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Stellungnahme zum Referentenentwurf eines "Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken" vom 19.02.2013

Die Bundesregierung beabsichtigt, unseriöse Geschäftspraktiken in den Bereichen Inkassowesen, Telefonwerbung und Abmahnwesen entgegen zu treten. Ausweislich der Einleitung des Gesetzesentwurfs, will sie solchen Praktiken entgegen wirken, durch die auch solche Bürgerinnen und Bürger erhebliche Verluste finanzieller oder immaterieller Art hinnehmen müssen oder zumindest der Gefahr solcher Verluste ausgesetzt sind, die selbst entweder keine oder nur vergleichsweise geringfügige Rechtsverstöße begehen. Der Gesetzentwurf sieht zur Eindämmung einiger unseriöser Geschäftspraktiken bestimmte Verbotstatbestände, die Verringerung finanzieller Anreize, mehr Transparenz sowie neue oder schärfere Sanktionen vor.

Das Bundesministerium für Justiz hat den Referentenentwurf eines Gesetzes gegen unlautere Geschäftspraktiken am 19. Februar interessierten Verbänden, Organisationen und Institutionen zur Stellungnahme vorgelegt. Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. hat zu diesem Entwurf wie folgt Stellung genommen:


Sehr geehrter Herr Dr. Timm-Wagner,

auf Ihre Aufforderung vom 19.02.2013 nehme ich für den Deutschen Verbraucherschutzverein e.V. zu dem hier vorliegenden Referentenentwurf in der Fassung vom 19.02.2013, 14:03 Uhr wie folgt Stellung:

Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. begrüßt die Absicht, unseriöse Geschäftspraktiken in den Bereichen Inkassowesen, Telefonwerbung und Abmahnwesen gesetzlich einzudämmen. Die meisten in dem Entwurf vorgesehenen Regelungen würden nach unserer Einschätzung tatsächlich zu einer Verbesserung des Verbraucherschutzes führen.

Nicht in das System verbraucherschützender Gesetzesänderungen einzuordnen ist jedoch die beabsichtigte Neufassung des § 51 Abs. 3 Satz 2 GKG, die für Ansprüche nach dem UWG einen Auffangstreitwert von nur 1.000 € vorsieht. Die Regelung ist, so wie sie derzeit vorgesehen ist, weder ausgewogen noch notwendig.

1.
Es ist zutreffend, dass in vielen lauterkeitsrechtlichen Streitigkeiten von abmahnenden Rechtsanwälten Gegenstandswerte festgelegt werden, die – nicht selten für einfachste Abmahnschreiben – zu Gebühren führen, die von den Abgemahnten als ungerecht hoch empfunden werden. Die Problematik betrifft jedoch nahezu ausschließlich das Abmahnwesen, weil dort Rechtsanwälte die Gebühren häufig faktisch durchsetzen können, ohne dass eine gerichtliche Überprüfung stattfindet.

Kommt es indes zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, werden Fantasiestreitwerte auf das in der Rechtsprechung übliche Maß nach § 48 Absatz 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO, § 12 Absatz 4 UWG korrigiert. Dieses Maß hat zwar in der Praxis eine erhebliche Bandbreite gefunden. Diese Bandbreite ist in Anbetracht der Unterschiedlichkeit lauterkeitsrechtlicher Streitigkeiten jedoch kaum zu vermeiden.

2.
Die vorgesehene Regelung konzentriert sich nicht auf die Abwehr vorhandener Missstände im Abmahnwesen, sondern würde voraussichtlich auch die Streitwerte vieler gerichtlicher Verfahren in einer Weise reduzieren, dass Rechtsanwälte zu den Streitwertgebühren nicht mehr kostendeckend arbeiten könnten – bei einem Streitwert von 1.000 € fällt nur eine Verfahrensgebühr von 110,50 € an – und gezwungen wären, auf Stundenbasis abzurechen. Dies wiederum würde dazu führen, dass insbesondere qualifizierte Einrichtungen nach dem Unterlassungsklagengesetz – wie der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. – Verbraucherrechte nur noch in eingeschränktem Umfang oder jedenfalls nicht mehr in der bisherigen Qualität geltend machen könnten.

Die Durchsetzung von Verbraucherrechten findet erstinstanzlich regelmäßig vor den Landgerichten statt, wo sich die qualifizierten Einrichtungen anwaltlich vertreten lassen müssen. Schon jetzt ist es schwierig, für die nicht selten sehr umfangreichen Verfahren qualifizierte Rechtsanwälte zu finden, die bereit sind, auf Streitwertbasis tätig zu werden. Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes auf Basis eines Stundenhonorars, das auch im Obsiegensfall nur in Höhe der Streitwertgebühren vom Gegner zu erstatten wäre, ist jedenfalls für uns – und wohl auch für die meisten anderen qualifizierten Einrichtungen – nur in besonderen Ausnahmefällen finanzierbar. Aus diesem Grund besteht schon jetzt keine prozessuale Waffengleichheit zwischen der Unternehmerseite, die regelmäßig auf Stundenbasis abrechnende, spezialisierte Rechtsanwaltsbüros beauftragt und dem Deutschen Verbraucherschutzverein e.V., der nur Rechtsanwälte beauftragen kann, die auf Streitwertbasis tätig werden.

Die Einführung eines Auffangstreitwertes von 1.000 € würde mithin das Ungleichgewicht von Verbraucherschützern und Unternehmern weiter zu Lasten der Verbraucherschützer verschieben. Die absehbare Folge wäre, dass der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. viele schwerwiegende Verbraucherrechtsverstöße, gegen die er heute erfolgreich vorgeht, zukünftig aus finanziellen Gründen nicht mehr bekämpfen könnte.

Auch würde ein Auffangstreitwert von nur 1.000 € den – ebenso europarechtlich verlangten – kollektiven Verbraucherrechtsschutz ganz erheblich einschränken. Die formelle Möglichkeit der Erhebung von Verbandsklagen bliebe zwar bestehen, wäre aber praktisch nur noch sehr eingeschränkt finanzierbar.

3.
Der Festlegung eines gerichtlichen Auffangstreitwertes bedarf es aber auch gar nicht, um dem Unwesen überhöhter rechtsanwaltlicher Streitwertangaben in Abmahnungen zu begegnen. Ausreichend und im Zweifel sogar wirkungsvoller würde eine Begrenzung der erstattungsfähigen Abmahnkosten dem Missstand entgegen wirken.

Soll indes für das gerichtliche Verfahren ein Auffangstreitwert vorgegeben werden, um die Bandbreite der gerichtlichen Streitwertfestsetzungen zu kanalisieren, muss dieser so bemessen werden, dass die resultierenden Anwaltsgebühren in durchschnittlichen Anwendungsfällen des Auffangstreitwertes auskömmlich sind. Ein Auffangstreitwert in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten dürfte daher keinesfalls unter dem verwaltungsgerichtlichen Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG i.H.v. 5.000 € liegen.
 
Mit freundlichen Grüßen

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