Auch zum Beginn des Jahres 2022 werden zahlreiche private Krankenversicherungen wieder die Beiträge erhöhen. Aber nicht immer sind die Beitragserhöhungen rechtmäßig. Der Bundesgerichtshof hatte sich in den vergangenen Jahren mehrfach mit Prämienerhöhungen in der privaten Krankenversicherung zu befassen und diese in mehreren Fällen auch für unwirksam erklärt. Als privat Krankenversicherte sollten Sie daher sehr genau hinschauen, ob Sie Beitragerhöhungen in Ihrem Tarif wirklich hinnehmen müssen. Bereits gezahlte Beiträge wegen früherer unrechtmäßiger Beitragserhöhungen können Sie bis zur Verjährungsgrenze zurückfordern. Mit diesem aktuellen Thema wollen wir Ihnen einen Überblick zu der Thematik geben und Sie ermutigen, sich gegen etwaige unrechtmäßige Beitragserhöhungen zu wehren.
Bei Versicherungsverträgen handelt es sich um sog. Dauerschuldverhältnisse. Verträge über private Krankenversicherungen laufen meist sogar lebenslang, weil es für die Versicherten aufgrund der vertraglichen Altersrückstellungen mit zunehmendem Alter immer unwirtschaftlicher wird, die Versicherung zu wechseln. Während der langen Laufzeit des Vertrages können sich die Ausgaben der Versicherer jedoch ändern, regelmäßig steigen sie. Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) gibt dem Krankenversicherer in § 203 VVG daher die Möglichkeit, die Versicherungsbeiträge im laufenden Vertragsverhältnis an steigende Gesundheitskosten und eine steigende Lebenserwartung anzupassen. Das darf allerdings nicht nach Belieben, sondern nur im Rahmen der Vorgaben des Versicherungsvertragsgesetzes geschehen. Der Versicherer muss vor der geplanten Beitragserhöhung die Berechnungsgrundlagen einem so genannten unabhängigen Treuhänder vorlegen (so § 203 Abs. 2 VVG). Dieser prüft, ob die Voraussetzungen für eine Beitragserhöhung vorliegen und ob sie in der geplanten Höhe tatsächlich zulässig ist. Zudem ist der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die maßgeblichen Gründe für die beabsichtigte Beitragserhöhung mitzuteilen (so § 203 Abs. 5 VVG). Hält der Versicherer bei der Prämienerhöhung eine der gesetzlichen Vorgaben nicht ein, ist die Prämienerhöhung insgesamt unwirksam. Der Versicherte muss dann weiterhin nur den Beitrag in der bisher verienbarten Höhe zahlen.
Bei den gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhungen unterscheidet man zwischen den materiellen und den formellen Voraussetzungen.
Bei den materiellen Voraussetzungen geht es darum, dass der Versicherer die Beitragserhöhung richtig berechnet hat. Er darf nur seine tatsächlichen Mehrausgaben durch steigende Gesundheitskosten oder eine gestiegene Lebenserwartung an die Versicherten weitergeben. Ob der Versicherer richtig gerechnet hat, lässt sich außergerichtlich nur schwer nachprüfen, zumal die Versicherer ihre Berechnungsgrundlage außergerichtlich zumeist nicht im Detail preisgeben. Im gerichtlichen Verfahren müssen die Versicherer dann allerdings den Nachweis erbringen, dass sie richtig gerechnet haben. Was dabei herauskommt, ist vorher schwer abzuschätzen. Wer eine Klage nur auf seine Vermutung stützt, dass der Versicherer die Beitragserhöhung nicht richtig berechnet hat, muss daher ins Ungewisse klagen.
Bei den formellen Voraussetzungen geht es darum, ob der Versicherer die gesetzlich vorgebenen Rahmen der Beitragserhöhung eingehalten hat, insbesondere, ob er einen unabhängigen Treuhänder ordnungsgemäß eingebunden hat und ob er den Versicherten eine ordnungsgemäße Begründung der Beitragserhöhung mitgeteilt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH kann die Frage, ob der Treuhänder unabhängig war, vor den Zivilgerichten nicht geprüft werden. Der Prüfung der Zivilgerichte unterliegt jedoch die Frage, ob der Versicherer den Versicherten eine ordnungsgemäße Begründung der Beitragserhöhung mitgeteilt hat. Dies hat der BGH in einem Urteil vom 19.12.2018 (Az: IV ZR 255/17) erstmals entschieden und in mehreren weiteren Entscheidungen (z.B. Urt. v. 16.12.2020, Az: IV ZR 314/19; Urt. v. 10.03.2021, Az: IV ZR 353/19 und Urt. v. 14.04.2021, Az: IV ZR 36/20 ) die inhaltlichen Anforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe der Beitragserhöhungen präsizisiert. Danach muss der Versicherer dem Versicherten bezogen auf seinen konkreten Tarif mitteilen, ob die Prämienerhöhung auf steigenden Gesundheitskosten oder einer gestiegenen Lebenserwartung beruht. Allgemein gehaltene Informationen zur Beitragsanpassung genügen den Mitteilungserfordernissen des § 203 Abs. 5 VVG nicht.
