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26.06.2019

Mahnkostenpauschale eines Energieversorgungsunternehmens von 2,50 € unzulässig überhöht.

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass die Mahnkostenpauschale eines Energieversorgungsunternehmens (Süwag Vertrieb AG und Co. KG) von 2,50 € unzulässig überhöht ist. Nach der Kostenberechnung der Süwag für das Jahr 2014 wäre nur eine Mahnkostenpauschale von rund 0,76 € gerechtfertigt gewesen (Urt. v. 26.06.2019, Az. VIII ZR 95/18).

Zum Sachverhalt:

Bei der beklagten Süwag Vertrieb AG und Co. KG handelt es sich um ein Energieversorgungsunternehmen, welches auch Verbraucher mit Strom und Gas beliefert. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthielten u.a. folgende Regelungen:

1.2 Bei Zahlungsverzug, Unterbrechung der Versorgung und Wiederherstellung der Versorgung werden folgende Pauschalen in Rechnung gestellt:
Euro
(1) Mahnung2,50
(2) Vorort-Inkasso77,13
(3) Unterbrechung der Versorgung77,13

1.5. … Der Nachweis geringerer Kosten wird dem Kunden gestattet.

Mit der Unterbrechung der Versorgung beauftragt die Beklagte die Verteilernetzbetreiberin Syna GmbH, eine Schwestergesellschaft. Hierfür wird der Beklagten nach ihrem Vortrag der in vorgenannter Bestimmung ausgewiesene Betrag in Höhe von 77,13 € in Rechnung gestellt. Sofern der Kunde bei dieser Gelegenheit zahlt und es daher nicht zur Versorgungsunterbrechung kommt, wird ihm derselbe Betrag als "Vorort-Inkasso" berechnet.

Die Höhe der Mahnkostenpauschale begründet die Beklagte mit ihr im Jahr 2014 entstandenen Kosten von (gerundet) 2,91 € pro Mahnung, die sich wie folgt zusammensetzten:

1.Druck, Kuvertierung, Frankierung und Versendung der Mahnung: 0,7643 €;
2.Folgekosten:1,42 €
a)Steuerung des Mahnlaufs in Form der Kontrolle der Mahndaten, der Freigabe des Mahnlaufs sowie der Daten übermittlung an die mit dem Druck, Kuvertierung etc. der Mahnschreiben beauftragte Dienstleisterin T-Systems:0,07 €;
b)telefonische Erinnerung der Haushaltskunden an die ausstehende Zahlung:0,34 €;
c)IT-Kosten:0,09 €;
d)anteilige Raummiete:0,12 €;
e)Telefoniekosten im Rahmen von Kundenrückfragen nach Erhalt der Mahnung:0,79 €;
3.pauschalierter Verzugszins:0,7194 €.

Der klagende Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. wendet sich gegen die Zulässigkeit der pauschalen Berechnung der Mahnkosten, der Kosten für das "Vorort-Inkasso" und der Versorgungsunterbrechung und nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung der entsprechenden oder inhaltsgleicher Bestimmungen gegenüber Verbrauchern in Anspruch.

Verfahrensgang:

Das Landgericht Frankfurt a.M. (Urt. v. 14.03.2017, Az. 2-03 O 98/16) hat der Klage – soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahren geworden ist – stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten war vor dem OLG Frankfurt a.M. (Urt. v. 08.03.2018, Az. 1 U 89/17) erfolglos. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Die Entscheidung des BGH:

Der VIII. Zivilsenat des BGH hat die Revision der Beklagten insgesamt zurückgewiesen. Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerfrei einen Anspruch des Klägers auf Unterlassung der Verwendung der streitgegenständlichen Klauseln im Verhältnis zu Verbrauchern bejaht. Der Anspruch ergibt sich aus § 1 UKlaG i.V.m. § 309 Nr. 5 Buchst. a, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

1.
Die Klausel, nach welcher die Beklagte im Falle des Zahlungsverzugs Mahnkosten in Höhe von pauschal 2,50 € pro Mahnung in Rechnung stellt, ist gem. § 309 Nr. 5 Buchst. a BGB unwirksam, weil der Betrag die erstattungsfähigen gewöhnlichen Mahnkosten übersteigt. In dem Betrag von 2,50 € sind Schadensbeträge enthalten, die bereits dem Grunde nach nicht erstattungsfähig sind. Darüber hinaus ist die Klauseln gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent.

