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Aktuelles Thema: August 2022

Preiserhöhungen bei Strom- und Gaslieferverträgen mit Verbrauchern

Die Einkaufspreise der Energielieferanten für Strom und Gas sind aufgrund der Turbulenzen am Energiemarkt in den zurückliegenden Monaten ganz erheblich gestiegen, teilweise haben sich die Einkaufspreise für Gas sogar vervielfacht. Vor diesem Hintergrund ist es prinzipiell nachvollziehbar, dass die Energielieferanten die Preissteigerungen so schnell wie möglich an ihre Abnehmer weiterreichen wollen wollen. Nicht immer besteht dafür jedoch eine rechtliche Grundlage. Außerhalb der Grundversorgung bestehen zwischen Energielieferanten und Verbrauchern häufig Verträge mit einer ein- oder zweijährigen Mindestlaufzeit, die eine Weitergabe gestiegener Einkaufspreise innerhalb der Mindestvertragslaufzeit nicht vorsehen. Viele Verbraucher haben sogar Verträge mit einer ausdrücklich vereinbarten "Preisgarantie" abgeschlossen und dafür einen etwas höheren Preis akzeptiert. Viele Energielieferanten sehen sich an diese vertraglichen Vereinbarungen jedoch nicht mehr uneingeschränkt gebunden, fordern trotz vereinbarter Preisgarantien höhere Preise oder versuchen, die Verträge vorzeitig durch außerordentliche Kündigungen zu beenden.

Das müssen Sie sich nicht bieten lassen! Sicherlich müssen die Energielieferanten die gestiegenen Einkaufspreise früher oder später an ihre Abnehmer weitergeben. Dabei haben sie sich jedoch an die gesetzlichen und vertraglichen Regelungen zu halten. Wenn Energielieferanten in der Erwartung, dass ihnen das zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil gereicht, mit Verbrauchern Verträge über eine berstimmte Mindestvertragslaufzeit schließen, bleiben die Energielieferanten – ebenso wie die Verbraucher – an die Verträge prinzipiell auch dann gebunden, wenn sich diese wirtschaftliche Erwartung nicht erfüllt, weil die Einkaufspreise auf dem Energiemarkt stark ansteigen. Die Energielieferanten sind mit der Vereinbarung einer Mindestlaufzeit ein wirtschaftliches Risiko eingegangen. Dieses Risiko müssen Sie nun auch selbst tragen, soweit ihnen die Politik nicht mit einer Gesetzesänderung entgegen kommt, wie es mit der sog. Gas-Umlage teilweise geschehen ist. In diesem aktuellen Thema zeigen wir Ihnen, wie Sie Vorgehen sollten, wenn Sie eine Preiserhöhungsmitteilung oder eine Kündigung Ihres Energielieferanten erhalten.


1. Grundversorgung versus Sonderlieferverträge

Grundsätzlich ist zwischen einer Energielieferung im Rahmen der Grund- oder Ersatzversorgung einerseits und auf der Grundlage eines Sondervertrages andererseits zu unterscheiden. Wenn ein Verbraucher keinen besonderen Vertrag mit einem Energielieferanten schließt, wird er automatisch im Rahmen der sogenannten Grundversorgung von dem jeweiligen örtlich zuständigen Versorger mit Gas und Strom beliefert. Der Grundversorgungsvertrag kann zum Beispiel einfach dadurch zustande kommen, dass der Verbraucher Gas oder Strom an seiner Abnahmestelle entnimmt. Für diesen Vertrag gelten dann die Regelungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (GasGVV) bzw. der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (StromGVV). Der Grundversorger kann die Allgemeinen Preise in diesen Tarifen unter Beachtung der Vorgaben dieser Verordnungen jederzeit mit einer Ankündigungsfrist von sechs Wochen erhöhten. Hält der Grundversorger die in den Verordnungen geregelten formellen Rahmenbedingungen ein, ist nur noch fraglich, ob er die konkrete Preiserhöhung entsprechend den Vorgaben der Verordnungen in zulässiger Weise berechnet hat.

