091/11) auf Unterlassung verklagte hat. Dort fand am 16.05.2012 die mündliche Verhandlung statt. Die zuständige 37. Zivilkammer ließ keinen Zweifel daran, dass sie das Vorgehen der Sozialbau für irreführend und daher rechtswidrig hält und die Sozialbau antragsgemäß zur Unterlassung verurteilen würde. Um einer Verurteilung zuvor zu kommen, gab die Sozialbau noch im Termin die geforderte Unterlassungserklärung ab. Sie verpflichtete sich unter hoher Strafandrohung, es zu unterlassen, ihre Mieter in der durch die Schreiben vom August 2011 geschehenen Weise zu täuschen.
Für jene Mieter nicht preisgebundenen Wohnraums, die sich aufgrund der streitgegenständlichen Schreiben der Sozialbau mit der Vereinbarung einer neuen Schönheitsreparaturklausel einverstanden erklärt haben, hat der Rechtsstreit zwar keine unmittelbaren Auswirkungen. Den Mietern dürfte jedoch das Recht zustehen, ihre Einverständniserklärung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch* anzufechten. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtung würde die Einverständniserklärung ihre Wirkung verlieren. Es würde dann beim ursprünglichen Mietvertrag bleiben. Falls in diesem Mietvertrag nur eine unwirksame Schönheitsreparaturklausel enthalten ist, bleibt die Sozialbau zur Durchführung der fälligen Schönheitsreparaturen verpflichtet. Eine Mieterhöhung kann die Sozialbau deswegen nicht verlangen. Ihr stehen lediglich die allgemeinen – von der Wirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel völlig unabhängigen – gesetzlichen Mietererhöhungsrechte unter Beachtung deren enger Voraussetzungen zu.
*Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB):
§ 123 Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung§ 124 Anfechtungsfrist
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
Deutscher Verbraucherschutzverein e.V.
- Geschäftsstelle -
Zum Jagenstein 3
14478 Potsdam
Telefon: 0331 / 7453003
Telefax: 0331 / 6200799
© 2012 Deutscher Verbraucherschutzverein e.V.