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Aktuelles Thema: Oktober 2011

Einwilligungen in Telefonwerbung und aktuelle Gesetzesvorhaben

Bereits im Januar 2010 haben wir an dieser Stelle über die Rechtschutzmöglichkeiten von Verbrauchern gegen unerwünschte Telefonwerbunganrufe informiert. Ein aktuelles Gesetzesvorhaben zur Fortentwicklung des Verbraucherschutzes bei unerlaubter Telefonwerbung gibt Anlass, dieses Thema erneut aufzugreifen.

Gesetzesvorhaben

Durch unerwünschte Telefonwerbung werden Verbraucher nicht selten überrumpelt und zu Vertragsabschlüssen genötigt, die sie bei reiflicher Überlegung so nicht vorgenommen hätten. Zwar steht Verbrauchern in solchen Fällen auch nach der bisherigen Rechtslage das Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge gem §§ 312d, 355 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu. Der telefonisch geschlossene Vertrag ist jedoch zunächst wirksam. Der Verbraucher muss innerhalb bestimmter Fristen aktiv werden, um sich wieder vom Vertrag zu lösen (Widerrufslösung). In vielen Fällen scheuen gerade geschäftlich unerfahrene und oft auch ältere Verbraucher vor dem scheinbar damit verbundenen Aufwand zurück, ärgern sich zwar, aber bezahlen letztlich die Leistung. Zum Teil wird auch schlicht die Widerrufsfrist verpasst. Auf diese Weise können Unternehmer mit Werbeanrufen viel Geld verdienen. Um solchen Machenschaften einen Riegel vorzuschieben, ist derzeit ein Gesetz in Planung, welches die wirtschaftliche Attraktivität dieser Anrufe mindert.

Durch Einführung einer Bestätigungslösung soll die Wirksamkeit von Vertragsschlüssen, die durch ungebetene Werbeanrufe zustande kommen, künftig an eine ausdrückliche und schriftliche Bestätigung des Verbrauchers knüpfen. Dass heißt also, dass der Verbraucher anders als nach der aktuellen Rechtslage nicht mehr aktiv werden muss, um sich vom Vertrag zu lösen. Vielmehr muss er den Vertrag schriftlich bestätigen, dass er überhaupt wirksam wird. Dies hat den großen Vorteil, dass durch bloßes Untätigbleiben im Anschluss an einen telefonischen Vertragsabschluss der Verbraucher an keinen Vertrag gebunden ist.

Darüber hinaus ist geplant, die Verwendung automatischer Anrufmaschinen ordnungsrechtlich unter Strafe zu stellen, um unseriösen Telefonanbietern beizukommen.

Die Umsetzung dieses Gesetzesvorhaben ist aus Sicht des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. sehr wünschenswert, derzeit aber leider noch nicht gesichert. Hinweise zum aktuellen Stand dieses Gesetzesvorhaben finden Sie hier.

Antworten auf häufige Fragen zur aktuellen Rechtslage

Dürfen Unternehmer Verbraucher einfach so zu Werbezwecken anrufen?

Die klare Antwort hierauf lautet nein. Unternehmer dürfen Verbraucher nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) nur telefonischen zu Werbezwecken kontaktiert werden, wenn der angerufene zuvor ausdrücklich in derartige Anrufe eingewilligt hat. Darüber hinaus hat der Unternehmer gemäß § 312c BGB bei von ihm veranlassten Telefongesprächen seine Identität und den geschäftlichen Zweck des Kontakts bereits zu Beginn eines jeden Gesprächs ausdrücklich offenzulegen

Bei einem Werbeanruf ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Verbrauchers verstößt der Unternehmer gegen das Wettbewerbsrecht: Der Anruf stellt eine unzumutbare Belästigung des Angerufenen vor. Hiergegen können z.B. Mitbewerbern und bestimmte Verbraucherschutzvereinigungen außergerichtlich (Abmahnung) und gerichtlich (Unterlassungsverfügung, Unterlassungsklage) vorgehen. Zum anderen verletzt der Unternehmer durch den unautorisierten Werbeanruf den betroffenen Verbraucher aber auch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrechtsrecht. Hiergegen steht dem betroffenen Verbrauchers ein eigenes Abwehrrecht aus §§ 1004, 823 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG zu. Dieses kann er notfalls im Wege einer Unterlassungsklage durchsetzen.

Ist der Werbeanruf rechtens, wenn ich bei einem früheren Kauf bei dem Unternehmer dessen AGB zugestimmt habe, die eine Einwilligungsklausel für Werbeanrufe enthielten?

Nein, in der Regel nicht. Auf diese Weise zustande gekommene Einwilligungen sind regelmäßig unwirksam. Die Praxis der Einverständniseinholung durch AGB ist zwar vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich verboten worden. Das UWG spricht insofern nur von einer "ausdrücklichen" Einwilligung; ausdrücklich kann aber auch eine Formulierung in AGB sein. Dennoch hat die Rechtsprechung für ein faktisches Verbot gesorgt, indem sie die Einwilligung per AGB als unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers nach § 307 BGB für unwirksam erklärt hat.

Beispielhaft weisen wir Sie hierzu auf zwei Entscheidungen des BGHs hin:

Grundlegend entschied der BGH im Payback-Urteil vom 16. Juli 2008 (VIII ZR 348/06), dass Einwilligungsklauseln, die so gestaltet sind, dass der Kunde tätig werden und ein Kästchen ankreuzen muss, wenn er seine Einwilligung in die Zusendung von Werbung unter Verwendung von elektronischer Post nicht erteilen will ("Opt-out"-Erklärung), nicht vom Gesetz gedeckt seien. Verlangt wird, dass die Einwilligung mittels einer gesonderten Erklärung erteilt wird ("Opt-in"-Erklärung).

