Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und der Digitalverband Bitkom e.V. richteten am 14.02.2017 zum diesjährigen Safer Internet Day gemeinsam die Konferenz „Smart Home – Wie digital wollen wir wohnen?“ aus.
„Smart Home“ wird als Oberbegriff für Systeme und Anwendungen im Wohn- bzw. Hausbereich verstanden, die meist miteinander vernetzt, teilweise fernsteuerbar oder automatisierbar sind. Als dabei insbesondere relevante Anwendungsbereiche erweisen sich verschiedene Sicherheits- und Kontrollsysteme, Heimtechnik und Unterhaltungselektronik sowie das Energiemanagement und die häusliche Pflegeunterstützung.
Die Konferenz eröffnend, warf der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maaß, nachdem er zunächst auf griffige und bereits eingeführte Beispiele wie den internetfähigen Fernseher oder die intelligente Messung und Steuerung des Energieverbrauchs hingewiesen hatte, die Frage auf, ob denn nun auch wirklich all das, was technisch zu vernetzen geht, auch tatsächlich vernetzt werden müsse.
Neben durchaus wünschenswerten Aspekten der Komfortsteigerung bis hin zur Energieeinsparung gehen mit dem gegenwärtigen Trend nämlich auch erhebliche Risiken, ja Gefahren für die Privatsphäre jedes Einzelnen einher. Verbunden sei die Entwicklung mit dem Anfall einer immensen Datenfülle, ggf. einem erheblichen Kontrollverlust und vielfältiger Fremdbestimmung. Insoweit hierbei aber mit der eigenen Wohnung der Kernbereich des Privatlebens betroffen ist, dessen Unverletzlichkeit vom Grundgesetz garantiert wird, gelte es zu verhindern, dass der Mensch zum bloßen Objekt vernetzter Geräte werde. Digitale Souveränität, so der Minister, bedeute für ihn, dass wir jederzeit die alleinige Kontroll- und Steuerungsmöglichkeit über die Geräte haben, über ihre einzelnen Nutzen und auch darüber, welche Daten von wem wie verarbeitet werden.
Hierzu forderte der Minister sodann einen sensiblen Umgang mit persönlichen Daten auf der Anbieterseite ein und verwies auf die 2018 in Kraft tretende Europäische Datenschutzgrundverordnung, wobei er drei grundsätzliche Erwägungen hervorhob:
Erstens: Weniger ist mehr! Es dürfen nur in dem Umfang persönliche Daten erhoben und verarbeitet werden, insoweit dies für die Funktionalität eines Geräts zwingend erforderlich ist, wobei einzelne Funktionen oder der Support außerdem nicht von einem Einverständnis in eine Datenfreigabe abhängig sein dürfen.
Zweitens: Anonymität schützt! Anonymisierte Daten sind in vielen Fällen genauso ergiebig, ohne, dass damit eine Einbuße für die Souveränität des Einzelnen verbunden wäre.
Drittens gilt, dass die Daten wieder gelöscht werden müssen, sobald sie nicht mehr benötigt werden.
Zudem verwies Heiko Maaß neuerlich auf das „Recht auf eine analoge Welt“, nach dem es Verbraucherinnen und Verbrauchern nach wie vor möglich sein muss, sich ohne Nachteile – im vorliegenden Zusammenhang – gegen eine Vernetzung zu entscheiden.
Als weiteren Schwerpunkt setzte er sich mit der Datensicherheit auseinander, die zu einem aktuellen Feld der Verbraucherpolitik geworden ist, da die zunehmende Vernetzung und Automatisierung gerade auch im Heimbereich neue Sicherheitsgefahren entstehen lasse. Als plastisches Beispiel bezog er sich auf den per Erpressungssoftware gesperrten Smart-TV.
Hierzu sprach er sich deutlich dafür aus, die Verantwortung nicht – weiter – auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abzuwälzen. Es könne nicht sein, dass diese selbst dafür zu sorgen hätten, dass sich ihre Endgeräte auf der neuesten Sicherheitsstufe befänden. Vielmehr sei es notwendig, die Anbieter mehr in die Pflicht zu nehmen und klare Regelungen zur Qualität und Sicherheit der Produkte zu schaffen sowie internationale Standards für die Produktsicherheit im Internet der Dinge und eine funktionierende Marktaufsicht zu etablieren.
Insoweit er letztlich klare rechtliche Standards und sichere technische Lösungen anmahnte, stehen Politik und Industrie vor einer erheblichen Herausforderung.
Im Anschluss an die Rede des Ministers der Justiz und für Verbraucherschutz ergriff Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer Bitkom e.V., das Wort.
Als Einstieg erinnerte der Hauptgeschäftsführer Bitkom e.V. daran, dass bereits auf der Cebit 2006 von einem Haus mit smarten Funktionen die Rede gewesen ist, man bis heute aber im Wesentlichen über Insellösungen, also einzelne Geräte und Fertigkeiten, noch nicht hinausgekommen wäre. Daher müssten nun endlich die – als notwendige Voraussetzung durchaus vorhandenen – Einzelgeräte und Plattformen zusammengeführt werden. Zugleich müsse dabei ein Zusatznutzen, ohne bisher bestehende Systeme zu zerstören, entstehen können.
