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Stellungnahme zum Entwurf eines "Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht" vom 16.09.2019

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) ist der Auffassung, dass sich auf dem Gebiet des Inkassowesens die Transparenz der geltend gemachten Forderungen für die Verbraucher durch die mit dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 1. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3714) eingeführten Darlegungs- und Informationspflichten für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Inkassodienstleister deutlich verbessert hat. Sehr unbefriedigend stelle sich aber noch immer die Situation bei den geltend gemachten Inkassokosten dar, die im Verhältnis zum Aufwand zumeist als deutlich zu hoch anzusehen seien. Zudem gebe es teilweise noch unnötige Kostendoppelungen und würden mangelnde Rechtskenntnisse der Schuldner ausgenutzt. Weiter bestehe bei den Vorgaben für die Prüfung der Eignung und Zuverlässigkeit der nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) zu registrierenden Personen sowie im Rahmen der Aufsicht über diese noch Verbesserungspotential. Auch würden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte einerseits sowie Inkassodienstleister andererseits teilweise noch unterschiedlich behandelt, ohne dass dies sachgerecht sei. Des Weiteren erscheine Verbraucherinnen und Verbrauchern oftmals nicht klar, dass sie, sobald sie sich im Zahlungsverzug befinden, zum Ersatz von Inkassokosten herangezogen werden können.

Das BMJV will Verbraucherinnen und Verbraucher nun insbesondere vor überhöhten Inkassoforderungen schützen. Zudem sollen sie besser über die Tragweite typischer von ihnen im Zusammenhang mit der Begleichung und Einziehung von Forderungen zu treffender Entscheidungen informiert werden. Den Aufsichtsbehörden sollen praxisgerechtere Mittel an die Hand gegeben werden. Dazu hat das BMJV den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht am 16. September 2019 interessierten Verbänden, Organisationen und Institutionen zur Stellungnahme vorgelegt. Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. hat zu diesem Entwurf wie folgt Stellung genommen:


Sehr geehrter Herr Kaul,

für die Einräumung der Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem von Ihnen übersandten Gesetzentwurf danke ich Ihnen.

Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. begrüßt die Absicht, die Regelungen zum Inkassorecht verbraucherfreundlich weiterzuentwickeln. Besonders im Verbraucherinteresse dürfte das Kernanliegen des Gesetzesentwurfs liegen, die beim Schuldner ersatzfähigen Kosten der Rechtsverfolgung zu begrenzen. Die hierzu vorgesehenen Regelungen gehen in die richtige Richtung, sind jedoch aus Sicht des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. nicht weitreichend genug. Gerade dem in der Entwurfsbegründung angesprochenen Phänomen des „Masseninkassos“ werden die vorgesehenen Regelungen noch nicht umfassend gerecht. Wir regen daher im Folgenden zwei Änderungen an.


1.
Dem Gesetzesentwurf liegt die berechtigte Annahme zugrunde, dass eine Inkassotätigkeit im Regelfall weit weniger komplex ist als eine durchschnittliche anwaltliche Rechtsprüfung und -durchsetzung. Dies sollte in der Konsequenz dazu führen, dass für eine Inkassotätigkeit – unabhängig davon, ob sie von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten oder nicht anwaltlichen Inkassodienstleistern ausgeübt wird – auch entsprechend niedrige Vergütungen anfallen. In der Theorie wird dieser Differenzierung mit der Spanne von 0,5 bis 2,5 Gebühren nach Nummer 2300 VV RVG Rechnung getragen. In unserer Beratungspraxis begegnen wir jedoch auch in einfachsten Inkasso-Fällen selten Gebührensätzen unter der Schwellengebühr von 1,3.

Der Gesetzesentwurf greift das Problem auf und will es dadurch lösen, dass die Schwellengebühr beim Inkasso einer unbestrittenen Forderung auf 0,7 abgesenkt und die Höchstgebühr auf 1,5 begrenzt wird.

Diese Regelung mag für das „Einzelfallinkasso“ angemessen sein, um die Verbraucher vor Gebühren zu schützen, die in keinem angemessenen Verhältnis zum Inkassoaufwand der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwaltes bzw. des Inkassodienstleisters (im Folgenden: der Inkassobeauftragten) stehen. Für die zunehmend anzutreffende Form des computergestützten „Masseninkassos“ ist die Regelung jedoch nicht ausreichend, weil der Inkassoaufwand in diesem Bereich jedenfalls bis zur ersten Zahlungsaufforderung durch die Inkassobeauftragten minimal ist. Beim computergestützten „Masseninkasso“ werden dem Inkassobeauftragten fortlaufend oder periodisch Datensätze in elektronischer Form übergeben, aus denen der Inkassobeauftragte in automatisierter Weise zunächst ein einfaches Inkassomahnschreiben generiert. Eine Einzelfallprüfung durch den Inkassobeauftragten findet in diesem Verfahrensstadium im Regelfall nicht statt. Im Regelfall wird in diesem Verfahrensstadium auch nicht zwischen bestrittenen und unbestrittenen Forderungen differenziert. Der Aufwand des Inkassobeauftragten besteht bis dahin nur darin, die entsprechenden Abläufe und Algorithmen zu entwickeln und einmalig für den jeweiligen Auftraggeber anzupassen. Bei einer hohen Stückzahl gleichartiger Inkassofälle pro Auftraggeber, wie sie z.B. im Versandhandel auftreten, verursacht das erste Inkasso-Mahnschreiben dem Inkassobeauftragten kaum höhere Kosten, als dem Schuldner selbst für ein einfaches Mahnschreiben anfallen.