Dieses Urteil zugrunde gelegt sind viele per AGB aufgezwungene "Einwilligungen" unwirksam. Vielfach muss die Einwilligung nicht extra angekreuzt oder sonst besonders erklärt werden. Oftmals geht aus den AGBs noch nicht einmal ausdrücklich hervor, dass mit ihnen überhaupt eine solche Einwilligung erteilt werden soll. Der Ansicht, dass ein Verbraucher die Einwilligung erteilt hat, sofern er sie nicht widerrufen hat, wurde mit dem Payback-Urteil eindeutig eine Absage erteilt.

Aber selbst wenn der Unternehmer dem Verbraucher die Wahl lässt und das sogenannte „Opt-in“ Verfahren wählt, indem er den Verbraucher selbständig ein Ankreuzfeld zur Auswahl anbietet, ist die faktische Zulässigkeit späterer Werbeanrufe nicht immer gegeben. Wenn der Verbraucher im Einzelfall nachweisen kann, dass er das Feld nicht selbst angekreuzt hat, sich etwa ein Dritter rechtswidrig seiner E-Mail-Adresse bedient hat, ist der Werbeanruf rechtswidrig:

Im Urteil des BGH (vom 10.2.2011, Az. I ZR 164/09 – Double-Opt-In) wurde der AOK die Einholung der Einwilligung per AGB im Opt-in Verfahren verboten. Die AOK sammelte und speicherte im Rahmen eines Online-Gewinnspiels Telefonnummern und weitere Daten von Verbrauchern. Durch Markierung eines seperaten Feldes wurde bei der Anmeldung zum Gewinnspiel das Einverständnis zur Telefonwerbung erklärt. Daraufhin versandte die AOK nochmals eine E-Mail mit dem Hinweis auf die Einschreibung für das Gewinnspiel (sogenannte Check-Mail) an die angegebene E-Mail-Adresse, die der E-Mail-Empfänger durch Anklicken eines darin enthaltenen Links nochmal bestätigen mussten. Selbst diese doppelte Einverständniserklärung genügte dem BGH nicht. Auch dieses Verfahren schließe nicht aus, dass sich der Verbraucher auch nach Bestätigung seiner E-Mail-Adresse im Double-opt-in-Verfahren noch darauf berufen kann, dass er die unter dieser Adresse abgesandte Einwilligung in E-Mail-Werbung nicht abgegeben hat - etwa mit der Begründung, bei der E-Mail-Adresse, unter der die Bestätigung versandt worden sei, handele es sich nicht um die seine; er habe auch keinen Zugang zu dieser Adresse. Kann der Verbraucher darlegen, dass die Bestätigung nicht von ihm stammt, war die Werbezusendung auch dann wettbewerbswidrig, wenn die E-Mail-Adresse im Double-opt-in-Verfahren gewonnen wurde.

Dies zeigt, dass dei Rechtsprechung derzeit bestrebt ist, Verbrauchern den nach de aktuellen rechtslage bestmöglichen Schutz vor ungewollten Werbeanrufen zu gewähren. Für den Unternehmer bestehen bei Telefonwerbung erhebliche Risiken, wenn er die Einwilligung des Verbrauchers durch AGB einzuholen sucht.

Fazit

Viele der früheren Einwilligungen in AGB sind rechtswidrig und unwirksam. Sollten Sie dennoch von Unternehmern telefonisch belästigt werden, melden Sie uns diese Verstöße, damit wir sie wirksam verfolgen können. Darüber hinaus lohnen sich auch eigenständige Unterlassungsklagen, da der Unternehmer beweispflichtig für eine wirksame Einwilligung ist. Die Rechtsprechung des BGH zeigt die Schwierigkeiten eines solchen Beweises, wodurch der Verbraucher in der Regel die besseren Karten haben wird. Zur weiteren Vertiefung empfehlen wir unser Thema des Monats vom Januar 2010.


Auszug aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (Stand: Oktober 2011)

§ 7 Unzumutbare Belästigungen
(1) Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.
(2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen
...
2. bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung oder gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung,
...


Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (Stand: Oktober 2011)

§ 307 Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.


§ 312c BGB Unterrichtung des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen
(1) Der Unternehmer hat den Verbraucher bei Fernabsatzverträgen nach Maßgabe des Artikels 246 §§ 1 und 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche zu unterrichten.
(2) Der Unternehmer hat bei von ihm veranlassten Telefongesprächen seine Identität und den geschäftlichen Zweck des Kontakts bereits zu Beginn eines jeden Gesprächs ausdrücklich offenzulegen.
(3) Bei Finanzdienstleistungen kann der Verbraucher während der Laufzeit des Vertrags jederzeit vom Unternehmer verlangen, dass ihm dieser die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einer Urkunde zur Verfügung stellt.
(4) Weitergehende Einschränkungen bei der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln und weitergehende Informationspflichten auf Grund anderer Vorschriften bleiben unberührt.


§ 312d Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen
(1) Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. Anstelle des Widerrufsrechts kann dem Verbraucher bei Verträgen über die Lieferung von Waren ein Rückgaberecht nach § 356 eingeräumt werden.
...


§ 823 Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.


§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.


Auszug aus dem Grundgesetz (Stand: Oktober 2011)

Art. 1
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
...


Art. 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

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