Anders verhält es sich jedoch, wenn der Verbraucher mit einem Energielieferanten einen besonderen Vertrag über eine bestimmte Mindestlaufzeit abgeschlossen hat. F ür solche Verträge gelten die GasGVV bzw. die StromGVV nicht. Zwar kann der Energielieferant den Vertrag zum Ablauf der Mindestlaufzeit kündigen und dem Verbraucher dann einen neuen Vertrag mit einem höheren Preis anbieten. Für eine Preiserhöhung innerhalb der Mindestlaufzeit oder innerhalb eines Verlängerungsjahres bedarf es jedoch einer besonderen Rechtsgrundlage. Daher haben die meisten Energielieferanten in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu derartigen Verträgen Preisanpassungsklauseln aufgenommen. Auch diese Preisanpassungsklauseln erlauben eine Weitergabe gestiegener Einkaufspreise häufig jedoch nur zum Ablauf eines Vertragsjahres – bei einer vereinbarten Preisgarantie sogar erst zum Ablauf der vereinbarten Garantiezeit. Aber auch wenn eine Preisanpassungsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist, die Preisanpassungen im laufenden Vertragsjahr zulässt, ist der Enegielieferant noch nicht zwingend zu einer Preiserhöhung berechtigt, denn viele Preisanpassungsklauseln sind wegen unangemessener Benachteiligung des Verbrauchers gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Preisanpassungsklausel die Voraussetzungen einer Preiserhöhung nicht hinreichend klar wiedergibt und der Verbraucher daher gar nicht erkennen kann, unter welchen Umständen und in welchem Umfang der Energielieferant zu einer Preiserhöhung berechtigt sein soll.


2. Sie haben eine Preiserhöhungsmitteilung erhalten. Was tun?

Wenn Sie eine Preiserhöhungsmitteilung erhalten, hängt die sinnvolle Reaktion davon ab, ob Sie im Rahmen der Grund- oder Ersatzversorgung oder aufgrund eines Sonderliefervertrages beliefert werden.

Bei der Belieferung im Rahmen der Grund- oder Ersatzversorgung sind Preiserhöhungen unter Einhaltung der Ankündigungsfristen aus der GasGVV bzw. der StromGVV formell zulässig. Wenn die Fristen eingehalten sind, können Sie nur noch prüfen, ob die Mehrforderung der Höhe nach berechtigt ist. Das lässt sich in der Praxis außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens meist jedoch nur schwer durchführen. Bei einer formell ordnungsgemäßen Preiserhöhung durch einen Grundversorger wird sich für Sie in der Regel daher nur die Frage stellen, ob Sie zu günstigeren Konditionen einen Sondervertrag abschließen können. Wenn das der Fall ist, kann es wirtschaftlich sinnvoll sein, den Grundversorgungsvertrag zu kündigen und einen Sondervertrag mit dem Grundversorger oder einem anderen Lieferanten abzuschließen.

Wenn Sie aufgrund eines Sonderliefervertrages beliefert werden, sind die "Chancen" größer, dass eine Preiserhöhung im laufenden Vertragsjahr schon formell unwirksam ist. Haben Sie eine Preisgarantie für einen bestimmten Zeitraum vereinbart, ist der Energielieferant nach unserer Rechtsauffassung nicht zu einer Preiserhöhung aufgrund gestiegener Einkaufspreise berechtigt. Die Preisgarantie, die sich der Lieferant durch den höheren Preis bezahlen lässt, hatte schließlich gerade den Zweck, den Verbraucher vor einer Preiserhöhung zu schützen. Wenn Sie keine Preisgarantie vereinbart haben, sollten Sie prüfen, ob die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ihres Energielieferanten vermutlich enthaltene Preisanpassungsklausel eine unterjährigere Weitergabe gestiegener Einkaufspreise des Energielieferanten überhaupt zulässt. Wenn das nicht der Fall ist, ist die Preiserhöhung ebenfalls formell unwirksam. Wenn die Preisanpassungsklausel eine unterjährige Preiserhöhung zulässt, kommt es darauf an, ob die konkrete Gestaltung der Klausel den Verbraucher gem. § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Wenn das der Fall ist, sind die Klausel und damit auch die Preiserhöhung ebenfalls unwirksam. Nur wenn die Preiserhöhung formel wirksam ist, kommt es wiederum darauf an, ob die Mehrforderung der Höhe nach berechtigt ist. Bei der Prüfung dieser Frage stellen sich bei Sonderlieferverträgen allerdings die gleichen praktischen Probleme wie bei der Grund- und Ersatzversorgung.