Dr. Rohleder machte ferner klar, dass die entscheidenden Themen der Datensicherheit und des Datenschutzes vor dem Hintergrund zu behandeln sind, dass es sich bei der Wohnung um einen verfassungsrechtlich geschützten Ort handelt.
Dabei stellte er allerdings die Frage der Datensicherheit als eine relativ leicht zu lösende dar, wobei Voraussetzung hierfür sei, die Datensicherheit permanent mitzudenken, was aber andererseits auch den jeweiligen Preis mitbestimmen könne. Als komplexer wurden von ihm die Herausforderungen des Datenschutzes bezeichnet, bezüglich dessen er sich – nicht zuletzt angesichts der Ausführungen des Ministers – die Anmerkung gestattete, dass nicht alles über Ano- und Pseydonymisierung laufen könne.
Als Hauptfelder der Vernetzung verwies der Hauptgeschäftsführer Bitkom e.V. schließlich noch auf den Energiesektor, den Erhalt der medizinischen Versorgung sowie die Stabilisierung des ländlichen Raums.
Nach den einführenden Darstellungen der Veranstalter eher grundsätzlicher Art widmeten sich nachfolgend weitere Konferenzteilnehmer einer Reihe sich aufdrängender Einzelthemen, bei denen dringender Handlungsbedarf besteht, um einen für die Vernetzung verlässlichen Rahmen zu schaffen.
So setzte sich zunächst Prof. Markus Artz, Fakultät für Rechtswissenschaft, Universität Bielefeld, mit aktuellen Rechtsfragen auseinander, die im Zusammenhang mit der voranschreitenden Nutzung – wie er es nannte – intelligenter Geräte und intelligenter Gebäudetechnik stehen. Dabei ging es ihm – insbesondere aus dem Blickwinkel des Mietrechts betrachtet – vordergründig nicht um Fragen datenschutzrechtlicher, sondern eher vertrags- und haftungsrechtlicher Hinsicht.
Insofern es fortschreitend etwa auch darum gehen wird, dass technische Geräte Bestellungen auszulösen vermögen, habe man sich damit zu beschäftigen, inwieweit Willenserklärungen eigenständig durch autonome Systeme abgegeben werden können, wobei sich Auswirkungen insbesondere auf das Widerrufsrecht und bei der Irrtumslehre ergeben.
Einen weiteren Schwerpunkt erkannte er in der vertragstypischen Einordnung des Erwerbs und der Nutzung derartiger Systeme. Näher betrachten müsse man diesbezüglich vor allem auch die erwünschte Lernfähigkeit zum Einsatz kommender Geräte. Um auf dem aktuellen Stand zu bleiben, wäre eine permanente Nachsteuerung vonnöten, die wiederum das Spannungsfeld zum Dauerschuldverhältnis eröffnet. Angesprochen sei hierzu ferner auch das weite Feld der Gewährleistungsrechte, wenn sich bestimmte Funktionen als ursprünglich mangelfrei dargestellt haben. Schließlich habe man sich intensiv mit der Risikosteuerung und der Verbraucherhaftung bei einem Versagen der intelligenten Technik zu befassen. Angesichts eines selbstständig agierenden Rasenmähers könne man dann schon an eine Gefährdungshaftung wie im Straßenverkehr denken.
Ferner machte er noch darauf aufmerksam, dass sich Fragen, wie die nach dem Verzicht auf eine Vernetzung, auch aus mietrechtlicher Perspektive stellen. So mag es durchaus einen Unterschied darstellen, ob die Vernetzung nun innerhalb eines bestehenden Mietverhältnisses oder bei einer Neuvermietung zum Thema wird.
Abschließend kam aber auch Prof. Artz nicht an der sich ansammelnden Datenflut vorbei, wenn sich diese nämlich als jedenfalls für einen Nachmieter von Interesse darstellt oder von erhobenen Daten beispielsweise auf das Lüftungsverhalten eines Mieters geschlossen werden kann, was in einem Prozess um Schimmelbildung wiederum nicht uninteressant wäre.
Im Anschluss an die zum Teil rechtstheoretischen, wiewohl praxisnahen Erwägungen von Prof. Artz rückten unmittelbar danach die weiteren Vortragenden Martin Vesper, CEO digitalSTROM AG und Marco Maas (i.ü. weder verwandt noch verschwägert mit dem Hrn. Minister), Journalist und Geschäftsführer Datenfreunde GmbHwieder die unmittelbaren Systeme und Anwendungen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Herr Vesper betrachtete ausführlich den Bereich der Energieversorgung im vernetzten Haus, wobei er sich – mit Blick auf seinen Vorredner – aus der Perspektive des Praktikers noch die Anmerkung gestattete, dass ja bereits heute und ohne Weiteres die Heizung mittels Thermostats Gas bestellen würde. Nachfolgend schilderte Marco Maas auf recht plastische Art den von ihm aktuell mit u.a. 130 vernetzten Geräten unternommenen Selbstversuch einer auf die Spitze getriebenen Vernetzung.
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung gelang es sodann, eingebettet insbesondere in moderierte Gespräche und Podiumsdiskussionen, aufgeworfene Rechtsfragen, praktische Anwendungen und ethische Regeln noch weiter zu vertiefen.
(Finanzvorstand)
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