Zur Begrenzung der Vergütung für derartige Tätigkeiten mit minimalem Aufwand wäre die Regelung in Nummer 2301 VV RVG angemessen. Da Nummer 2301 VV RVG jedoch nicht auf die tatsächlich erbrachte Leistung, sondern auf den erteilten Auftrag abstellt, greift die Norm auch in einfachsten Inkassofällen meist nicht. Auch im Bereich sonstiger anwaltlicher Tätigkeiten hat Nummer 2301 VV RVG keinen Anwendungsbereich, weil praktisch in allen Streitfällen behauptet wird, dass ein weitergehender Auftrag erteilt worden ist.

Das Problem kann für das Inkassowesen aber auch generell dadurch gelöst werden, dass in Nummer 2301 VV RVG nicht auf den erteilten Auftrag, sondern auf die tatsächlich entfaltete Tätigkeit abgestellt wird. Dies würde dazu führen, dass für ein erstes (einfaches) Schreiben nur eine sehr geringe Gebühr anfällt. Sind weitere Schritte erforderlich, entfällt die Gebührenbegrenzung:

Nr.Gebührentatbestand Gebühr oder Satz der Gebühr nach § 13 RVG
2301

Der AuftragDie entfaltete Tätigkeit beschränkt sich auf ein Schreiben einfacher Art:

Die Gebühr 2300 beträgt0,3
– höchstens
50,00 €
Es handelt sich um ein Schreiben einfacher Art, wenn dieses
  • weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen enthält oder
  • durch einen für die Erstellung einer Vielzahl gleichartiger Schreiben vorbereiteten Algorithmus generiert wurde.

2.
Mit dem neuen § 13c RDG-E soll nach der Entwurfbegründung eindeutig bestimmt werden, dass in Fällen der Doppelbeauftragung grundsätzlich nur die Kosten ersetzt verlangt werden können, die bei Einschaltung nur der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwalts oder nur des Inkassodienstleisters entstanden wären, soweit nicht ausnahmsweise besondere Gründe für einen Wechsel vorlagen. Ein Grund für einen Wechsel soll nach § 13c Abs. 3 RDG-E nur vorliegen können, wenn der Gläubiger einen Inkassodienstleister beauftragt hat und der Schuldner erstmalig im Inkassoverfahren die Forderung bestreitet. Wenn das Bestreiten Anlass für die Beauftragung des Rechtsanwaltes war, können die Kosten des Rechtsanwaltes neben den Kosten des Inkassodienstleisters ersatzfähig sein.

Nach Auffassung des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. wird die Regelung dazu führen, dass in der Praxis abweichend von der in der Entwurfbegründung zur Ausdruck gebrachten Zielsetzung Gläubiger in einer Vielzahl der Inkassofälle neben Inkassokosten auch die Kosten einer später beauftragten Rechtanwältin oder eines Rechtsanwaltes geltend machen werden. Die Entwurfbegründung enthält keine Erhebung darüber, in welchem Anteil der Inkassofälle Forderungen erst nach dem Tätigwerden eines Inkassodienstleisters bestritten werden. Die in der Beratungspraxis des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. auftretenden Fälle lassen vermuten, dass unter den Forderungen, die letztlich bestritten werden, der Anteil der Forderungen überwiegt, die erst im Inkassoverfahren bestritten werden. In all jenen Fällen würde § 13c Abs. 3 RDG-E die Tür für eine Doppelbeauftragung öffnen und in der Praxis voraussichtlich zu einer Vielzahl von Streitfällen darüber führen, ob das Bestreiten der Forderung dem Schuldner objektiven Anlass für die Beauftragung der Rechtsanwältin
oder des Rechtsanwalts gegeben hat.

Das Problem kann dadurch gelöst werden, dass das Risiko, dass nach einem zuerst beauftragten Inkassodienstleister noch eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt beauftragt werden muss, generell beim Gläubiger verbleibt. Der Gläubiger muss in der Praxis immer damit rechnen, dass der Schuldner die Forderung noch bestreitet. Wenn sich der Gläubiger dennoch entscheidet, zunächst einen Inkassodienstleister statt einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes zu beauftragen, wird er dies regelmäßig tun, weil er in diesem Vorgehen eigene wirtschaftliche Vorteile sieht. Wenn sich diese Vorteile nicht realisieren, weil der Schuldner die Forderung bestreitet, sollte der Gläubiger die Mehrkosten für die dann doch erforderliche Beauftragung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes nicht auf den Schuldner abwälzen dürfen. Wir schlagen daher vor, § 13c RDG-E wie folgt zu fassen:

§ 13c
Beauftragung von Rechtsanwälten und Inkassodienstleistern

Beauftragt der Gläubiger einer Geldforderung mit deren Einziehung im Laufe des außergerichtlichen Verfahrens und des gerichtlichen Mahnverfahrens sowohl einen Inkassodienstleister als auch einen Rechtsanwalt, so kann er die für diese Verfahrensabschnitte dadurch entstehenden Kosten nur bis zu der Höhe als Schaden ersetzt verlangen, wie sie entstanden wären, wenn er nur einen Rechtsanwalt beauftragt hätte.


Mit freundlichen Grüßen


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