Wenn die mitgeteilte Preiserhöhung unwirksam ist, sollten Sie die Mehrbeträge, d.h. den Betrag, um den der Abschlag erhöht wurde, gar nicht erst zahlen. Sie sollten die Abschläge einfach in bisheriger Höhe weiterzahlen und der Preiserhöhung widersprechen. Wenn Sie die höheren Abschläge zahlen – auch nur unter Vorbehalt – müssten nämlich letztlich Sie selbst aktiv werden und Klage gegen den Energielieferanten erheben, um Ihr Geld zurückzuerhalten. Während der ganzen Zeit wären Sie dem Insolvenzrisiko des Energielieferanten ausgesetzt, d.h. auch wenn Ihre Klage erfolgreich ist, bekommen Sie Ihr Geld nur dann zurück, wenn der Lieferant dann noch zahlungsfähig ist. Darauf sollten Sie sich besser nicht verlassen. Wenn Sie hingegen den geforderten Mehrbetrag nicht zahlen, müsste der Energielieferant gegen Sie klagen, wenn er die höheren Preise durchsetzen will. Es ist fraglich, ob er das tun wird.


3. Sie haben eine Kündigung erhalten. Was tun?

Auch wenn der Energielieferant den Vertrag eine unberechtigte Kündigung ausgesprochen und Ihre Belieferung eingestellt hat, stehen sie nicht ohne Strom bzw. Gas da. In diesem Fall muss Sie der zuständige Grundversorger beliefern, was dann automatisch geschieht. Vermutlich werden die Energiepreise beim Grundversorger dann aber höher sein als bei den Lieferanten, der den Sondervertrag mit Ihnen gekündigt hat. Theoretisch haben Sie in diesem Fall die Möglichkeit, Ihren Lieferanten auf Erfüllung des Vertrages zu verklagen. Praktisch ist das jedoch meist nicht sinnvoll, weil der Prozess regelmäßig so lange dauern wird, bis der Lieferant den Lieferungsvertrag ordentlich kündigen kann. Im Regelfall wird es sich daher anbieten, die Mehrkosten der Grundversorgung wegen der unberechtigten Kündigung als Schadensersatz gegen den Energielieferanten geltend zu machen.


4. Unser Angebot an Sie: Wir beraten Sie zu Ihrem konkreten Fall.

Wenn Sie Hilfe bei der Prüfung einer Preiserhöhung oder einer Kündigung durch Ihren Energielieferanten benötigen, können Sie sich gern persönlich an uns wenden. Nutzen Sie zum Beispiel unsere Online-Rechtsberatung. Wir prüfen dann Ihren individuellen Fall und geben Ihnen eine Empfehlung, wie Sie zweckmäßig weiter vorgehen können. Zur rechtssicheren Prüfung Ihres individuellen Falles benötigen wir eine Kopie Ihres Energieversorgungsvertrags und der fraglichen Preiserhöhungsmitteilung bzw. des fraglichen Kündigungsschreibens Ihres Energielieferanten. Sie können uns die Dokumente per E-Mail zusenden, nachdem Sie Ihre Frage über unser Online-Rechtsberatungsformular eingereicht haben. Wir sind bemüht, Ihre Fragen binnen einer Woche nach Eingang aller erforderlichen Unterlagen zu beantworten.

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