a) Dies gilt zunächst für die in den Folgekosten enthaltenen Personalkosten. Den für die Schadensermittlung und außergerichtliche Abwicklung seines Schadensersatzanspruchs anfallenden Arbeits- und Zeitaufwand muss der Geschädigte, auch wenn er hierfür besonderes Personal einsetzt oder die Tätigkeiten – wie vorliegend – extern erledigen lässt, selbst tragen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der im Einzelfall erforderliche Aufwand die im Rahmen des Üblichen typischerweise zu erbringende Mühewaltung überschreitet. Diese Grundsätze gelten nicht nur bei geschädigten Privatpersonen, sondern in gleicher Weise auch gegenüber Wirtschaftsunternehmen.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die von der Beklagten in der angegriffenen Klausel vorgenommene Pauschalierung der Mahnkosten insgesamt unwirksam. Die eingeschlossenen Folgekosten enthalten einen nicht ersatzfähigen Arbeits- und Zeitaufwand für die Abwicklung des (Verzugs-)Schadens­ersatz­anspruchs. Eine Erstattungsfähigkeit dieser Kosten ergibt sich vorliegend auch nicht ausnahmsweise aus dem zur Durchführung des Mahnverfahrens betriebenen Aufwand oder den Aufgaben der Beklagten im Bereich der Daseinsvorsorge. Der aufgrund des Kontrahierungszwang im Bereich der Daseinsvorsorge möglicherwesie erhöhte Zahlungsausfall führt lediglich zu einer höheren Zahl an Mahnungen, macht jedoch das einzelne Mahnverfahren nicht aufwändiger. Allein die Häufung von Schadensfällen begründet keinen erhöhten und damit ersatzfähigen Aufwand. Die in der angegriffenen Mahnkostenpauschale enthaltenen Folgekosten sind auch nicht im Hinblick auf die Verbesserung der Zahlungsmoral der Kunden und damit aus gleichsam generalpräventiven Aspekten heraus ersatzfähig. Der Präventionsgedanke hat im Schadensersatzrecht nur dort eine eigenständige Bedeutung, wo dies in der Haftungsnorm angelegt oder vom Zweck der Ersatzpflicht umfasst ist. Dies ist beim Verzugsschadensersatzanspruch im Allgemeien nicht der Fall. Die Prävention ist insoweit lediglich eine nützliche Folge der Kompensation und vermag deshalb den eigentlichen Inhalt einer Schadensersatzverbindlichkeit nicht zu beeinflussen.

b) Die Mahnkostenpauschale ist auch wegen des in ihr enthaltenen Betrages von 0,7194 € Verzugszinsen unwirksam. Bei den Verzugszinsen auf die säumigen Hauptforderungen, aus denen die Beklagte den genannten Betrag errechnet hat, handelt es sich um eine andere, schon im Grundsatz nicht als Mahnkosten ersatzfähige Schadensposition. Der als Mahnpauschale verlangte Gesamtbetrag entspricht auch aus diesem Grund nicht dem Schaden, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten gewesen wäre.

c) Da in der Mahnkostenpauschale somit Beträge enthalten sind, die teilweise bereits dem Grunde nach, teilweise als "Mahnkosten" nicht ersatzfähig sind, ist die Klausel insgesamt unwirksam. Einer Reduzierung der Pauschale auf eine zulässige Höhe – vorliegend die Kosten für den Druck, die Kuvertierung, Frankierung sowie Versendung der Mahnung in Höhe von 0,7643 € – steht das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion entgegen.

d) Zudem genügt die Klausel hinsichtlich der in ihr enthaltenen Verzugszinsen nicht den Transparenzanforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach dieser Vorschrift kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen sowie wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen zu lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dem wird die Mahnkostenpauschale nicht gerecht, denn die in den Mahnkosten enthaltenen Verzugszinsen sind als solche nicht hinreichend erkennbar.