Genügt die Beitragserhöhung den materiellen oder den formellen Voraussetzungen nicht, ist sie unwirksam. Das bedeutet, dass der Versicherte den erhöhten Beitrag nicht zahlen muss. Er schuldet weiterhin nur den bisherigen Beitrag. Hat er dennoch den neuen, erhöhten Beitrag gezahlt, kann er den überzahlten Differenzbetrag bis zur Grenze der Verjährung vom Versicherer zurückfordern.
Der Versicherer kann Fehler der Beitragserhöhung auch nicht rückwirkend heilen. Hat der Versicherer eine materiell rechtmäßige Beitragserhöhung gegenüber dem Versicherten nicht ordnungsgemäß begründet, kann er eine ordnungsgemäße Begründung zwar nachträglich mitteilen. Der höhere Beitrag ist dann gem. § 203 Abs. 5 VVG aber erst ab Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der ordnungsgemäßen Begründung folgt.
Der Anspruch auf Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beiträge unterliegt der regelmäßigen Verjährung des § 195 BGB. Der Rückforderungsanspruch verjährt daher binnen drei Jahren zum Jahresende. im Regelfall beginnt die Verjährung mit der Zahlung der Beiträge. Rückforderungsansprüche für im Jahr 2018 zu Unrecht gezahlte Beiträge verjähren daher mit Ablauf des 31.12.2021, wenn der Versicherte bis dahin keine verjährungshemmende Maßnahme ergriffen hat. Hemmen kann der Versicherte die Verjährung zum Beispiel durch die Beantragung eines gerichtlichen Mahnbescheids oder die Erhebung einer Klage.
Für die Verjährung kommt es nicht darauf an, wann der Versicherer die unwirksame Beitragserhöhung erklärt hat. Auch wenn die unwirksame Beitragserhöhung schon früher erfolgt ist, können Sie auf dieser Beitragserhöhung beruhende Überzahlungen für die letzten drei Jahre zurückfordern. Hat der Krankenversicherer den monatlichen Beitrag z.B. schon ab 01.01.2017 unwirksam von 300 € auf 350 € monatlich erhöht und Sie haben den höheren Beitrag gezahlt, haben Sie jedes Jahr 600 € (12 x 50 €) zu viel gezahlt. Die 600 € aus dem Jahr 2017 müsste Ihnen der Versicherer wegen Verjährung nicht mehr zurückzahlen. Der Anspruch auf Rückzahlung der 600 € aus dem Jahr 2018 würde jedoch erst mit Ablauf des 31.12.2021 verjähren.
Zunächst sollten Sie prüfen bzw. prüfen lassen, ob der Versicherer die fragliche Beitragserhöhung ausreichend begründet hat, ob der Erhöhungsmitteilung also eindeutig zu entnehmen ist, ob die Prämienerhöhung in Ihrem individuellen Tarif auf steigenden Gesundheitskosten oder auf einer gestiegenen Lebenserwartung beruht. Wenn das der Begründung nicht zu entnehmen ist, sollten Sie Ihrem Versicherer mitteilen, dass Sie die Prämienerhöhung für unwirksam halten und ihn zur Rückzahlung der überzahlten Beiträge binnen einer angemessenen Frist (2 bis 3 Wochen) auffordern. Nach unserer Erfahrung zahlen die meisten Krankenversicherer jedoch auch in vergleichsweise eindeutigen Fällen überzahlte Beiträge nicht freiwillig zurück. Sie hoffen vielmehr, dass der Versicherte letztendlich doch nicht klagt und seine Rückforderungsansprüche letztlich verjähren. In den meisten Fällen werden Sie daher nach erfolgloser außergerichtlicher Aufforderung des Versicherers Klage erheben müssen, um die von Ihnen überzahlten Beträge zurückzuerhalten. Dazu empfiehlt es sich grundsätzlich, einen Rechtsanwalt mit entsprechender Expertise im Versicherungsvertragsrecht zu beauftragen. Achten Sie dabei in jedem Fall auf die Verjährungsproblematik. Wenn Sie noch Rückforderungsansprüche aus dem Jahr 2018 geltend machen wollen, müsste der Anwalt bis zum 31.12.2021 wenigstens einen Mahnbescheid für Sie beantragen.
Wie oben ausgeführt lässt sich die Frage, ob eine Beitragserhöhungen materiell rechtmäßig ist, außergerichtlich nur schwer nachprüfen. Wenn Sie jedoch ohnehin Klage erheben, weil Sie meinen, dass der Versicherer die Beitragserhöhung auch nicht ordnungsgemäß begründet hat, können Sie die Klage zusätzlich auf die Behauptung stützen, dass die Beitragserhöhung nicht richtig berechnet sei. In diesem Fall muss der Versicherer im gerichtlichen Verfahren nachweisen, dass er richtig gerechnet hat.
Wenn Sie Hilfe bei der Prüfung einer Beitragserhöhung Ihrer privaten Krankenversicherung benötigen, können Sie sich gern auch an uns wenden. Im Rahmen unserer Online-Rechtsberatung prüfen wir für Sie z.B., ob Ihr Krankenversicherer eine Beitragserhöhung ordnungsgemäß begründet hat, prüfen die Verjährung etwaiger Rückforderungsansprüche und geben Ihnen konkrete Handlungsempfehlungen.
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Letzte Aktualisierung: Dezember 2021