2.
Auch die von der Beklagten vorgenommene Pauschalierung der Kosten für die Unterbrechung der Versorgung und das sogenannte "Vorort-Inkasso" in Höhe von jeweils 77,13 € verstößt gegen § 309 Nr. 5 Buchst. a BGB sowie gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Zwar hat die Beklagte als Grundversorgerin dem Grunde nach durchaus einen Anspruch auf Erstattung der für die Versorgungsunterbrechung angefallenen Kosten als (regelmäßig) adäquat kausaler Verzugsschaden (vgl. § 19 Abs. 4 StromGW/GasGW). Die Kosten für diese Maßnahmen können auch grundsätzlich pauschaliert werden.

Die Beklagte als Verwenderin der Klausel trägt jedoch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Pauschale dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden entspricht. Die Beklagte hat vorgetragen, dass ihr von der Syna GmbH für die Unterbrechung der Versorgung Kosten in Höhe von (nur) 73,63 € entstanden sind. Die hierauf gestützte Würdigung des Berufungsgerichts, dass eine über diesen Betrag hinausgehende Pauschale nicht dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden entspreche und deshalb insgesamt unwirksam sei, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die von ihr verlangten Kosten lägen innerhalb der in den Monitoringberichten der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamtes ermittelten Kostenrahmen, da sich die Pauschale am branchentypischen Durchschnittsschaden und nicht an einer Bandbreite auszurichten hat. Zudem lagen hiernach die durchschnittlichen Kosten einer Versorgungsunterbrechung im Jahr 2015 bei 47 € und im Jahr 2016 bei 49 € und damit deutlich unter dem vorliegend verlangten Betrag.

Zudem verstößt die Klausel zum "Vorort-Inkasso" gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Aus dem Wortlaut ist nicht erkennbar, welche Tätigkeiten unter das "Vorort-Inkasso" fallen; insbesondere ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass es sich nicht um isoliert anfallende Inkassokosten für eine weitere, vor Ort ausgesprochene, Zahlungsaufforderung handelt, sondern um solche, die erhoben werden, wenn die Unterbrechung der Versorgung, zu deren Durchführung der Kunde aufgesucht wird, deshalb unterbleibt, weil auf die offene Forderung bei dieser Gelegenheit eine Zahlung geleistet wird.

Rat und Tat für Sie

Mit diesem Urteil bekräftigt der BGH erneut seine ständige Rechtsprechung, wonach als Mahnkosten im Wesentlichen nur der Ersatz der Material- und Portokosten für ein Mahnschreiben, nicht aber der Arbeitsaufwnad für dessen Erstellung ersatzfähig ist. Der BGH stellt klar, dass aufgrund der mitgeteilten Kosten der Süwag im Jahre 2014 nur eine Mahnkostenschauschale von 0,76 € gerechtfertigt gewesen wäre. Die Portokosten für einen Standard-Brief betrugen damals 0,60 €. Unter Berücksichtigung der aktuellen Portokosten von 0,80 € dürfte heute eine Mahnkostenschauschale von knapp 1,00 € gerechtfertigt sein. Höhere Mahnpauschalen sind regelmäßig unwirksam und müssen nicht bezahlt werden.

Auch für das "Vor-Ort-Inkasso" und die die "Unterbrechung des Anschlusses" hat die Süwag überhöhte und damit unzulässige Pauschalen erhoben. Selbst die Rechtsfertigung der Höhe der der Süwag von der Syna GmbH für die Unterbrechung des Anschlusses in Rechnung gestellen Kosten von 73,63 € erscheint fraglich, weil die von den Netzbetreibern durchschnittlich in Rechnung gestellen Kosten deutlich niedriger sind und im Jahre 2016 nur bei 48,00 € lagen.

Wurden auch Sie von der Süwag Vertrieb AG und Co. KG zur Zahlung einer entsprechenden Pauschale aufgefordert? Haben Sie die Pauschale schon gezahlt und überlegen nun, wie Sie Ihr Geld zurück bekommen können. In unserem Online-Rechtsberatungsforum beraten wir Sie gern. Außerdem halten wir auf unserer Download-Seite ein Musterschreiben bereit, mit dem Sie zu Unrecht gezahlte Pauschalen von der Süwag Vertrieb AG und Co. KG zurückfordern können.


Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

§ 307 Inhaltskontrolle
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.


§ 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäfts­bedingungen unwirksam

5. (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen)
die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
a) die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder
b) dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale;

Quelle: Urteilsabdruck

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